Der heilige Benedikt

Mönchsvater des christlichen Abendlandes

II. Sein Leben und sein Werk

Wie wir inzwischen wissen, waren die Zeiten, als der hl. Benedikt geboren wurde, schlecht. Die Völkerwanderung brachte das weströmische Reich ins Wanken und schließlich zu Fall. Neue, wilde Völker aus dem Norden drangen bis Afrika vor und verwüsteten ganze Landstriche und Städte. Sprichwörtlich ist das Wüten der Vandalen geworden. 

In dieser Zeit lebte der hl. Benedikt. Papst Pius XII. skizziert diese Zeit in seinem Rundschreiben zum 1400. Todestag des heiligen Benedikt von Nursia „Fulgens radiatur“ kurz: „Seine Zeit war durch Laster altersschwach geworden, Italien und Europa boten das überaus traurige Schauspiel sich zerfleischender Völker, und selbst das Mönchswesen, von Erdenstaub entstellt, war zum Widerstand und Kampf gegen die Lockungen der Sittenverderbnis weniger imstande, als es nötig gewesen wäre.“

Was ist nun zu tun, um eine altersschwache Gesellschaft wieder zum Leben zu erwecken, zu einem christkatholischen Leben im vollen Sinne des Wortes? Das Leben des hl. Benedikt gibt darauf die richtige Antwort, wie der Papst hervorhebt: „Sankt Benedikt hat durch seine hervorragende Tat und Heiligkeit die immerwährende Jugendkraft der Kirche bezeugt; er hat durch seine Lehre und sein Beispiel die Sittenstrenge erneuert und hat die Heimstätten des religiösen Lebens mit festeren und heiligeren Gesetzen umhegt. Mehr noch: in eigener Person und durch seine Jünger hat er die Barbarenstämme aus ihren rauen Lebensgewohnheiten zu einer bürgerlichen und christlichen Kultur emporgeführt, hat sie zu Tugend, Arbeit und friedlicher Pflege der Künste und Wissenschaften angeleitet und sie in brüderlicher Eintracht und Liebe untereinander verbunden.“

Die Wunderberichte des hl. Papstes Gregor

Wir haben zudem auch schon den wichtigsten Biographen unseres Heiligen kennengelernt, den hl. Papst Gregor den Großen. Freilich hat dieser keine ausführliche und zusammenhängende Lebensbeschreibung niedergeschrieben, sondern „nur“ eine Reihe von auffälligen Wundern aus dessen Leben gesammelt. Dennoch geben diese verschiedenen Wunderberichte genügend Auskunft, um das Leben des Mönchsvaters des christlichen Abendlandes nachzeichnen zu können. Dies jedenfalls wollen wir hiermit versuchen. 

Unwissend, doch erfahren; ungelehrt, aber weise

Unser hl. Biograph stellt seinen Wunderberichten eine gleichwohl bewundernswerte Einleitung voraus: 

Es lebte ein verehrungswürdiger Mann. Er hieß Benedictus. Der Gnade und dem Namen nach war er ein Gesegneter. Schon von früher Jugend an hatte er das Herz eines reifen Mannes, war er doch in der Lebensweise seinem Alter weit voraus. Dem bösen Begehren gab er sich nicht hin. Solange er auf dieser Erde lebte, hielt er die Welt in ihrer Blüte schon für verdorrt, obwohl er sie eine Zeitlang ungehindert hätte genießen können. Er stammte aus angesehenem Geschlecht in der Gegend von Nursia. Zu Ausbildung und Studium wurde er nach Rom geschickt. Dabei sah er viele in die Abgründe des Lasters fallen. Deshalb zog er den Fuß, den er gleichsam auf die Schwelle zur Welt gesetzt hatte, wieder zurück, damit nicht auch er von ihrer Lebensart angesteckt werde und so schließlich ganz in bodenlose Tiefe stürze. Er wandte sich also vom Studium der Wissenschaften ab und verließ das Haus und die Güter seines Vaters. Gott allein wollte er gefallen, deshalb begehrte er das Gewand gottgeweihten Lebens. So ging er fort: unwissend, doch erfahren; ungelehrt, aber weise.“

Ist es nicht köstlich zu lesen: „So ging er fort: unwissend, doch erfahren; ungelehrt, aber weise.“

Eine kleine Mönchsgemeinde

Nein, er war kein gewöhnliches Kind, dieser Benedikt von Nursia. Gott hatte ihm einen edlen, hochstrebenden Sinn mit in die Wiege gelegt. Schon bald durchschaute er die leeren Versprechen dieser Welt, weshalb ihm nach Höherem hungerte. 

Als er sich deswegen zum Studium nach Rom begab, erhoffte er sich sicher mehr, als er damals dort finden konnte. Rom war immer noch eine Weltstadt, aber vor allem auch eine verweltlichte Stadt. Hier mußte er zusehen, wie viele andere Studenten im Laster versanken und das ewige Heil ihrer Seele verspielten. Wohl instinktiv spürte er die große Gefahr, die ihm hier lauerte. Aber was sollte er tun? Wie konnte er sich dieser Gefahr entziehen und dennoch seinen Weg weiterverfolgen? Er wollte sich zurückziehen, wollte ein Leben des Gebets und Studiums führen, wollte zunächst und zuerst Gott allein gefallen. Sobald seine Seele dies klar erkannt hatte, verließ er Rom. Der hl. Gregor berichtet darüber: „Er gab also das Studium der Wissenschaften auf und war entschlossen, in die Einsamkeit zu gehen. Nur seine Amme, die ihn sehr liebte, folgte ihm. Sie kamen nach Effide und blieben bei der Kirche des heiligen Petrus. Dort führten viele angesehene Männer ein Leben in Gemeinschaft.“

Es war wohl eine kleine Mönchsgemeinde, die sich hier zusammengefunden hatte und eifrig danach strebte, Gott wohlgefällig zu sein und Ihm allein zu dienen. Dem jungen Studierenden bot diese Gemeinschaft die notwendige Stütze, um sein Leben des Gebetes und der Gottverbundenheit zu festigen. Später wird er in seiner Mönchsregel im Vorwort schreiben: „Höre, mein Sohn, auf die Weisung des Meisters, neige das Ohr deines Herzens, nimm den Zuspruch des gütigen Vaters willig an und erfülle ihn durch die Tat! So kehrst du durch die Mühe des Gehorsams zu dem zurück, den du durch die Trägheit des Ungehorsams verlassen hast. An dich also richte ich jetzt mein Wort, wer immer du bist, wenn du nur dem Eigenwillen widersagst, für Christus, den Herrn und wahren König, kämpfen willst und den starken und glänzenden Schild des Gehorsams ergreifst. Vor allem: wenn du etwas Gutes beginnst, bestürme ihn beharrlich im Gebet, er möge es vollenden. Dann muß er, der uns jetzt zu seinen Söhnen zählt, einst nicht über unser böses Tun traurig sein.“

Ein Wunder

Für einen gewöhnlichen Gottesfreund wäre dieses Leben wohl die Endstation seiner Suche nach einem geeigneten Ort, um Gott zu dienen, gewesen. Nicht jedoch für den hl. Benedikt. Gott hatte ihn für Höheres bestimmt, Gott wollte ihn noch weiter von der Welt weg in die Einsamkeit ziehen. Das geschah so:

Die Amme erbat sich nun von Nachbarinnen ein Sieb, um Weizen zu reinigen, und ließ es unbekümmert auf dem Tisch liegen. Es fiel hinunter und zerbrach in zwei Stücke. Als die Amme zurückkam, bemerkte sie sofort, was geschehen war. Da begann sie heftig zu weinen, weil das Gerät, das sie ausgeliehen hatte, zerbrochen war. Als der junge Benedikt seine Amme weinen sah, hatte er Mitleid wegen ihres Kummers. Er nahm die beiden Teile des zerbrochenen Siebes und begann unter Tränen zu beten; denn er war fromm und liebevoll. Als er vom Gebet aufstand, fand er das Sieb neben sich unversehrt; es zeigte keine Spuren eines Bruches. Sogleich tröstete er die Amme mit freundlichen Worten und gab ihr das Sieb, das er zerbrochen an sich genommen hatte, unversehrt zurück. Dieses Ereignis wurde dort allen bekannt und erregte solche Verwunderung, daß die Einwohner des Ortes das Sieb beim Eingang der Kirche aufhängten. jetzt und später sollten alle erfahren, wie vollkommen der junge Benedikt in der Kraft der Gnade sein Mönchsleben begann. Viele Jahre war das Sieb dort vor aller Augen und hing noch bis zur Zeit der Langobarden über der Kirchentür.“

Von einem Augenblick auf den anderen war dieser junge Mann, der bisher unscheinbar und verborgen inmitten der anderen gelebt hatte, etwas ganz und gar Außergewöhnliches, er war ein Wundertäter. Schnell sah der Heilige ein, daß er unter diesen Umständen nicht mehr länger in Effidebleiben konnte. „Benedikt aber wollte lieber die Drangsale der Welt erfahren als ihr Lob, sich lieber in harter Arbeit für Gott abmühen, als durch Gunst und Erfolg im Leben berühmt werden. Deshalb verließ er heimlich seine Amme und zog sich an einen einsamen Ort zurück, der Sublacus heißt, ungefähr vierzig Meilen von Rom entfernt. Dort entspringt eine starke Quelle mit frischem, klarem Wasser. Es sammelt sich in einem weiten See und wird dann zu einem Fluß.“

Völlige Einsamkeit

Gott fügte es, daß der Heilige auf dem Weg dorthin den Mönch Romanus traf. Dieser zeigte ihm einen ganz abgelegenen Ort, an dem er fortan ganz zurückgezogen leben konnte. „An dem genannten Ort angekommen, zog sich der Mann Gottes in eine ganz enge Höhle zurück und blieb dort drei Jahre. Kein Mensch außer dem Mönch Romanus wußte etwas davon.“

Wie wird nun diese völlige Einsamkeit auf seine so offene und zugleich großmütige Seele gewirkt haben? In seiner Mönchsregel wird der Heilige schreiben:

Die Schrift rüttelt uns wach und ruft: ‚Die Stunde ist da, vom Schlaf aufzustehen.‘ Öffnen wir unsere Augen dem göttlichen Licht und hören wir mit aufgeschrecktem Ohr, wozu uns die Stimme Gottes täglich mahnt und aufruft: ‚Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!‘ Und wiederum: ‚Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!‘ Und was sagt er? ‚Kommt, ihr Söhne, hört auf mich! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren. Lauft, solange ihr das Licht des Lebens habt, damit die Schatten des Todes euch nicht überwältigen.‘“

Suche den Frieden und jage ihm nach!

Diese Worte wurden in der Einsamkeit der versteckt liegenden kleinen Höhle durch das tägliche Gebet und Opfer immer mehr zu einem Erfahrungswissen. Gott ruft jeden Menschen zum Licht, aber viele lieben die Finsternis mehr als das Licht. Je konsequenter ein Mensch auf Gott zugeht, desto stärker erlebt er den inneren Widerstand, der durch die Sünde geschwächten Natur. In seiner Regel wird Benedikt niederschreiben:

Und der Herr sucht in der Volksmenge, der er dies zuruft, einen Arbeiter für sich und sagt wieder: ‚Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?‘ Wenn du das hörst und antwortest: ‚Ich‘, dann sagt Gott zu dir: ‚Willst du wahres und unvergängliches Leben, bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor falscher Rede! Meide das Böse und tue das Gute; suche Frieden und jage ihm nach! Wenn ihr das tut, blicken meine Augen auf euch, und meine Ohren hören auf eure Gebete; und noch bevor ihr zu mir ruft, sage ich euch: Seht, ich bin da.‘ Liebe Brüder, was kann beglückender für uns sein als dieses Wort des Herrn, der uns einlädt? Seht, in seiner Güte zeigt uns der Herr den Weg des Lebens.“

Ja, das hatte er, Benedikt, seit seiner Abkehr von Rom getan. Er hatte zu Gott bereiten Herzens, sein „Adsum“, sein „Hier bin ich, Herr!“ gesprochen. Er wollte sich nunmehr ganz von Gottes Güte leiten lassen, die jedem, der danach verlangt, den Weg des Lebens zeigt und führt. Er wollte diesen Weg der Buße so weit gehen, bis er jene Worte hören durfte: Seht, ich bin da. Er war bereit zur Nachfolge Christi, denn es heißt: „Tretet ein durch die enge Pforte! Denn weit ist die Pforte und breit ist der Weg, der ins Verderben führt, und viele gehen auf ihm. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und nur wenige finden ihn“ (Mt 7, 13f).

Die Herausforderung der Einsamkeit

Die Einsamkeit ist jedoch keine Idylle, sondern eine außergewöhnliche und zuweilen recht harte Schule des Gottvertrauens und der Selbstentsagung. Die Einsamkeit versperrt nämlich jeden Ausweg, jede Ablenkung ins Nebensächliche. Entweder bewältigt man diese Herausforderung oder man flieht aus der Einsamkeit zurück in die Welt. Im Buch des Propheten Hosea liest man: „Darum will ich sie verlocken. Ich will sie in die Wüste hinausführen und sie umwerben.“ 

Manche Menschen erwählt Gott zu besonderer Einsamkeit. ER erwählt sie, um ihnen das verborgene Leben ihrer Seele allmählich zu enthüllen, das Geheimnis, durch die Erlösungsgnade nicht nur Kind Gottes zu heißen, sondern zu sein. Aber wie es mit dem auserwählten Volk in der Wüste geschah, so ist es mit vielen Menschen auch, sie beginnen gegen Gott zu murren. Sie bestehen die Prüfung, in der Wüste leben zu müssen, nicht, weil sie verborgen in ihrem Herzen weiterhin nach den vollen Töpfen Ägyptens verlangen: „Wir denken an die Fische zurück, die wir in Ägypten umsonst zu essen bekommen haben, an die Gurken und Melonen, an den Lauch, die Zwiebeln und den Knoblauch“ (Num 11, 5). Das Manna wurde den Israeliten allmählich fade, es hatte keinen Geschmack mehr für sie, weil sie allzu irdisch gesinnt waren und ihr Sinn nicht nach Himmlischen strebte. 

Die Wüste ist rein und sie reinigt.

Ein Einsiedlermönch beschreibt seine Erfahrung in der Wüste so: 

Die Wüste zieht an und erschreckt zugleich. Sie ist das Land der großen Einsamkeit, und der Mensch hat eine unbewußte Angst, sich selbst ausgesetzt zu sein. Der Eremit ist wirklich abgesondert. Darin besteht das Wesen der Wüste, daß es dort keine Menschen gibt. Die reine Wüste duldet nicht einmal das Leben. Der Wüstensand wie die vereisten Gipfel zeigen die Natur in ihrer Jungfräulichkeit, wie sie aus den Händen des Schöpfers hervorgegangen ist. Und über ihr scheint noch der Geist Gottes zu ruhen, der am Anfang der Welt über den Wassern schwebte (vgl. Gen 1,2). Tiefe Seelen werden von dieser Jungfräulichkeit angezogen. Die Wüste ist rein und sie reinigt. Wo es keinen Menschen gibt, gibt es auch keine Sünde und nicht den Lärm weltlicher Geschäfte.“ 

(Wo die Wüste erblüht; Aus dem Erfahrungsschatz eines Einsiedlermönchs, Verlag Neue Stadt, München 1991, S. 12)

In seiner Höhle bei Sublacus erlebte der Heilige es Tag für Tag: Die Wüste ist rein und sie reinigt. Wer in der Einsamkeit standhält, der empfindet mit der Zeit diese Jungfräulichkeit der Wüste. Der Lärm aller weltlichen Geschäfte verklingt, die Gegenwart Gottes wird dagegen immer spürbarer. Gott wird in dieser Einsamkeit der Wüste allmählich zu einen wirklichen, einem lebendigen Gott. Dazu nochmals unser Einsiedler aus seinem persönlichen Erfahrungsschatz:

Der ‚Kampf mit der Wüste‘

Die Einsamkeit wird dich erfreuen, aber du wirst auch ihre Strenge verspüren. Gott selbst beschrieb die Wüste als ‚Land der Steppen und Schluchten, dürres und düsteres Land, ein Land, das keiner durchwandert und niemand bewohnt‘ (Jer 2, 6). Eingeschlossen in dich selbst, wirst du dich manchmal nach menschlichen Begegnungen sehnen, die Wüste wird dir dann entsetzlich leer und absurd vorkommen. Doch du bist kein Tourist, auch wenn du wie ein Nomade lebst; für dich gibt es keine Hoffnung auf eine Rückkehr. In diesem ‚Kampf mit der Wüste‘, von dem der heilige Benedikt spricht, hast du nur eine verläßliche Stütze: Gott selbst, auch wenn er sich dir scheinbar entzieht. Ein Kleiner Bruder von Charles de Foucauld schrieb: ‚Die Wüste trägt nicht den schwachen Menschen, sie erdrückt ihn. Nur wer die Mühe und den Kampf sucht, kann dort überleben.‘“ 

(Ebd.)

Ganz sicher war Benedikt einer jener Großen im Reiche Gottes, weil ihm seine tiefe Demut wahre Großmut verlieh. Nicht auf sich selbst und seine eigenen Kräfte wollte er bauen, sondern auf die Gnadenhilfe Gottes. Er hatte das Ziel fest ins Auge gefaßt, um es auch zu erreichen. Er erlebte es in diesen drei Jahren immer wieder, in der Wüste gibt es nur eine einzige Stütze, Gott selbst, auch wenn Er sich oft scheinbar entzieht.

Das Heranreifen zum Vater des Mönchtums

Unser Einsiedlermönch weiter:

Diese Wahrheit macht nachdenklich. Du mußt lernen, deine Probleme allein zu lösen. Eine einzige Sicherheit bleibt dir: ein stark geprüfter Glaube. Durch demütiges Beten kannst du zu den ‚Großen‘ gehören, ‚die mit der Hilfe Gottes imstande sind, furchtlos, ohne den Beistand anderer, allein und aus eigener Kraft gegen die Verderbnis des Fleisches und der Gedanken zu kämpfen‘ (Benediktusregel, Kap. 1).“ 

(Ebd. S. 13)

Gott wollte aus dem hl. Benedikt einen solchermaßen „Großen“ formen, denn das verlangte seine spätere Aufgabe, dem Mönchstum des Abendlandes eine feste, bleibende, bewährte, über Jahrhunderte hinweg tragende Form zu geben. Er mußte zum Meister heranreifen, sollte er später Generationen von Mönchen formen und Kloster um Kloster gründen. Darin bestand damals vornehmlich die Antwort Gottes auf den allgemeinen Verfall der Sitten und des kirchlichen Lebens. Selbst der hl. Gregor der Große stützte seine Reform weitgehend auf das wiederaufblühende Mönchstum. Nur dann, wenn die Katholiken wieder ernst machen, kann Gott segensreich wirken. Dazu aber legt die Einsamkeit den Grund, denn: 

Die Wüste erlaubt keinen Kompromiß, sie fordert eine klare Entscheidung: für den steinigen Weg, das unaufhörliche Voranschreiten mit möglichst leichtem Gepäck, oder für den Tod.“ 

(Ebd.)

Das Wüten des Teufels

Es ist nun leicht verständlich, daß unser Widersacher etwas gegen solche Entschiedenheit hat. Sobald er solchen Ernst wahrnimmt, beginnt er die Seele anzugreifen. Lassen wir uns von unserem Biographen davon berichten:

Vom Kloster des Romanus führte aber kein Weg zur Höhle Benedikts, weil der Fels oberhalb der Höhle steil aufragte. Romanus ließ daher das Brot immer von diesem Felsen an einem langen Seil hinab; an dem Strick befestigte er auch eine kleine Glocke, damit der Mann Gottes an ihrem Klang erkennen konnte, daß ihm Romanus das Brot brachte. Dann kam er heraus, um es anzunehmen. Doch der Alte Feind blickte mit Neid auf die Liebe des einen und auf die Stärkung des andern. Als er eines Tages sah, wie das Brot herabgelassen wurde, warf er einen Stein und zerschlug die Glocke. Romanus ließ sich aber nicht davon abbringen, nach Kräften zu helfen.“

Der erste Angriff des Teufels richtete sich nicht direkt gegen Benedikt, sondern gegen seinen treuen Helfer. Diesen wollte der Teufel schrecken, so daß er aufhörte, dem Einsiedler weiterhin beizustehen. Aber Romanus war kein Angsthase, er ließ sich durch das Wüten des Teufels nicht beeindrucken. Seine Liebe hielt der Prüfung stand, weiterhin brachte er dem hl. Benedikt das, was er sich selbst im Kloster vom Munde abgespart hatte, damit dieser ungestört weiter in seiner Höhle leben konnte. 

Eines Tages geschah es nun, daß Hirten die Höhle und den Einsiedler entdeckten. Zunächst hielten sie ihn für eine wildes Tier, sodann erkannten sie jedoch schnell seine Heiligkeit und ließen sich von ihm im katholischen Glauben und Glaubensleben unterrichten. Allmählich verbreitete sich die Kunde von dem heiligen Einsiedler in der Höhle bei Sublacus in der ganzen Gegend. 

Der Versucher naht

Der Teufel erkannte somit schnell, welch ein Gegner ihm in Benedikt erwuchs. Noch einmal wollte er den Heiligen mit aller Macht versuchen, um ihn aus der Einsamkeit zu vertreiben und so das Werk Gottes zu zerstören. Der hl. Papst Gregor berichtet uns darüber folgendes: 

Eines Tages, als Benedikt allein war, nahte sich ihm der Versucher. Ein kleiner schwarzer Vogel, eine Amsel, flatterte ihm um das Gesicht und belästigte ihn zudringlich. Der heilige Mann hätte die Amsel mit der Hand fangen können, wenn er gewollt hätte. Er machte jedoch das Zeichen des Kreuzes; da flog der Vogel davon. Kaum war der Vogel fort, überkam den heiligen Mann eine so heftige sinnliche Versuchung, wie sie ihm noch nie widerfahren war. Irgendwann hatte er eine Frau gesehen, die ihm der böse Geist jetzt wieder vor Augen führte. Durch das Bild ihrer Schönheit entfachte er im Diener Gottes eine solche Glut, daß sich das brennende Verlangen in seiner Brust kaum bändigen ließ. Fast hätte die Leidenschaft ihn überwältigt, und er war nahe daran, die Einsamkeit zu verlassen.“

Man könnte es auch so ausdrücken: Eine ganz und gar klassische Stelle über die teuflische Versuchung. Der moderne Mensch wird womöglich darüber lächeln und es als eine „mittelalterliche“ Legende abtun, obwohl gerade er massenweise und wohl fast täglich dieser Versuchung erliegt. Was ist die sog. sexuelle Revolution anderes als der Sieg Satans über den sündigen Menschen und seine Versklavung mit Hilfe der sinnlichen Leidenschaft?

Unsere Erzählung zeigt die Möglichkeiten des teuflischen Einflusses auf unsere Menschenwelt. Der „schwarze Vogel“ ist eine Manifestation Satans, die sich sofort in der Wirkung zeigt: Die sinnliche Versuchung fällt den Heiligen schlagartig an. Plötzlich stiegen Erinnerungen an eine schöne Frau auf, die er einmal gesehen hat, und vermischen sich mit einem immer brennender werdenden Verlangen nach fraulicher Liebe. Das Ziel des Teufels ist eindeutig: Die schwere Sünde und damit das Ende der gottverbundenen Einsamkeit. Aber Gott wacht über Seinen tapferen Ritter der Heiligkeit:

Da traf ihn plötzlich der Blick der göttlichen Gnade, und er kehrte zu sich selbst zurück. Er sah in der Nähe ein dichtes Nessel- und Dornengestrüpp, zog sein Gewand aus und warf sich nackt in die spitzen Dornen und brennenden Nesseln. Lange wälzte er sich darin; als er aufstand, war er am ganzen Körper verwundet.“

Die Überwindung der Versuchung durch die Buße

So heilte er durch die Wunden der Haut am eigenen Leib die Wunde der Seele; die Lust wurde zum Schmerz. Während sein Äußeres qualvoll, aber heilsam brannte, löschte er das verführerische Feuer im Innern. Er besiegte die Sünde, indem er das Feuer umwandelte. Seit dieser Erfahrung war die Versuchung zur sinnlichen Lust so überwunden, daß er sie nie mehr in sich verspürte, wie er später seinen Jüngern erzählte.“

Die göttliche Gnade läßt Benedikt erkennen, daß er das innere Feuer der Leidenschaft überwinden muß. Er kehrt zu sich selbst zurück, er kann wieder nüchtern und vernünftig überlegen. Er erkennt, nur durch freiwillig auf sich genommenen Schmerz, durch körperlich spürbare Buße kann er diese Versuchung überwinden. Augenblicklich wirft er sich in die Dornen und Nesseln und wälzt sich darin so lange, bis die Wunden am eigenen Leib die Wunde der Seele heilten – die Lust wurde zum Schmerz! Durch den Schmerz aber fand er endgültig zur Nüchternheit des Denkens zurück und die sinnlichen Versuchungen verschwanden für immer. Die Gnade hatte vollkommen gesiegt und Benedikt innerlich verwandelt. Nun war er Meister des inneren Lebens und fähig als Lehrer anderen den Weg zu Gott zu weisen. Unser hl. Biograph schreibt:

Von da an verließen viele die Welt und kamen zu ihm, um sich seiner Führung anzuvertrauen. Frei vom Übel der Versuchung, wurde er mit Recht Lehrmeister der Tugend. Schon seit Mose dürfen die Leviten vom 25. Lebensjahr an ihren Dienst tun, aber erst vom 50. Jahr an Hüter der heiligen Gefäße sein [vgl. Num 8,24-26].“

Lehrmeister der Tugend

In seinem Rundschreiben „Fulgens radiatur“ faßt Papst Pius XII. diesen Lebensabschnitt des hl. Benedikt folgendermaßen zusammen:

So blieb also der Heilige in der langen Zeit seines verborgenen und einsamen Lebens unbekannt in der Höhle von Subiaco, gewöhnte sich an heiligste Zucht und Selbstbeherrschung und legte damit jene festen Grundlagen christlicher Vollkommenheit, auf denen er später einen mächtigen Bau von erhabener Höhe aufrichten konnte. Wie euch, ehrwürdige Brüder, wohlbekannt ist, bleiben die Werke heiligen Seeleneifers und Apostolates unbestreitbar kraftlos und unfruchtbar, wenn sie nicht aus einem Geiste kommen, der mit jenen christlichen Gaben ausgestattet ist, durch die allein jedes menschliche Unternehmen mit Hilfe der Gnade von oben geradewegs zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen geleitet werden kann. Davon war Sankt Benedikt durchdrungen und überzeugt. Bevor er sich deshalb an die Ausführung der hohen Pläne und Absichten machte, zu denen er durch göttliche Eingebung berufen war, strebte er mit aller Kraft danach, und bat er Gott in inständigem Gebet darum, daß er die nach der Lehre des Evangeliums gestaltete Form der Heiligkeit klar in sich selbst auspräge, die er andern zu vermitteln wünschte. Schließlich wurde aber der Ruf seiner außerordentlichen Heiligkeit weithin bekannt und verbreitete sich zusehends immer mehr. Darum wünschten nicht nur Mönche, die in der Umgebung hausten, sich seiner Leitung zu unterstellen; auch die Bewohner der Städte begannen in Scharen zu ihm zu pilgern, beseelt vom Wunsche, seine milden Predigtworte zu hören, seine hervorragende Tugend zu bewundern und die Wunder zu sehen, die von ihm durch Gottes Huld nicht selten gewirkt wurden. So verbreitete sich jenes lebendige Licht, das aus der dunklen Höhle von Subiaco ausstrahlte und sogar in ferne Gegenden drang. Deshalb ‚begannen damals auch die Adeligen und Frommen aus der Stadt Rom ihn aufzusuchen und ihm ihre Söhne anzuvertrauen, damit er sie für den Allmächtigen erziehe‘ (Gregorius Magnus, Lib. Dial. II 3. PL 66, 140).“

Ein Giftanschlag

Nach seinem Sieg über die große Versuchung blieb Benedikt zunächst noch in seiner kleinen Höhle. Aber:

Der Ruf seiner beispielhaften Lebensweise breitete sich aus, und sein Name wurde berühmt. Nicht weit entfernt lag ein Kloster; der Abt dieser Gemeinschaft war gestorben. Alle Brüder kamen nun zum ehrwürdigen Benedikt und baten ihn inständig, er möge ihr Oberer werden. Er lehnte ab, sträubte sich lange und sagte ihnen voraus, daß ihre Lebensweise mit der seinen nicht zusammenpasse. Schließlich gab er ihren Bitten nach und sagte zu.“

So der hl. Gregor. Nun denkt man unwillkürlich, der Heilige hätte diese Mönche leicht zu einem besseren, heiligen Leben führen können. Das war jedoch nicht der Fall, ihre Gewohnheiten waren schon zu sehr verdorben und ihre Gemüter zu sehr verstockt. Als der hl. Abt Benedikt von ihnen verlangte, daß sie die Regel auch treu und pünktlich halten sollten, „gerieten die Brüder, deren Leitung er übernommen hatte, in sinnlose Wut“. Diese Wut steigerte sich so sehr, daß sie einen Giftanschlag auf den Abt planten. Was für eine Bosheit der Gesinnung! Was alles vermag die menschliche Leidenschaft! 

Sie berieten miteinander und mischten dann Gift in den Wein. Als das Glas mit dem vergifteten Trank nach dem Brauch des Klosters bei Tisch dem Abt zur Segnung gebracht wurde, streckte Benedikt die Hand aus und machte das Zeichen des Kreuzes. Auf dieses Zeichen hin zerbrach das Glas, das in einiger Entfernung gehalten wurde, als hätte er nicht das Kreuz gemacht, sondern einen Stein auf das Gefäß des Todes geworfen. Sofort erkannte der Mann Gottes, dass darin ein todbringender Trank gewesen war, weil das Glas das Zeichen des Lebens nicht hatte ertragen können. Da erhob er sich, rief die Brüder zusammen und sagte mit friedfertigem Blick und gelassenem Sinn: ‚Der allmächtige Gott erbarme sich euer, Brüder. Warum habt ihr mir das antun wollen? Habe ich euch nicht vorher schon gesagt, dass eure und meine Lebensweise nicht zusammenpassen? Geht und sucht euch einen Abt nach eurer Art. Denn nach allem, was geschehen ist, könnt ihr mich nicht mehr halten.‘“

Das war sicher eine sehr bittere, aber dennoch wichtige Erfahrung für den Heiligen. Er mußte schließlich lernen, daß die Wege Gottes unerforschlich sind, um diese Wege recht gehen zu lernen. 

Der Anfang des Benediktinerordens

Nach diesem Mißerfolg kehrte Benedikt wieder in seine Einsiedelei zurück. Hier festigte er sich weiter im Vertrauen auf Gott und Seine gütigste Vorsehung. Oder wie der hl. Papst Gregor schreibt: „In der Einsamkeit wuchs der heilige Mann in der Tugend und tat immer größere Zeichen. Es sammelten sich dort bei ihm viele Menschen, um dem allmächtigen Gott zu dienen.“ Eines Tages erkannte der hl. Benedikt wohl, daß es nun Zeit sei, die Einsamkeit zu verlassen, um auch öffentlich für das Reich Gottes zu wirken. Er ließ zwölf Klöster errichten. „In jedes Kloster schickte er zwölf Mönche und setzte für jede Gemeinschaft einen Abt ein. Nur wenige Mönche behielt er bei sich, die nach seinem Urteil für seine persönliche Leitung und Weisung besonders empfänglich waren.“

Das war nun der hl. Anfang des Benediktinerordens. Diese kleinen „Apostelgemeinschaften“ – es waren immer zwölf Mönche je Kloster –, wie man sie nennen könnte, bildeten den Wurzelgrund für alle anderen Klöster. Wobei die lebendige Regel, durch welche das Fundament des Benediktinerordens gelegt wurde, der hl. Benedikt selbst war. Seine Schüler schauten auf ihn, den Meister. An Beispiel seines hl. Lebens wurde die hl. Regel in Fleisch und Blut umgesetzt, wurde aus totem Buchstaben lebendiger Geist. 

Die Rodung der heidnischen Haine

In seinem schon zitierten Rundschreiben schreibt Papst Pius XII.:

Während nun das Unternehmen einen glücklichen Verlauf nahm und bereits reichliche und heilsame Frucht zeitigte und für die Zukunft noch größere Erfolge versprach, mußte Benedikt zu seinem größten Schmerz wahrnehmen, wie sich ein Sturm gegen die wachsende Saat erhob, der durch niederträchtigen Neid und das Verlangen nach irdischen Gütern entfesselt worden war. Da jedoch Benedikt sich nicht von menschlichem, sondern vom göttlichen Ratschluß leiten ließ, und damit der zumeist gegen ihn gerichtete Haß den Seinen nicht zum Schaden gereiche, ‚wich er dem Neide und übergab alle von ihm gegründeten Oratorien nach Einsetzung von neuen Oberen den versammelten Brüdern; er selber aber verlegte mit einigen wenigen Mönchen seinen Sitz anderswohin.‘ (Gregorius Magnus, Lib. Dial. II 8. PL 66,148) So zog er im Vertrauen auf Gottes allgegenwärtige Hilfe nach dem Süden und kam zur Burg, ‚die Cassino heißt, und am Abhang eines hohen Berges liegt. … „dort war noch ein uralter Tempel, in dem von unwissendem Bergvolk nach altheidnischem Brauch Apollo verehrt wurde. Ringsum gab es auch Haine mit Dämonenkult, in denen noch zu jener Zeit Scharen verruchter Heiden sakrilegische Opfer darbrachten. Dort angekommen, zertrümmerte er das Götzenbild, stieß den Altar um, zündete die Haine an, erbaute anstelle des Apollotempels eine Kapelle zu Ehren des seligen Martin und anstelle des heidnischen Altars ein Oratorium des heiligen Johannes. Die Bevölkerung der Umgebung lud er durch unablässige Predigt zur Annahme des Glaubens ein‘ (ebd., II 8. PL 66, 152).“

Das Heidentum hatte schon tiefe Wurzeln im alten Rom geschlagen. Auch fast 400 Jahre nach dem Erlösertod unseres Herrn Jesus Christus und 100 nachdem die Kirche im Römischen Reich die Freiheit zu öffentlichem Wirken erhielt, gab es noch viele Heiden. Das beschriebene Vorgehen des Heiligen war zugleich symbolisch: Der hl. Patriarch des abendländischen Mönchstums rodet die heidnischen Haine und baut den Apollotempel zu einer Kapelle des hl. Martin und den Hain in ein Oratorium des hl. Johannes um. So wird sich fast ganz Europa der Frohbotschaft Jesu Christi zuwenden, indem es benediktinisch wird. 

Der Zorn des Teufels

Der Heilige beginnt das große Missionswerk. Durch unablässige Predigt ermutigt er die Heiden, ihren Götzenkult aufzugeben und anstatt dem Apollo in Jesus Christus dem wahren Sohn Gottes zu dienen und den dreifaltigen Gott anzubeten. 

Da verlor sein Feind, der Teufel, sozusagen seine Fassung. Wie es der hl. Gregor berichtet, tritt er durch den Heiligen gezwungen aus seiner Deckung heraus:

Dies aber konnte der Alte Feind nicht stillschweigend ertragen. Nicht im Verborgenen, nicht im Traum, sondern deutlich sichtbar trat er dem Vater unter die Augen. Mit fürchterlichem Geschrei klagte er, ihm werde ständig Gewalt angetan. Sogar die Brüder hörten sein Schreien, wenn sie auch die Erscheinung nicht wahrnehmen konnten. Wie der ehrwürdige Vater seinen Jüngern erzählte, habe sich der Alte Feind abscheulich und feurig vor seinem leiblichen Auge gezeigt, und er schien mit Flammen aus Mund und Augen gegen ihn zu wüten. Was der Alte Feind sagte, konnten alle hören. Zuerst nämlich rief er ihn beim Namen. Als der Mann Gottes nicht antwortete, stieß er sofort Beschimpfungen aus. Als er ihn anherrschte: ‚Benedictus, Benedictus – Gesegneter!‘ und sah, daß dieser ihm überhaupt keine Antwort gab, schrie er weiter: ‚Maledictus, nicht Benedictus – Verfluchter, nicht Gesegneter! Was willst du von mir? Warum verfolgst du mich?‘“

Wie kindisch kommt einem dagegen der moderne Unglaube vor, der behauptet, es gibt keinen Teufel. Die Modernisten haben diesen Unglauben auch in der katholischen Kirche verbreitet und damit unermeßlichen Schaden angerichtet. Denn es kann dem Teufel nur recht sein, wenn man nicht an ihn glaubt. Dann sind seine Angriffe natürlich umso wirkungsvoller und erfolgreicher. Inzwischen ist aus dem ehemals christlichen Abendland ein antichristliches Abendland geworden. 

Die Regel des heiligen Benedikt

Im Reich des Geistes zählen andere Gaben als in der Welt. Nur im Angesicht der Ewigkeit und mit Hilfe unseres hl. Glaubens verstehen wir unsere Lebensaufgabe recht. Benedikt erkannte, daß die Menschen dringend eine Hilfe brauchen, eine Regel, die ihnen den Weg Gottes erklärt und lehrt, diesen sicher zu gehen. Diese Regel war sein größtes Lebenswerk, weil sie bleibend über Jahrhunderte Segen stiftete. Papst Gregor der Große ist voller Lob, wenn er darüber spricht: 

Nicht nur die zahlreichen Wunder des Gottesmannes wurden in der Welt berühmt, sondern auch das Wort seiner Lehre strahlte hell auf. Er schrieb eine Regel für Mönche, ausgezeichnet durch maßvolle Unterscheidung und wegweisend durch ihr klares Wort. Wer sein Wesen und sein Leben genauer kennen lernen will, kann in den Weisungen dieser Regel alles finden, was er als Meister vorgelebt hat: Der heilige Mann konnte gar nicht anders lehren, als er lebte.“

Lesen wir doch noch etwas weiter im Vorwort der Regel des hl. Benedikt, um diese Einsicht zu vertiefen:

Schließlich sagt der Herr im Evangelium: ‚Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels gebaut hat. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut.‘ Nach all diesen Worten erwartet der Herr, dass wir jeden Tag auf seine göttlichen Mahnungen mit unserem Tun antworten. Deshalb sind uns die Tage des Lebens als Frist gewährt, damit wir uns von unseren Fehlern bessern, wie der Apostel sagt: ‚Weißt du nicht, dass Gottes Geduld dich zur Umkehr führt?‘ Denn in seiner Güte sagt der Herr: ‚Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er umkehrt und lebt.‘ Brüder, wir haben also den Herrn befragt, wer in seinem Zelt wohnen darf, und die Bedingungen für das Wohnen gehört. Erfüllen wir doch die Pflichten eines Bewohners! Wir müssen unser Herz und unseren Leib zum Kampf rüsten, um den göttlichen Weisungen gehorchen zu können.“

Der immerwährende Kampf

Im Reich Gottes gibt es keinen Pazifismus, kein sentimentales Friedensgerede. Solange wir in dieser Welt uns befinden, stehen wir inmitten eines gewaltigen geistigen Kampfes. Dieser Kampf ist manchmal heftiger oder ruhiger, aber es ist und bleibt immer ein Kampf auf Leben und Tod, ewiges Leben und ewigen Tod der Sünde. Jeder Katholik muß sich zu diesem Kampf rüsten, um den göttlichen Weisungen gehorchen zu können.

Für alles, was uns von Natur aus kaum möglich ist, sollen wir die Gnade und Hilfe des Herrn erbitten. Wir wollen den Strafen der Hölle entfliehen und zum unvergänglichen Leben gelangen. Noch ist Zeit, noch sind wir in diesem Leib, noch lässt das Licht des Lebens uns Zeit, all das zu erfüllen. Jetzt müssen wir laufen und tun, was uns für die Ewigkeit nützt. Wir wollen also eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten. 

Wie uns der hl. Paulus versichert, gilt unser Kampf „nicht Fleisch und Blut, sondern den Mächten und Gewalten, den Weltherrschern der Finsternis und den bösen Geistern in den Himmelshöhen.“ (Eph 6, 12) Diesen Mächten und Gewalten kann man nur mit Hilfe der göttlichen Gnade entgegentreten und sie überwinden. Darum muß man ständig Gott um Seine Gnadenhilfe anflehen. Das verlangt aber eine große Selbstdisziplin. Angesichts dieser Forderungen könnte einer schnell mutlos werden, weshalb ihm der hl. Benedikt Mut zuspricht: 

Bei dieser Gründung hoffen wir, nichts Hartes und nichts Schweres festzulegen. Sollte es jedoch aus wohlüberlegtem Grund etwas strenger zugehen, um Fehler zu bessern und die Liebe zu bewahren, dann laß dich nicht sofort von Angst verwirren und fliehe nicht vom Weg des Heils; er kann am Anfang nicht anders sein als eng. Wer aber im klösterlichen Leben und im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit, und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes. Darum wollen wir uns seiner Unterweisung niemals entziehen und in seiner Lehre im Kloster ausharren bis zum Tod. Wenn wir so in Geduld an den Leiden Christi Anteil haben, dann dürfen wir auch mit ihm sein Reich erben.“

Wer nur einigermaßen nüchtern überlegt, wird zugeben müssen, darum geht es schließlich und endlich in jedem Menschenleben. Es ist darum leicht verständlich, daß auch Menschen aus der Welt sich an den Heiligen um Rat wandten. Nicht jeder ist ja ins Kloster berufen, aber jeder ist dazu bestimmt, das Reich Gottes zu erben. Ob er diese Erbschaft sodann tatsächlich antreten kann, das hängt von jedem einzelnen ab – von seinem Kampf und seinem Sieg bzw. seiner Niederlage. 

Ora et labora

Man hat die Regel des hl. Benedikt in die Worte zusammengefaßt: Gebet und Arbeit. Denn nur im beständigen Gebet, das die tägliche Arbeit heiligt, formt sich die Seele gemäß dem Willen Gottes. In seinem Rundschreiben „Fulgens radiatur“ lehrt Papst Pius XII. darüber: 

Hier [auf dem Monte Cassino] gab Benedikt dem monastischen Leben jene vollendete Form, nach der er zuvor lange in Gebet, Betrachtung und Übung gestrebt hatte. Die göttliche Vorsehung scheint ihm besonders die Aufgabe zugedacht zu haben, nicht so sehr die in den östlichen Ländern übliche mönchische Lebensweise nach dem Westen zu verpflanzen, als sie vielmehr der Denkart, den Bedürfnissen und Verhältnissen Italiens und der übrigen Völker Europas in glücklicher Form anzupassen. So fügte er zu der erhabenen östlichen Aszese das tätige Leben hinzu, nach dem Grundsatz: ‚Das Betrachtete andern vermitteln‘ (Thomas von Aquin, Sum. Theol. II-II q. 188 a.6), um nicht nur aus unbebautem Land irdische Früchte, sondern durch apostolische Anstrengungen auch geistlichen Segen zu gewinnen. Das einsame Leben brachte wohl harte Bußstrenge mit sich, die nicht für alle geeignet und zuweilen für manche sogar gefährlich war: aber die Härte wurde gemildert durch das brüderliche Zusammenleben in der benediktinischen Familie, in der die selige Ruhe im Verein mit Gebet, Arbeit, Gottesdienst und Pflege der Wissenschaft weder Müßiggang noch Überdruß kennt, wo Tätigkeit und Arbeit Geist und Gemüt weder ermüden noch zerstreuen und auch nicht zu unnützem Zeitvertreib verführen, sondern sie verklären, befestigen und zu Höherem erheben. Denn keine übermäßige Strenge in der Ordenszucht wird gefordert, noch allzu harte Kasteiung, sondern vor allem die Liebe zu Gott und eine alle umfassende tätige, brüderliche Liebe. In der Weise nämlich ‚hat er die Regel gestaltet, daß die Starken mehr zu tun begehrten, und die Schwachen vor ihrer Strenge nicht zurückschreckten … Er war aber bestrebt, die Seinen eher mit Liebe zu regieren, als sie durch Furcht zu beherrschen‘ (Mabillon, Annales Ord. S. Bened. (Lucca 1739) Bd. 1, S. 107). Als er eines Tages einen Einsiedler traf, der sich selbst Fesseln angelegt und in eine enge Höhle eingeschlossen hatte, um nicht mehr zum früheren Sünden- und Weltleben zurückkehren zu können, sagte er zu ihm mit gütigem Tadel: ‚Wenn du ein Diener Gottes bist, soll dich nicht eine eiserne Kette, sondern die Kette Christi fesseln‘ (Gregorius Magnus, Lib. Dial. III 16. PL 77, 261).“

Das ist höhere Weisheit, die nur aus der beständigen Betrachtung des Gesetzes Jesu Christi gewonnen werden kann. Eine Regel, die so gestaltet ist, daß die Starken mehr zu tun begehrten, und die Schwachen vor ihrer Strenge nicht zurückschreckten … Er war aber bestrebt, die Seinen eher mit Liebe zu regieren, als sie durch Furcht zu beherrschen.

Eine wunderbare Schau

Woher hatte nun der hl. Benedikt jene höhere Weisheit, die ihm zum Mönchsvater werden ließ? Der hl. Gregor der Große berichtet uns von einer außerordentlichen Gnade, die dem Heiligen zuteil wurde. Als der Diakon Servandus wieder einmal nach seiner Gewohnheit bei Benedikt zu Besuch war, sprachen sie über das Glück des ewigen Lebens und erbauten sich gegenseitig.

Es wurde Zeit, zur Ruhe zu gehen. Der heilige Benedikt legte sich im oberen Teil des Turmes nieder, der Diakon Servandus im unteren. In diesem Turm führte eine gerade Stiege von unten nach oben. Vor dem Turm befand sich ein größeres Gebäude, wo ihre Schüler ruhten. Während die Brüder noch schliefen, stand der Mann Gottes Benedikt schon vor der Zeit des nächtlichen Gebetes auf und hielt Nachtwache. Er stand am Fenster und flehte zum allmächtigen Gott. Während er mitten in dunkler Nacht hinausschaute, sah er plötzlich ein Licht, das sich von oben her ergoß und alle Finsternis der Nacht vertrieb. Es wurde so hell, daß dieses Licht, das in der Finsternis aufstrahlte, die Helligkeit des Tages übertraf. Etwas ganz Wunderbares ereignete sich in dieser Schau, wie er später selbst erzählte: Die ganze Welt wurde ihm vor Augen geführt, wie in einem einzigen Sonnenstrahl gesammelt. Während der ehrwürdige Vater den Blick unverwandt auf den strahlenden Glanz dieses Lichtes gerichtet hielt, sah er, wie Engel die Seele des Bischofs Germanus von Capua in einer feurigen Kugel zum Himmel trugen. Für dieses große Wunder wollte Benedikt einen Zeugen haben. Darum rief er den Diakon Servandus zwei- oder dreimal ganz laut beim Namen. Der erschrak über das laute Rufen, das er von diesem Mann nicht gewohnt war, stieg hinauf, schaute hin und sah nur noch einen Schimmer des Lichtes. Sprachlos stand er vor diesem Wunder; da erzählte ihm der Mann Gottes ganz genau, was geschehen war.“

Das ist freilich etwas ganz und gar Wunderbares, die ganze Welt wie in einem Sonnenstrahl gesammelt zu schauen. In diesem göttlichen Gnadenlicht begreift der Heilige die tiefen Geheimnisse unseres Menschenlebens. Womöglich war der Heilige so ergriffen wie der hl. Paulus, der in seinem Brief an die Epheser bekennt: „Deswegen beuge ich meine Knie vor dem Vater, von dem jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden seinen Namen hat. Möge er euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit verleihen, daß ihr durch seinen Geist mit Kraft innerlich erstarkt, daß Christus durch den Glauben in eurem Herzen wohne und daß ihr in der Liebe festgewurzelt und festgegründet seid, damit ihr mit allen Heiligen zu erfassen vermögt die Breite und Länge, die Höhe und Tiefe und zu erkennen die Liebe Christi, die jede Erkenntnis übersteigt, damit ihr erfüllt werdet zur ganzen Fülle Gottes“ (Eph. 3, 14-19).

In den Dialogen des hl. Gregor, ruft sein Freund Petrus nach diesem Bericht aus: „Wunderbar und ganz erstaunlich! Was du da gesagt hast, daß Benedikt die ganze Welt wie in einem einzigen Sonnenstrahl gesammelt vor Augen haben durfte, das habe ich noch nie erlebt und kann es mir auch nicht vorstellen. Wie könnte denn jemals ein Mensch die Welt als ganze schauen?“ Hierauf antwortet Gregor:

Halte fest, was ich sage, Petrus! Wenn die Seele ihren Schöpfer schaut, wird ihr die ganze Schöpfung zu eng. Hat sie auch nur ein wenig vom Licht des Schöpfers erblickt, wird ihr alles Geschaffene verschwindend klein. Denn im Licht innerer Schau öffnet sich der Grund des Herzens, weitet sich in Gott und wird so über das Weltall erhoben. Die Seele des Schauenden wird über sich selbst hinausgehoben. Wenn das Licht Gottes sie über sich selbst hinausreißt, wird sie in ihrem Inneren ganz weit; wenn sie von oben hinabschaut, kann sie ermessen, wie klein das ist, was ihr unten unermesslich schien. Der Mann Gottes, der die Feuerkugel sah und die Engel, die zum Himmel zurückkehrten, konnte dies ganz gewiß nur im Licht Gottes erkennen. Ist es erstaunlich, daß er die ganze Welt vor sich sah, da er durch die Erleuchtung des Herzens über die Welt hinausgehoben war? Wenn er aber, wie gesagt, die ganze Welt als eine Einheit vor sich sah, so wurden nicht Himmel und Erde eng, sondern die Seele des Schauenden weit; in Gott entrückt, konnte er ohne Schwierigkeit alles schauen, was geringer ist als Gott. In dem Licht, das seinen Augen aufleuchtete, erstrahlte in seinem Herzen ein inneres Licht. Weil dieses seinen Geist in den Himmel entrückte, zeigte es ihm, wie eng alles Irdische ist.“

Es wird sicherlich so gewesen sein, wie es der hl. Papst erklärt: Wenn die Seele ihren Schöpfer schaut, wird ihr die ganze Schöpfung zu eng. Hat sie auch nur ein wenig vom Licht des Schöpfers erblickt, wird ihr alles Geschaffene verschwindend klein. Die Heiligen leben in der wahren Welt, der Welt Gottes und Seiner Gnade. Da verliert alles Irdische an Wert, weil das Himmlische unermeßlich mehr wert ist als alles Irdische. Während das Irdische das Herz einengt, weitet es die Gnade ins Unermeßliche. Die Seele nimmt sozusagen eine himmlische Perspektive ein. Alle Geschöpfe zeigen sich ihr so, wie sie in Gott sind. Ja ganz gewiß, der Mann Gottes, der die Feuerkugel sah und die Engel, die zum Himmel zurückkehrten, konnte dies ganz gewiß nur im Licht Gottes erkennen. Alles Beten des Mönches zielt auf tiefere, ergreifendere, begeisternde Gotteserkenntnis! In dem Licht, das seinen Augen aufleuchtete, erstrahlte in seinem Herzen ein inneres Licht. Weil dieses seinen Geist in den Himmel entrückte, zeigte es ihm, wie eng alles Irdische ist.

„Wer kann vor dem Herrn, diesem heiligen Gott, bestehen?“

Leider fehlen uns solche Gebetserfahrungen! Darum läßt uns der Gedanke an den Himmel oder auch an Gott meist kalt. Je armseliger wir sind, umso mehr müssen wir unser Gebet vertiefen. Greifen wir nochmals zurück auf den Erfahrungsschatz des Einsiedlermönches, der sich täglich in der Wüste bewähren muß. Was bewegt sein Herz? 

„‘Wer kann vor dem Herrn, diesem heiligen Gott, bestehen?‘ (1 Sam 6, 20). – Die Erweise seiner Nähe dürfen uns nie vergessen lassen, daß Gott der ‚Heilige‘ ist, der von der ganzen Schöpfung durch sein Wesen, seine Göttlichkeit, Herrlichkeit und Heiligkeit ‚getrennt‘ ist. Der kontemplative Mensch erfreut sich an inspirierten Texten, die ihm helfen, sich selbst auf dem richtigen Weg zu sehen und im Geist und im Herzen den alleinigen Herrn und Vater aller Dinge zu preisen: ‚Ich bin Jahwe, das ist mein Name; ich überlasse die Ehre, die mir gebührt, keinem anderen‘ (Jes 42,8). – ‚Erweist euch als heilig, und seid heilig, weil ich heilig bin‘ (Lev 11, 44). – ‚Ich bin der Erste, ich bin der Letzte außer mir gibt es keinen Gott‘ (Jes 44, 6). – ‚Ich bin Jahwe, ich … allein bin Gott; auch künftig werde ich es sein‘ (Jes 43, 11-13). Wer wird nicht beeindruckt von diesen Worten? Alle Bücher der Schrift, vor allem die Propheten und die Psalmen, besingen diese furchtgebietende Herrlichkeit, die über den Cherubim thront, vor der die Erde wankt und vor der sich die Völker ehrfürchtig zu Boden werfen (vgl. Ps 99,1-5); vor ihr sind die Nationen wie ein ‚Tropfen am Eimer‘, wie ein ‚Sandkorn‘ (Jes 40,15). Sie zeigt sich in den Wundern seiner Allmacht, im Werk seiner Schöpfung (vgl. Jes 45,11-12) und in den furchterregenden Ereignissen, die sein Kommen begleiten (vgl. Hab 3,3-6; Ps 77,17-20).“ 

(Wo die Wüste erblüht…, S. 59 f)

Wie man leicht sehen kann, macht der Einsiedlermönch ähnliche Erfahrungen wie der hl. Benedikt. Je näher er Gott kommt, umso nichtiger erscheint die Welt. Zudem ergreift die Majestät Gottes immer tiefer die betende Seele. Gott offenbart sich der Seele immer mehr, ganz besonders natürlich durch die Menschheit Christi, wie unser Eremit zu bedenken gibt: 

Jesus hat die Größe Gottes um nichts gemindert; in einer tiefen Schau betrachtet er sie von Angesicht zu Angesicht. Du wirst im Evangelium leicht den Widerschein dieser Betrachtung finden. Meditiere die Rede über die Endzeit bei Matthäus (Mt 24) und vor allem die Passion, ihr ‚Warum‘ und ‚Wie‘. Und du wirst zu erahnen beginnen, wie Gott über die Sünde denkt und wie unfaßbar seine Heiligkeit ist.“ 

(Ebd. S. 60)

Das betende erwägen des Lebens Jesu hilft uns, uns in Sein Gebet zu vertiefen. Wie beeindruckend muß dieses Gebet für Seine Apostel gewesen sein. Sie erahnten dann jenes Feuer, das ER gekommen war, auf unsere Erde zu werfen. Und schließlich nahm er drei von ihnen mit auf den Tabor… Sind unsere Gebet wenigstens ab und zu Taborstunden?

Wenn du mehr Sinn für die Unfaßbarkeit Gottes hättest, würde sich deine Freude an der Betrachtung entwickeln. Flehe den Herrn an, sie dir zu gewähren: deshalb bist du ja gekommen. Sag ihm zusammen mit Mose voll Demut: ‚Laß mich doch deine Herrlichkeit sehen!‘ (Ex 33,19). Wenn sich die Schönheit Gottes offenbart, läßt sie alle Geschöpfe farblos erscheinen; der Widerschein der Flamme verliert ihren Zauber, wenn die Flamme selbst das Herz füllt: ‚Bei Tag wird nicht mehr die Sonne dein Licht sein, und um die Nacht zu erhellen, scheint dir nicht mehr der Mond, sondern der Herr ist dein ewiges Licht, dein Gott, dein strahlender Glanz‘ (Jes 60,19).“

(Ebd. S. 63 f)

Benedikt sagt seinen Tod voraus

Es war schon ein äußerst segensreiches Leben, das sich allmählich seinem Ende zuneigte. Der heilige Benedikt verbrannte allmählich im Feuer der göttlichen Liebe, so kann man es wohl am treffendsten ausdrücken. Überlassen wir noch einmal unseren Biographen das Wort:

Das Jahr, in dem Benedikt aus dem Leben scheiden sollte, war gekommen. Da sagte er einigen Jüngern im Kloster und einigen in der Ferne den Tag seines heiligen Todes voraus. Die bei ihm lebten, wies er an, über das Gehörte zu schweigen, die Abwesenden wies er auf ein bestimmtes Zeichen hin, das sie empfangen sollten, wenn seine Seele aus dem Leib scheiden werde. Sechs Tage vor seinem Tod ließ er sein Grab öffnen. Bald darauf befiel ihn hohes Fieber, und große Hitze schwächte ihn. Von Tag zu Tag verfielen zunehmend seine Kräfte. Am sechsten Tag ließ er sich von seinen Jüngern in die Kirche tragen; dort stärkte er sich durch den Empfang des Leibes und Blutes unseres Herrn für seinen Tod. Er ließ seine geschwächten Glieder von den Händen seiner Schüler stützen, so stand er da, die Hände zum Himmel erhoben, und hauchte unter Worten des Gebetes seinen Geist aus. An diesem Tag empfingen zwei seiner Brüder eine Offenbarung durch ein und dieselbe Schau; der eine hielt sich im Kloster auf, der andere lebte weiter entfernt. Sie sahen, wie eine Straße von seinem Kloster genau in östlicher Richtung bis zum Himmel reichte; sie war mit Teppichen ausgelegt und von zahllosen Lampen erleuchtet. Oben stand strahlend ein Mann von ehrfurchtgebietendem Aussehen und fragte sie, für wen dieser Weg sei, den sie sahen. Sie gaben zu, sie wüssten es nicht. Da sagte er zu ihnen: ‚Dies ist der Weg, auf dem Benedikt, den der Herr liebte, zum Himmel emporsteigt.‘ Somit sahen die Jünger, die zugegen waren, den Heimgang des heiligen Mannes mit eigenen Augen, die abwesenden erkannten ihn aus dem Zeichen, das Benedikt ihnen vorhergesagt hatte. Er wurde im Oratorium des heiligen Johannes begraben, das er selbst nach der Zerstörung des Apolloaltars erbaut hatte.“

Es ist leicht einzusehen, daß das Leben und Wirken dieses Heiligen nicht allein für Ordensleute bedeutend ist, sondern jedem Menschen als Anregung dienen kann, Gott aufrichtig zu dienen und zu lieben, wie Papst Pius XII. in seinem schon öfter erwähnten Rundschreiben anmerkt:

Auch alle anderen Stände werden, wenn sie lernbegierig und aufmerksam das Leben des heiligen Benedikt, seine Anweisungen und seine Großtaten betrachten, sich dem milden und machtvollen Wehen seines Geistes nicht entziehen können, und sie werden unwillkürlich sehen, dass auch unsere Zeit, erschüttert und geängstigt durch all die furchtbaren Verheerungen an irdischen Gütern und in den Menschenseelen, durch Gefahren und Verluste, die notwendigen Heilmittel von ihm erhalten kann. Vor allem aber mögen sie bedenken und ernstlich in Erwägung ziehen, dass die erhabenen Grundsätze und sittlichen Forderungen der Religion die zuverlässigsten und stärksten Grundlagen der menschlichen Gesellschaft bilden. Sind sie zerstört oder auch nur geschwächt, dann muss es innerlich notwendig dahin kommen, dass alle Stützen, eine nach der anderen, zusammenbrechen, auf denen rechte Ordnung, Friede und Glück der einzelnen und Völker ruhen.”