Endlich Klarheit (1/2)

Endlich akademische Klarheit über den „Sedisvakantismus“! „PD Dr. Ludwig Neidhart“ ist laut Selbstauskunft „Lehrbeauftragter am Institut für Philosophie der Universität Augsburg (Lehrstuhl für Philosophie mit Schwerpunkt analytische Philosophie und Wissenschaftstheorie) und Lehrer am Maria Theresia Gymnasium in Augsburg“. Außerdem war er „ehemals Mitglied der Forschungsgruppe von Prof. Aulbach am Institut für Mathematik der Universität Augsburg (Lehrstuhl für nichtlineare Analysis)“. Alles in Augsburg. Damit ist er der berufene Mann, um im „Priesterseminar St. Petrus in Wigratzbad“, das im Bistum Augsburg liegt und die deutschsprachigen „Petrusbrüder“ ausbildet, Vorträge und Vorlesungen zu halten.

Einer dieser Vorträge fand am 3. März 2022 statt und hatte den „Sedisvakantismus“ zum Gegenstand. Das scheint durchaus angebracht, befindet sich in Wigratzbad doch unweit vom Seminar der „Petrusbruderschaft“ eine Kapelle der „Sedisvakantisten“. Freundlicherweise hat der Privatdozent eine Version dieses Vortrags, datiert vom 30. August 2024, auf seiner „Website“ „online“ zur Verfügung gestellt, auf die wir gerne zurückgreifen, um dieses sonderbare Phänomen des „Sedisvakantismus“ endlich richtig zu verstehen.

Die Unfehlbarkeit des Papstes

Der Herr Doktor arbeitet das Thema in vier großen Punkten und einem Anhang ab. Der erste Punkt handelt über „Die Unfehlbarkeit des Papstes“, und das ist der richtige Ansatz, denn genau um das geht es letztlich. „Die Unfehlbarkeit des Papstes“, belehrt uns Neidhart, „wird in der katholischen Theologie meist als eine Konsequenz aus der grundlegenden Unfehlbarkeit der Kirche angesehen.“ Hmm, eigentlich hatten wir das immer eher umgekehrt verstanden: Die Unfehlbarkeit der Kirche hat zu ihrer Grundlage die Unfehlbarkeit des Papstes. Doch lesen wir weiter beim Herrn Privatdozenten: „Man argumentiert, dass die Kirche nach 1 Tim 3,15 ‚Säule und Fundament der Wahrheit‘ und daher unfehlbarer Garant der offenbarte [sic!] Wahrheit ist; wenn daher das Felsenfundament der Kirche nach Mt 16,16–19 Petrus ist, und dieser hier das päpstlich-petrinische Amt verkörpert, muss das Charisma der kirchlichen Unfehlbarkeit auf einer dem päpstlichen Amt zukommenden Unfehlbarkeit basieren und sich in ihr konkretisieren.“ Ah ja, eben. Der Papst ist das Fundament der Kirche und ihrer Unfehlbarkeit.

Neidhart zitiert an dieser Stelle die Verheißung des Heilands an Petrus aus dem Matthäusevangelium in einer „modernen“ Übersetzung: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt [von wegen „Pforten der Hölle“; eine Hölle gibt’s ja nicht…] werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt, 16, 18-19), und fügt hinzu: „Diese ‚Binde- und Lösegewalt’ steht für das Lehr- und Leitungsamt der Kirche, das hier als ‚im Himmel gültig‘ bezeichnet wird, und was im Himmel gültig ist, sollte keinen Irrtum enthalten.“ So ist es!

Dann fährt der Herr Doktor fort: „Gleichzeitig gehört aber auch das ganze Apostelkollegium, welches das Bischofskollegium vorbildet, zum Fundament der Kirche (Eph 2,20; 1 Petr 2,4–6; Offb 21,14), und entsprechend sagt Jesus an der Parallelstelle Mt 18,18 zu allen Aposteln ‚Was ihr auf Erden binden/lösen werdet, wird auch im Himmel gebunden/gelöst sein.‘ So kommt man analog zu dem Schluss, dass das Apostel- bzw. Bischofskollegium ebenfalls ein unfehlbares Lehramt ausübt.“ Da klingt schon ein wenig die „konziliare“ Theologie mit der „Kollegialität der Bischöfe“ an, wie denn auch Neidhart hinzufügt: „Das dürfte aber nicht für jeden einzelnen Apostel gelten (sonst wäre die Erteilung dieser Vollmacht an Petrus allein in Mt 16 überflüssig), sondern nur für das Kollektiv aller Apostel.“ Daraus zieht er die Folgerung, „dass Petrus bzw. DER PAPST ALLEIN dieselbe unfehlbare Vollmacht hat wie sie das ganze Apostelkollegium bzw. Bischofskollegium hat, wenn es einmütig zusammenwirkt (also alle Apostel bzw. Bischöfe mit einer Stimme sprechen), was seinen sichtbaren Ausdruck im ALLGEMEINEN KONZIL finde“. Also zwei oberste Vollmachten: der Papst allein und das „ganze Apostelkollegium“ bzw. „Bischofskollegium“.

Die kirchliche Lehre

Gemäß kirchlicher Lehre verhält es sich so: „Nach Ausscheidung des Glaubenskörpers, welchem die Unfehlbarkeit im bloß passiven Sinne als Mitgift zukommt, kann als eigentlicher Träger der aktiven Infallibilität nur der Lehrkörper, d.i. das kirchliche Lehramt, in Betracht kommen. Weil jedoch die lehrende Kirche in Gemäßheit der ihr von Christus gegebenen hierarchischen Verfassung wesentlich aus dem Papst als dem Nachfolger Petri und den Bischöfen als den rechtmäßigen Nachfolgern der Apostel sich zusammensetzt, so kann es sich im Grunde nur um die Frage handeln, ob auch der Gesamtepiskopat neben dem Papste auf die Prärogative der Unfehlbarkeit Anspruch hat“ (Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon, Bd. 12, Sp. 245 f). Das trifft zu, insoweit der Gesamtepiskopat, ob versammelt auf einem ökumenischen Konzil oder über den Erdkreis verstreut, einmütig und in Übereinstimmung und Gemeinschaft mit dem Papst eine Sache lehrt oder entscheidet. „Die Gesamtheit der mit dem Nachfolger Petri verbundenen Bischöfe ist in der Bewahrung und Verkündigung der geoffenbarten Wahrheit unfehlbar, mögen sie nun ihr ordentliches Lehramt auf dem ganzen Erdkreis ausüben oder auf einem allgemeinen Konzil feierlich eine Lehrentscheidung geben“ (Goebel S. 350).

Nicht eigentlich neben, sondern in Vereinigung mit dem Papst hat der Gesamtepiskopat Anteil an der Unfehlbarkeit. Nach J.B. Heinrich (Dogmatik Bd. 2) ist der Episkopat „kraft Christi Einsetzung nur ein unteilbarer Episkopat, der das Prinzip und den permanenten Grund seiner Einheit im Papste hat“ (S. 487). „Nur in der Einheit mit dem Gesamtepiskopat und in der Einheit mit dessen Haupt, dem Papste, nimmt jeder Bischof an der episkopalen Jurisdiktion Anteil…“ (ebd.). Hinzu kommt, daß einzig der Papst die universale Gewalt über die Kirche besitzt, alle Bischöfe zusammen jedoch nur die Summe aller partikulären Gewalten, die nicht hinreicht, um universal zu sein. Das Ganze ist bekanntlich mehr als die Summe seiner Teile.

Doppelte Lehrvollmacht

Herr Neidhart sinniert seinerseits darüber nach, ob solch eine doppelte Lehrvollmacht nicht „überflüssig“ sei, doch müsse sich „Jesus etwas dabei gedacht“ haben, „dass er die eine im Himmel gültige Lehrvollmacht in Mt 16 und Mt 18 zweimal ausgesprochen, und zwei Instanzen damit ausgestattet hat: zum einen dem [sic! Sollte eigentlich Akkusativ sein] Petrus allein (somit dem [sic!] Papstamt) und zum anderen Petrus zusammen mit allen Aposteln (somit dem [sic!] einmütigen Bischofskollegium, wie es am deutlichsten auf einem ökumenischen Konzil in Erscheinung tritt)“. Seine Lösung sieht demnach so aus: „Jesus gewährte die apostolische Vollmacht Mt 18, weil er wollte, dass das unfehlbare Leitungsamt IN DER REGEL, d.h. ORDENTLICHERWEISE, immer in Einmütigkeit unter Beteiligung des gesamten Episkopats auf ökumenischen Konzilien tätig wird — aber zugleich sorgte er durch die Petrus übertragene Vollmacht Mt 16 dafür, dass in Ausnahmefällen, d.h. AUßERORDENTLICHERWEISE, unfehlbare Lehrentscheidungen nötigenfalls auch vom Papst allein vorgenommen werden können (z.B. bei Uneinigkeit der Bischöfe).“

Das ist eine originelle Sichtweise. Normalerweise schaut man die Sache so an, daß die Bischöfe in ihrer Gesamtheit und in Einmütigkeit mit dem Papst ebenso das unfehlbare Lehramt ausüben wie dieser allein, und beide können das in ordentlicher Weise tun wie in außerordentlicher Weise. Die Bischöfe üben ihr unfehlbares Lehramt in ordentlicher Weise, wenn sie in ihrem gewöhnlichen Amte „über den Erdkreis verstreut“ einmütig und in Übereinstimmung mit dem Papst den Glauben lehren, sie üben es in außerordentlicher Weise, wenn sie sich dazu eigens auf einem ökumenischen Konzil versammeln. Der Papst übt sein unfehlbares Lehramt in ordentlicher Weise in seinem täglichen Geschäft, wenn er Fragen entscheidet, Wahrheiten einschärft, den Glauben erklärt usw., er übt es in außerordentlicher Weise, wenn er feierlich eine Wahrheit als zu glauben definiert oder einen Irrtum verurteilt.

Zwei Arten von Glaubenslehren

Herr Neidhart zieht, wie wir befürchtet hatten, aus seiner eigenen originellen Perspektive von der „doppelten Lehrvollmacht“ den Schluß, daß „man zwischen zwei grundlegend verschiedenen Arten offizieller kirchlicher Glaubenslehren unterscheiden“ könne: „unfehlbare Lehren (vulgo ‚Dogmen‘) und ohne Unfehlbarkeitsanspruch vorgetragene“. Dazu erläutert er: „Die ‚unfehlbaren‘, d.h. endgültig festgelegten und somit irreversiblen Lehrsätze sind diejenigen, deren hartnäckige Leugnung oder Bezweiflung zur Exkommunikation führt.“ Um uns die Sache gefälliger näherzubringen, hat er eine Tabelle zusammengestellt, deren linke Spalte überschrieben ist mit „Unfehlbare Glaubenslehren (Dogmen) der Kirche“, während die rechte Spalte „offizielle Glaubenslehren ohne Unfehlbarkeitsanspruch“ betitelt ist. Erstere, so sagt uns die erste Zeile, „werden vom Papst allein oder vom Papst zusammen mit dem (z.B. auf einem allgemeinen Konzil versammelten) Bischofskollegium als endgültig für wahr zu haltende Lehren vorgelegt“, während zweitere „vom Papst, Konzilien und Bischöfen vorgelegt“ werden. Äh, wo ist jetzt da genau der Unterschied? Für erstere gilt: „Die wichtigsten sind enthalten in Glaubensbekenntnissen, sie sind irreversibel, sollen nicht geleugnet werden [nicht „dürfen“ nicht geleugnet werden, sondern „sollen“ nur!], und ihre hartnäckige Leugnung oder Bezweiflung führt zur Exkommunikation.“ Zur zweiten Spalte ist zu sagen: „Die wichtigsten sind enthalten in Katechismen, sie sind reversibel (können geändert werden), sollen [„sollen“ wieder nur] nicht leichtfertig abgelehnt werden, aber eine andere Meinung zu haben führt nicht zur Exkommunikation und ist unter Umständen gerechtfertigt.“ Das wußten wir so noch nicht.

Als in Didaktik geschulter Lehrer fügt Neidhart für uns Anfänger zum besseren Verständnis einige „Beispiele“ hinzu. Beispiele für „unfehlbare Glaubenslehren (Dogmen) der Kirche“ wären demnach: „Bekenntnis zum trinitarischen Monotheismus; Christi Geburt aus einer Jungfrau und seine Auferstehung; Erwartung eines ewigen postmortalen Lebens.“ An Exempeln für „offizielle Glaubenslehren ohne Unfehlbarkeitsanspruch“ werden genannt: „gewisse Einzelheiten der Angelologie; Beispiel einer revidierten Lehre ist das in der frühen Neuzeit verteidigte geozentrische Weltbild, und ebenso die von Papst Johannes Paul II. noch gelehrte Erlaubtheit der Todesstrafe als ultima ratio.“

„Quodcumque“

Die Kirche legt uns also einmal „unfehlbare Glaubenslehren“ vor, ein anderes Mal „offizielle Glaubenslehren ohne Unfehlbarkeitsanspruch“. Woher soll der einfache Katholik wissen, wann das eine und wann das andere der Fall ist? Entsprechend weit hat Neidhart die Schere mit seinen „Beispielen“ aufgemacht. Auf der einen Seite stehen die fundamentalen Lehren unseres Glaubens, wie sie unser Glaubensbekenntnis enthält, auf der anderen Seite solche Banalitäten wie das „geozentrische Weltbild“ (das übrigens niemals „offizielle Glaubenslehre“ der Kirche war). Ist demnach von den Lehren der Kirche nur das unfehlbar, was wir im „Credo“ beten, während alles andere verhandelbar und korrekturfähig ist?

Wobei das mit dem „Credo“ so eine Sache ist, denn die Protestanten beispielsweise beten es auch, und doch haben sie einen anderen Glauben. Vielleicht braucht es da doch noch ein Lehramt, das uns sagt, wie die Dinge genau zu verstehen sind? Und sollten diese Antworten nicht unfehlbar sein? Heißt es nicht in der Stelle bei Matthäus, welche der gelehrte Herr zitiert hat, im Original: „Et quodcumque ligaveris super terram, erit ligatum et in coelis: et quodcumque solveris super terram, erit solutum et in coelis“? „Quodcumque“ bedeutet nicht nur einfach „was“, wie in der Übersetzung des Dozenten, sondern „was auch immer, alles was“. Also: „Was du immer binden wirst auf Erden, das wird auch im Himmel gebunden sein; und was du immer lösen wirst auf Erden, wird auch im Himmel gelöst sein.“ Der Bibelkommentar von Arndt-Allioli sagt dazu: „Der Heiland erklärt die verliehene Gewalt eingehender. Die gesetzgebende [welche die Lehrgewalt umfaßt] und die notwendigerweise damit verbundene richterliche Gewalt wird verheißen, und zwar eine ganz allgemeine: Was immer, nämlich der Aufgabe der Kirche gemäß. Jede Entscheidung wird als Gott genehm bezeichnet.“ Und doch soll es „offizielle Glaubenslehren“ geben, bei denen es nicht darauf ankommt, ob sie „Gott genehm“ sind?

„Offizielle Glaubenslehre“

Die Lehrgewalt der Kirche ist eine, sie ist unteilbar und sie ist unfehlbar. Es kann nicht sein, daß uns die Kirche eine „offizielle Glaubenslehre“ vorlegt, die sich später als falsch herausstellt und korrigiert werden müßte. Nehmen wir die Beispiele des Herrn Neidhart. „Gewisse Einzelheiten der Angelogogie“, d.h. der Engellehre: Die „offizielle Glaubenslehre“ der Kirche über die Engel umfaßt selbstverständlich nicht alle „Einzelheiten“, die man über die Engel aussagen kann. Man weiß z.B. nicht die genaue Zahl der Engel, man kennt keine Engelnamen außer drei usw. Es ist da noch vieles offen, worüber man spekulieren kann. Das heißt aber nicht, daß die „offizielle Glaubenslehre“ der Kirche über diesen Gegenstand, wie sie der Katechismus enthält, „ohne Unfehlbarkeitsanspruch“ vorgetragen würde.

Das „geozentrische Weltbild“ war – jedenfalls im astronomischen Sinn – niemals „offizielle Glaubenslehre“ der Kirche. Der Dozent spielt hier wohl auf den „Fall Galilei“ an, der sich jedoch sehr viel komplizierter und komplexer verhält als er im gängigen „Narrativ“ dargestellt wird. Worum es wirklich ging, ist nachzulesen in unserem Beitrag „Die Starwissenschaftler“. Hier sei nur der Schluß dieses Aufsatzes zitiert: „Dann aber hat Galilei doch die wirkliche Weltordnung durchbrochen. Das damalige Angstgefühl der Kirche hatte einen tiefen seelischen Grund. Mit Galilei beginnt sich das rein naturwissenschaftliche Weltbild an Stelle des sakramentalen zu setzen. Denn im sakramentalen Weltbild ist die Erde der mystische Mittelpunkt der ganzen Schöpfung. Nazareth, Bethlehem, Golgotha und das heilige Grab sind die Orte des Einbruches Gottes in die Schöpfung, nicht nur für uns Menschen, sondern für das Leben der ganzen Welt. Denn ‚er trägt das All durch sein mächtiges Wort‘“ (Hebr 1,3)“ (Eugen Mederlet OFM, Die Hochzeit des Lammes, Christiana-Verlag Stein am Rhein 1983, S. 94). Nicht im naturwissenschaftlichen, sondern im „sakramentalen“ Sinn hat die Kirche das „geozentrische Weltbild“ immer verteidigt, und das wird sie auch weiterhin tun. Nur die „Konziliare Kirche“ hat vor der „sogenannten Wissenschaft“ kapituliert.

Die „Erlaubtheit der Todesstrafe als ultima ratio“ war als Prinzip zu allen Zeiten „offizielle Lehre“ der Kirche (und das, obwohl der Heiland selber, die Apostel und unzählige Martyrer ungerechte Opfer derselben wurden). Daran hat sich nichts geändert. Dieses Prinzip wurde sogar in der „nachkonziliaren“ Zeit „von Johannes Paul II. noch gelehrt“, wie Neidhart selber angibt. Die Frage der Anwendung ist freilich eine andere, und es war das stete Anliegen der Kirche, den Einsatz dieser „ultima ratio“ möglichst zu verhindern. Wenn Bergoglio nun etwas anderes sagt und selbst seinem „konziliaren“ Vorgänger widerspricht, indem er nicht nur die Anwendung der Todesstrafe vermieden haben will, wie es richtig wäre, sondern die Todesstrafe als prinzipiell unerlaubt hinstellt, dann heißt das nicht, daß die „offizielle Glaubenslehre“ der Kirche „revidiert“ wurde, sondern zeigt nur die konsequente Art, in welcher Bergoglio das „II. Vatikanum“ als „Pastoralkonzil“ umsetzt. Denn nach den Worten von Rahner-Vorgrimler war „dieses Konzil … gerade darum in einem besonderen Sinne ein pastorales Konzil, weil es den Mut zu solchen charismatischen Weisungen, zu konkreten Imperativen im Unterschied von bloß doktrinären Prinzipien und von deren bloß rationalen Anwendungen hatte“ (Kleines Konzilskompendium, S. 28). Diesen „Mut zu charismatischen Weisungen“, die sich nicht an „bloß doktrinäre Prinzipien“ und „deren bloß rationale Anwendungen“ halten, besitzt Bergoglio in hohem Maße.

Sechs Voraussetzungen

Für Neidhart steht nach dem Gesagten fest: „Nicht jeder Satz in einem Dokument eines Papstes ist unfehlbar.“ Eine Binsenweisheit, für die wir seine wenig brauchbare Tabelle nicht benötigt hätten. Er hatte ja nicht von „jedem Satz“, sondern von „offiziellen Glaubenslehren“ gesprochen, und nicht „jeder Satz in einem Dokument eines Papstes“ enthält eine „offizielle Glaubenslehre“. Das wäre völliger Unsinn. Damit „einem vom Papst verkündigten Satz Unfehlbarkeitscharakter zugesprochen werden kann, gelten“ laut dem Privatdozenten und „nach Meinung der meisten Theologen in etwa die folgenden sechs“ Voraussetzungen: „1. Der Papst übt sein Amt rechtmäßig aus (d.h. er ist legitim gewählt worden und nicht aus den Amt geschieden)“. Naja, das ist ja wohl logisch, denn sonst ist er nicht Papst und kann daher das unfehlbare Lehramt gar nicht ausüben. „2. die Äußerung erfolgt im Rahmen des Lehramtes (d.h. er äußert sich nicht als privater Theologe, wie es etwa Papst Benedikt XVI. in seinem Jesus-Buch tat)“. Auch das ist logisch, denn schließlich bezieht sich die vom Heiland verheißene Unfehlbarkeit nicht auf die Privatperson, sondern die amtliche Stellung des Petrus, nicht auf das, was er privat spricht, sondern was er „ex cathedra“, vom Lehrstuhl aus, verkündet, wie das Vatikanische Konzil (das „Erste“, einzige und wahre!) es ausdrückt. „3. die Absicht, endgültig und allgemeinverbindlich zu urteilen, ist im Dokument klar ausgedrückt (z.B. durch Androhung der Exkommunikation für jeden, die den Satz leugnet, oder durch Betonung der Irreversibilität)“. Diese Bedingung haben die antiultramontanen Theologen ersonnen, um ein Hintertürchen offen zu haben, die Unfehlbarkeit päpstlicher Aussagen in Frage zu stellen oder abzustreiten. Im Vatikanum steht davon nichts.

„4. Gegenstand des definierten Satzes ist ein Sachverhalt des Glaubens oder der Moral (es geht also z.B. nicht um konkrete Politik, positives Kirchenrecht, Strafen und Dispensen, oder liturgische Rubriken).“ In diesem Punkt müssen wir den Herrn Privatdozenten ein wenig korrigieren. Denn, wie in Goebels Apologetik zu lesen: „Die kirchliche Unfehlbarkeit erstreckt sich nicht bloß auf eigentliche Lehrkundgebungen, sondern mittelbar und in gewissem Sinn auch: 1. Auf Disziplinargesetze, die von der höchsten kirchlichen Autorität als solcher (Papst, Konzil) für die ganze Kirche erlassen werden. Dies in dem Sinne, daß solche Gesetze weder direkt noch indirekt gegen Glauben und Sitten verstoßen, folglich auch nicht für die ganze Kirche in jeder Beziehung unzweckmäßig sein können“ (S. 380). Zu diesen Gesetzen gehört wohl auch das „positive Kirchenrecht“. Sie erstreckt sich ferner: „2. Auf die liturgischen Gesetze, die von der höchsten kirchlichen Autorität als solcher für die Gesamtkirche gegeben werden. (…) Das gilt zunächst für den ganzen äußern Vollzug des Kultus, für den Ritus, die Zeremonien im weitesten Sinn“ (S. 381). Damit dürften auch „liturgische Rubriken“ gemeint sein. Wir fügen hinzu: „Es gilt noch mehr für den Gegenstand des Kultus. Es kann z.B. unmöglich ein Verdammter Gegenstand des Kultus der Gesamtkirche sein, von allen verehrt, angerufen, als sittliches Vorbild angesehen werden. Darum ist die Kanonisation oder Heiligsprechung ein unfehlbarer Akt“ (S. 381).

Irrtümer der Altkatholiken

Die fünfte und sechste „Voraussetzung“ des Dr. Neidhart, „damit einem vom Papst verkündigten Satz Unfehlbarkeitscharakter zugesprochen werden kann“, lauten: „5. sein Inhalt ist zumindest implizit in Schrift und Tradition verankert (d.h. es handelt sich nicht auf [sic!] Neuoffenbarungen), und 6. Die Aussage widerspricht keinem früher definieren [sic!] unfehlbaren Glaubenssatz.“ Damit hat Neidhart die Unfehlbarkeit des Papstes nach „Tradi-Art“ gänzlich vom Tisch gewischt. Denn wer soll bitteschön diese „Voraussetzungen“ prüfen, ob sie erfüllt sind und daher „einem vom Papst verkündigten Satz Unfehlbarkeitscharakter zugesprochen werden kann“? Soll das jeder selber machen oder gibt es dafür irgendeine Instanz (wie beispielsweise Erzbischof Lefebvre es war)? So oder so würde beides, ob jeder einzelne oder eine eigene Kontrollinstanz, eine Stellung über dem Papst beanspruchen und damit den päpstlichen Primat hinfällig machen. Wir landen im Protestantismus, wo jeder sein eigenes Lehramt ist. Genau so ist es den Altkatholiken ergangen, die unter Berufung auf den fünften Punkt Neidharts das Unfehlbarkeitsdogma des Vatikanischen Konzils ablehnten, weil es nämlich nicht „zumindest implizit in Schrift und Tradition verankert“ gewesen sei. Aber wer erklärt wem, ob eine Lehre „zumindest implizit in Schrift und Tradition verankert“ ist? Erklären wir es dem Papst und entscheiden damit, ob er unfehlbar ist oder nicht, oder erklärt er es uns kraft seiner Unfehlbarkeit?

Herr Neidhart dreht und windet sich noch ein wenig um das „ex sese“, welches die Väter des Vatikanums in die Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit geschrieben haben, indem sie sagten: „Päpstliche endgültige (irreversible) Entscheidungen sind aus sich heraus irreversibel, nicht aufgrund der Zustimmung der Kirche (‚ex sese, non autem ex consensu Ecclesiae‘).“ Dies, so hätten „glaubenstreue katholische Theologen“ (wir wüßten gerne, wer das gewesen sein soll) klargestellt, sei so zu verstehen: „Die päpstlichen Entscheidungen brauchen zwar keine ‚gleichzeitige‘ oder gar ‚nachträgliche‘ JURISTISCHE Zustimmung (consensus simultaneus oder consensus consequens) irgend eines kirchlichen Gremiums (z.B. eines Konzils), um gültig zu sein, wohl aber ist die ‚vorgängige‘ MORALISCHE Zustimmung (consensus praevius) erforderlich.“ Darum kann uns der Herr Dozent zur „Frage , ob der Papst ‚ohne Zustimmung der Kirche‘ Dogmen aufstellen kann“, „die differenzierte Antwort kurz“ geben wie folgt: „juristisch JA: Es geht ohne die simultane oder nachträgliche juristische Zustimmung einer anderen Instanz. Aber moralisch NEIN: Es geht nur mit vorhergehender Zustimmung der Kirche (Tradition).“ Damit meint er die Häresie erfolgreich umschifft zu haben, indem er das „ex sese“ des Dogmas nur „moralisch“ leugnet, nicht aber „juristisch“. Er sagt damit im Grunde dasselbe wie der „Traditionalisten“-Führer Lefebvre, der in seinem Buch „Ich klage das Konzil an“ so formulierte: „Das Erkennungsmerkmal der Wahrheit und übrigens auch der Unfehlbarkeit des Papstes und der Kirche ist ihre Übereinstimmung mit der Überlieferung und dem anvertrauten Glaubensgut“ (S. 102). Häretisch ist das gleichwohl, denn er widerspricht direkt dem „ex sese“ des Vatikanischen Konzils. Gleichzeitig stimmen beide Aussagen, die Neidharts und die Lefebvres, vollkommen mit dem Irrtum der Altkatholiken überein.

„Papa haereticus“

Neidhart denkt noch etwas weiter und sinniert: „wenn diese Zustimmung der Tradition nicht gegeben ist, könnte beim Versuch der Dogmatisierung ein automatischer Amtsverlust des Papstes erfolgen, gemäß dem Grundsatz Papa Haereticus non est Papa.“ Damit leitet er zwanglos über zum nächsten Kapitel mit dem Thema „Das Problem des häretische [sic!] Papstes“. Zwei „Thesen“ stellt er uns vor, die man „als glaubenstreuer Katholik“ (gibt‘s denn auch andere?) zu diesem Thema vertreten könne, und für beide Thesen gebe es „unter den Theologen Befürworter“. Die erste These lautet: „Gott verhindert den Irrtum des amtierenden Papstes“, die zweite: „Der Papst kann irren, verliert aber dann sein Amt (papa haereticus non es [sic!] papa)“. Für die erste These führt Neidhart als „Befürworter“ an: „Ein extremer Vertreter dieser These war im 18. Jahrhundert der franziskanische Kanonist Lucius Ferraris ( † vor 1763), den man hoch geachtet, dem man aber auch Papolatrie vorgeworfen hat.“ Dieser Mann soll so schreckliche Dinge gesagt haben wie diese: „Der Papst sei ‚von einer solchen Würde und Erhabenheit, dass er kein einfacher Mensch [simplex homo], sondern quasi Gott, und Gottes Stellvertreter‘ sei“, ja „er sei quasi ‚Gott auf Erden‘“! Unglaublich! Als „Befürworter“ der „zweiten These“ gilt ihm der Kanon „Si Papa“, ein „fester Bestandteil des hochmittelalterlichen Kirchenrechts“, zweitens Papst Innozenz III., drittens Papst Paul IV. mit seiner Bulle „Cum ex apostolatus officio“, viertens der heilige Robert Bellarmin, der heilige Alfons Maria von Liguori und der „hochgeachtete katholische Dogmatiker Matthias Joseph Scheeben“, fünftens und schließlich „auch das moderne Kirchenrecht“, „CIC 1917 § 188,4 und CIC 1983 § 194,2“, das aber auf den Papst nur mit „Vorsicht“ anzuwenden sei. Das sind bekanntlich so ziemlich die gängigen Referenzen der „Sedisvakanisten“.

Wir möchten hinzufügen, daß der heilige Kirchenlehrer Robert Bellarmin in seinem Traktat „De Romano Pontifice“ eigentlich beide „Thesen“ vertritt. Denn er schreibt über seine berühmten „fünf Ansichten“: „Die Erste ist von Albert Pighius [nicht von Lucius Ferraris, den er noch gar nicht kannte]. Er behauptet, der Papst könne kein Ketzer sein und sonach auch in keinem Falle abgesetzt werden. Diese Ansicht ist wahrscheinlich und kann leicht verteidigt werden.“ Dann aber fügt er hinzu: „Weil sie jedoch nicht gewiss und der gewöhnlichen Ansicht gerade entgegengesetzt ist, so wird es der Mühe wert sein, zu sehen, was man zu antworten hat, wenn der Papst ein Ketzer sein kann.“ Nachdem er drei weitere Ansichten untersucht und verworfen hat (darunter sehr ausführlich die des „Traditionalisten“-Lieblings Cajetan) gelangt er schließlich zur „fünften richtigen Meinung“, nämlich der, „ein offenbar ketzerischer Papst höre von selbst auf, Papst und Haupt der Kirche zu sein, so wie er von selbst aufhört, Christ und Glied des kirchlichen Leibes zu sein“, weshalb er „von der Kirche gerichtet und bestraft werden“ kann. Die erste ist „wahrscheinlich“, die fünfte ist „richtig“, und beides schließt einander nicht aus; denn wenn die „wahrscheinliche“ nicht zutreffen würde, tritt auf jeden Fall die fünfte „richtige“ ein. Für unseren Fall ist das nicht ohne Bedeutung, denn es gibt viele, die der Auffassung sind, die „Konziliaren Päpste“ seien niemals Päpste gewesen, und damit wäre die „erste Meinung“ in vollkommenem Einklang, während andere denken, wenigstens der eine oder andere von ihnen könnte Papst gewesen sein, dann aber durch Häresie sein Amt verwirkt haben. Beides ist möglich und kommt letztlich aufs selbe hinaus.

Ein „Problem“

Neidhart jedoch sieht in der „Möglichkeit des häretischen und sich dadurch selbst absetzenden Papstes“ ein „Problem“. Denn: „Die Unfehlbarkeit des Papstes scheint dann ihren Sinn zu verlieren“, sie werde „zu einer Tautologie (zu einer nichtssagenden Leerformel)“. Was nütze „dem Gläubigen ein unfehlbarer Papst, wenn er niemals sicher sein kann, ob der Mann, der vor der Verkündigung eines neuen Dogmas Papst war, sein Amt im Moment der Verkündigung nicht verloren und dann eine Irrlehre ausgesprochen hat“? Wir könnten genau so oder noch dringlicher fragen: Was nützt den Gläubigen ein „Papst“, bei dem sie nie wissen, ob er gerade mal zufällig unfehlbar spricht oder wie üblich lauter Unsinn daherredet? Um sein „Problem“ zu lösen, sieht der Privatdozent zwei Ansätze, nämlich zum einen die „Hürde für den Selbstausschluss des Papstes“ möglichst hoch hinaufzusetzen, und zum anderen das „erforderliche Verfahren für die Feststellung des erfolgten Selbstausschlusses“ möglichst „unanfechtbar“ zu machen. Klar scheint ihm die „Selbstabsetzung“ zu sein, wenn der Versuch unternommen würde, „das Gegenteil eines schon definierten formalen Dogmas zum Dogma zu erheben“. Aber „auch schon bei einer klaren öffentlichen Leugnung eines schon formal definierten Dogmas“, „auch ohne die Absicht, das Gegenteil zu dogmatisieren“, könnte eine „Selbstabsetzung“ erfolgen, befürchtet er. Schwieriger und ungewiß werde es „bei klarer und öffentlicher Leugnung eines Lehrsatzes der Tradition …, der noch nicht mit Unfehlbarkeitsanspruch vorgelegt wurde, und der erste [sic!] später definitiv als Irrlehre qualifiziert wird“. Und natürlich „müsste ein Papst im Amt bleiben, wenn sein Glaubensabfall nur im Geheimen geschieht und/oder nicht klar bewiesen werden kann“.

Wir unsererseits finden die Sache so schwierig nicht. Der heilige Bellarmin spricht von einem „offenkundigen Ketzer“. Es ist klar, daß damit kein geheimer Häretiker gemeint sein kann. Das Kirchenrecht definiert: „Häretiker (Irrgläubiger) heißt ein Getaufter, der den Namen eines Christen beibehalten will, aber die eine oder die andere kraft göttlichen und katholischen Glaubens anzunehmende Wahrheit hartnäckig leugnet“ (Eichmann-Mörsdorf, Bd. II, S. 380). Was gehört zu diesen Wahrheiten? Zunächst einmal das Dogma. Dieses ist „eine in den Glaubensquellen, d.h. in der Heiligen Schrift oder in der göttlichen Überlieferung enthaltene Wahrheit, die durch das kirchliche Lehramt als von Gott geoffenbarte Wahrheit zu glauben vorgelegt wird“. Es handelt sich um eine „kraft göttlichen und katholischen Glaubens anzunehmende Wahrheit“. Dabei ist zu beachten: „Die Vorlage durch die Kirche kann in ordentlicher oder außerordentlicher Weise erfolgen. Was von der Kirche, d.h. vom Papste und den Bischöfen, durch ihre ständige Lehrverkündigung (= ordentliches Lehramt) einstimmig und autoritativ als geoffenbarte Wahrheit vorgetragen wird, ist Dogma. In außerordentlicher Weise wird das kirchliche Lehramt tätig durch den Erlaß feierlicher Glaubensentscheidungen, was ausschließlich Sache des Papstes oder des Allgemeinen Konziles ist“ (S. 379). Das wußten wir schon, heben aber noch einmal hervor, daß auch die durch das „ordentliche Lehramt“ verkündeten Wahrheiten Dogma sind, deren Leugnung Häresie bedeutet.

„Im Unterschied hierzu spricht man von katholischen Wahrheiten bei jenen Glaubenssätzen, die nicht geoffenbart sind, aber mit Wahrheiten der Offenbarung in notwendigem Zusammenhang stehen und von der Kirche, sei es durch das ordentliche oder das außerordentliche Lehramt unfehlbar festgelegt worden ist. Diesen Wahrheiten schuldet man, weil nicht geoffenbart, keinen göttlichen, sondern bloß kirchlichen oder katholischen Glauben. Sie sind für alle Kirchenglieder verbindlich. Als lehramtlich festgelegt oder dogmatisch definiert ist alles das, aber auch nur das anzusehen, was als solches offensichtlich feststeht“ (ebd.). Damit hat die Kirche selber die „Hürde“ für Häresie schon hoch genug hinaufgesetzt. Wenn jedoch jemand beispielsweise öffentlich die Heilsnotwendigkeit und Einzigkeit der katholischen Kirche leugnet, und das fortwährend und hartnäckig – wie es die „konziliaren Päpste“ samt und sonders getan haben – besteht über die offenkundige Häresie gar kein Zweifel. Oder wenn jemand die liberale „Religionsfreiheit“ behauptet, die von den Päpsten unablässig und konstant als dem Glauben und selbst der Vernunft widersprechend verurteilt wurde, dann brauchen wir keine weiteren Beweise für das Vorliegen einer offenkundigen Häresie. Diese „Religionsfreiheit“ ist aber sozusagen das Rückgrat der „Konziliaren Kirche“ und aller ihrer „Päpste“. (Darüber unten mehr.)

„Verfahren für den Selbstausschluß“

Was das „erforderliche Verfahren für den Selbstausschluß“ anbelangt, so gibt es eigentlich kein solches. Der „Selbstausschluß“ geschieht, wie der Name andeutet, „ipso facto“ durch die Häresie selbst. Da gibt es kein „Verfahren“, das eingehalten werden müßte, damit der „Selbstausschluß“ gelinge. Es kann nur darum gehen, den bereits erfolgten „Selbstausschluß“ amtlich festzustellen und die rechtlichen Folgerungen daraus zu ziehen. Neidhart sieht für dieses „Verfahren“ mehrere Möglichkeiten: „(1) das Urteil steht jedem Gläubigen zu (so viele heutige Sedisvakantisten), (2) dafür ist ein außerordentliches Generalkonzil zuständig (so der hl. Robert Bellarmin), (3) es ist Sache (eines Konzils oder) der Kardinäle (so der Dogmatiker Matthias Joseph Scheeben), (4) es kann nur posthum durch einen nachfolgenden Papst geschehen (so Bischof Athanasius Schneider).“ Hier scheint einiges durcheinandergeraten. Sein Punkt (1) bezeichnet nicht ein „Verfahren“, sondern eine schlichte private Feststellung, ein „Privaturteil“, wie es jedem Gläubigen möglich ist und es jeder treffen kann gemäß Gal 1, 8: „Aber selbst wenn wir, oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündete, als wir euch verkündet haben, der sei im Banne.“ Das traut auch der heilige Bellarmin uns zu, wenn er den Amtsverlust „ipso facto“ eintreten läßt. Das „außerordentliche Generalkonzil“ ist nur für die öffentlich-rechtliche Seite zuständig. Darum geht es bei den Punkten (2) bis (4) rein um die Frage eines amtlichen oder rechtlichen Urteils, die derzeit ohnehin gegenstandslos ist und reine Spekulation bleibt, denn wir können in unserer hirtenlosen Zeit weder auf die Hilfe durch ein außerordentliches Generalkonzil noch durch sonst ein Konzil noch durch irgendwelche Kardinäle noch durch einen „nachfolgenden Papst“ warten, sondern müssen selber urteilen, ob wir diesen „Päpsten“ als unserer nächsten Glaubensregel folgen oder nicht. Darüberhinaus dürfen wir auf die Wiederherstellung der Kirche hoffen, die der allmächtige Gott zur gegebenen Zeit vornehmen wird. Dann werden wir auch amtliche und rechtliche Klarheit haben. Bis dahin muß unser Privaturteil ausreichen, mit dem wir eindeutig feststellen können, daß diese „Kirche“ nicht die Kirche Christi ist und ihre „Päpste“ nicht die Stellvertreter Christi.

Herr Neidhart sieht diese „Thesen allesamt problematisch“, da die „Feststellung der Selbstabsetzung“ eine „Offenkundigkeit des Irrtums“ voraussetzen würde, „die von niemandem ernsthaft bestritten werden kann“. Diese „Offenkundigkeit des Irrtums“, so scheint uns, ist bei der „Konziliaren Kirche“ und ihren „Päpsten“ zweifellos vorhanden. Sie wird auch von denen, die noch einen katholischen Blick haben, selbst wenn sie keine „Sedisvakantisten“ sind, keineswegs „ernsthaft bestritten“. Sie wird bloß vielfach aus ideologischen Gründen verbrämt oder zumindest soweit abgeschwächt, daß man die Konsequenzen nicht ziehen muß. Das geht so weit, daß die „Traditionalisten“ behaupten, man müsse notfalls auch mit einem „häretischen Papst“ leben und einen „Papst“, der „die Kirche zerstört“, als Kreuz ertragen. Das nennen sie dann noch die „mystische Passion der Kirche“. Doch nicht nur diese Thesen sind für den Privatdozenten „problematisch“, sondern noch vieles mehr. Ja, wir ersticken geradezu vor lauter „Problematik“, die wir uns jedoch für den nächsten Teil unserer Untersuchung aufheben.

Fortsetzung folgt