Sie sind wohl die bekanntesten Schwestern in den vier hl. Evangelien und noch recht ungleiche dazu, die hl. Maria Magdalena und die hl. Martha. Beide hatten bekanntermaßen noch einen Bruder, Lazarus mit Namen, mit dem zusammen sie ein reiches Erbe von ihren Eltern erhielten. Es heißt, daß Maria bei der Verteilung des Erbes das Schloß oder andere meinen den Flecken Magdalon erhalten hatte, weshalb sie auch Maria Magdalena genannt wurde.
Während Martha und Lazarus Gott treu in ihrem hl. Glauben dienten, war Maria, diese junge, schöne Frau, betört durch die Eitelkeiten der Welt auf Abwege gekommen. Der hl. Lukas berichtet, daß sie vor ihrer Bekehrung als öffentliche Sünderin galt, also ein Leben der Ausgelassenheit und des Luxus führte, den sie sich aufgrund ihres großen Vermögens ohne Probleme leisten konnte. So ward sie der ganzen Stadt zum Ärgernis. Der hl. Evangelist berichtet zudem, daß unser Herr Jesus Christus aus ihr sieben Teufel ausgetrieben hat. Diese Angabe wird von manchen wörtlich genommen, Christus habe aus ihr tatsächlich sieben Teufel ausgetrieben, da sie aufgrund ihres verdorbenen Lebens sogar besessen wurde, andere sehen darin einen Hinweis auf die vollkommene Verdorbenheit und Lasterhaftigkeit ihres Lebensstils. Die sieben Teufel seien die vielen Sünden, von welchen Christus sie befreit habe. Letztlich wird wohl beides wahr sein, schließt es sich doch nicht gegenseitig aus, sondern vielmehr ein.
Die Kirche singt von der heiligen Maria Magdalena: „Die so viele Laster begangen, kehrt zurück aus dem Rachen der Hölle zur Pforte des Lebens; die viel Ärgernis gegeben in der Hinfälligkeit des Fleisches, wird aus einem gebrechlichen Topfe ein alabasternes Gefäß, aus einem Gefäß der Schmach ein Gefäß der Herrlichkeit.“
Der hl. Franz von Sales nennt die hl. Maria Magdalena die Königin der reuigen Sünder, denn welch innige Zeugnisse der Liebe werden von ihr in den hl. Evangelien berichtet. Gehen wir dem Leben dieser Königin der reuigen Sünder und ihrer Schwester nach, um uns dadurch zu einem vermehrten Buß- und Opfergeist aneifern zu lassen, der so notwendig ist, will man in den vielen und zuweilen recht schweren Prüfungen des Lebens standhalten.
Das Zeugnis der Evangelien über Maria Magdalena
Der Domkapitular und geistliche Rat in Augsburg, Dr. Johannes Evangelist Stadler, hat zusammen mit dem Domprediger und geistlichen Rat, Franz Josef Heim, vom Jahr 1858 bis 1882 ein „Vollständiges Heiligen-Lexikon“ herausgegeben. In diesem großen Werk mit insgesamt 4693 Druckseiten in 5 Bänden findet sich folgende Erwähnung der heiligen Büßerin:
Die hl. Maria Magdalena ist aus der heiligen Geschichte hinreichend bekannt. Gleichwohl ist es eben sie, welche große und unlösbare Fragen veranlaßt hat. »Unlösbare«; denn bis in die neueste Zeit haben die Schriftforscher im Vereine mit den bedeutendsten Kennern des christlichen Altertums alle ihre Gelehrsamkeit aufgeboten, sie zu lösen, aber keiner von ihnen hat ein Resultat erzielt, dem nicht von irgend einer Seite erheblicher und wohlbegründeter Widerspruch begegnete. Es kann uns nicht einfallen, einen neuen Lösungsversuch zu machen. Neues ist über diesen Gegenstand kaum noch zu sagen. Auch wäre zu eingängigen exegetischen und biblisch-historischen Erörterungen hier nicht der Ort. Was wir versuchen wollen, ist nur einfache Analyse der streitigen Fragen u. der versuchten Lösungen.
1. Unbestritten ist, daß diese hl. Magdalena es sei, von welcher das Evangelium (Luc. 8,2) erzählt, daß sie von dem Herrn von »sieben Teufeln« war befreit worden und ihn (zum Dank dafür) auf seiner Reise durch die galiläischen Städte begleitete. Jesus gestattete, daß sie, wie die andern Frauen, Ihm »mit ihrem Vermögen« diente. Alles, was sie hatte, gebrauchte sie von dem Tage ihrer Bekehrung an für Jesus. Diese Begleitung hatte bei den Juden in der Gewohnheit aller öffentlichen Lehrer ihre Rechtfertigung. Später bedienten sich auch die Apostel, mit Ausnahme des hl. Paulus, des Dienstes frommer Frauen. Unbestritten ist ferner, daß ihr eigentlicher Name Maria war, und Magdalena so viel heißt als die Magdalenerin, d. h. sie war aus dem Galiläischen Städtchen Magdalum oder Magdala, an der mittleren westlichen Bucht des See’s Genesareth. Ebenso unbestritten, weil auf den klaren Text des hl. Marcus (16,1) sich gründend, ist ferner, daß unsere Heilige sich bei den frommen Frauen befand, die am Auferstehungsmorgen zum Grabe hinausgingen, um den Leichnam Jesu zu salben.
Eben so, daß Jesus nach seiner Auferstehung ihr zuerst (Marc. 16,9) erschien, und zwar in der Weise, wie der hl. Johannes (20, 1-16) erzählt. Sie war auch in seinem schwersten Leiden nicht von seiner Seite gewichen (Matth. 27,56. Marc. 15,40. Joh. 19,25). Wie später in seiner Verherrlichung, nur in anderer Meinung, wird sie auch unter dem Kreuze unablässig geseufzt haben: »Rabboni«, d.i. mein lieber Meister. Ebenso ist sie (Matth. 27,61. 28, 1. Marc. 15,47. 16, 1. 9. Luc. 24,10. Joh. 20,1. 18) mit den Frauen aufgeführt, welche zusahen, wohin Jesu Leichnam gelegt wurde, mit Spezereien zum Grabe kamen etc. Darüber aber kann man verschiedener Ansicht sein, ob Maria Magdalena jene öffentliche Sünderin sei, von welcher der hl. Lucas (7, 36-50) erzählt, daß Jesus nach vollzogener Salbung, während welcher sie mit ihren Tränen seine Füße benetzte, von ihr sagte: »Ihr sind viele Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebt.« Ferner, ob Maria Magdalena die Schwester des Lazarus und der Martha war, die in Bethanien bei Jerusalem ein Haus besaßen, wo Jesus öfter einzukehren und zu übernachten pflegte.
Beide Fragen werden jedoch in Übereinstimmung mit der Tradition der meisten abendländischen, insonderheit der römischen und gallischen Kirchen, und mit dem kirchlichen Officium am sichersten mit Ja beantwortet, obwohl es an bedeutenden Autoritäten, auch des Abendlandes, nicht fehlt, welche beide Fragen verneinen.
Soweit also kurz zusammengefaßt der Befund über das Leben der einen Schwester aus den Angaben der Heiligen Schrift. Über die hl. Martha heißt es in dem nämlichen Lexikon:
Das Röm. Brevier und das jetzige Mart. Rom. begehen ihr Andenken am 29. Juli. Die Legende nennt ihre Eltern Theophilus (Sirus) und Eucharia. Das Übrige ist aus der Geschichte ihrer Geschwister, des hl. Lazarus und der hl. Magdalena bekannt, worauf wir kurz verweisen. Zu Tarascon an der Rhone, wo sie zuletzt gelebt hat, wird ihre Grabstätte gezeigt. Rhabanus meldet, wie hoch verehrt dieses Grab gewesen sei, und daß bei demselben viele Wunder geschahen. Wahrscheinlich befanden sich damals Ordensgeistliche an diesem Orte. König Chlodwig hat im fünften Jahrhunderte eine Wallfahrt dahin gemacht. Ludwig XI. widmete ihr hier eine prachtvolle Büste von vergoldetem Silber. In Avignon hat man bis in die neueste Zeit eine Grotte in hoher Verehrung gehalten, welche der Sage nach von der hl. Martha eine Zeit lang bewohnt worden war. Überhaupt führt die Tradition die Einführung des Christentums in diese Gegenden auf die hl. Martha zurück. Auch ihr Grab und ihre Reliquien, die man im 12. Jahrh. wieder auffand, wurden von den Gräueln der Revolution getroffen, doch wurden dieselben gerettet und im J. 1805 neuerdings erhoben. Seitdem haben die Wunder früherer Zeiten sich wiederholt. Sie gilt als Muster des arbeitsamen, durch die gute Meinung dem Herrn geweihten Lebens, das äußerlich die Welt, innerlich den Himmel anblickt. Zu ihr hatte nämlich der Heiland in Bethanien gesprochen: »Martha, Martha, du bist besorgt um Vieles; übrigens ist Eines nothwendig, Maria hat den besten Theil gewählt, welcher von ihr nicht wird genommen werden.« Ihre Liebe zu ihrem Bruder Lazarus, ihr Schmerz über seinen frühen Tod, ihr Glaube an die Alles vermögende Kraft Jesu, den sie feierlich als den Sohn des lebendigen Gottes bekennt, der in diese Welt gekommen ist, machen sie zu einer der lieblichsten Personen des Neuen Testamentes. Dennoch hat sie, als der Heiland befiehlt, das Grab des Lazarus zu öffnen, wieder einen Augenblick des Zweifels, indem sie einwendet: »Herr, er riecht schon, denn er liegt bereits am vierten Tage hier.« Sie schaut aber zu ihrem Erstaunen bald darauf die Auferweckung ihres Bruders. Kurz darauf, sechs Tage vor Ostern, da Jesus nach Bethanien zurückkam, diente Ihm Martha wieder beim Mahle. Von da aber läßt die evangelische Geschichte über diese heilige Familie den Vorhang fallen. Es ist gleichwohl nicht zu zweifeln, daß die hl. Martha sich unter jenen Frauen befand, welche den Heiland auf seinem Todeswege begleiteten und sich beim Einkaufen der Spezereien für die Einbalsamierung seines Leichnams beteiligten, auch nach dem Tode Jesu fortfuhr, Ihm zu dienen, nur daß ihr Dienen ein geistiges, dem ihrer Schwester ähnliches geworden ist (Stabell, II. 144).
Die Übersiedlung der heiligen Geschwister nach Frankreich
Es ist nun noch zu klären, wie denn die hl. Maria Magdalena, die hl. Martha und auch ihr Bruder Lazarus nach Frankreich kamen. In Stadler „Vollständiges Heiligen-Lexikon“ liest man:
Es wird nämlich erzählt, die hhl. Lazarus und Maximinus, die hl. Maria Magdalena und deren Schwester Martha, ferner Maria Jacobi und Salome seien beiläufig ums J. 62 unter himmlischem Schutze über’s Meer an die Mündung der Rhone gekommen und hätten in der Provence sich niedergelassen; dort seien Lazarus zu Marseille und Maximinus zu Aix Bischöfe geworden, die hl. Maria Magdalena habe in einer Grotte bei Beaume (Palma, Balma) in beständiger Beschaulichkeit gelebt, während Maria Jacobi und Salome sich nach Arles begaben und dort wohnten.
Das römische Brevier und Missale ist für diese Tradition. Im Brevier wird nämlich gleichfalls erzählt, die genannten Apostel der Provence seien gewalttätiger Weise in eine Barke ohne Segel und Steuerruder gesetzt und auf diese Weise einem gewissen Tode auf dem Meere preisgegeben, wunderbarer Weise aber unverletzt an die gallische Küste geführt worden. Der Ursprung dieser Sage fällt jedoch in eine ziemlich späte Zeit, denn sie findet sich weder im Leben der hl. Magdalena von Rhabanus Maurus, welcher der ursprünglichen Tradition sicherlich genau nachgeforscht hat, noch auch in den alten, im fünften oder sechsten Jahrh. geschriebenen Akten des hl. Maximin. Nicht ohne Wahrscheinlichkeit ist die bei Carus (a.a.O. S. 207) ausgesprochene Vermutung, daß ungenaue bildliche Darstellungen zu dieser Sage den Anlaß gegeben haben. Sie fügt noch bei, daß die hl. Maria Magdalena und die hl. Martha zu Zeiten das Evangelium verkündigten und der Herr ihr Wort mit Wundern verherrlichte. Dabei beobachtete Maria Magdalena nach dem Zeugnisse des Rhabanus ein so strenges Fasten, daß man glaubte, sie sei täglich von den Engeln emporgetragen und mit himmlischer Speise genährt worden. Als der Tod nahte und sie das Abendmahl zu empfangen wünschte, trugen sie die Engel nach Aix zum hl. Maximinus. Nachdem sie knieend den Leib des Herrn von ihm empfangen, starb sie. (Vgl. Menzel, Symb. II. 59.) Ihr Grab und ihre Reliquien blieben bis ungefähr zum J. 710 ein Gegenstand andächtiger Verehrung. Um diese Zeit, als die Sarazenen ihre barbarischen Verwüstungen in diesen Gegenden anrichteten, verbarg man den hl. Leib an einem sichern Orte.
Die Mission der hll. Geschwister
Wie beeindruckend ist diese Legende. Die göttliche Vorsehung wendet die Boshaftigkeit der Feinde in einen reichen Segen für die Bewohner der Rhonegegend. Die Heiligen gehen auf dem Meer nicht zugrunde, sondern gelangen wunderbar zu ihrem von Gott bestimmten Missionsgebiet. Ganz erfüllt von der Liebe zu ihrem göttlichen Erlöser predigen sie dort fortan den Heiden und gewinnen viele für den hl. Glauben an Jesus Christus. Während Lazarus und Maximinus als Bischöfe dem Herrn und den Seelen dienten, zog sich Maria Magdalena in die Einsamkeit zurück, um ganz dem Gebet und der Buße zu leben. Und von was für einem seligen Tod der Königin der reuigen Sünder weiß uns die Legende zu berichten. Unser Herr Jesus Christus, den sie so über alles lieben gelernt hat, wird in der hl. Kommunion ihre Wegzehrung zur himmlischen Heimat. Ihr Grab wird eine hochverehrte Gnadenstätte, das man unter der Sarazenenherrschaft verbarg. Erst im Jahre 1279 wurde dasselbe unter dem frommen Fürsten Carl von Salern wieder aufgefunden und feierlich erhoben. Er errichtete ein Kloster der Predigerbrüder und übergab ihnen die uralte Abteikirche St. Maximin samt den Überresten der hl. Magdalena.
Martha, die Drachenbändigerin
Aber lesen wir noch etwas weiter im Heiligen-Lexikon. Über die hl. Martha wird noch berichtet:
Daß sie in Marseille gepredigt haben soll, ist im Lehen der hl. Magdalena bereits gesagt. Überhaupt ist die Provence der Schauplatz ihrer Wirksamkeit. Zu Tarascon, in den alten Meßbüchern von Lyon, Orleans, Cöln, Marseille etc. etc. befindet sich ihr zu Ehren folgendes schöne Reimgebet:
Ave Martha gloriosa
Coeli jubar mundi rosa
Salvatoris hospita!
Zu deutsch:
Sei Martha, Herrliche, gegrüßt
O Rose, die der Welt entsprießt
Des Himmels köstlicher Gewinn
Und des Erlösers Dienerin!
Eine vorzügliche Verehrung erwies dieser Heiligen der hl. Ignatius von Loyola, indem er die durch ihn bekehrten Sünderinnen, die er in einem besondern Hause zu Rom unterbrachte, unter ihren Schutz stellte. Der hl. Carl Borromeo wendete dem betreffenden Institute und der dazu gehörigen Kirche so viele Teilnahme und so große Opfer zu, daß sein Familien-Wappen über dem Portale sich befindet. Hier und in der Muttergotteskirche della Vittoria verehrt man auch einige Reliquien der hl. Martha (Piazza II. 93.) Ihre Geschichte rechtfertiget den ihr gewöhnlich beigelegten Namen: »Gastwirthin (hospita) des Herrn.« Auf Abbildungen sieht man sie meistens als solche zugleich mit ihrer Schwester Maria Magdalena wie sie den Heiland bedient. Wo sie allein dargestellt ist, hat sie öfter (Hack, S. 364) einen Drachen bei sich. Sie lebte nämlich, wie die Legende erzählt, mit einigen frommen Frauen in der Zurückgezogenheit bei Aix. In dieser Gegend hauste ein Drache; ihn bändigte Martha durch Besprengung mit Weihwasser. Auch letzteres mit dem Weihwedel gehört daher zu den Attributen dieser Heiligen. Manchmal hat sie (Mg.), zur Erinnerung an ihre Fahrt über das Meer, eine Muschel an ihr Kleid angeheftet. Viele fromme Genossenschaften, welche in den Spitälern in der Person der Kranken und Gebrechlichen wie sie dem Heilande dienen, haben sie zur Patronin erwählt. Von Andern wird sie wegen ihres frommen Zusammenlebens mit einigen Frauen zu Aix als erste Stifterin weiblicher Klöster verehrt, was allerdings mehr auf frommem Glauben, als auf historischer Wahrheit beruht. Wann sie gestorben ist, wissen wir nicht; man nennt aber gewöhnlich das J. 84.
Die hl. Martha hatte sich die Worte Jesu zu Herzen genommen. Auch sie lebte fortan aus dem Gebet, das sie jedoch ihrem Wesen gemäß immer auch mit Wohltätigkeit verband. Was für ein großes Vorbild ist sie darum für alle Frauen, die sich trotz eines mühsamen Berufs dennoch heiligen sollen.
Damit einem das gelingt, muß man den Drachen besiegen. Was nur durch einen felsenfesten Glauben und mit den von der Kirche geschenkten übernatürlichen Hilfs- und Heilmitteln gelingen kann.
Die provençalische Legende erzählt übrigens noch, daß Martha den in der Nähe des später so genannten Tarascon im Rhônetal lebenden und den Menschen fressenden Drachen Tarasque nicht nur mit Kreuzzeichen und Weihwasser bändigte, sondern zudem an ihrem Gürtel nach Arles führte, um ihn dort seinem eigentlichen Bestimmungsort, dem breiten Fluß der Rhône, zu übereignen. Eine andere Fassung der Legende sagt, daß die Leute in Tarascon den Drachen töten wollten, weil sie Angst vor ihm hatten, Martha ihn aber in einer Höhle versteckte und so sein Leben rettete.
Eine Anekdote aus dem Leben der ägyptischen Einsiedler
In Stadlers Lexikon wird noch eine durchaus beachtenswerte Lehre zu den ungleichen Schwestern angefügt:
Schön ist folgende alte hierher bezügliche Anekdote aus dem Leben der ägyptischen Einsiedler (Cotel. Eccl. Gr. Mon. I. 680): Ein Bruder kam zu dem Abt Silvanus auf den Berg Sina. Da er die Brüder arbeiten sah, sprach er zu dem greisen Abt: »Arbeitet nicht um vergängliche Nahrung!« Da sagte dieser zu seinem Schüler Zacharias: »Gib dem Bruder da ein Buch und führ‘ ihn in eine Zelle, in welcher nicht gearbeitet wird.« Als die neunte Stunde kam, blickte er durch die Türe, ob Niemand käme, der ihn zum Essen riefe. Und als Niemand kam, ging er zum Abte und fragte ihn: »Haben denn heute die Brüder nicht gegessen?« »Allerdings«, lautete die Antwort. »Und warum habt ihr mich nicht gerufen?« fragte der Bruder. Der Greis antwortete: »Weil du ein geistiger Mensch bist und solche Speise nicht nötig hast, wir aber sind fleischlich, und wollen essen, weshalb wir auch arbeiten. Du hast den besten Theil erwählt, daß du den ganzen Tag lesest und nichts Irdisches genießest.« Da reute den Bruder seine Rede; er sagte: »Verzeihe mir, mein Vater!« Der Greis erwiderte: »Siehe so bedarf Maria durchaus der Martha, denn um der Martha willen wird auch Maria gepriesen.« (VII. 4-13).
Der Einfluß Marthas auf ihre Schwester Maria
Kehren wir nochmals zum Leben unserer beiden Schwestern zurück. Die hll. Väter sind der Meinung, daß Maria von ihrer Schwester Martha bewogen wurde, den Predigten unseres Herrn Jesus Christus beizuwohnen; und obwohl Magdalena das anfangs nur aus Neugierde oder um ihrer Schwester willen getan hatte, so wurde es doch der Anlaß zu ihrer Bekehrung.
Aus der Heiligen Schrift ist hierzu wie gewöhnlich nur wenig zu entnehmen. Es werden uns nur die wichtigsten Mitteilungen zum Leben gemacht und damit eine bedeutsame Lehre verbunden. Die Väter schöpfen womöglich aus der mündlichen Tradition der hl. Kirche, die in ihren Schriften einen Niederschlag fand.
Wir können zudem mit Hilfe unserer Mystiker ergänzen, was uns in den Berichten der hll. Evangelien fehlt. Wobei jedoch immer zu bedenken ist, daß die Auskünfte unserer Mystiker nicht im Glauben verpflichten, sind sie doch nur Privatoffenbarungen. Insofern man das und darum den wesentlichen Unterschied zum inspirierten Wort Gottes nicht vergißt, können uns die Schauungen der Mystiker das von der Heiligen Schrift vermittelte Bild durchaus ergänzen und verlebendigen.
Martha und Jakobus laden Magdalena zur Bergpredigt ein
Bei Anna Katharina Emmerich findet sich eine ausführliche Beschreibung der Bekehrung Maria Magdalenas. Nach ihr fand die erste Bekehrung im Zusammenhang mit der Bergpredigt statt.
Magdalena ist auch auf dem Wege nach dem Lehrberge bei Gabara. Martha war mit Anna Kleophä zu ihr von Damna aus, wo die heiligen Frauen eine Herberge hatten, nach Magdalum gereist, um sie zu bewegen, der Lehre anzuwohnen, welche Jesus auf dem Berge über Gabara halten werde. Veronica, Johanna Chusa, Dina und die Suphanitin waren indes in Damna geblieben, das drei Stunden von Karpharnaum und über eine Stunde von Magdalum entfernt war. Magdalena empfing ihre Schwester ziemlich wohlwollend und führte sie in einen Raum nicht weit von ihren Prachtzimmern; doch nicht in diese selbst. Es war ein Gemisch von wahrer und falscher Scham in ihr; teils schämte sie sich ihrer einfachen, frommen, schlechtgekleideten Schwester, welche mit dem von ihren Gästen und Gesellschaftern verachteten Anhang Jesu herumzog; teils schämte sie sich vor Martha, sie in die Gemächer zu bringen, welche der Schauplatz ihrer Torheiten und Laster waren. Magdalena war in ihrem Gemüte etwas gebrochen; sie hatte nur die Kraft nicht, sich los zu reißen. Sie war bleich und abgehärmt. Der Mann, mit dem sie lebte, war ihr beschwerlich und war von gemeiner Gesinnung.
Martha behandelte sie sehr klug und liebevoll. Sie sagte zu ihr: „Dina und Maria die Suphanitin, welche du kennst, zwei liebwerte, geistreiche Frauen, laden dich ein, mit ihnen die Lehre Jesu auf dem Berge anzuhören. Es ist so nahe und sie möchten gerne in deiner Gesellschaft dabei sein. Du brauchst dich ihrer vor dem Volke nicht zu schämen; sie sind anständig und mit Auswahl gekleidet und haben feine Sitten. Es ist ein so wundervolles Schauspiel: die Menge der Menschen, die wunderbare Rednergabe des Propheten, die Kranken, die Heilungen, die Er tut, die Kühnheit, womit Er die Pharisäer anredet! Veronika, Maria Chusa und die Mutter Jesu, welche dir so wohl will, wir alle sind überzeugt, du werdest uns für die Einladung danken. Ich denke, es soll dich ein wenig erheitern. Du scheinst hier ganz verlassen; es fehlt dir an Leuten, welche dein Herz und deine Talente zu schätzen wissen. O! wenn du eine Zeitlang bei uns in Bethanien sein wolltest! Wir hören so viel Wunderbares und haben so viel Gutes zu tun; und du bist ja immer voll Liebe und Barmherzigkeit gewesen. Aber nach Damna mußt du morgen wenigstens mitkommen; da sind wir Frauen in der Herberge. Du kannst abgesondert wohnen und nur mit denen sprechen, die du kennst usw.“ Auf diese Weise sprach Martha mit ihrer Schwester und wußte alles Verletzende zu umgehen. Magdalena war in Schwermut ganz willig, machte zwar kleine Einwürfe, aber sie gab nach und versprach Martha, mit nach Damna zu reisen. Sie aß auch mit ihr und kam mehrmals aus ihren Gemächern am Abend zu ihr. Martha und Anna Kleophä beteten am Abend, daß Gott diese Reise an Magdalena fruchtbar werden lasse.
Wenige Tage zuvor war auch Jakobus Major von großem Mitleid bewegt zu Magdalena gekommen, um sie zur Lehre nach Gabara einzuladen. Sie hatte ihn in einem Nebengebäude empfangen. Jakobus war sehr bedeutend in seinem Aussehen, sprach ernst und weise, aber auch sehr anmutig und machte auf Magdalena einen sehr günstigen Eindruck. Sie erlaubte ihm, sie zu besuchen, so oft er in die Gegend komme. Jakobus sprach mit ihr nicht strafend, sondern mit Achtung und Freundlichkeit und forderte sie auf, doch Jesum einmal zu hören; es sei nicht möglich, Herrlicheres zu sehen und zu hören. Sie möge sich nicht stören an den Zuhörern, soll in der Kleidung erscheinen, die zu tragen sie gewohnt sei. Sei hatte diese Einladung ganz gut aufgenommen; stellte sich aber doch nachher so spröde, als Martha mit Anna Kleophä zu ihr kam.
Magdalena hört die Predigt Jesu
Endlich entschließt sich Magdalena doch, Martha nach Damna zu den heiligen Frauen zu begleiten. Mit ihren Begleiterinnen begab sie sich rechtzeitig auf den Berg, wo schon unzählige Menschen warteten. Darunter waren auch viele Kranke, welche auf Heilung hofften.
Oben auf dem Berg befand sich ein Lehrstuhl, der von einem gemauerten Halbkreis umgeben war, über dem sich ein Dach befand. Magdalena hatte in einiger Entfernung einen bequemen Sitz. Jesus kam mit den Jüngern nach oben und setzte sich auf den Lehrstuhl. Während seiner Predigt mahnt Er eindringlich, wenn sie das Heil nicht annehmen werden, werde es ihnen schlimmer gehen als Sodoma und Gomorrha. Da traten die Pharisäer zu Ihm mit der Frage: ob denn dieser Berg, diese Stadt, ob das ganze Land mit ihnen allen versinken solle? Oder ob sogar noch Schlimmeres möglich sei? Er aber antwortete: in Sodoma seien zwar die Steine versunken, aber nicht alle Seelen; denn sie hätten die Verheißung nicht gekannt, das Gesetzt nicht gehabt und keine Propheten. Ihnen aber, den jetzt Lebenden sei alles gegeben, sie seien das auserwählte Geschlecht, das Gott zu einem Volke gemacht; sie hätten alle Weisungen und Warnungen, Verheißung und Erfüllung; so sie dieselbe aber zurückstießen und im Unglauben beharrten, würden nicht die Steine, die Berge, die ihrem Herrn gehorchten, sondern ihre steinharten Herzen, ihre Seelen vom Abgrund verschlungen. Dieses sei ärger als das Schicksal Sodomas.
Einmal während der Predigt streckte Jesus die Hände gegen alle aus und rief: „Kommet! kommet ihr! die ihr mühselig und belastet seid, kommet ihr Sünder, tuet Buße, glaubet und teilet das Reich mit Mir!“
Magdalena hatte anfangs wie eine vornehme, selbstsichere, oder doch so scheinen wollende Dame bei den Frauen gesessen; doch war sie innerlich beschämt und bewegt schon heraufgekommen. Anfangs sah sie unter der Menge umher; als aber Jesus erschien und lehrte, wurde ihr Blick und ihre Seele immer mehr auf Ihn gefesselt. Sie wurde heftig von seiner Bußrede, von seiner Lasterschilderung, von den Drohungen der Strafe erschüttert; konnte nicht widerstehen, bebte und weinte unter ihrem Schleier. Als Er nun so liebevoll und flehend den Sündern zurief, sie sollten zu Ihm kommen, waren viele Menschen hingerissen, und es war eine Bewegung in dem Kreise, das Volk drängte sich näher heran; auch Magdalena und die Frauen auf ihre Veranlassung nahten sich. Als Er aber sagte: „Ach! Und wenn es nur eine Seele wäre, die zu Mir nahte!“ war Magdalena so bewegt, daß sie zu Ihm hin wollte. Sie tat eine Schritt vorwärts; die anderen aber hielten sie zurück, um keine Störung zu machen und sagten: „Nachher! Nachher!“ … Jesus aber, als wisse Er Magdalenas Rührung, antwortete sogleich mit Trost für dieselbe, indem Er fortfuhr: „Wenn auch nur ein Funke der Buße, der Reue, der Liebe, des Glaubens, der Hoffnung durch seine Worte in ein armes verirrtes Herz gefallen sei, es solle Früchte tragen, es solle im angerechnet werden, es solle leben und wachsen; Er wolle es nähren und groß ziehen und zum Vater zurückführen!“ Diese Worte trösteten Magdalena, sie fühlte sie durch und durch und setzte sich wieder zu den Andern.
Maria Magdalena salbt den Herrn
Die Seherin erzählt nun weiter, wie Jesu zum Pharisäer Simon kam, der ihn zum Mahl am Abend eingeladen hatte. …
„Jesus kam nachher mit einem Teil der Jünger zu Tisch und sendete von dem reichlichem Mahle Speisen an die Tische der Armen durch die Jünger, welche ihnen dienten und mit ihnen aßen. Er lehrte unter dem Mahle und die Phärisäer waren eben in einem heftigen Disput mit Ihm, als Magdalena, welche sich mit ihren Begleiterinnen dem Eingang der Halle genähert hatte, und auf einmal in demütiger Beugung des Leibes, des Haupt verschleiert, in der Hand eine kleine weiße Flasche haltend, die mit einem Büschel Kräuter verstopft war, mit raschen Schritten in die Mitte des Saales hinter Jesus ging und Ihm das Fläschchen auf das Haupt ausgoß und das lange Ende ihres Schleiers zwischen beide Hände zusammen gefaltet faßte und einmal über das Haupt Jesu streifte, als wolle sie die Haare glatt streichen und den Überfluß der Salbe damit abtrocknen. Als diese Handlung schnell geschehen war, trat sie einige Schritte zurück. Das heftige Gespräch stockte. Alles war still und schaute auf das Weib und Jesus. Wohlgeruch verbreitete sich. Jesus war ruhig. Viele steckten die Köpfe zusammen, blickten unwillig gegen Magdalena und flüsterten. Simon Zabulon schien besonders geärgert. Jesus sagte zu ihm: „Ich weiß wohl was du denkst, Simon! Du denkst, es sei nicht schicklich, daß Ich von diesem Weibe Mir das Haupt salben lasse. Du denkst, sie ist eine Sünderin; aber du hast Unrecht; denn sie hat aus Liebe getan, was du unterlassen hast. Du hast Mir die Ehre, die dem Gaste gebührt, nicht erwiesen!“ Nun wendete Er sich zu Magdalena, die noch da stand, und sagte: „Geh hin im Frieden! Dir ist Vieles vergeben.“ Da ging Magdalena zu den Andern zurück und sie verließen das Haus. …
Als Magdalena danach mit ihren Begleiterinnen in die Herberge zurückging, wurde sie von Martha eine Stunde weiter in die Herberge am Badesee von Bethulien geleitet, wo Maria mit den heiligen Frauen sie erwartete. Maria sprach zu Magdalena. Diese erzählte von Jesu Lehre; von ihrer Salbung und seinen Worten sprachen die beiden Andern. Alle baten Magdalena, doch gleich bei ihnen zu bleiben und wenigstens eine Zeitlang mit nach Bethanien zu gehen. Sie sagte aber, sie müsse zuerst nach Magdalum, ihr Hauswesen in Ordnung zu bringen. Das war Allen nicht lieb…“
Magdalena fällt erneut
Wie die Seherin weiter berichtet, kam Magdalena, sobald sie zurück in der gewohnten Umgebung war, leider wieder schnell vom rechten Pfad der Tugend ab. Die Menschen, mit denen sie dort Umgang hatte, spotteten über Jesus und Seinen Wandel, sie spotteten über Seine Lehre und Seinen Anhang. Dadurch wurde das Herz Magdalenas wankend und sie sank tiefer als zuvor. Der Teufel erlangte noch größere Gewalt über sie und er kämpfte noch heftiger um diese Seele, da er gesehen hatte, daß er sie nur allzu leicht verlieren könnte. Nach Anna Katharina Emmerich wurde sie nun besessen und fiel oft in Krämpfe und innere Bedrängnisse.
Es verging eine geraume Zeit. Magdalena führte wieder ihr Sündenleben, aber ihre Schwester Martha gab nicht auf. Damals kam Jesus in den kleinen Ort Azanoth, wo sich ebenfalls ein kleiner Lehrhügel mit einem Lehrstuhl darauf befand.
Daher begab sich Martha wiederum nach Magdalum, um ihre Schwester zu bewegen, nochmals die Lehren Jesu anzuhören. Magdalena war jedoch mit ihrer Schönheitspflege beschäftigt und unwillig, mit Martha zu sprechen. Sie ließ sie warten. Martha verbrachte die Zeit mit Gebet. Als Magdalena endlich sich herabließ, mit ihrer Schwester zu sprechen, schämte sie sich ihrer ob der einfachen Kleidung und wollte sie wieder wegschicken. Martha bat nur um einen ruhigen Ort, wo sie sich zurückziehen konnte.
Doch Martha ringt um ihre Seele
Nach dem Mahl erschien Magdalena doch noch, war aber unwirsch und sprach verächtlich … „ihr Wesen war stolz, frech, bange und in sich zerrissen. Martha lud sie mit großer Liebe und Demut ein, doch wieder die große Lehre Jesu in der Nähe mit anzuhören; alle Freundinnen, die sie neulich dabei gefunden, würden dabei sein und freuten sich sehr auf sie. … Sie solle nun ihr und Lazarus doch die Freude antun und hinkommen. Sie werde nicht so bald wieder die Gelegenheit haben, den wunderbaren Propheten so in ihrer Nähe zu hören und zugleich alle ihre Freunde zu sehen. … Es ist gar nicht zu sagen, mit welcher Liebe und Geduld Martha ihr zuredete und wie sie ihr entsetzlich schnödes Wesen ertrug. Endlich sagte Magdalena: „Ich werde hingehen; aber nicht mit dir! Du kannst voraus gehen; denn ich will nicht so schlecht gekleidet einherziehen; ich will mich meinem Stande gemäß schmücken und mit meinen Freundinnen hingehen.“ Hierauf trennten sie sich. Es war sehr spät. …
Magdalena wurde nach der Entfernung Marthas sehr vom Teufel gepeinigt, der sie abhalten wollte, zu Jesu Lehre zu gehen. Sie würde auch unterlassen haben, dahin zu gehen, wenn nicht ihre Gäste sich auch verabredet hätten, mit nach Azanoth zu ziehen, um auch das Spektakel, wie sie sagten, mitanzusehen. Magdalena und die anderen Sünderinnen ritten auf Eseln in die Herberge der Frauen am Badesee von Bethulien; bepackte Esel brachten den prächtigen Sitz für Magdalena, und Kissen und Teppiche für die Anderen eben dahin.
Am anderen Morgen kleidete sich Magdalena wieder in den üppigsten Putz und erschien mit ihren Gesellinnen auf dem Lehrplatz, wohin sie von der Herberge ein Stündchen Weges hatte. Mit großem Geräusche und Aufsehen, plaudernd und umher gaffend setzten sie sich abgesondert von den heiligen Frauen weit voraus unter ein offenes Zelt… Sie saßen auf weichlichen Stühlen, Kissen und Teppichen Allen zur Schau; Magdalena voran…
Jesus begann seine große strenge Lehre, nachdem Er zuerst viele Kranke geheilt hatte. Des einzelnen kann ich mich nicht mehr erinnern; doch weiß ich noch, daß Er Wehe über Karpharnaum, Bethsaida und Chorazim ausrief; auch daß Er sagte, die Königin von Saba von Mittag sei gekommen, Salomons Weisheit zu hören; aber hier sei mehr als Salomon. Sehr wunderbar war es, daß unter seiner Lehre verschiedene Kinder, die noch nie gesprochen hatten, auf den Armen ihrer Mütter laut riefen: „Jesus von Nazareth! Heiligster Prophet! Sohn Davids! Sohn Gottes!“ Viele Menschen und selbst Magdalena wurden dadurch erschüttert. Mit Bedacht auf Magdalena sagte Jesus: wenn der Teufel ausgetrieben und das Haus gefegt sei, dann kehrt er mit sechs Gesellen zurück und treibe es ärger als vorher. Diese erschrak sehr darüber. Nachdem Jesus auf solche Weise die Herzen Vieler gerührt hatte, gebot Er im Allgemeinen, und nach allen Seiten hin wendend, dem Teufel, von denen auszufahren, welche sich nach Befreiung sehnten; die aber mit ihm verbunden bleiben wollten, sollten ihn mit sich von dannen nehmen und diesen Ort verlassen. Auf diesen Befehl schrieen die Besessenen rings im Kreise: „Jesus, Du Sohn Gottes!“ Und hie und da sanken Menschen in Ohnmacht.
Der Herr treibt die Teufel aus
Auch Magdalena, welche auf ihrem stolzen Sitze Aller Augen auf sich gezogen, sank unter heftigen Krämpfen nieder; die andern Sünderinnen strichen sie mit Wohlgerüchen an und wollten sie hinweg bringen, um bei dieser Gelegenheit selbst anständig fortzukommen; denn sie wollten den Teufel behalten. Da aber das Volk umher schrie: „Halt ein, Meister! halt ein, dieses Weib stirbt!“ hielt Jesus in Seiner Lehre ein mit den Worten: „Setzet sie auf den Stuhl! der Tod, den sie jetzt stirbt, ist ein guter Tod; er wird sie lebendig machen!“ Nach einiger Zeit traf sie wieder ein Wort Jesu, sie sank abermals mit Krämpfen zusammen und dunkle Gestalten wichen von ihr. Es war wieder ein großer Lärm und ein Gedränge um sie, indem ihre Umgebung sie wieder zu sich bringen wollte. Sie setzte sich aber bald wieder auf ihren schönen Sitz und stellte sich, als habe sie eine gewöhnliche Ohnmacht erlitten. Das Aufsehen ward aber immer größer, als auch andere Besessene hinter ihr auf dieselbe Weise zusammen sanken und befreit wurden. Als Magdalena nun zum drittenmal in heftigen Krämpfen niederfiel, wurde der Lärm noch größer. Martha eilte zu ihr; und da sie wieder zu sich kam, war sie wie von Sinnen, weinte heftig und wollte zu dem Sitze der heiligen Frauen hin. Ihre Gefährtinnen hielten sie mit Gewalt zurück und sagten, sie solle doch keine Närrin sein. Nun brachte man sie in die Herberge der heiligen Frauen, welche alle auch hinab gingen. Das weltliche Gesindel aber, das mit Magdalena gekommen war, hatte sich bereits aus dem Staube gemacht.
Jesus heilte noch mehrere Blinde und andere Kranke und ging dann hinab in Seine Herberge. Danach lehrte Er noch in der Schule. Magdalena war abermals zugegen; sie war noch nicht ganz geheilt, aber sehr erschüttert und nicht mehr so üppig gekleidet. Sie hatte die überflüssigen Zierraten abgelegt … sie war nun verschleiert. Jesus lehrte nochmals ihr sehr zu Gehör; und als Er sie durchdringend anblickte, ward sie abermals ohnmächtig, und es verließ sie wieder ein böser Geist. Ihre Mägde brachten sie hinweg. Martha und Maria empfingen sie vor der Synagoge und brachten sie zur Herberge. Sie war nun wie unsinnig, schrie und weinte, rannte durch die Straßen schrie den Leuten zu, sie sie eine Lasterhafte, eine Sünderin, ein Auswurf der Menschheit. Die Frauen hatten die größte Mühe, sie zu beruhigen. Sie zerriß ihre Kleider, zerstreute ihre Haare, hüllte sich ganz ein. Als Jesus nachher in Seiner Herberge mit den Jüngern und einigen Pharisäern war, wo sie stehend etwas aßen, wußte Magdalena sich von den Frauen zu entfernen, kam mit zerstreuten Haaren und großem Wehklagen dahin, drang durch Alle durch, warf sich zu Jesu Füßen, jammerte und flehte, ob noch Rettung für sie sei. Die Pharisäer und Jünger an ihr geärgert sagten zu Jesus: Er solle doch nicht länger dulden, daß dieses verworfene Weib überall Unruhe bringe, Er solle sie doch für immer abweisen. Jesus aber sprach: „Lasset sie weinen und jammern! Ihr wisset nicht, was mit ihr vorgeht!“ wendete sich zu ihr mit dem Troste: sie solle von Herzen bereuen, glauben und hoffen, sie werde bald Ruhe gewinnen; jetzt möge sie vertrauend zurückkehren. Martha, die mit ihren Mägden gefolgt war, brachte sie nun wieder nach Hause. Sie tat aber nichts, als die Hände ringen und jammern; denn sie war noch nicht ganz befreit und der Teufel zerriß und peinigte sie mit den fürchterlichsten Gewissensbissen und Verzweiflung. Es war keine Ruhe in ihr und sie glaubte sich verloren.
Lazarus ging auf die Bitte Magdalenas sogleich nach Magdalum, um ihren Besitz an sich zu nehmen und ihre dortigen Verhältnisse aufzulösen. Sie hatte bei Azanoth und überhaupt in der Gegend Feld und Weingüter, welche Lazarus vorher schon ihrer Verschwendung halber in Beschlag gelegt hatte. …
Jesus empfiehlt Magdalena Seiner Mutter
Magdalena saß nun bei den heiligen Frauen, ganz elend und zermalmt. Jesus lehrte sehr scharf gegen die Sünden der Unreinigkeit und sagte, daß sie das Feuer auf Sodoma und Gomorrha herabgerufen. Er sprach aber auch von der Barmherzigkeit Gottes und der jetzigen Gnadenzeit und flehte beinahe zu den Menschen, diese Gnade anzunehmen. Dreimal blickte Er in dieser Lehre Magdalena an und dreimal sah ich sie niedersinken und dunkeln Dampf von ihr weichen. Das dritte Mal aber brachten die Frauen sie hinweg. Sie war wie vernichtet, bleich, abgezehrt und kaum mehr zu kennen. Ihre Tränen flossen unaufhörlich. Sie war ganz verwandelt, jammerte sehnlich, ihre Sünden Jesu zu bekennen und Vergebung zu erhalten. Nach der Lehre ging Jesus zu ihr und Martha führte sie entgegen. Sie lag mit zerstreutem Haar weinend vor Ihm auf dem Angesichte. Jesus tröstete sie; und als die Andern sich zurückgezogen, schrie sie um Vergebung, bekannte ihre vielen Verbrechen und fragte immer: „Herr! ist noch Rettung für mich?“ Jesus vergab ihr die Sünden, und sie flehte, Er möge verleihen, daß sie nicht mehr zurückfalle. Jesus versprach es ihr, segnete sie und sprach mit ihr von der Tugend der Reinheit und von Seiner Mutter, welche rein von aller Makel sei. Er pries sie hoch und auserwählt, was ich sonst nie aus Seinem Munde gehört habe, und befahl Magdalena, sich ganz an Maria anzuschließen und allen Rath und Trost von ihr zu nehmen. Als sie wieder mit Jesus zu den Frauen kam, sagte Er: „Sie war eine große Sünderin; aber sie wird auch das Muster aller Büßenden zu ewigen Zeiten sein.“
Magdalena war durch die heftigen Erschütterungen und durch ihre Reue und Tränen nicht mehr wie ein Mensch, sie war wie ein schwankender Schatten; aber sie war nun ruhig und weinend und müde. Es trösteten und liebten sie Alle; sie flehte Alle um Vergebung an. Da nun die andern Frauen nach Naim aufbrachen und sie zu schwach war, um zu folgen, gingen Martha, Anna Kleophä und Maria die Suphanitin mit ihr nach Damna, um nach einiger Ruhe am andern Morgen zu folgen.“
So hatte also die Gnade Gottes über die Armseligkeit des Menschen gesiegt. Wobei sich zeigt, wie sich die Vorsehung Gottes gewöhnlich anderer Menschen bedient, um die Seelen zum ewigen Heil zu führen. Ohne die hl. Martha gäbe es keine hl. Maria Magdalena.