Moderner Protestantismus

Steven Speray hat einen Lieblingsschriftsteller: „Fr. Michael Müller C.SS.R . (1825 – 1899)“. Der vermutlich deutschstämmige Redemptoristenpater war ein sehr „produktiver Schriftsteller des 19. Jahrhunderts in Amerika“. „Alles, was er schrieb, ist phantastisch und überaus lesenswert.“

Protestantische Gruppen

Im Jahr 1976 erschien Pater Müllers “Familiar Explanation of Christian Doctrine“, Allgemeine Darstellung der christlichen Lehre. Sein besonderes Anliegen dabei war die Darlegung der immerwährenden Lehre der katholischen Kirche in Abgrenzung zum Protestantismus, der in den USA ja besonders präsent ist: „Calvinists, Arminians, Antinomians, Independents, Kilhamites, Glassites, Haldanites, Bereans, Swedenborgians, New-Jerusalemites, Orthodox Quakers, Hicksites, Shakers, Panters, Seekers, Jumpers, Reformed Methodists, German Methodists, Albright Methodists, Episcopal Methodists, Wesleyan Methodists, Methodists North, Methodists South, Protestant Methodists, Episcopalians, High Church Episcopalians, Low Church Episcopalians, Ritualists, Puseyites, Dutch Reformed, Dutch non-Reformed, Christian, Israelites, Baptists, Particular Baptists, Seventh-Day Baptists, Hardshell Baptists, Softshell Baptists, Forty Gallon Baptists, Sixty Gallon Baptists, African Baptists, Free-will Baptists, Church of God Baptists, Regular Baptists, Anti-Mission Baptists, Six Principle Baptists, River Brethren, Winebremarians, Menonites, Second Adventists, Millerites, Christian Baptists, Universalists, Orthodox Congregationalists, Campbellites, Presbyterians, Old School and New School Presbyterians, Cumberland Presbyterians, United Presbyterians, The Only True Church of Christ, 573 Bowery, N.Y. up stairs, 5th story, Latter-Day Saints, Restorationists, Schwentfelders, Spiritualists, Mormons, Christian Perfectionists, etc., etc., etc.“, um nur einige der damaligen Gruppierungen aufzuzählen. Erinnert ein wenig an die „Konziliare Menschheitskirche“ mit ihren vielen Untergruppen und Abteilungen, die sich bisweilen spinnefeind sind und nur eines gemeinsam haben: ihre Ablehnung der katholischen Kirche und ihres Lehramts.

Göttlicher und menschlicher Glaube

Müllers Schrift ist im Frage-Antwort-Stil eines Katechismus aufgebaut. „Woher kommt es, daß die Protestanten keinen göttlichen Glauben haben?“ ist eine der Fragen. Die Antwort: „Weil sie Gott nicht glauben in denen, die Er zum Lehren bestimmt hat.“ Das ist der entscheidende Unterschied. Die Protestanten glauben wohl an Gott, an Christus, an die Bibel usw. Aber sie glauben nicht denen, die Gott „zum Lehren bestimmt hat“, dem Lehramt der Kirche. Wer nämlich „ist Lehrer bei den Protestanten“? „Jeder ist sein eigener Lehrer, sein eigener Gesetzgeber und Richter in Sachen der Religion.“ Jedenfalls theoretisch ist das so. Praktisch wird man finden, daß sich dann doch wieder jeder einen Lehrer sucht, allerdings nach eigenem Gutdünken, einen Lehrer, der ihm zusagt, nicht aber einen, den Gott „zum Lehren bestimmt hat“.

„Gab es eine Zeit, als Gott die Menschen sich selber überließ, um ihre eigene Religion zu entwerfen, ihr eigenes Glaubensbekenntnis zu erdenken und ihre eigene Form von Gottesdienst zu entwickeln?“ So lautet die nächste Frage. Die Antwort: „Nein. Von Anbeginn der Welt hat Gott auf Erden eine sichtbare Lehrautorität eingerichtet, der sich zu unterwerfen die Pflicht jedes Menschen war.“ „Was folgt daraus? – Daß Protestanten, indem sie die Unterwerfung unter jene göttliche Lehrautorität verweigern, den göttlichen Glauben nicht haben können.“ Welcher Art ist dann der protestantische Glaube? „Oh mein Gott, ich glaube nichts außer dem, was mir mein eigenes Urteil sagt; daher glaube ich, daß ich Dein geschriebenes Wort – die Heilige Schrift – nach meinem Belieben auslegen kann. Ich glaube, daß der Papst der Antichrist ist“ usw. Es ist ein rein menschlicher, natürlicher Glaube, kein übernatürlicher und göttlicher.

Der „Traditionalismus“ als Protestantismus

Wir wissen nicht, ob es schon jemandem aufgefallen ist – aber ist das, was hier über den protestantischen Glauben gesagt wird, nicht ebenso auf den modernen „Traditionalismus“ zutreffend? Ist es nicht so, daß auch die „Traditionalisten“ ihrem „Lehramt“ nicht glauben, also denen, die nach ihrer Meinung Gott „zum Lehren bestimmt“ hat? Daß sie ihre Unterwerfung unter jene „Lehrautorität“ verweigern und nichts glauben außer dem, was ihr eigenes Urteil – oder das ihrer selbsternannten Lehrer – sagt? Sind nicht auch sie überzeugt, daß sie das geschriebene Wort Gottes und namentlich die „Tradition“ – die sie ja als ihren „Schatz“ und somit als ihr Eigentum betrachten – nach eigenem Belieben auslegen können und daß ihr „Papst“ „der Antichrist ist“ – wie Lefebvre einmal sagte, daß Rom von „Antichristen“ besetzt sei? Was müssen wir daraus folgern? Müßte man nicht sagen, daß auch die Tradis den Göttlichen Glauben nicht haben?

Müller erinnert an die Worte Christi: „Wer auf die Kirche nicht hört, soll euch sein wie eine Heide oder ein Zöllner“ (Mt 18, 17). „Was sagt uns Christus mit diesen Worten? – Er sagt uns deutlich, daß, wer nicht zu Seiner Kirche gehört und ihr nicht gehorcht, vor Ihm wie eine Heide und ein öffentlicher Sünder ist.“ Frage: „Kann jemand gerettet werden, der zu stolz ist, sich dem Haupt der Kirche Christi zu unterwerfen und Jesus Christus in Seinem Stellvertreter, dem Papst verachtet?“ Antwort: „Er kann es nicht; denn Jesus Christus sagt: ‚Wer euch (die Apostel und ihre Nachfolger) verachtet, verachtet Mich.“ Harte Worte, die denen zu denken geben sollten, die Prevost (oder vor ihm Bergoglio) für den Nachfolger Petri halten und ihn dennoch verachten, indem sie ihn kritisieren, ihm ungehorsam sind und Widerstand leisten, ihn in Bild und Schrift lächerlich machen usw. Wir sind überzeugt, Luther fände seine helle Freude an den heutigen „Traditionalisten“, mehr als an den „Progressisten“ oder vielen heutigen Protestanten, die ihm viel zu weit gingen.