Noch einmal wollen wir das Kondolenzbuch aufschlagen und ein paar Stimmen vernehmen, die sich zum Tod des „Papst Franziskus“ geäußert haben. Das sollen aber dann die letzten sein.
Herr Hesemann
„Wenn ich die letzten zwölf Jahre mit Papst Franziskus in diesen Tagen Revue passieren lasse, dann sind es die großen Gesten und Bilder, die unvergessen blieben und mich nachhaltig berührten“, bekennt Michael Hesemann in einer „Reflexion“ auf dem charismatisch-konservativen Portal „kath.net“. Michael Hesemann, geboren 1964, ist nach Auskunft von „Wikipedia“ ein „deutscher Autor und Journalist“, der sich anfangs mit „UFOs“ und ähnlichen Dingen beschäftigte, seit 1997 jedoch „hauptsächlich populärwissenschaftliche Bücher zu christlichen sowie zeit- und kirchengeschichtlichen Themen“ verfaßt und „dabei dezidiert konservativ-traditionelle römisch-katholische Ansichten“ vertritt. Er ist „Gründungsmitglied der Initiative Deutschland pro Papa, die sich für die Papsttreue der Katholiken einsetzt“, und somit prädestiniert für einen wirklich positiven Nachruf auf den verblichenen Bergoglio nach dem Wahlspruch „De mortuis nil nisi bene“, der insbesondere für Päpste gelten sollte.
Der „Papst“ im „T-Shirt“
Zwar muß auch Hesemann zugeben, daß es „Phasen“ im „Pontifikat“ des „Franziskus“ gegeben habe, in welchen er mit ihm „gehadert“ habe. Es folgen die üblichen Tradi-Ressentiments: „Sein Ja zur unkontrollierten Immigration, sein Glaube an einen menschengemachten Klimawandel, seine Propagierung der Impfpflicht während der Pandemie, sein ziemlich unbarmherziger Umgang mit den Anhängern der Alten Messe und den treuesten Dienern seines großen Vorgängers“, das alles habe es ihm, Hesemann, „manchmal schwer“ gemacht, „Papst Franziskus bedingungslos zu lieben“. Immerhin hat er sich noch darum bemüht, den „Papst“ zu lieben, das ehrt ihn. Weitere Kritikpunkte in der Sicht Hesemanns sind diese: „Seinen Predigten fehlte oft die philosophische, theologische und zeitgeistkritische Tiefe, die wir bei Benedikt XVI. zu schätzen wussten, stattdessen erschienen sie so schnörkellos wie sein ganzer öffentlicher Auftritt.“ Ja, ein Schwurbler wie Ratzinger war Bergoglio nicht, das ist wahr. Das ist es, was wir unsererseits an ihm geschätzt haben. „Selbst im T-Shirt wagte sich der 266. Nachfolger Petri, der den ‚Karneval‘ der klerikalen Ästhetik für beendet erklärt hatte, kurz vor Ostern in den Petersdom und verwirrte damit auch einen unschuldigen kleinen Jungen, der nicht glauben konnte, gerade dem Papst begegnet zu sein.“
Die Begebenheit stellt sich uns ein wenig anders dar. Erstens war Bergoglio (der, wir wiederholen, nicht „der 266. Nachfolger Petri“ war, sondern der fünfte Nachfolger Roncallis) bei seinem „skandalösen“ Ausflug in den Petersdom (den er, bereits schwerkrank, spontan unternahm, um am Grab des heiligen Pius X. zu beten) nicht nur „im T-Shirt“, sondern trug eine „ponchoartige Decke“ (die freilich bisweilen ein wenig verrutschte). Zweitens war der Junge, dem er dabei begegnete, gar nicht mehr so „klein“, sondern sicherlich bereits 11 oder 12 Jahre alt (wie „unschuldig“ er war, können wir nicht wissen), und wußte dem Vernehmen nach gar nicht so recht, nicht nur wer da im Rollstuhl saß, sondern wer oder was der Papst überhaupt sei (vermutlich war er nicht einmal katholisch). Bergoglio winkte ihn heran, und als der Junge ihn fragte, wer er sei, sagte er, er sei „der Papst“. Daraufhin soll der Junge leichthin geantwortet haben: „Hi pope“, um sich umzudrehen und sichtlich unbeeindruckt – im positiven wie im negativen Sinne – seiner Wege zu gehen. Keine Rede von einem „unschuldigen kleinen Jungen, der nicht glauben konnte, gerade dem Papst begegnet zu sein“, und dadurch vielleicht einen Schaden fürs Leben davongetragen hat.
„Schicksalsstunde“
Hesemann aber dient die Story um festzustellen: „Mit solch demonstrativer Hemdsärmeligkeit polarisierte er.“ „Sektierer“ hätten ihn „schon am Tag seiner Wahl zum ‚falschen Propheten‘“ erklärt – das sind wohl die „Sedisvakantisten“ – „Traditionalisten“ hätten „für ein baldiges Ende dieses ‚unsäglichen‘ Pontifikats gebetet“ und auch „die Modernisten und Reformkatholiken“ seien „enttäuscht“ worden, weil sie „mehr von ihm erwarteten, als er zu geben bereit war“. Das ist fein beobachtet. In der Tat hatte Bergoglio das Talent, es sich zu ziemlich mit allen zu verscherzen, mit den „Rechten“ wie mit den „Linken“, mit „Konservativen“ wie mit „Progressiven“, mit Tradis wie mit Modernisten. „So hinterlässt er eine uneinige Kirche und ebnete den Weg zu einem Konklave, das tatsächlich zur Schicksalsstunde der katholischen Kirche wird“, meint Hesemann. „Uneinig“ ist die „Konziliare“ Menschheitskirche allerdings von Anfang an (es gehört zu ihrem Prinzip), und das kommende „Konklave“ mag alles werden, aber gewiß keine „Schicksalsstunde der katholischen Kirche“.
Blick auf das Wesentliche
Endlich aber kommt Hesemann zum Eigentlichen seiner „Reflexion“, denn er hat erkannt, daß all die eben von ihm aufgelisteten Bergogliaden reine „Äußerlichkeiten“ gewesen seien, „von denen wir alle uns ablenken ließen“. Da müssen wir Einspruch erheben! Nicht „wir alle“ haben uns „ablenken“ lassen. Einige – darunter auch wir, freilich ohne jedes eigene Verdienst – sind nüchtern geblieben und haben versucht, Bergoglio objektiv einzuordnen und zu analysieren. Das versuchen wir immer noch. Deshalb sind wir auch dankbar für Herrn Hesemanns Einsichten und Einschätzungen, die uns vielleicht weiterhelfen. Der richtet nun den „Blick auf das Wesentliche“, nämlich „die Erkenntnis, dass dieser Papst Franziskus sich zeitlebens bemühte, ein authentischer Verkünder des Evangeliums Jesu Christi von der Gottes- und Nächstenliebe zu sein“. Das können wir nachvollziehen, wobei Bergoglio seine besondere Auffassung vom „Evangelium Jesu Christi von der Gottes- und Nächstenliebe“ hatte, die alles andere als orthodox war. „Er war zwar kein Konservativer, aber auch kein Modernist, sondern ein Purist. Einer, für den Taten mehr zählten als Worte und der keine Kompromisse schätzte, weder mit der Tradition noch mit dem Zeitgeist.“ Auch das erscheint uns einigermaßen zutreffend.
Weiter charakterisiert Herr Hesemann Bergoglio als einen „Menschenfischer, der keine Seele verloren gehen lassen wollte und der zeitlebens um die Liebe seiner Mitmenschen rang“, einen „Visionär, der von einer Kirche träumte, die so arm, schnörkellos und rein wie zu Lebzeiten der Apostel sein sollte“, ja als einen „wahren Franziskus“ und einen „tieffromme(n) Diener Jesu, dem die Volksfrömmigkeit der Einfachen stets näher war als der intellektuelle Diskurs einer verkopften Hochschultheologie oder der barocke Pomp der letzten totalitären Wahlmonarchie unseres Planeten, des Vatikanstaates“. Das scheint uns allzu hochgestochen und einer idealisierenden Verklärung entsprungen zu sein. Doch angesichts der durch die „Hater“ betriebenen „Dämonisierung“ Bergoglios wollen wir es als kleinen Ausgleich stehen lassen.
Das „Evangelium“ von „Papst Franziskus“
Wichtig erscheint uns der Hinweis auf Bergoglio als „Marienverehrer, der sein Pontifikat der Madonna von Fatima weihte, der vor und nach jeder Auslandsreise der Gottesmutter wie ein guter Sohn Blümchen brachte und dessen letzter Wunsch es war, in ihrer Kirche, der Basilika S. Maria Maggiore, und eben nicht im Pomp des Petersdomes bestattet zu werden“. Man kann nur hoffen, daß seine Marienverehrung eventuell seine Seele gerettet haben mag. Ferner war für Hesemann „Franziskus“ ein „Mann des Friedens und der Gerechtigkeit, ein Versöhner, der alle umarmen wollte, ob sie nun Feinde oder Freunde waren, selbst auf die Gefahr hin, dem Falschen die Hand zur Versöhnung zu reichen und von diesem vereinnahmt zu werden“. Das dünkt uns nur bedingt richtig, da Bergoglio durchaus einige klare Fronten kannte, wenn es etwa um „Klerikalismus“ oder „Dogmatismus“ ging. Freilich entsprachen diese nicht dem üblichen kirchlichen und politischen Schubladendenken.
Das „Evangelium“ von „Papst Franziskus“ charakterisiert Hesemann als „das von einem barmherzigen Gott, der jedem verzieh“. In Wahrheit war sein „Evangelium“ das des Dr. Martinus Luther. Es war kein geringerer als der „Papa emeritus“ Ratzinger, der einst die „These“ aufstellte, „Franziskus‘ Kurs der Barmherzigkeit sei die Rechtfertigungslehre des Reformators in modernem Gewand“ (katholisch.de). In Hesemanns Augen war des „Franziskus“ „Nächstenliebe grenzenlos, auch wenn seine Barmherzigkeit eigene Grenzen hatte“ im Gegensatz zur grenzenlosen „Barmherzigkeit“ Gottes.
Die großen Gesten und Bilder
Vor allem aber sind es „die großen Gesten und Bilder“ dieses „Pontifikats“, welche Herrn Hesemann „nachhaltig berührten“, wie wir schon eingangs hörten. Da ist an „erster Stelle natürlich“ zu erwähnen „der Tag des Habemus Papam, als er da, ohne jeden päpstlichen Pomp, auf der Loggia des Petersdomes erschien und die Gläubigen mit einem schlichten ‚Buona Sera‘ grüßte“. Bergoglio äußert sich dazu in seiner Autobiographie „Hoffe“, wo er über die Höflichkeit spricht: „Wenn unsere Wirklichkeit häufig aggressiv und zurückweisend ist, heißt das, dass sie noch mehr Höflichkeit braucht: Und damit sollten wir in der Familie anfangen und bei uns selbst“ (S. 69). Das sei auch das Thema seiner „Ansprache an alle Brüder und Schwestern“ gewesen, als er sich „am 13. März 2013 zum ersten Mal von der Loggia der vatikanischen Basilika als Bischof von Rom an sie wandte“. „Ich habe sie mit ‚Guten Abend‘ begrüßt, weil diese einfachen Worte, deren wir uns nur selten bewusst sind, zeigen, dass wir aufmerksam und fürsorglich und voller Nächstenliebe sind.“ Dies sei keine „leere Formel“, vielmehr wünschten wir „unseren Mitmenschen damit das Heil“, habe es doch früher „Salve!“ geheißen, und erinnerten uns „gegenseitig daran, dass das Leben über allem steht, dass wir uns über die Begegnung freuen, darüber, dass der andere existiert“. „All das liegt in jedem einfachen Gruß“ (ebd.). Bergoglio hatte seine Worte durchaus mit Bedacht und Sorgfalt gewählt. Nur eines lag nicht in seinem Gruß: ein übernatürlicher Bezug. Auch das war gewiß kein Zufall.
Hesemann kam dies so vor, als habe Bergoglio „nicht die Kathedra Petri bestiegen, sondern eine römische Trattoria betreten“, und er lag gar nicht so falsch mit diesem Eindruck. „Statt gleich seinen ersten päpstlichen Segen zu spenden, neigte er sein Haupt und bat die Gläubigen um ihr Gebet für ihn. Eine Geste der Demut, die Herzen berührte.“ Bergoglio wußte vielleicht, daß er nicht in der Lage war, einen päpstlichen Segen zu spenden, und wie notwendig das „Gebet für ihn“ war, das wir auch jetzt nicht unterlassen wollen, wo es seine Seele womöglich besonders nötig hat.
Überraschung
Allerdings, so Herr Hesemann, der unter denen war, die „damals auf dem Petersplatz standen“, war das nicht die erste Überraschung. Bereits die Wahl Bergoglios selber sei überraschend gewesen, denn niemand, „aber wirklich kein einziger Vatikankorrespondent, dem ich in den Tagen vor und während des Konklaves begegnet war, hatte ihn auf dem Schirm gehabt“. Das überrascht nun wieder uns, denn angeblich wäre Bergoglio schon 2005 beinahe zum Nachfolger Wojtylas gewählt worden, und für viele „Insider“ war klar, daß er der nächste nach Ratzinger sein werde, was man auch 2013 bereits aus einigen Medien erfahren konnte. Nach Hesemann aber waren die Journalisten so verblüfft, daß keiner von ihnen etwas über Bergoglio zu schreiben wußte, weshalb einer seiner Kollegen sich rasch eine „Biografie des neuen Papstes“ aus den Fingern saugte, die sich zwar „glänzend verkaufte“, in der aber „alles falsch“ war, wie ihm, Hesemann, die Schwester Bergoglios Maria Elena später persönlich unter Lachen versicherte.
Im Gegensatz zum armen „Proletarierpapst“, als den man ihn hingestellt hatte, „dessen bettelarme Großeltern in Argentinien ihr Glück suchten und dessen Vater ein Eisenbahnarbeiter war“, sei die Familie Bergoglios durchaus bürgerlich und wohlhabend gewesen, während erst die Wirtschaftskrise von 1929 ihrem „Reichtum ein Ende“ machte. Sein Vater nahm dann „einen Job als Buchhalter in einer Miederwarenfabrik an“, und so wuchs Jorge Mario Bergoglio „in einem wunderhübschen Jugendstilhaus in dem pittoresken, bürgerlichen Stadtteil Flores auf, statt in den Armensiedlungen am Stadtrand“. „Er studierte, wollte Chemiker werden, als der Herr ihn zum Priester berief“, was ihn in den Jesuitenorden führte. „In Europa sind die Jesuiten große Intellektuelle und Pädagogen, in Lateinamerika aber Missionare und Sozialarbeiter“, weiß Hesemann, und das mag einiges von Bergoglios Eigenheiten erhellen. Denn letzteres lag ihm „mehr als das Studium der Theologie“, weshalb auch sein Auslandsaufenthalt in Deutschland „nicht etwa zur geplanten Dissertation“ führte, „sondern eher zur Entdeckung von Land und Leuten und einer großen Liebe zur ‚Knotenlöserin‘, einem Gnadenbild der Gottesmutter, das er in Augsburg kennenlernte“ und das er später als „Bischof“ in Argentinien und darüber hinaus bekannt machte und verbreitete. Möge sie ihm das vergolten haben!
Öffentlichkeitswirksame Gesten
Als „Bischof der Armen“ und „Gewissen der argentinischen Kirche, das durch seine Glaubwürdigkeit überzeugte“, wollte er „nicht durch Worte, sondern durch das eigene Beispiel erziehen“, wie er es „einst von seinem Vater gelernt hatte“. Er fuhr mit der U-Bahn statt mit der bischöflichen Limousine, bewohnte ein einfaches Zimmer statt dem erzbischöflichen Palais, und reiste mit einer „kleinen Ledertasche“ nach Rom, ohne etwas nachkommen zu lassen (was freilich schon deshalb nicht nötig war, weil er als „Papst“ bestens versorgt war). Seine „päpstliche“ Wohnung bezog er, wie wir wissen, im Gästehaus statt im päpstlichen Palast, und daß er dort „ein größeres Schlafzimmer hatte als im päpstlichen ‚Appartamento‘“ – und überhaupt vermutlich einen größeren Komfort als in dem alten Gemäuer des Palastes –, „spielte dabei keine Rolle“. Schließlich kam es auf die „erzieherische“ Symbolwirkung an. „Es ist die Wirkung nach außen, die bei den Menschen ankam. Das hat Bergoglio besser verstanden als die meisten seiner Vorgänger.“ Das würden wir so nicht sagen, denn wenigstens seine unmittelbaren Vorgänger Wotjyla und Ratzinger waren ebensolche Meister der Inszenierung für die „Wirkung nach außen“. Das gilt auch für seine Strategie der „medien- und öffentlichkeitswirksame(n) ‚große(n) Gesten‘“.
Hesemann zählt einige dieser „Gesten“ auf, darunter die, als „Russland in der Ukraine einmarschierte“ und Bergoglio „das Gnadenbild von Fatima einfliegen“ ließ, um „beide Länder der Gottesmutter“ zu weihen. Den Frieden hat das leider nicht gebracht. Die „Geste“ mag „öffentlichkeitswirksam“ gewesen sein, friedenswirksam war sie nicht. Aber auch die „große Geste“ der „eher peinlichen Huldigung an die Symbolfigur für ‚Mutter Erde’, Pachamama“, darf in Hesemanns Aufzählung nicht fehlen, welche „die Gläubigen“ irritiert und „Franziskus schweren Anschuldigungen“ ausgesetzt habe. Dabei war Bergoglio keineswegs der erste „Konziliare Papst“, der heidnischen Göttern huldigte. Wir erinnern an Wojtylas Assisi-Greuel und andere „interkulturelle“ Schandtaten, die er sich leistete, wie etwa den „Empfang des Tilak-Zeichens in vollem Ornat im Stadion Neudelhis durch eine Shiva-Priesterin“ (Vom Lehramt zum Leeramt IV.2), oder an die „Pan-Mitra“, die Ratzinger bei seiner „Inauguration“ trug (Fortschritt durch Rücktritt). Diese Dinge sind heute vergessen, und beide gelten als Hort der Rechtgläubigkeit. Daher sind wir auch bei „Franziskus“ guter Dinge, daß die Geschichte über derlei Eskapaden wie die „Pachamama“ hinwegsehen und ihm den Titel eines Glaubensverteidigers geben wird.
Revolutionär
„Durchaus authentisch“ empfand Herr Hesemann „die Sorge des argentinischen Papstes um die Benachteiligten“. Bei seinen offiziellen Auftritten „fieberte“ er „dem Moment entgegen, wenn er zu den Kranken und Behinderten hinabsteigen konnte und ganz für sie da war“. „Ohne jede Berührungsangst, liebevoll, ja zärtlich umarmt und küsste er jeden. Er hörte dort auch zu. Die prima fila [die erste Reihe, in der die vornehmen Ehrengäste ihren Platz haben] dagegen schien ihn weniger zu interessieren, da schweifte sein Blick schon zum nächsten, wenn ein Audienzteilnehmer ihm noch etwas zu erzählen versuchte.“ In den Genuß dieser „Sorge um die Benachteiligten“ kam auch die „Piusbruderschaft“. Ganz anders war sein Verhalten gegenüber „den eigenen Leuten“, wie Georg Etscheit schreibt (s.u.). Dort galt er „als autoritär, zuweilen brutal“, „während er Gruppen ‚am Rande der Gesellschaft‘ öffentlichkeitswirksam hofierte“. „Wie ein Vater, der seine eigenen Kinder hasst“, habe ein „konservativer Priester“ geäußert, „für den der Tod des Papstes beinahe ein Freudentag war.“
„Ein Kommunist, wie ihm unterstellt wurde, war er nie“, weiß wiederum Hesemann, „durchaus aber ein Revolutionär südamerikanischer Prägung.“ Damit paßte er gut für die wesenhaft revolutionäre „Konzilskirche“. Während er in seiner Kindheit einen „tiefen Glauben“ vermittelt bekam, habe ihn doch auch „die argentinische Gesellschaft“ geprägt, namentlich „der Nationalismus eines Peron“. Seine Schwester bestätigte dem Autor, Beroglio sei „Peronist“ gewesen. Das erstaunt, denn die Peronisten liebten ihn nicht eben sehr. „Bis zu seiner Ernennung zum Papst hatten die regierenden Peronisten Bergoglio regelrecht gehasst“, heißt es in einer „persönlichen Erinnerung“ von Gaby Weber, erschienen am 23. April auf „Overton Magazin“. „Von den Peronisten wurde er als Strippenzieher der Rechten bezeichnet. Für sie war und ist jeder Andersdenkende automatisch ein Feind, und der Erzbischof hatte das Präsidentenehepaar Néstor und Cristina Kirchner wiederholt wegen ihrer Korruption und ihrer unzureichenden Sozialpolitik kritisiert.“ Durch das Gerücht, er habe mit den Militärs kollaboriert, das gezielt „bei der Papstwahl 2005 gestreut“ wurde, sei es gelungen, „dem Deutschen Joseph Ratzinger zum Sieg gegen seinen Konkurrenten aus Argentinien“ zu verhelfen.
Viele, darunter Hesemann, halten jedoch den Peronismus, der „die perfekte Synthese von Diktatur, Sozialismus und Show-Business“ gewesen sei, für den Schlüssel zu seinem „Pontifikat“. Wobei allerdings auch seine Prägung durch die südamerikanischen Jesuiten zu berücksichtigen sei, meint Hesemann, die „von Anfang an“ in Südamerika „aneckten“, „weil sie sich auf die Seite der Armen und Unterdrückten gestellt hatten“. „Ganz sicher“ sei „Franziskus“ ein „Pazifist“ gewesen. Immer setzte er „konsequent auf Frieden“, ob im „syrischen Bürgerkrieg“ oder im „Ukraine-Konflikt, bei dem er so neutral blieb, dass beide Kriegsparteien ihm eine Nähe zur jeweils anderen Seite unterstellen“. Bei „aller Diplomatie und political correctness“ habe er jedoch „auch den Mut zur Aussprache unbequemer Wahrheiten“ gehabt, was ihm einige Sympathien verscherzte.
Der „interkonfessionelle und interreligiöse Dialog“ sei ein weiterer „Schwerpunkt seines Pontifikats“ gewesen. Auch hierin setzte Bergoglio getreu die Linie seiner Vorgänger fort. Vor allem mit dem „Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel“ verstand er sich recht gut, bis „das Dokument ‚Fiducia Supplicans‘ seines neuen Präfekten des Glaubensdikasteriums“ den „Dialog mit den Ostkirchen“ empfindlich störte, da für diese „jede noch so unsakramentale Homo-Segnung ein Unding“ sei. Mit den Lutheranern und mehr noch den „evangelikalen Christen“ sei „intensiv“ dialogisiert worden (wir erinnern uns in diesem Zusammenhang an die „große Geste“, mit welcher Bergoglio am 13. Oktober 2016 eine Luther-Statue neben seinen „päpstlichen“ Stuhl plazierte, diese mit einem katholischen, sich selbst aber mit einem katholischen und einem protestantischen Schal dekorierte), und „exzellent“ sei sein „Verhältnis zum Judentum“ gewesen – das allerdings zuletzt eine beträchtliche Trübung erfuhr wegen seines Einsatzes für die Palästinenser in Gaza, so weit, daß Israel dem Vernehmen nach zum Tod des „Papstes“ nicht kondolierte und all seine Botschafter angewiesen habe, desgleichen zu tun. Besser verlief sein „Dialog“ mit dem Islam, der in der berühmt-berüchtigten „Abu-Dhabi“-Erklärung seinen Höhepunkt fand.
Bergoglios „Barmherzigkeit“
Das ganz „große Thema seines Pontifikats“ aber sei „Gottes Barmherzigkeit“ gewesen – die er, wie wir schon gehört haben, im Sinne Luthers auffaßte. Er knüpfte damit an „Johannes Paul II.“ an, der eine ganze „Enzyklika“ über die „göttliche Barmherzigkeit“ verfaßt hat, und war vor allem durch Walter Kaspers Buch „Barmherzigkeit“ inspiriert, so sehr, daß der Erzmodernist Kasper für Bergoglio, der selber „nie ein großer Theologe war“, zum „Leib- und Magentheologen“ wurde. „Kaspers Theologie dominierte dann auch die Familiensynode 2014/15, die in der Veröffentlichung des ‚nachsynodalen apostolischen Schreibens’ ‚Amoris laetitia’ gipfelte, zu dessen wichtigsten Autoren der Wiener Erzbischof em. Christoph Kardinal Schönborn gehörte.“ Eine Fußnote dieses Schreibens freilich verursachte große Aufregung bei den „Konservativen“ und einigen Ärger bis hin zu den „Dubia“ einer Handvoll „Kardinäle“, auf die „Franziskus“ angeblich nicht geantwortet habe. Das trifft nicht zu, denn diese Antwort hat er sehr wohl gegeben, als er eine Auslegung bewußter „Fußnote“ durch die „Bischöfe“ der Region von Buenos Aires als einzig zutreffende und „authentische Interpretation“ in die „Acta Apostolicae Sedis“ aufnehmen ließ.
Als „Höhepunkt“ seines „Pontifikats“ sollte das „Außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit“ gelten, das er für 2015/2016 ausgerufen hatte und für welches seine grenzenlose „Barmherzigkeit“ auch den „Piusbrüdern“ eine in jeder Hinsicht außerordentliche „Beichtvollmacht“ gewährte. „Immer wieder demonstrierte Franziskus seine Bereitschaft, den Sünder in seine Arme zu schließen, auch wenn er durchaus klare Standpunkte vertrat“, so z.B. in seinem Eintreten „für den Lebensschutz“ und „gegen Abtreibung“. „Wer daher Franziskus für einen Modernisten hält, der sei daran erinnert, dass kein Papst der Moderne so oft ganz unverblümt über den Teufel gesprochen hat wie er.“ Das stimmt, bedeutet aber nicht viel. Auch ein Modernist kann über den Teufel sprechen.
Falsch verstanden und „famous last words“
Dennoch wurde Bergoglio für Hesemann „falsch verstanden“, und „zum Verhängnis“ sei ihm geworden, daß man „schon früh versuchte, ihn für die Sache der Kirchenreformer einzuspannen“. Der deutsche „Synodale Weg“ täuschte sich in ihm und war indigniert, „als Franziskus dann doch nicht bereit war, nach der Pfeife der Deutschen zu tanzen“. „So wird er wohl als missverstandener Papst in die Geschichte eingehen und die Tragik bleiben, dass diese Missverständnisse die Gläubigen polarisierten und nicht selten auch von ihrem Oberhirten entfremdeten.“ Das ist nicht falsch. Aber auch da ist er nicht der erste und der einzige. Wir denken da vor allem an Ratzinger, der wohl der am meisten mißverstandene und „mißkannte“ aus der Riege der bisherigen „konziliaren“ Pseudo-Päpste sein dürfte.
„Was aber bleibt ist die Erinnerung an einen Papst, der zutiefst menschlich war“, glaubt Hesemann und hält „seine letzten Tage“ für das vielleicht „stärkste Zeichen seines Pontifikats“, da er „als alter, müder, von Krankheit und dem nahenden Tod gezeichneter Hirte noch einmal bei seiner Herde“ sein wollte und „ein letztes Bad in der Menge“ nahm. Ein besonderes Augenmerk will Michael Hesemann auf die „famous last words“, die „letzten Worte“ des „Pontifex“ gerichtet wissen, hätten diese „letzten Worte eines Papstes“ doch „immer etwas Prophetisches“. Der „nahezu verklärte Benedikt XVI.“ sei „mit den Worten ‚Jesus, ich liebe Dich‘ auf den Lippen“ verschieden, „der große Johannes Paul II. mit ‚Lasst mich ins Haus des Vaters gehen‘“. „Bei Franziskus lauteten sie, an seinen Krankenpfleger gerichtet: ‚Danke, dass sie mich zurück auf den Platz gebracht haben.‘“
Mit diesen „letzten Worten“ ist das immer so eine Sache. Für gewöhnlich sind sie mehr mythisch als historisch. Bei Ratzinger etwa mußte man sich die Frage stellen: Waren es „letzte, vorletzte oder gar nicht gesprochene Worte?“ (Der Mythos Joseph Ratzinger). Für Hesemann aber steht fest, daß Bergoglio „wahrhaft der ‚Papa del popolo‘, der Volkspapst“ gewesen sei. Seine kurz vor seinem Tod erschienene Autobiographie „Hoffe“ sei „großartig und schon jetzt ein spiritueller Klassiker“. Sein größtes und bleibendes Verdienst aber sei, daß „dieser unbequeme Mann aus Argentinien“ uns „wie kein anderer zu Nächstenliebe und Christusnachfolge“ aufgefordert habe, und „das allein macht ihn schon zu einem großen Papst, der Zeichen gesetzt hat“. Sein Beispiel könne „uns alle zu besseren Menschen und die Welt zu einem gerechteren Ort machen – und damit dem Himmel ein wenig näher bringen“. Deshalb schließt Hesemann seine Hommage mit den bewegenden Worten: „Danke, Papst Franziskus!“ Ja, da fehlt eigentlich nur noch die Heiligsprechung.
Keine heiligen Schauer
Aber bewahre uns Gott davor, dem „heroischen“ Beispiel dieses Mannes zu folgen, für den die übernatürlichen Wahrheiten wenig zählten – wenn überhaupt – gegenüber dem Anliegen, diese „Welt zu einem gerechteren Ort“ zu machen, was schon viele vergeblich versucht haben, indem sie Gott und die (wahre) Kirche dabei ausblendeten. Zu ihnen müssen wir auch Bergoglio rechnen, was sich umso verhängnisvoller auswirken mußte, da er sich der Welt als „Stellvertreter Christi“ darstellte. Lassen wir daher noch schnell Herrn Georg Etscheit, den wir oben schon erwähnten, zu Wort kommen, um „Franziskus“ nach Hesemanns Heiligenlegende ein wenig „entmythologisieren“ zu helfen. Etscheit ist „Autor und Journalist in München“, schreibt gelegentlich für das „konservativ“-liberale „Achgut“, wo auch sein von uns entdeckter Beitrag erschien, und „outet“ sich darin als Ratzinger-Fan.
Überschrieben war sein Beroglio-Nachruf mit „Keine heiligen Schauer“, und damit begannen auch Etscheits „persönliche Erinnerungen und Gedanken zum Tod von Papst Franziskus“. Die „Übertragung des Ostersegens“, „Urbi et Orbi“, „an die Stadt (Rom) und den Weltkreis“ habe er sich „unter seinen Vorgängern selten entgehen lassen“, bekennt der Autor, und oft sei ihm „dabei ein heiliger Schauer über den Rücken gelaufen“. „Bei Franziskus schauerte nichts.“ Das ist natürlich ein sehr bedenkliches Omen. Schon als Bergoglio das erste Mal gleich nach seiner Wahl „auf dem Balkon des Apostolischen Palastes zu den Gläubigen sprach“, sei er „entsetzt“ gewesen. Denn der neugewählte „Papst“ habe die Menge in einer Art und Weise begrüßt, als „wäre er gerade vom Einkaufen nach Hause gekommen“. Daß dies mit Wohlbedacht geschah und was er sich dabei dachte, haben wir bereits gesehen. „Prosaischer“ sei es nicht gegangen, doch sei das „Programm beim Papst aus Argentinien, der sich immer so nahbar gab“, im „persönlichen Umgang“ jedoch „weniger nahbar gewesen zu sein“ schien. Das kam freilich immer darauf an, mit wem er „persönlichen Umgang“ hatte, wie wir oben schon hörten.
Bergoglio versus Ratzinger
Dagegen, schwärmt Etscheit, sei „der erste Auftritt von Joseph Ratzinger ein Moment“ gewesen, der „ihm immer im Gedächtnis haften wird“. Naja, für „immer im Gedächtnis haften“ geblieben ist ihm wohl der „erste Auftritt“ Bergoglios genauso, nur daß er diesen negativ, den Ratzingers aber positiv konnotiert hat. Der eine war für ihn „prosaisch“, der andere jagte ihm „heilige Schauer“ über den Rücken (oder vielleicht war damals die Heizung nicht an). „Franziskus zelebrierte Demut, … Benedikt lebte sie“, raunzt er mißbilligend. Andere mögen das anders gesehen haben. Nach unserer Einschätzung waren sie beide nicht demütig. Sonst hätten sie auch keine Modernisten sein können, denn nach dem heiligen Pius X. und seiner Enzyklika „Pascendi“ ist eine Wurzel des Modernismus der Stolz.
„Franziskus“ habe er „jetzt schon vergessen“, tut Etscheit obenhin, wenn er ihn „als katholisches Kirchenoberhaupt überhaupt jemals wahrgenommen habe“. Offensichtlich hat er ihn doch als solchen wahrgenommen, und vergessen hat er ihn auch nicht. Warum sonst der Nachruf mit seinen „Gedanken zum Tod von Papst Franziskus“? „Gepunktet“ habe der „Jesuit ‚vom anderen Ende der Welt‘“ vor allem „bei jenen, die dem Glauben fernstehen“. Der edle „Benedikt“, „dem man fälschlicherweise einen Hang zu Prunk und Pomp nachsagte“, habe sich „auch äußerlich in die ehrwürdige Tradition seines Amtes“ gestellt, „während Franziskus dieses Amt dem Habitus eines Bettelordens anglich und damit radikal umdefinierte“, indem er statt „in roten Pantoffeln als Zeichen der Passion Christi“ in „schwarzen Straßentretern“ herumlief, „die päpstlichen Gemächer im Apostolischen Palast mit einer Suite im vatikanischen Gästehaus“ vertauschte und „auf den Philippinen, wo ihn ein Taifun überraschte“, „ein scheußliches Plastikregencape“ trug. Das wäre Ratzinger, der eher eitel war und sehr viel auf sein Äußeres gab, freilich nicht passiert. Und Etscheit legt offensichtlich viel Wert auf derlei Äußerlichkeiten, weil ihm das „heilige Schauer“ verursacht, die bei einem „scheußlichen Plastikregencape“ – trotz Regen-Schauer – nicht aufkommen wollen.
Auch sonst scheint ihm sein Liebling Ratzinger „oft missverstanden“ worden zu sein – ein Los, das er allerdings mit Bergoglio teilte, wie wir oben sahen. Eine „glatte Lüge“ etwa sei es gewesen, daß er in seiner legendären „Regensburger Vorlesung“ den „Islam verunglimpft haben soll“, was Etscheit gleich zu einem Seitenhieb gegen Bergoglio benutzt, denn Ratzinger habe wenigstens nicht die „Hamas“ „hofiert“, „was als Reminiszenz an den den christlichen Antijudaismus gedeutet werden konnte“. Ratzinger sei immer dem Bilde des „Panzerkardinals“ entsprechend interpretiert worden, während „Franziskus“, „genauso absichtsvoll, wohlverstanden“ wurde, „obwohl er keinesfalls der Neuerer war, als den man ihn sehen wollte“. Also wurde er auch nicht „wohlverstanden“, sondern der eigenen Ideologie gemäß fehlinterpretiert.
Die „Hasser“
Nein, kein gutes Haar läßt Ratzinger-Fan Etscheit an Bergoglio. Sein „Verhältnis zu Homo***uellen“ sei „zwiespältig“ gewesen, und trotzdem sei er „dafür gefeiert“ worden. Ja, so ungerecht ist die Welt! Auch daß es „keine Proteste gegen das unbarmherzige Corona-Regime der Amtskirche“ seitens Bergoglios gab, ist für den nachtragenden Etscheit „ein Skandal, der bis heute nur ansatzweise aufgearbeitet ist“. Dabei übersieht er ganz, daß Bergoglio damals selber mit „gutem Beispiel“ voranging und im Vatikan eines der strengsten „Corona-Regimes“ errichtet hatte. Seine „Umweltenzyklika ‚Laudato si’“ habe er sich „großenteils von dem Klima- Ideologen Hans Joachim Schellnhuber diktieren“ lassen, wirft Herr Etscheit „Franziskus“ vor, und das werfe „kein allzu gutes Licht auf sein analytisches Niveau und seine Kritikfähigkeit“, zumal Gott darin „nur noch am Rande“ vorgekommen sei, „linkspopulistisch-antikapitalistische Konzepte dafür umso mehr“. Sagen wir doch, daß für Bergoglios Bestreben um eine „gerechtere Welt“ Gott keine oder nur eine geringe Rolle spielte. Die Einschätzung seiner Konzepte als „linkspopulistisch-antikapitalistisch“ spiegeln wohl die entgegengesetzte politische Einstellung des Autors.
„Ganz besonders“ aber verübelt der „diesem Papst, dass er ein Kernanliegen Benedikt XVI., die Annäherung an die Anhänger der alten, vorkonziliären Liturgie genauso gefühllos rückabwickelte, wie er die einstigen Vertrauten des emeritierten Papstes, Kardinal Gerhard Ludwig Müller und Erzbischof Georg Gänswein kalt stellte“. Ah, da kommen wir dem Kern der Sache schon näher. Müller und Gänswein – diese armen „Opfer“ (die sich beide als „Märtyrer“ feiern lassen, der eine, indem er als Oberlehrer-„Cardinal“ und „Über-Papst“ mit „Cappa magna“ in der Weltgeschichte umherreist, der andere, indem er als „Nuntius“ zu Litauen im prunkvollen roten Cape Hof hält; das gäbe wieder einige „heilige Schauer“!). Etscheit ist eben ein „Konservativer“, und als solcher verherrlicht er Ratzingern, denn dieser habe „erkannt, dass die wenigen jungen Männer, die sich zumindest in großen Teilen des säkularen Westens heute noch für ein Priesteramt entscheiden, konservativ denken“. Deshalb ziehe es viele derselben „gleich zur Pius- oder Petrusbruderschaft, deren Ausbildungsstätten aus allen Nähten platzen, anstatt in die verwaisten Priesterseminare der Amtskirche“.
Dazu gibt es ein paar Zahlen der „Piusbruderschaft“ aus den USA. Dort empfingen unlängst 34 Seminaristen die Niederen Weihen, 6 wurden zu Subdiakonen geweiht. Ein Vertreter des „Pius-Widerstands“, der einst selber Seminarist bei den „Piusbrüdern“ gewesen ist, bemerkte dazu in einem Forum, diese Zahlen seien fast dieselben wie zu seiner Seminarzeit Ende der 1980er bis Anfang der 1990er Jahre. Er fragt sich, ob dafür der Bau eines neuen Seminars für 50 Millionen Dollar nötig war, während doch das vorige Seminargebäude völlig ausreichend gewesen sei, zudem in einer sehr reizvollen Landschaft lag und von so viel Grund umgeben war, daß man leicht noch hätte Erweiterungsbauten hinstellen können, wenn sie denn notwendig gewesen wären. Soviel zu den „aus allen Nähten platzenden Ausbildungsstätten“ der „Piusbrüder“. Für Etschereit aber steht fest: „Während Benedikt die besondere Spiritualität und Glaubensfestigkeit der katholischen Traditionalisten für die Gesamtkirche nutzbar machen wollte, gab ihnen Franziskus einen Fußtritt.“ Ja, da haben wir ihn: Bergoglio, den „Traditionalisten“-Hasser! Oder ist es vielleicht umgekehrt? Sind womöglich die „Tradservativen“ „Bergoglio-Hasser“ und haben ein etwas verzerrtes Bild von ihm, so wie die „Ratzinger-Hasser“ vom „Panzerkardinal“? Sicher ist, daß keiner seiner Vorgänger so gut mit der „Piusbruderschaft“ umgegangen ist wie Bergoglio („Beichtjurisdiktion“, Eheschließungen, „Generaloberer“ als Richter usw., wir haben darüber schon gesprochen).
Bergoglio, der „Jesuit“
Man sage Bergoglio „nach, dass er mit liturgischen Fragen nichts am Hut hatte“. Damit ähnle er „jenen im Geist der siebziger und achtziger Jahre stehen gebliebenen Konzilspriestern, denen man anzusehen meint, dass ihnen das Feiern der Eucharistie fast peinlich ist“. Wieder ein Klischee. Aber um Bergoglio in dieser Hinsicht ein wenig gerechter einschätzen zu können, sollte man sich vielleicht erinnern, daß er immerhin „Jesuit“ war und man von den Jesuiten früher schon sagte: „Jesuita nec rubricat, nec cantat“, ein Jesuit rubriziert nicht und singt nicht. In der Tat haben die Jesuiten in der Regel keinen besonderen Wert auf eine feierliche Liturgie gelegt. Das dürfte insbesondere den Jesuiten in Südamerika kaum ein Herzensanliegen gewesen sein. Insofern steht Bergoglio hier in einer gewissen „Tradition“, die nicht erst dem „Geist der siebziger und achtziger Jahre“ entsprang. Für die Tradis freilich, denen ihre „Alte Messe“ alles ist, ist das ein unverzeihlicher Fehler. (Übrigens machten sich die Jesuiten auch nicht viel aus prunkvoller Kleidung. Sie hatten nicht einmal ein eigenes Ordensgewand, sondern trugen schlicht eine möglichst einfache Kleriker-Tracht.)
Daß Bergoglio „Jesuit“ war, weiß auch Etscheit, allerdings dient ihm das zu einem weiteren Vorwurf gegen den ihm verhaßten „Franziskus“. Den Jesuiten, betont er, habe man stets nachgesagt, „dass sie zwar sehr effiziente Missionare seien und damit wirkungsvoll zur Verbreitung des Glaubens beitrügen“, doch habe man ihnen „zugleich vorgehalten, sie identifizierten sich dabei oft so sehr mit den zu bekehrenden Nicht-Gläubigen, dass sie selbst Häretiker und kaum noch als überzeugte Christen erkennbar seien“. „Immer wieder“ sei „der Jesuitenorden nicht zuletzt aus diesen Gründen mit dem Vatikan in Konflikt“ geraten. „Doch nun saß einer der ihren selbst auf dem Papstthron“, schließt er vielsagend diesen Abschnitt. Was will er damit sagen? Etwa daß Bergoglio ein Häretiker „auf dem Papstthron“ war? Auf dem „Papstthron“ der „Konziliaren“ Menschheitskirche wäre er damit nicht die Ausnahme, sondern die Regel, und fände sich in bester Gesellschaft sämtlicher seiner Vorgänger.
Zum Schlusse möchte der Autor dann doch noch wenigstens etwas Positives sagen, denn wir wissen ja: „De mortuis nil nisi bene.“ Deshalb will er zugestehen, daß man es Bergoglio möglicherweise als „Verdienst“ anrechnen könne, daß er, „nicht zuletzt aus dem internationalen Geist des Jesuitentums heraus, die Kirche noch mehr zur Weltkirche machte“, indem er „viele traditionelle Kardinalssitze außen vor“ ließ und „dafür Purpurträger von den geographischen Rändern“ berief, „die bislang im Kardinalskollegium nicht vorkamen oder unterrepräsentiert waren“. Daher lasse sich nun schwer voraussagen, „in welche Richtung das Pendel nach seinem Tod ausschlagen wird“. Wie man hörte, hat Bergoglio so viele „Kardinäle“ ernannt, daß sie im „Gästehaus“ des Vatikan gar nicht genügend Platz haben – zumal seine eigene „Suite“ auch noch nicht frei geworden ist. Vielleicht wird ja der nächste „Papst“ gleich dort einziehen – je nachdem, wohin das „Pendel“ ausschlägt.
Ein letzter Nachruf aus berufenem Munde
Wir wollten diese Serie damit schon abschließen, als uns auf „kath.net“ noch ein interessanter „Nachruf“ in die Augen fiel, den wir keineswegs auslassen wollen. Er stammt aus berufenem Munde, nämlich von Luciano Romoli, dem „Großmeister der Großloge von Italien“. In deren Namen schließt sich der „Großmeister“ der „weltweiten Anteilnahme anlässlich des Todes von Papst Franziskus an, einem Hirten, der mit seinem Lehramt und seinem Leben die Werte der Brüderlichkeit, der Demut und der Suche nach einem planetarischen Humanismus verkörperte“. Bergoglio „habe die Kirche verändert und die ‚revolutionäre Lehre des hl. Franz von Assisi’ zurück in die Geschichte gebracht“. Sein Wirken sei von einer „tiefen Resonanz mit den Prinzipien der Freimaurerei geprägt: die Zentralität der Person, Respekt für die Würde jedes Individuums, Aufbau eine Gemeinschaft der Solidarität und das Streben nach dem Gemeinwohl“, und mit seiner „Enzyklika ‚Fratelli tutti‘“ habe er ein „Manifest“ für das „dreifache Wertesystem der Freimaurerei“, „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, geliefert.
Sein Ziel sei dasselbe wie das der „Großloge“ gewesen, nämlich eine „in Vielfalt geeinte Menschheit aufzubauen“ auf einem Weg, der „frei vom Dogma ist“. „Toleranz, Solidarität und Widerstand gegen Hass und Ignoranz“ seien die Merkmale des „Inneren Tempels“ der Freimaurer, und sie habe „Franziskus“ „in den Mittelpunkt seines Pontifikates gestellt“. Die Loge preist Bergoglios Engagement für eine „nachhaltige, gerechte und solidarische Zukunft“, seine „Vision des ‚gemeinsamen Hauses‘“ und sein „planetarisches Bewusstsein“. „Sie ehre das Andenken an Franziskus, indem sie sich ‚für eine Ethik der Grenzen, für die Achtung des anderen und für den Aufbau eines Tempels‘ einsetze, ‚der auf Solidarität, Gedankenfreiheit und universeller Brüderlichkeit beruht‘, schrieb Romoli abschließend.“ So weit der Bericht auf „kath.net“.
Kern seines „Pontifikats“
Wir wissen, daß die Freimaurer sich gerne aufplustern und mit fremden Federn schmücken, indem sie prominente Gestalten für sich vereinnahmen. Daß aber die „Konziliare“ Menschheitskirche durch und durch freimaurerischen Geistes ist, läßt sich nicht verleugnen. Man mag darüber debattieren, ob ihre Oberhäupter allesamt Freimaurer waren. Sicher aber ist, daß sie alle die freimaurerischen Ziele verfolgten, die sich wie in einem Fokus im Schlagwort von der liberalen „Religionsfreiheit“ konzentrieren lassen, auf die das „II. Vatikanum“ sie verpflichtet hat. Zwar hatte jeder von ihnen seinen eigenen Charakter und seine besondere Art, doch folgten sie letztlich alle derselben Linie. Da machte auch Bergoglio keine Ausnahme. Insofern ist der freimaurerische Nachruf auf ihn sicherlich gerechtfertigt und beschreibt den Kern seines „Pontifikats“.
Damit scheinen uns genug Worte zum Andenken des Verblichenen gesprochen. Möge Gott seiner Seele gnädig sein! Das ist unser einziger Wunsch für ihn.