Mein Freund aus der anderen Welt

Jedes Jahr erinnert uns das Schutzengelfest am 2. Oktober an den unsichtbaren Freund an unserer Seite. Das Schutzengelfest ruft wohl bei den meisten von uns auch wieder den Vorsatz wach, diesen Freund nicht gar so oft zu vergessen. Es ist nun einmal gar nicht so einfach, mit einem reinen Geist Freundschaft zu pflegen, ist uns doch seine Welt recht fremd. Wenn es schon nicht einfach ist, mit einem Menschen Freundschaft zu pflegen, der in der Ferne wohnt, wie dann erst mit einem Engel. Dem Freund in der Ferne kann man zumindest noch schreiben oder auch mit ihm telefonieren, so daß sich nicht allzu schnell das Sprichwort bewahrheitet: „Aus dem Auge aus dem Sinn.“ Wie jeder aus Erfahrung weiß, eine Freundschaft mit einem Engel ist bei weitem aufwendiger. Die Vertraute der Engel, Mechthild Thaller-Schönwerth, stellte schon zu einer Zeit, in der der hl. Glaube durchaus noch fester und verbreiteter war, fest: „Es ist eine stille, aber tiefe Tragik im Dienste der Engel: sie tun für die arme, sündige Menschheit, was in ihren Kräften liegt, sie erwarten keinen Dank und selten finden sie ihn. Aber die glaubensarmen Menschen vergessen sie, oder erklären ihre Existenz als ein anmutiges Märchen.“

Es war tatsächlich so, aufgrund der immer mehr aufkommenden Irrlehre des Modernismus wurde der Engelglaube als Kinderglaube verspottet und die hl. Engel zu Märchenfiguren erklärt. Wie arm sind seitdem die Menschen geworden in ihrer engellosen Welt. Dabei ist gerade in dieser ungläubigen Zeit die Hilfe der hl. Engel jedem besonders notwendig. Denn wie der hl. Paulus uns recht anschaulich vor Augen stellt: „Unser Kampf gilt ja nicht Fleisch und Blut, sondern den Mächten und Gewalten, den Weltherrschern dieser Finsternis und den bösen Geistern in den Himmelshöhen“ (Eph 6, 12) .

Wer nicht an die hl. Engel glaubt, zieht sozusagen vollkommen entwaffnet in diesen Kampf gegen die Mächte und Gewalten, die Weltherrscher dieser Finsternis, die bösen Geister in den Himmelshöhen, bei dem es immerhin um das ewige Leben oder die ewige Verdammnis geht. Wie will er waffenlos gegen einen so gefährlichen Feind kämpfen oder gar siegen? Einen Feind, der zudem Jahrhunderte Erfahrung darin hat, wie man einen Menschen versucht und zu Fall bringt? Weil also so ein Verhalten allzu töricht ist, vergegenwärtigen wir uns wieder einmal unseren Freund aus der anderen Welt. Betrachten wir seine gottgegebenen Fähigkeiten und seine übergroße Macht, die er als reiner Geist und Bote Gottes besitzt, damit unser Vertrauen auf ihn wächst. 

Engel sind Lichtwesen

Wollen wir unseren Schutzengel tatsächlich kennenlernen, so müssen wir uns oft die Frage stellen: Welches Wesen ist eigentlich so ein Engel? Die hl. Hildegard von Bingen erklärt ganz im Sinne der Kirchenväter: „Als Gott sprach, ‚es werde Licht‘, entstand das geistige Licht, das sind die Engel.“ Die Engel sind „Lichtwesen“, womit im Gegensatz zu unserer irdischen Welt ausgesagt werden soll, daß sie reine Geister sind, also keinerlei Materie zu ihrem Sein gehört. Wenn wir ehrlich sind, können wir das viel weniger verstehen als wir es uns eingestehen. Denn im Grunde können wir uns einen Engel gar nicht anders vorstellen, als ein Wesen mit irgendeinem Leib – auch wenn wir aus dem Katechismus wissen, daß es immer nur ein Scheinleib ist, mit dem sich der Engel zeigt, falls er einmal in unserer Welt sichtbarerscheint. Irgendwie denken wir es uns doch so wie bei unserem Freund in der Ferne. Früher, als es noch kein Telefon gab und kein Internet, konnte sich ein Freund in Amerika nur brieflich melden. Er war sozusagen auch wenigstens momentan unsichtbar. Dennoch hatte man von dem Freund eine klare Vorstellung, denn in der Erinnerung stand sein Bild einem vor Augen. Und würde der Freund zurückkommen, würde man ihn sofort wiedererkennen – außer es wären schon 40 oder 50 Jahre vergangen und der Freund hätte sich so sehr verändert, daß unsere Erinnerung ihn nicht mehr fassen kann. 

Bei unserem Freund aus der anderen Welt ist das anders. Selbst wenn er uns erscheinen würde, würden wir ihn dennoch nicht sehen – sondern nur seine Erscheinung. Der hl. Thomas von Aquin hat das einmal so formuliert: „Die Wesenheit der Engel ist höher als unsere Erkenntniskraft. Daher vermag unser erkennender Geist nicht dahin zu gelangen, daß er die Engel erkannte in dem, was sie in sich selber sind“ (Sth. I 50, 2). Auch wenn uns unser Schutzengel erscheinen würde, bliebe er uns dennoch fremd, weil wir das, was er seinem Wesen nach ist, nicht erkennen können. Das Engelwesen übersteigt unsere Erkenntniskraft bei weitem. Der Engel ist immer größer, gewaltiger, intelligenter, schöner und heiliger als wir ihn uns vorstellen können.

Freundschaft mit dem Engel durch göttliche Offenbarung

Es kommt noch etwas hinzu. Weil die Engel unsichtbar sind, haben wir kein Erfahrungswissen über diese. Wir kennen unseren Engel nur aufgrund der göttlichen Offenbarung. Diese enthüllt uns so viel vom Engelwesen, daß wir mit unserem Schutzengel Freundschaft schließen können – und das ist schon sehr viel. Das zu bedenken ist gar nicht so unwichtig, wie es vielleicht zunächst erscheint. Denn wenn uns tatsächlich einmal ein Engel erscheinen würde, woher wüßten wir dann, ob es wirklich ein Engel ist – und nicht etwa eine Gaukelei unserer Sinne oder ein Teufel, der als Lichtengel erscheint? Nun, wir wüßten es aus der Offenbarung. Aus dieser können wir uns so viel Wissen aneignen, daß wir unterscheiden können. 

In der Sprache des hl. Thomas hört sich das so an: „Die unsichtbaren Dinge, die zu glauben glückselig macht, und auf die sich der Glaube richtet, werden von Gott zuerst den seligen Engeln in offener Schau offenbart. Danach werden sie, vermittelt durch den Dienst der Engel, einzelnen Menschen offenbart, nicht zwar in offener Schau, sondern durch eine Art Gewißheit, wie sie aus der göttlichen Offenbarung hervorgeht. Diese Offenbarung geschieht durch ein inneres und geistiges Licht, das den Sinn erhebt zur Gewahrung von Dingen, welche die Erkenntniskraft durch das natürliche Licht nicht zu erreichen vermag. Wie nämlich der erkennende Geist kraft des natürlichen Lichtes Gewißheit erfährt über das, was er durch dieses Licht erkennt, wie etwa über die ersten Urgrundsätze, so auch hat er Gewißheit über das, was er kraft übernatürlichen Lichtes gewahrt“ (Contra Gentiles 3, 154).

Die unsichtbare Welt „sehen“ wir durch den übernatürlichen Glauben. Durch ein inneres Gnadenlicht wird uns diese unsichtbare Welt begreifbar, weil es den Sinn erhebt zur Gewahrung von Dingen, welche die Erkenntniskraft durch das natürliche Licht nicht zu erreichen vermag. Bei der Vermittlung der Offenbarungswahrheit wirken auch die Engel mit. Sie stehen im Dienste Gottes. Dabei bleibt es jedoch immer unsere Aufgabe, das Geistige auch wirklich geistig aufzufassen. D.h. das Übernatürliche nicht auf die Ebene unserer Natur herabzuziehen, wie es der Modernismus systematisch macht. Das Übernatürliche kann man nur im Glauben fassen, wie wir auch das Wesen der Engel nur im Glauben fassen können. Das unterscheidet uns von den Esoterikern und Charismatikern, die anders als die modernen Theologen auch oder wieder an Engel glauben – aber um welche Engel handelt es sich dabei konkret? 

Falsche Engel und Putten

Gerrit Spallek macht sich auf „feinschwarz.net“ Gedanken darüber, daß zumindest für die modernistische Theologie im deutschen Sprachraum Engel größtenteils bedeutungslos geworden sind. Sie fragt sich daher in ihrem Beitrag: „Die Engel sind flügge geworden – und für die Theologie bedeutungslos?“

Engel galten lange Zeit als abgemeldet. In der Zwischenzeit haben sie ein unerwartetes Comeback gefeiert. Spurlos vorbeigegangen ist die Zeit an ihnen aber nicht. Sie haben sich unbeobachtet emanzipiert und das Deutungskorsett institutioneller Religiosität und etablierter Traditionen links liegen gelassen. Heute führen sie ein hybrides Eigenleben. Derzeit begegnen mir Engel sehr häufig. Ich finde sie u.a. als Miniaturen in Wohnzimmern oder auf Friedhöfen, sie sind ein beliebtes Motiv in der Kunst, Musik, Literatur, Film und Fernsehen. Zur Taufe meines Patenkindes habe ich selbst einen verschenkt. Bei YouTube lassen sich sogar Beweisvideos ihrer Existenz finden. Nur in Hörsäle von Theologievorlesungen verlaufen sie sich sehr selten.“

Es ist wahr, die Engel sind sozusagen über die Hintertüre zurückgekommen. Aber handelt es sich um die echten Engel? Die Engel, die wirklich im Himmel existieren? Unserer Autorin fällt auf, daß bei dieser Rückkehr der Engel besonders die Darstellung als „Putto“ überwiegt. Wieso gerade diese Darstellung, wo doch ein „Putto“ gar kein Engel ist? 

Oft bestechen aufgegriffene Engelmotive durch ihre hohe Bedeutungsoffenheit. Dies wird noch einmal dadurch unterstrichen, dass es sich bei den meisten Engelsdarstellungen ikonographisch genaugenommen um Putten handelt. Ein Putto als Motiv ist maximal bedeutungsoffen, weil er ursprünglich gar keine Bedeutung hat. Putten sind ihrem Wesen nach Zier- und Füllmotive, keine Bedeutungsträger. Ansonsten erstreckt sich die Bedeutung eines Putto in seiner Bedeutungslosigkeit. Treffen sie genau deshalb vielleicht den Zahn der Zeit?“

Von esoterischer Phantasie zu den Dämonen

Bedeutungsoffen, d.h. in diesem Zusammenhang für uns Katholiken ohne übernatürlichen Glauben. Der moderne Mensch vermischt in seiner Engelverehrung traditionelle Formen aller Religionen mit esoterischer Phantasie. Damit wird die Grenze zu den Dämonen fließend. Die Engelverehrung wird zum Spiel mit dem Feuer. Hier gilt es auch für uns aufzupassen. Wie viele „Engelerscheinungen“ kursieren auch bei uns, die einfach ungeprüft für echt gehalten werden! Eine äußerst gefährliche Art der Engelverehrung, muß man warnend betonen.

Die Engelerscheinung beim Propheten Daniel

Wieso halten wir uns nicht einfach an das Bewährte, von der Kirche (nicht der Modernistenkirche!) Geprüfte? Wie kann man etwa eine Erscheinung für einen echten Engel halten, wenn sie uferlos daherschwätzt und keinerlei englische Würde ausstrahlt? 

Als dem Propheten Daniel ein Engel erschien, beschreibt er das so:

Ich hob meine Augen auf und sah, und siehe, da stand ein Mann, der hatte leinene Kleider an und einen goldenen Gürtel um seine Lenden. Sein Leib war wie ein Türkis, sein Antlitz sah aus wie ein Blitz, seine Augen wie feurige Fackeln, seine Arme und Füße wie helles, glattes Kupfer, und seine Rede war wie ein großes Brausen. Aber ich, Daniel, sah dies Gesicht allein, und die Männer, die bei mir waren, sahen’s nicht; doch fiel ein großer Schrecken auf sie, so daß sie flohen und sich verkrochen. Ich blieb allein und sah dies große Gesicht. Es blieb aber keine Kraft in mir; jede Farbe wich aus meinem Antlitz, und ich hatte keine Kraft mehr. Und ich hörte seine Rede; und während ich sie hörte, sank ich ohnmächtig auf mein Angesicht zur Erde. Und siehe, eine Hand rührte mich an und half mir auf die Knie und auf die Hände, und er sprach zu mir: Daniel, du von Gott Geliebter, merk auf die Worte, die ich mit dir rede, und richte dich auf; denn ich bin jetzt zu dir gesandt. Und als er dies mit mir redete, richtete ich mich zitternd auf. Und er sprach zu mir: Fürchte dich nicht, Daniel.“

(Dan 10, 5-12)

Der hl. Dionysius vom Areopag über das Wesen der Engel

Das ist doch ein gewaltiges Bild, das dem Wesen eines Engels entspricht. Aus der Beschreibung spürt man heraus, was der hl. Thomas zu bedenken gibt, unser erkennender Geist gelangt nicht dahin, die Engel so zu erkennen wie sie ihrem Wesen nach sind. Nein, unser Geist muß sich mühsam emporarbeiten, um wenigstens einigermaßen begreifen zu können, was diese reinen Geister für eine Würde haben. Der hl. Dionysius vom Areopag war ein großer Engelverehrer, der so viel von dieser glückseligen Mühe zu berichten weiß:

Es ist unserem Geist gar nicht möglich, sich zu jener Nachahmung und unstofflichen, völlig geistigen Schau der himmlischen Hierarchien aufzuschwingen, wenn er sich nicht vorher der ihm gemäßen Anleitung durch sinnfällige Vorstellungen überließe. Und diese findet er dadurch, daß er die in die äußere Sichtbarkeit hineintretenden Schönheiten als Abbilder der unsichtbaren Herrlichkeit auffaßt, die sinnlich sich ausbreitenden Wohlgerüche als Nachwehen geistiger Ausstrahlungen, die irdischen Lichter als Abglanz der Gabe überirdischen Lichtes, die verständig fortschreitenden Lehrvorträge als Widerhall höchster Erfüllung durch überbegriffliche Wesensschau, die Ordnungen der Gliederungen hienieden als Nachbild des harmonischen und wohlgeordneten Verhältnisses zu allem Gottentsprungenen und die Teilhabe an der göttlichen Eucharistie als Darstellung der Gemeinschaft mit Jesus selbst, und was sonst noch den himmlischen Wesen auf überweltliche, uns aber auf sinnlich-sinnbildliche Weise übermittelt wird.“

Die „Bilder“ sollen uns also zur Himmelsleiter werden, auf der wir zu einer immer vollkommeneren Erkenntnis der unsichtbaren Welt aufsteigen. Geleitet durch und gestützt auf unseren hl. Glauben wird uns das Geheimnis immer mehr offenbar. Wir lernen unseren echten Schutzengel immer mehr kennen und schätzen und lieben…

Die besondere Gewalt der Engel über die Elemente

In seinem Werk „Katholischer Volkskatechismus“ von 1914 handelt Franz Spirago natürlich auch über die Engellehre. Spirago lehrt bezüglich des Wesens der hl. Engel:

Die Engel übertreffen an Vortrefflichkeit alle anderen Wesen, die Gott erschaffen hat (hl. Aug.). Christus sagt, daß selbst die Engel den Tag und die Stunde des Jüngsten Gerichts nicht wissen (Mt 24,36); daher müssen die Engel mehr wissen als die Menschen. Die Engel haben eine große Kraft; deswegen nennt sie die Hl. Schrift oft „Gewalten und Kräfte“ (1. Petr 3,22). Der Würgengel in Ägypten tötete die Erstgeburt. Ein anderer Engel bewirkte, daß in einer Nacht gegen 200.000 assyrische Soldaten starben im Lager des Königs Senacherib, der den wahren Gott gelästert hatte (Jes 37,36). Die Engel haben besondere Macht über die Elemente; dies kommt daher, weil Gott durch die höheren Kräfte auf die niederen einwirkt. Die Engel haben also besondere Gewalt über das Wasser; ein Engel brachte das Wasser des Schafteiches in Wallung und bewirkte, daß jeder gesund wurde, der zuerst nach der Wallung in den Teich hinabstieg (Joh 5,4). Die Engel haben besondere Gewalt über die Luft; ein Engel trägt den Propheten Habakuk mit Blitzesschnelligkeit zu Daniel in der Löwengrube, damit er ihm Speise bringe (Dan 14,35). Etwas Ähnliches widerfuhr dem Diakon Philippus nach der Taufe des Kämmerers (Apg 8,39). Die Engel haben besondere Gewalt über die Erde; die Erde erbebte, als der Engel zum Grabe des auferstandenen Heilandes niederstieg (Mt 28,2). Gott hat die Engel zu seiner Verherrlichung und zu seinem Dienste sowie auch zu ihrer eigenen Glückseligkeit erschaffen.“

Betrachtet die heiligen Engel!

Ja, unser Schutzengel ist ein mächtiger Himmelsgeist. Ihm können wir uns ruhig anvertrauen. Seine Sorge um unser ewiges Heil ist um vieles größer als unsere eigene Sorge. Er wird all seine Engelsfähigkeiten zu unserem Wohl einsetzen, wenn wir nur auf ihn hören. 

Der hl. Franz von Sales legt es uns in seiner „Philothea“ so sehr ans Herz:

Mit den Engeln mußt Du ganz besonders vertraut sein. Betrachte sie oft, wie sie in deinem Leben unsichtbar zur Seite stehen! Liebe und verehre den Schutzengel deines Bistums, die Schutzengel der Menschen, mit denen du zusammenlebst, besonders aber deinen eigenen! Bete oft zu ihnen, preise sie, nimm ihren Beistand in Anspruch in deinen geistlichen und zeitlichen Anliegen, damit sie nach deinen Wünschen mit dir wirken!“

Es ist nur allzu wahr, wir müßten viel öfter die hl. Engel betrachten, dann würden wir allmählich in der himmlischen Welt beheimatet sein. Es kann gar nicht anders sein, diese himmelsseligen Geister erinnern uns ständig daran, was der hl. Paulus an die Philipper schreibt: „Unsere Heimat aber ist im Himmel. Von dort erwarten wir auch als Retter den Herrn Jesus Christus, der vermöge der Macht, durch die er sich alles unterwerfen kann, unseren hinfälligen Leib umwandeln und seinem verherrlichten Leib gleichgestalten wird“ (Phil 3, 20 f.).

Die Schönheit der Engel

Die Engel, die Gott treu geblieben sind, schauen ewig das Angesicht Gottes und loben Gott.“, gibt Spirago zu bedenken und fährt weiter: „Von den Schutzengeln der Kinder sagt Christus: ‚Ich sage euch, ihre Engel im Himmel sehen immerfort das Angesicht meines Vaters, der im Himmel ist‘ (Mt 18,19). Weil die Engel die Majestät Gottes klar schauen, so brechen sie in ihrer Freude und Begeisterung in Lobgesänge aus. Man denke an das dreimalige Heilig der Seraphim (Jes 6,3) und an den Lobgesang der Engel auf den Feldern Bethlehems. Die hl. Engel werden abgebildet: als Kinder, weil sie unsterblich, also immer jung sind; mit Flügeln, weil sie im Dienste Gottes so schnell sind wie der Gedanke; mit doppeltem Gesichte, weil sie eine große Erkenntnis haben; mit Harfen, weil sie Gott lobsingen; mit Lilien in der Hand, weil sie unschuldig sind; mit einem Kopfe ohne Leib, weil sie keinen Körper haben; ihre Bilder sind bei Altären, weil sie beim hl. Opfer unsichtbar zugegen sind. – Die heiligen Engel besitzen eine überaus große Schönheit. „Wenn jemand einen Engel in seiner ganzen Schönheit sehen würde, so müßte er von seinem Glanze erblinden“ (hl. Brig.). Wenn ein Engel am Firmamente sichtbar würde, und neben ihm so viele Sonnen wären, wie Sterne am Himmel sind, so würden die Sonnen durch den Glanz des Engels ebenso verschwinden, wie die Sterne vor der Sonne verschwinden (hl. Ans.). Daher konnten sich die heiligen Engel bei ihren Erscheinungen den Menschen nie in ihrem ganzen Glanze zeigen. – Die heiligen Engel werden im Himmel unsere Gefährten sein. Deshalb freuen sie sich auf uns. Das Hochzeitsmahl ist zubereitet, aber das Haus ist noch nicht voll, es werden mehr Gäste erwartet“ (hl. Bern.). Deshalb nehmen die hl. Engel so sehr Anteil an unserem geistigen Leben. Der Heiland sagt, sie freuen sich über einen Sünder, der Buße tut (Lk 15,10). Sie greifen sogar oft in unser geistiges und leibliches Leben ein, wenn wir ihnen nur durch unsere Sünden keine Hindernisse bereiten.“

Die Würde der Schutzengel

Wer könnte es bezweifeln, unser Leben ist voller Gefahren! Unser ewiges Heil ist gefährdet bis zum letzten Augenblick unseres Lebens. Wie groß muß darum die Sorge der himmlischen Geister um uns sein, die Gottes Angesicht sehen und Ihn ewig loben dürfen ob Seiner unendlichen Herrlichkeit. Wie furchtbar ist es, dieses Glück zu verlieren und wie die untreuen Engel in die Hölle zu stürzen! Wie trostreich ist es daher zu wissen:

Die heiligen Engel sind Begleiter, die uns der himmlische Vater auf dieser gefahrvollen Lebensreise als Führer bestellt hat (Segneri). Die heiligen Schutzengel bewachen uns so treu wie ein Hirt seine Herde (hl. Bas.). Die Engel sehen es als ihr edelstes Geschäft an, durch ihre Dienste unser Seelenheil zu fördern (hl. Dion. Ar.). Es könnte uns auffallen, daß die Engel zu unserem Dienste da sind; doch man bedenke, daß selbst der Schöpfer und der König der Engel nicht gekommen ist, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben für viele hinzugeben (hl. Bern.). Der Dienst, den uns die hl. Engel erweisen, verursacht ihnen weder Mühe noch Kummer, sondern vielmehr Freuden und macht einen Teil ihrer Glückseligkeit aus; denn da sie Gott über alles lieben, gibt es für sie nichts Angenehmeres, als zur Rettung der Seelen und dadurch zur Verherrlichung Gottes beizutragen.

Es ist die Meinung der Kirchenlehrer, daß jeder Mensch einen Schutzengel habe. „O hohe Würde der Menschenseele, die gleich vom Tage der Geburt einen Engel zum Beschützer hat!“ (hl. Hier.). Die Würde des Schutzengels richtet sich nach der Würde des ihm zur Obhut anvertrauten Menschen. Die einfachen Christen haben einen Engel niederen Ranges, einen höheren haben die Priester, einen höheren die Bischöfe, der Papst endlich hat einen der mächtigsten Geister des himmlischen Hofes zum Schutzengel. Ebenso verhält es sich mit den weltlichen Obrigkeiten, mit den Fürsten und Königen der Erde (Maria Lat.). Aber nicht nur die einzelnen Menschen haben ihren Schutzengel, auch jede Stadt, jedes Reich, jede Familie, jede Pfarrei, jede Klostergemeinde hat ihren Schutzengel (Maria Lat.).“

So faßt nochmals Spirago die katholische Lehre in seinem Katholischen Volkskatechismus zusammen. Und was für eine tröstliche Lehre ist dieses Wissen um die hl. Schutzengel, die nicht nur den einzelnen Menschen vor den vielen Gefahren für Leib und Seele bewahren, sondern auch jede Stadt, jedes Reich, jede Familie, jede Pfarrei, jede Klostergemeinde. Was für ein Schaden dadurch entsteht, daß man dies nicht mehr glaubt und sich nicht mehr unter den Schutz der himmlischen Geister stellt, ist wohl kaum vorstellbar. Anstatt von Gott wird die Welt vom Teufel regiert…

Eine Vertraute der Engel: Mechthild Thaller-Schönwerth

Wie ist es nun möglich, etwas mehr über den eigenen Schutzengel zu erfahren? Wir kennen ihn sicherlich nur unzureichend, auch wenn wir wohl die eine oder andere Erfahrung gemacht haben. Daß er jedoch dauernd, Tag für Tag und Augenblick für Augenblick, an unserer Seite steht und darauf wartet, von uns angesprochen zu werden, daran denken wir eher selten. Was kann uns helfen, dieser Vergesslichkeit entgegenzuwirken? Lassen wir uns ein wenig von unseren Visionären unter die Arme greifen, d.h. lernen wir ein wenig hinzu aus deren vertrautem Umgang mit ihrem Schutzengel. Dabei kann die Vertraute der Engel, Mechthild Thaller-Schönwerth, die wir anfangs schon erwähnt haben, unsere Führerin sein. (Alle Texte genommen aus: Irmgard Hausmann, Die Vertraute der Engel, Leben der Mystikerin Mechthild Thaller-Schönwerth, Miriam – Verlag, Jestetten 1992)

Wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind, sehen wir immer nur die Hälfte der anwesenden Personen – die hl. Engel sehen wir nicht. Anders war es bei Mechthild. In ihrem Tagebuch liest man etwa:

Deus Dedit [ihr Beichtvater] und Servus Dei [dessen Priesterfreund] sind sehr verschieden, aber ihre Charaktere ergänzen sich in schönster Weise. Ihre Schutzengel haben große Ähnlichkeit, man könnte sie miteinander verwechseln. Die »zweiten« Engel [jeder Priester hat zwei Schutzengel aufgrund der priesterlichen Verantwortung für die ihm von Gott anvertrauten Seelen] wechseln, je nachdem der betreffende Mensch eine höhere Stufe der Vollkommenheit erreicht. Ein Priester, der eine »Herrschaft« als Begleiter hat, hat die Gabe, die Herzen der ihm anvertrauten Seelen zu lenken. Er dominiert [herrscht] gewissermaßen. Aber Weltpriester haben selten eine »Herrschaft« zur Verfügung. Deus dedit hat seinen »Gewaltigen« nicht mehr. Er hat jetzt die »Herrschaft« neben sich; der Engel schaut so gebietend und herrlich aus, daß ich ganz verwirrt war, als ich Deus dedit und Servus Dei gestern empfing. Das englische, herrschaftliche Gewand ist von leuchtend heller Farbe. Der Herrscherstab leuchtet wie Sonnenstrahlen. Er trägt ihn in der linken Hand, die rechte ist frei und stets bereit, Deus dedit zu stützen, zu leiten und zu segnen. Es machte einen tiefen Eindruck auf mich, als ich gestern die zwei Priester nach dem Herzen Gottes an unserem Tisch sitzen sah. Ich mußte mich sehr anstrengen, um nicht in eine tiefe Betrachtung über die unaussprechliche Heiligkeit des wahren vollkommenen Priestertums zu versinken.“ 

(S. 48)

Wie schön wäre es, würde man den eigenen Schutzengel und die Schutzengel der anderen Menschen sehen, so denkt man unwillkürlich bei dieser Beschreibung. Sofort spürte man die himmlische Atmosphäre, die uns tatsächlich immer umgibt, wir müßten nur mit einem lebendigen Glauben das Unsichtbare unserer Wirklichkeit wahrnehmen lernen. Wie beeindruckend sind die hl. Engel in ihrer Erscheinung – der Engel schaut so gebietend und herrlich aus, daß ich ganz verwirrt war. Es fällt uns so schwer, das erhabene Wesen dieser himmlischen Geister zu erfassen. In ihnen ist alles rein und heilig und mächtig: Das englische, herrschaftliche Gewand ist von leuchtend heller Farbe. Der Herrscherstab leuchtet wie Sonnenstrahlen. Er trägt ihn in der linken Hand, die rechte ist frei und stets bereit, Deus dedit zu stützen, zu leiten und zu segnen. Unser Leben wurde von Gott einem Engel zum Schutz anvertraut. Natürlich stehen wir auch unter dem direkten Schutz Gottes, aber anderseits sind wir eine Gottesfamilie, wo einer des anderen Last trägt, wie es der hl. Paulus sagt. Darum möchte Gott, daß wir eine besondere Verehrung zu unserem Schutzengel haben, denn er ist unser bester Freund aus der anderen Welt. Einen besseren Freund als ihn kann man sich nicht denken und wünschen, einen Freund mit einem solchen Wissen um die ewigen Dinge und einem solchen Wohlwollen zu unserer Seele. 

Regeln zur Unterscheidung der Geister

Noch ein kurzer Gedanke zu dem Wunsch, den eigenen Schutzengel sehen zu können. Wäre damit wirklich alles einfacher? Würde damit unser Leben viel besser? Müßte man nicht meinen, daß das nicht nur für Mechthild Thaller-Schönwerth gilt, sondern auch für die Priester, die mit ihr zu tun hatten? Aber das war gar nicht der Fall, weil nämlich immer wieder Zweifel aufkamen, ob die Erscheinung echt ist oder nicht. Kann doch auch der Teufel als Lichtengel erscheinen und er wird es wohl eher und bereitwilliger tun als der Engel Gottes. Wie kann man zu einem sicheren Urteil kommen? Der Archangelus [ihr Schutzengel] erklärt es Mechthild so:

Deus dedit erwartet meinen Archangelus. Warum kommt er nicht? Als ich dem Archangelus Vorwürfe machte, daß er zu Deus dedit nicht unter einer anderen Gestalt komme als bisher, lächelte er und sprach: „Du begreifst das große, zarte Geheimnis nicht, das darin liegt. Was soll Euer ewiges Fragen und Drängen? Nehmt die Gabe Gottes so an, wie sie Euch geboten wird. Seid von kindlicher Dankbarkeit. Ich habe Deus dedit so manches gesagt, was außer ihm kein Mensch wissen kann. Weshalb zweifelt er und nimmt nicht die Gnadenblüten mit Freuden an? Er ist wie ein Kind, das von einer Rosenknospe nicht glauben will, daß sie sich zur herrlichen Rose entfalten wird. Deus dedit analysiert meine Worte, meine Gebärden, meine persönliche Erscheinung. Er hat von dem köstlichen Rosenduft in der Knospe eine Ahnung, aber er entblättert die zukünftige Blüte, ehe sie sich aufschließt. Hat er von einer zerpflückten Knospe das Recht zu fordern, sie soll in Schönheit erblühen? Die außerordentlichen Gnaden Gottes werden den Menschen gewöhnlich in bescheidener Form angeboten, so daß der Mensch nicht erschrickt. Erst an den Wirkungen erkennt der Empfänger, wie nahe ihm der Herr war, welch Großes er dem Menschen geschenkt hat. Wenn sich der Teufel der Seele naht, so bringt er sie in Verwirrung. Er kann nicht den Frieden bringen, denn er hat ihn auch nicht: aber wenn ein himmlischer Geist zum Menschen spricht, wird das Herz zu Gott erhoben und wunderbar getröstet.“ 

(S. 148-149)

Unser Herr belehrt uns im hl. Evangelium: „Hütet euch vor den falschen Propheten! Sie kommen in Schafskleidern zu euch, in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Sammelt man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? Jeder gute Baum bringt gute Früchte, ein schlechter Baum aber bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte tragen, und ein schlechter Baum trägt keine guten Früchte“ (Mt. 7, 15-18).

Um den Schein vom Sein unterscheiden zu können, muß man auf die Früchte schauen. Die falschen Propheten können sich genauso wie der Teufel nicht ständig verstellen. Mit der Zeit wird ihre wahre Absicht zum Vorschein kommen – in den Früchten ihres Tuns. Es ist eine Grundwahrheit, die bei der Unterscheidung der Geister ganz besonders zu beachten ist: Wenn sich der Teufel der Seele naht, so bringt er sie in Verwirrung. Er kann nicht den Frieden bringen, denn er hat ihn auch nicht. Wie das Sprichwort sagt, liebt es der Teufel im Trüben zu fischen. Er möchte die Seele verwirren, denn dann hat er meist schon gewonnen. Darum wird sich selbst der Scheinfriede, den der Teufel zuweilen erzeugen kann, schnell als Trug erweisen. Sobald man nur tiefer schaut, zeigt sich: Er kann nicht den Frieden bringen, denn er hat ihn auch nicht. Ganz anders ist es beim Nahen eines Engels Gottes. Mit ihm kommt göttlicher Friede. Der Engel beruhigt die aufgewühlte Seele, denn wenn ein himmlischer Geist zum Menschen spricht, wird das Herz zu Gott erhoben und wunderbar getröstet.

Stärkung im Leiden

Unsere Welt ist nicht getrennt von der Welt der Engel. Diese haben vielfältige Aufgaben von Gott erhalten. Wie würde man staunen, wenn man sehen könnte, welch rege Sorge der himmlischen Geister uns ständig umgibt. Lassen wir uns wiederum von der Vertrauten der Engel von dieser unsichtbaren Seite unserer Wirklichkeit berichten. 

Als ich heute mein Zimmer verließ und den Gang betrat, sah ich einen wunderschönen Engel vor mir stehen. Er trug Levitenkleidung, hatte die Arme über der Brust gekreuzt und blickte mit unaussprechlich flehendem Ausdruck zum Himmel. Ich war so vertieft in diese überirdische Schönheit, daß ich nicht fragen konnte, was der Engel wolle. Aber er kam mir bekannt vor. Um ihm eine Freude zu machen, betete ich: ‚Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum!‘ Da breitete er seine Hände aus und sah mich mit himmlischer Güte an. Dann sprach er: ‚Ich bin der Engel, den der Herr zu den Leidenden sendet, jetzt komme ich zu Dir, dann zu Pater Benediktus, dann zu Deus dedit. Werdet nicht mutlos, sondern dankt jetzt im voraus schon für alle kommenden Leiden. Pax vobiscum!‘ Dann war er verschwunden.“ 

(S. 154)

Auch wenn wir ständig unseren Schutzengel an unserer Seite haben, gibt es dennoch Aufgaben, die von den anderen Engeln übernommen werden, um deren Hilfe zu ergänzen. Für jeden von uns sind die Zeiten des Leidens besondere Prüfungszeiten, aber auch außerordentliche Gnadenzeiten. Wie schwer fällt es uns, diese Wahrheit einzusehen und noch schwerer, sie in die Tat umzusetzen. Nun, dabei hilft uns der Engel, den der Herr zu den Leidenden sendet. Dieser erinnert uns an diese Wahrheit: Werdet nicht mutlos, sondern dankt jetzt im voraus schon für alle kommenden Leiden. Pax vobiscum!“ –  Wenn ihr euer Kreuz mit dem hl. Kreuz eures Erlösers Jesus Christus vereint, werdet ihr die Kraft des Kreuzes erfahren. Dann wird es sich trotz allem Leid erfüllen: „Der Friede sei mit euch!“

Aber nicht nur das, der Engel vermag noch mehr, wie Mechthild berichtet:

Um den Befehl von Deus dedit zu erfüllen, greife ich auf den Donnerstag zurück. Mein Archangelus brachte mir diesmal einen Kristallkelch und sprach: ‚Nimm und trinke diesen Wein!‘ Ich wollte zuerst nur ein paar Tropfen nehmen und auf das andere verzichten, aber der Engel gestattete es nicht. ‚Das dient Dir zur körperlichen Stärkung, und Dein Seelenführer würde Dir befehlen, diesen Kelch auszutrinken.‘ Ich gehorchte. Es war wie ein herber Wein mit einem ungemein angenehmen Nachgeschmack. Dann sagte ich: ‚Was bleibt denn für Deus dedit und Servus Dei?‘ Da lächelte der Archangelus und sagte: ‚Beide sollen getröstet und gestärkt sein!‘ Dann war ich zufrieden.“ 

(S. 69)

Der Leidenskelch muß getrunken werden. D.h. jeder von uns muß sein Leiden aus der Hand Gottes annehmen. Er muß ganz davon überzeugt sein, daß die Vorsehung Gottes schon alles recht macht. Mit dem Kreuz gibt uns Gott auch immer die Gnade, es tragen zu können. Das Leiden erscheint uns zunächst herb, bitter, womöglich sogar ungenießbar. Aber durch die Gnade Gottes verwandelt es sich – es bekommt einen ungemein angenehmen Nachgeschmack. 

Der Schlüssel zu dieser übernatürlichen Leidensstäke ist das beharrliche Gebet, wie uns die Vertraute der Engel weiter belehrt. 

Ich fühle mich schrecklich leidend, die letzte Nacht war ich vollkommen erschöpft durch Schmerzen und Fieber. Die Armen Seelen wehklagten und weinten immerzu. Ich wußte gar nicht mehr, was ich tun sollte, um sie zu trösten. Da sprach mein lieber Archangelus: ‚Willst Du nicht beten, daß der Herr das Anliegen Deines Führers, von dem er gestern zu Dir sprach, in seine heiligen Hände nehmen soll? Du hast heute viel gelitten in der Absicht, Deinem geistlichen Führer gehorsam zu sein. Jetzt bist Du schlaflos, also nütze diese Gelegenheit und bitte um Erhörung!‘ Da erwiderte ich: ‚Wie soll ich nur einigermaßen gut beten können, wenn die Armen Seelen so laut klagen und weinen? Wie soll da Aufmerksamkeit möglich sein?‘ Ich ersuchte den Archangelus, die Armen Seelen zu bitten, sie möchten jetzt schweigen, weil ich für die Angelegenheiten meines geistlichen Vaters beten wolle. Der Archangelus lächelte, ging zur Tür und sagte es den Armen Seelen. Sie waren sofort ruhig und versicherten, sie wollten ebenfalls aufs Eifrigste in der Meinung Deus dedit’s beten. Ich betete noch fast drei Stunden mit Andacht und Zufriedenheit trotz meiner Leiden, und habe die Überzeugung, daß Deus dedit in seinem Anliegen getröstet wird.“ 

(S. 149-150)

Weil uns im Leiden das Gebet meist schwer fällt, ist es noch wertvoller, weil verdienstlicher. Sobald wir uns überwinden, wird das Leid zum Segen. Aber nur durch die übernatürliche Liebe kann das Leid verwandelt werden. Das Gebet hilft uns dabei, diese Liebe im Herzen zu erwecken, d.h. das Kreuz gerne anzunehmen, um es mit und für Jesus zu tragen. 

Hilfe in der Versuchung

Ein besonderes Leid ist für uns gewöhnlich jede Versuchung. Wie aufdringlich und hartnäckig kann eine Versuchung sein. Daraus fließen meist viele seelische Leiden. Jede Zeit der Versuchung ist eine außerordentliche Prüfungszeit. Wie also sich bewähren? Wie standhalft bleiben? Mechthilds Schutzengel meint folgendes dazu:

Auch wegen der Versuchungen einer Person, von der Deus dedit mir heute sprach, fragte ich meinen Engel. Er lächelte und sagte: ‚Gib Deus dedit Deine Hand und sprich zu ihm: ,Im Namen Jesu Christi, des Sohnes Gottes, des Gekreuzigten, sei die vermeinte Person von ihren Anfechtungen befreit!‘ Ich erwiderte: ‚Geht das nicht sofort, ohne Deus dedit zuerst zu besuchen?‘ Da lächelte der Archangelus wiederum und sprach: ‚Ja, aber tue, wie ich Dir sagte! Und sage auch zu Deinem Führer: ,Die Versuchungen, die man bekämpft, sind ein großes Glück, denn sie sind der Beweis, daß der Teufel unzufrieden ist mit dieser Seele. Eine laue Seele kennt keine Versuchungen. Jede standhaft überwundene Versuchung ist eine große Freude für den Himmel, namentlich für die Engel. Der Friede sei mit Dir!‘ Und er verließ mich.“

Denken wir nicht genau dem entgegengesetzt, was der Engel hier erklärt? Wir sind froh, wenn wir unsere Ruhe haben, wenn wir nicht versucht werden. Dabei müßte uns gerade dann unwohl werden, denn der Teufel läßt doch nur diejenigen Seelen in Ruhe, die ihm schon gehören. Je mehr man sich jedoch bemüht, Gott wohlzugefallen, desto aggressiver wird der Teufel werden. Die Seele aber wird in der Versuchung bewährt und durch die Gnade gestärkt, darum ist jede standhaft überwundene Versuchung eine große Freude für den Himmel, namentlich für die Engel.

Ernste Ermahnungen des Schutzengels

Eine außerordentlich gefährliche Versuchung ist die Schwermut. Wie denkt wohl der Schutzengel darüber? 

Heute ist Deus dedit wieder zurückgekehrt; er ist leidend. Das betrübt mich von Herzen. Und mich ergriff wieder eine so tiefe Schwermut. Ich suchte mich durch Betrachtungen davon abzubringen, aber alles ist umsonst. Der Archangelus hat mich streng getadelt, daß ich soviel Furcht vor dem Leiden hätte. Da erkühnte ich mich zu sagen: ,‘O Du mein liebster Bruder! Ich habe in der letzten Zeit so viel gelitten, ich bin so müde, ich möchte so gerne nur ein paar schmerzensfreie Stunden.‘ Da kam ich schlimm an. Mein Archangelus zankte mich schrecklich aus wegen meines Undankes gegen Gottes Barmherzigkeit, denn die Leiden, die Gott schickt, sind die kostbarsten Gnadenerweise der göttlichen Liebe, es sind Dornen, die sich in blühende Rosen verwandeln. Das Leiden ist der Schlüssel zum Himmel, das Leiden öffnet die Pforten des Fegfeuers und befreit die Armen Seelen, das Leiden sei das wahre Kennzeichen eines Nachfolgers Christi. Nachdem er mir dies alles in bitter ernstem, zürnendem Ton gesagt hatte, befahl er mir, meine Unlust am Leiden und mein Widerstreben, diese Gnade anzunehmen, bei der nächsten Gelegenheit zu beichten. Auch soll mir Deus dedit eine strenge Buße geben, dieses Vergehens wegen.“ 

(S. 123-124)

Dornen, die sich in Rosen verwandeln

Nein, dieser Engel ist beileibe kein frommer Schwätzer. Wenn es notwendig ist, dann ist er unerbittlich streng. Der Wille Gottes steht immer über allem. Dieser Wille muß getan werden. Jedes Leiden zwingt die Seele dazu, sich nur mehr auf Gott zu stützen. Wie schwer begreifen wir es, es ist Gottes Barmherzigkeit, die uns leiden läßt, denn die Leiden, die Gott schickt, sind die kostbarsten Gnadenerweise der göttlichen Liebe, es sind Dornen, die sich in blühende Rosen verwandeln – sich in Rosen verwandeln, wenn das Leiden in der Liebe Christi angenommen wird. Letztlich ist es unser größter Schatz auf Erden: Das Leiden ist der Schlüssel zum Himmel, das Leiden öffnet die Pforten des Fegfeuers und befreit die Armen Seelen, das Leiden sei das wahre Kennzeichen eines Nachfolgers Christi. Diese Wahrheit sollten wir wieder und wieder im Leiden Christi erwägen. 

Der Schutzengel des Priesterseminars

Wir haben schon gehört, daß nicht nur die einzelnen Menschen Schutzengel haben. Auch darüber weiß uns Mechthild aus eigener Erfahrung zu berichten:

Heute Nachmittag gegen fünf Uhr sah ich den Hausengel des Klerikalseminars. Er gehört zum Chor der »Throne«. Er ist von überwältigender Majestät, voll erhabener Würde, voll heiligen Ernstes. Seine Augen schauen zum Himmel empor, zu Jesus, dem ewigen Hohenpriester, der sich für uns opferte. Er trägt ein herrliches Gewand und seine Krone strahlt eine Helle und ein Licht aus, vor dem ich meine Augen schließen muß. Er ersuchte mich, des Klerikalseminars täglich zu gedenken in meinen Gebeten und Leiden. Mit ergreifenden Worten empfahl er mir alle seine »Hausgenossen«, insbesondere die Vorstände des Hauses, des Pater B., der nichts anderes kennt als Opfer zu bringen und sich selbst zu opfern. Ich fragte diesen wunderbaren himmlischen Fürsten, ob er schon da war, als Deus dedit und Servus Dei im Klerikalseminar waren. Da sprach er: ‚Ja, ich bin im Hause seit dessen Gründung. Ich kenne Deine geistlichen Freunde und grüße sie im Namen Jesu! Sie gehören zu denjenigen, die mir Freude bereiten, aber bedenke, wieviel Kummer ich schon ertragen mußte, wenn ich bei der Priesterweihe sah, daß ein Teil der Neugeweihten verloren gehen werde. Niemand gedenkt meiner, niemand ruft mich an, und ich bin doch da, um ständig für mein Haus und seine Bewohner zu beten. Und mir ist doch von Gott so große Macht gegeben!‘ Dann fragte ich, wie es bei der kommenden Priesterweihe wäre, ob viele zukünftige Heilige darunter wären. Da lächelte der Engel und sprach: ‚Viele? Was ist das für ein Begriff? Einer ist dieses Jahr darunter, und das ist viel, denn manchmal vergehen Jahre, ohne daß ich wieder eine solche Freude habe.‘ Dann fragte ich um das Jahr von Deus dedit’s Priesterweihe. Da sprach der Engel: ‚Damals waren es drei! Pax tecum!‘ Und ich sah nichts mehr.“ 

(S. 117-118)

Gottes allumfassende Sorge

Gottes allumfassende Sorge vervielfältigt sich in den verschiedenen Schutzengeln, wie wir schon von Spirago gehört haben: Aber nicht nur die einzelnen Menschen haben ihren Schutzengel, auch jede Stadt, jedes Reich, jede Familie, jede Pfarrei, jede Klostergemeinde hat ihren Schutzengel. Der Allmächtige nimmt alle anderen Geschöpfe mit hinein in Seine Sorge. ER läßt die Engel und Heiligen mitwirken am Heilsdrama unserer irdischen Welt. Dabei hängt es wenigstens z.T. von uns Menschen ab, inwieweit uns die hl. Engel helfen können. Je glaubensvoller wir uns ihnen zuwenden, desto mächtiger ist ihr Wirken. Wie traurig klingt es in unseren Ohren, obwohl Engel nicht traurig sein können, wenn der Hausengel des Klerikalseminars klagt: „Niemand gedenkt meiner, niemand ruft mich an, und ich bin doch da, um ständig für mein Haus und seine Bewohner zu beten. Und mir ist doch von Gott so große Macht gegeben!“

Die Gegenwart der Engel beim hl. Meßopfer

Eine ganz außergewöhnliche Gelegenheit, sich der Gegenwart der hl. Engel zu erfreuen, ist jedes hl. Meßopfer. Hier die Schau Mechthilds: 

Die Vorgänge am Altar (Weißer Sonntag) nahmen meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Deus dedit hob bei der heiligen Wandlung das allerheiligste Herz Jesu in die Höhe. Die Wunde war breit und geöffnet und es fielen einzelne schwere Blutstropfen auf Deus dedit’s Hände. Ich sah diese Hände — nicht nur wie sonst die geweihten Finger — in leuchtender Verklärung. Auch St. Gabriel war wieder am Altar. Er kniete demütig auf der Evangelienseite. Ich grüßte ihn vielmals und empfahl ihm alle Erstkommunikanten, alle Katecheten und vorzüglich Deus dedit, Servus Dei und Adauctus. Er blickte mit großer Freundlichkeit auf mich, dieser Freudenverkünder, und ich sagte ihm, er möchte doch für meine geistlichen Freunde recht viel Trost vom Himmel bringen. Unmittelbar nach der heiligen Wandlung sah ich auch die allerseligste Jungfrau, wie sie Deus dedit ihrem Sohne vorstellte. Sie erschien in königlicher Pracht, als »freudige Himmelskönigin«. Ich war so tief bewegt, daß ich fühlte, wie mir die Tränen kamen. Wieder legte mein Archangelus die Hände über meine Augen, und sie waren trocken. Kurz vor der heiligen Kommunion, als Deus dedit die Hostie ins Auge faßte, sah ich, wie er seine Hände gleichsam eintauchte in die Wunde des göttlichen Herzens. Da fragte ich meinen Schutzengel: ‚Warum ist das so?‘ Dieser sagte: ‚Er nimmt die Schätze der göttlichen Liebe aus dem Herzen Jesu und gibt sie seinen Freunden.‘ Das hat mir nun sehr gut gefallen und ich freute mich für Deus dedit, daß er die nächsten Tage gleich St. Gabriel ein »Freudenbringer« sein wird. Dann empfahl ich Servus Dei der Mutter Gottes, daß er zufrieden sei mit seinem künftigen Seelenführer. Adauctus, Pater Benedikt, empfahl ich nochmals aufs Dringlichste dem Erzengel Gabriel. Als Deus dedit sich umwandte, um die Absolution zu geben, kam St. Gabriel zu mir und sprach: ‚Erwecke eine lebhafte Reue über Deine Fehler und Nachlässigkeiten.‘ In diesem Augenblick empfand ich sogleich eine brennende Reue. Als meine Nachbarin ihren Platz verließ, um zur Kommunionbank zu gehen, nahte sich mir ein sehr schöner Engel, den ich noch nie gesehen hatte, und reichte mir mit den Worten: ‚Der Leib des Herrn führe Deine Seele zum ewigen Leben!‘ eine geweihte Hostie. Ich empfand einen so heftigen Schrecken oder vielmehr, ich war so erschrocken vor Freude, daß ich glaubte, vergehen zu müssen. Ich sah den Herrn in meinem Herzen voll Liebe und doch voll Majestät, seine Wundmale waren verklärt und leuchtend. Als mir einen Augenblick der Zweifel kam, ob ich auch wirklich kommuniziert hätte, sprach der Herr: #Lege Deine Hand in meine Seite!‘ Ich sah mich selbst wie ein Kind, das seine linke Hand in die Seitenwunde legt. Sie war auf der rechten Seite und breit. Da empfahl ich alle Sünder in diese heilbringende Wunde, besonders diejenigen, die mir am nächsten stehen. Auch Deus dedit’s und seiner Freunde Anliegen legte ich hinein. Ich fühlte mich unaussprechlich glücklich. Leider hatten wir heute eine sakrilegische und einige schlechte Kommunionen.“ 

(S. 93–94)

In was für einer wunderbaren Welt dürfen wir leben. Welch große Geheimnisse erschließt uns unser hl. Glaube, ganz besonders während des hl. Meßopfers, wenn Himmel und Erde sich gnadenhaft berühren. Leider können wir nicht mit unseren Augen sehen, was Mechthild sehen durfte. Unser geistiges Auge ist der hl. Glaube, der uns das Unsichtbare sichtbar macht. Bitten wir unseren hl. Engel, daß er für uns die Gnade eines lebendigen Glaubens beim Throne Gottes erfleht. 

Der heilige Erzengel Gabriel

Schließlich soll uns die Vertraute der Engel noch ein wenig über den hl. Erzengel Gabriel berichten, den Freudenbringer, der nicht nur der Gottesmutter die Botschaft von der Menschwerdung des Sohnes Gottes überbrachte, sondern zudem eine überaus weitreichende Aufgabe bei der Rettung der Menschen übernommen hat. 

O Erzengel St. Gabriel, liebeglühender Seraph! Gegrüßet seist Du, Auserwählter Gottes! Gegrüßet seist Du, Gabriel! Du bist voll der Gnade und Freude, der Heilige Geist ist mit Dir, Du bist auserwählt unter allen Engeln und gebenedeit ist die »Unbefleckte Jungfrau Maria«, der Du die Botschaft brachtest, daß sie Mutter unseres Erlösers Jesus Christus werde. Heiliger Erzengel Gabriel, Du Gesandter des Heiligen Geistes, bitte für uns arme Sünder, steh uns bei in jeder Angst und Not, am meisten in der Stunde des Todes, Amen.

Heute ist großer Freudentag im Himmel — und für alle auf Erden, die guten Willens sind. Ich bat Unsere liebe Frau recht inständig, allen meinen geistlichen Kindern viel Seelentrost und Herzensfreude zu bringen. Ich finde keine Worte, um meine Gedanken nur einigermaßen zum Ausdruck zu bringen. Ave Maria, du bist voll der Gnade! Mache Du gut, was mir mangelt!

Ich sah St. Gabriel in einer weißen, goldgestickten Dalmatica (Festkleid des Diakons) mit dem goldenen Lilienstab in der linken Hand. Sein Antlitz strahlte wie die Sonne. Ich mußte meine Augen schließen, sonst wäre ich blind geworden. Ach, wie selig muß es uns werden im Himmel, wenn die Augen unserer Seele diese Schönheit schauen und in sich aufnehmen. Und doch — was ist die höchste Engelsschönheit gegen Gott, den Urquell aller Schönheit? »Und das Wort ist Fleisch geworden« — aus Maria, der Jungfrau, und die Menschheit, die zu erlösen Gottes Sohn Mensch wurde, hat ihren Erlöser verfolgt und ans Kreuz geschlagen. Für uns wurde aus dem Urquell aller Schönheit ein »Mann der Schmerzen«, an dem »keine Gestalt mehr war«. O gekreuzigter Jesus, Du trankst den bitteren Kelch des Leidens, um uns die Süßigkeit des Himmels zu erwerben!“ 

(S. 161-162)

Der Neid des Teufels

Wie jeder Katholik weiß, gibt es nicht nur die guten Engel, es gibt auch die abgefallenen Engel, die Teufel. Auch diese haben Einfluß auf unser tägliches Leben. Auch ein Teufel ist immer an unserer Seite, um uns vom rechten Weg abzubringen. Der Neid des Teufels auf den Menschen ist unvorstellbar, weiß er doch, daß die Menschen noch die ewige Glückseligkeit erlangen können, die er auf immer verspielt hat. Abschließend soll uns Mechthild auch noch sehen lassen, wie der gefalle Engel zu Werke geht. 

Von Pater B. hört man nichts. Aber heute Morgen sah ich ihn wieder eifrig beschäftigt mit Sortieren seiner Schriften. Auch seinen zweiten Engel von den »Oberherrschaften« sah ich an der Arbeit. Auch er packt zusammen. Er hatte große Körbe, in die er sorgfältig und ernst alle Verdienste seines geliebten Schützlings einräumt. Es sind so viele herrliche Kostbarkeiten dabei. Ich sehe erst jetzt, wie unsagbar viel gebetet, gelitten und geopfert wurde von Pater B., solange er im Seminar war.

Auch der Teufel ist beschäftigt, auch er hält Körbe vor sich, viel größer und viel mehr als Pater B.’s Engel. Er arbeitet unverdrossen mit großer Freude, doch ganz heimlich. Man sieht nicht, was er in die Körbe packt. Ich ärgerte mich über ihn und sagte unwillkürlich ein bei uns viel gebräuchliches Wort: ‚Du tausendfacher Lügenschüppel! Was schwindelst Du schon wieder zusammen? Du bist doch gemein-schlecht!‘ Da lächelte Pater B.’s Engel und sagte: ‚Befiehl ihm, er soll Dir sämtliche Körbe öffnen!‘

Da befahl ich dem Teufel in Jesu Namen, alles auszupacken, was er in den Körben hätte. Er war gar nicht zornig, sondern redete mir ganz freundlich zu, es wäre nichts besonders Schönes in diesen Körben. ‚Das glaube ich aufs erste,‘ sagte ich darauf, ‚in diesen Körben sind lauter Lügen, die sind freilich so häßlich wie Du; aber nun vorwärts!‘ Da schleppte er mit einem furchtbaren Aufwand von Kraft den größten Korb mitten ins Zimmer, ich mußte fast lachen über seine Seufzer, denn ich dachte gleich, daß der Korb leer sei. Und so war es auch; in den anderen Körben waren vereinzelte Papierschnitzel. In einem anderen lagen leere Zündholzschachteln, jedesmal elf. Auch alte Stahlfedern kamen zum Vorschein. Ich fragte Pater B.’s Engel, warum der Teufel ein so einfältiges Gelump einpackte. Da kam die Antwort: ‚Sooft ich fertig bin mit dem Packen eines Korbes, hat er zwei fertig; es sind dies lauter Dinge, die er gegen Pater B. vorbringen will. Wer sich täuschen läßt, der sieht schwere Beschuldigungen, wer näher zusieht, kennt Lüge, Mißgunst, Eifersucht, Verleumdung sofort in den Körben. Er ist lauter Lüge, doch wie bitter sind die Leiden, die diesen Lügen folgen!‘ Ich hatte so arg Mitleid mit Pater B. Aber sein Engel sprach: „Tröste Dich! Er hat sich überwunden und dadurch die Welt. Was willst Du mehr?“ 

(S. 203-204)

Für jeden von uns ist es besonders wichtig, die Täuschungen des Teufels zu durchschauen. Er ist der Vater der Lüge und ein Meister des Betrugs. Er erscheint auch Mechthild natürlich nicht als Teufel, sondern unter der Gestalt eines Engels. Aber wie erkennt sie ihn dennoch?

Heute fühle ich mich wieder so schrecklich verlassen und sterbensmüde. Und alles Leid meines ganzen Lebens fiel mit erdrückender Schwere auf mein Herz, auch die vielen, vielen Unterlassungen des Guten. Da sah ich plötzlich eine sonderbare Gestalt vor mir stehen. Sie war in ein lichtes Gewand von blauer Seide — mit Gold gestickt — gehüllt. Die ganze Erscheinung war »schön« zu nennen; aber es war doch im Ganzen ein undefinierbares Etwas, das mir wehe tat und mich abstieß. Mit leiser Stimme fing die Gestalt zu sprechen an und hielt mir alle Sünden meines Lebens vor und beklagte bitterlich, daß es unmöglich sei, so viel Versäumtes an Gutem nachzuholen. Das durchfuhr meine Seele wie ein Schwert. Aber ich war doch etwas beruhigt, weil ich mir dachte: ‚Wenn ich diesen Ausführungen noch länger zuhöre, muß ich verzweifeln. Es ist unmöglich, daß ein guter Geist so spricht.‘ Ich blickte schärfer hin zur sprechenden Erscheinung. Wieder wurde es mir so unheimlich zumute wie anfangs, und ihre Augen waren doch immer gesenkt. Da unterbrach ich plötzlich die endlose Aufzählung meiner Versäumnisse — es war erst mein 15. Lebensjahr daran — indem ich sagte: ,‘Im Namen Jesu des Gekreuzigten befehle ich Dir, Deine Augen zu erheben und mich anzuschauen!‘ Da verzerrte sich das Antlitz zu einer schrecklichen Grimasse und zwei furchtbare, haßerfüllte Augen — die Augen des Teufels — blickten mich an. Jetzt wußte ich, woran ich war.“ 

(S. 195-196)

Meister des Gebetes

Ganz zuletzt schauen wir noch ganz kurz auf den Engel als Meister des Gebetes. Denn wer könnte uns besser helfen als er, der schon ununterbrochen Gottes Herrlichkeit schaut, recht zu beten? 

Da sagte der gute Archangelus zu mir: ‚Ich will Dir nun ein Gebet lehren, wodurch Du täglich vielen Sterbenden helfen kannst. Bete 33 mal ‚Mein Jesus, Barmherzigkeit‘, und nach jedem dritten sagst Du: Mein Jesus, ich weiß, daß Du Gott und allmächtig bist, ich weiß aber, daß es Dir unmöglich ist, die armen Sünder zu verstoßen, die auf Dich vertrauen: So bitte ich Dich denn um Deines kostbaren Blutes und bitteren Leidens und Sterbens willen, erbarme Dich der Sterbenden und uns armer Sünder. Amen.‘“ 

(S. 185)