„Joseph Ratzinger und die Zerstörung des Dogmas“
Vor unseren Augen zeigt sich ein recht trauriges Schauspiel, die sog. Bewegung der Tradition verwässert immer mehr zu einer pseudokonservativen Gruppe innerhalb der Menschenmachwerkskirche. Dafür gibt es sicherlich mehrere Gründe, einer der bedeutendsten dürfte jedoch das mangelnde theologische Fundament sein. Die meisten sog. Traditionalisten hatten den Modernismus schlichtweg unterschätzt. Sie machten ihn großteils nur an den Mißständen während den Eucharistiefeiern fest, wobei sie selbst hierin schon nicht mehr erkannten, daß diese Mißstände unmittelbare Folge des Novus Ordo Missae, also der neuen Ordnung der Messe waren und darum auch gewollt.
Alle Änderungen zielten auf die Zerstörung des hl. Meßopfers, fußten sie doch auf einem vollkommen irrigen theologischen Konzept. Viele Traditionalisten blendeten jedoch diesen Glaubenshintergrund aus, sie wollten einfach nur die „alte“ Messe retten. Ihr Urteil über diesen neuen Ordo war letztlich kein Vernunfturteil, sondern nur ein Gefühlsurteil. Leider wurden diese Leute sodann auch von ihren Priestern und den meisten traditionellen Gemeinschaften im Regen stehen gelassen, denn auch von diesen kamen keine wirklich klärenden Aussagen und vor allem keine klärenden theologische Arbeiten zu all den brennenden Themen.
Diese Fehlentwicklung wird an einer Person besonders greifbar, an Joseph Ratzinger. Dieser Gelehrte der Menschenmachwerkskirche ist zum großen Theologen hochstilisiert worden und zudem zu einem konservativen. Hierin zeigt sich die Macht der Meinungsmacher, durchaus ein Quadrat zum Kreis erklären können – und die meisten glauben es. Den konservativen, katholischen Ratzinger hat es nie gegeben. Er ist eine reine Farce! Zugegeben, ein gut inszeniertes Märchen, aber ein Märchen.
Vom Vollblutmodernisten zum Hüter der Tradition
Man kann es kaum glauben, aber es war so: Aus dem Vollblutmodernisten Ratzinger ist der konservative Glaubenshüter geworden. Ein traditionalistisches Blatt nannte Ratzinger – noch vor seinem Verdienst, muß man hinzufügen, die „alte“ Messe gerettet zu haben, denn damit wurde Ratzinger für viele Traditionalisten unantastbar und sie weinen ihm bis heute nach – einen Theologen ohne Glauben. Die Konservativen hingegen nannten ihn einen Mozart der Theologie. Nun, beiden Seiten ist eines gemeinsam: Sie schauen nicht tief genug, es fehlt ihnen an Sachlichkeit. Das ist nämlich so eine Sache mit der Sachlichkeit. Diese scheint im Eifer des Gefechts irgendwie verlorengegangen zu sein. Man könnte es auch anders ausdrücken: Ratzinger hat alle seine Freunde und Gegner durch seine Kunst der Dialektik in seinen Bann gezogen. Nur so konnte aus dem Vollblutmodernisten nahtlos der Hüter der Tradition werden und der Retter der „alten“ Messe.
Die Kunst der Mitte
Man könnte die moderne Dialektik auch die Kunst der angeblichen Mitte nennen. Der moderne Dialektiker konstruiert immer eine imaginäre Mitte, um die er verschiedene Extreme gruppiert. Mit diesem Trick erscheint er selber immer souverän, ausgewogen und sachlich. Erst wenn man genauer hinschaut, erkennt man das Wesentliche: Dem Hegelschen Dialektiker geht es niemals um die Wahrheit, denn diese gibt es für ihn gar nicht. Es gibt immer nur widerstreitende Meinungen, also eine Mittemeinung (Synthese) und darum herum extremere Meinungen (These und Antithese). Für ihn ist etwas nicht richtig, weil es als wahr erkannt wurde, sondern weil es sich als weniger extrem ausweist und darum als Mitte taugt. Es gibt tatsächlich auch unter den Traditionalisten eine ganze Gruppe, die sich damit brüstet, die Mitte zu halten. Vielleicht kommt auch daher eine gewisse Affinität dieser Leute zu Ratzinger. Offensichtlich sind sie seiner Hegelschen Dialektik auf den Leim gegangen.
Der „Mozart der Theologie“
Es kommt noch dazu, Ratzinger gibt sich niemals polternd, sondern immer gelehrt. Seine „Einführung in das Christentum“ ist zu einem Standardwerk des Modernismus geworden. Im Vorwort schreibt er: „Die Frage, was eigentlich Inhalt und Sinn christlichen Glaubens sei, ist heute von einem Nebel der Ungewißheit umgeben wie kaum irgendwann zuvor in der Geschichte.“ Jeder Katholik wird ihm darin spontan beipflichten – und auch im folgenden: „Wer die theologische Bewegung des letzten Jahrzehnts beobachtet hat und nicht zu jenen Gedankenlosen gehört, die das Neue unbesehen jederzeit auch schon für das Bessere halten“, der wird sich besorgt fragen: „Hat unsere Theologie ... nicht den Anspruch des Glaubens, den man allzu drückend empfand, stufenweise herunterinterpretiert, immer nur so wenig, daß nichts Wichtiges verloren schien, und doch immer so viel, daß man bald darauf den nächsten Schritt wagen konnte?“
Nochmals eine durchaus treffende Beobachtung, wenn auch nicht die ganze Wahrheit! Denn daß nichts Wichtiges verloren schien, das ist schon eine modernistische Fabel. Daß Ratzinger hinter dieser Fabel steht, zeigt sich, sobald man weiterfragt: Was setzt Ratzinger nun eigentlich dieser den Glauben auflösenden Tendenz entgegen? Distanziert er sich etwa vom Modernismus als solchen oder erklärt er diesen als Sammelbecken aller Häresien, wie es der hl. Papst Pius X. gemacht hat? Natürlich nicht, denn dann wäre die Karriere des Mozart der Theologie schon zuende gewesen, ehe sie begonnen hat.
Nein, zunächst erklärt er einfach einmal, man könne nun einmal rechtmäßigerweise nicht behaupten, „die moderne Theologie“ sei insgesamt einen solchen Weg gegangen. Also nur nicht übertreiben, nur nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, nur nicht in ein Extrem verfallen! Es ist nämlich so: Dieser beklagenswerten Tendenz des immer weiter Herunterinterpretierens „kann man freilich nicht entgegenwirken durch ein bloßes Beharren auf dem Edelmetall fester Formeln der Vergangenheit [typisch modernistisches Geschwätz], das dann doch auch nur ein Metallklumpen bleibt [typisch modernistische Verunglimpfung der Dogmen]: eine Last, statt kraft seines Wertes die Möglichkeit wahrer Freiheit [womit bei den Modernisten immer die Freiheit zu jedwedem Irrtum gemeint ist] zu gewähren“.
So also hört sich die Ratzingersche Lösung an, mit der er – dialektisch versteht sich! – seinen Unglauben als Glaube der katholischen Kirche ausgeben möchte. Ratzinger besitzt tatsächlich das Geschick, allen modernistischen Auswüchsen, denen gegenüber er sich öfter distanziert, niemals die katholische Wahrheit entgegenzuhalten, sondern immer nur einen gemäßigteren Irrtum, wobei natürlich die Logik seines Irrtums – es handelt sich auch bei seinen Erwiderungen um modernistische Thesen – zu den gleichen zerstörerischen Schlußfolgerungen führt, wie dies in jenem Traditionalisten-Blättchen seinerzeit sehr richtig dargestellt war. Deswegen ist Ratzinger gefährlicher als Küng und Co.
In seinem Werk „Zur Lage des Glaubens“ bezeichnet sich Ratzinger als „ausgewogener Progressist“, der für eine „ruhige Entwicklung der Lehre“ ohne „einzelgängerische Fluchten nach vorne“, aber auch „ohne anachronistische Sehnsucht nach einem unwiederbringlich vergangenen Gestern“ eintritt. Ratzinger geht es niemals um den katholischen Glauben, diesen hat er wohl niemals bejaht. Letztlich geht es ihm darum, seine eigenen Thesen als die Lösung im Chor der modernistischen Irrlehrer zu präsentieren, so könnte man es wohl ausdrücken. Oder etwas weniger persönlich von ihm selber formuliert: „Wir müssen dem heute der Kirche treu bleiben, nicht dem gestern oder dem morgen.“ Das „gestern“, das sind die Konservativen und Traditionalisten, das „morgen“, das sind die Progressisten, das „heute“ aber, das ist Ratzinger! Er ist DIE MITTE!
Gefühlt konservativ
Von vielen Modernisten wird das freilich doch anders gesehen. Insgesamt erscheint im allgemeinen Sturm der modernistischen Neuerungen jeder Bremser als konservativ. Da es niemals um die Wahrheit geht, geht es vor allem um Gefühle. Im gesamten Spektrum des Modernismus war und ist Ratzinger gefühlt konservativ. Darin besteht letztlich die Kunst des dialektischen Spiels, die Leute dürfen es nicht durchschauen, denn sonst klinken sie sich aus und durchschauen den Betrug. Sie müssen immer noch den Eindruck bewahren, es ginge noch um den Glauben, ja sogar um den katholischen Glauben. Dieses Absurdum war zumindest anfangs die Existenzgrundlage der ganzen Menschenmachwerkskirche und ist es im Grunde heute noch – gibt es schließlich auch heutzutage noch genügend Leute, die sich tatsächlich einbilden, es gehe im modernistischen Rom immer noch um den katholischen Glauben. Für manche von diesen ist Ratzinger immer noch der heimliche Papst, der von den Feinden zum Rücktritt gezwungen wurde, wie ehedem viele glaubten, Montini, alias Paul VI., hätte einen Doppelgänger gehabt, der bis in die 90er Jahre in den Verliesen des Vatikans gefangengehalten worden sei. Nun, vielleicht hat es sogar einen Doppelgänger gegeben – aber der Doppelgänger im Verlies des Vatikans ist dennoch nicht die Lösung des Problems. Ratzinger jedenfalls war niemals Papst – und er war niemals katholisch!
Um diese Behauptung zu erhärten, möchten wir hier einen Text der Vergessenheit entreißen, der im Jahr 1989 in der Zeitschrift SAKA-Information veröffentlicht wurde und zwar von September bis November. Ursprünglich wollten wir den Text nur auszugsweise und kommentiert wiedergeben, weil er recht anspruchsvoll ist. Nach längerem Studium festigte sich jedoch die Überzeugung, daß dieses Zeitzeugnis im Original erhalten bleiben sollte, dokumentiert es doch die Tatsache, daß es von Anfang an wahre katholische Gelehrte gegeben hat, die den Modernismus und damit auch Ratzinger durchschauten. Zudem zeigt er – der Text konnte schon damals nirgends mehr veröffentlicht werden –, wie mächtig die Modernistenlobby bereits war. Es wurde kein wirklich begründeter Widerspruch mehr geduldet. Nur noch Modernisten waren ernstzunehmende Dialogpartner, wohingegen jeder wahre Katholik als unerträglicher Extremist erschien. Der schon damals zugrundeliegende Bruch kommt übrigens dadurch zum Ausdruck, daß Paul Hacker den „Theologen“ in Anführungszeichen setzt, wenn er von Ratzinger spricht. Es ist wahr, für einen wahren Katholiken war Ratzinger kein katholischer Theologe, sondern Apostat. Zur leichteren Lesbarkeit wurde der Text mit Überschriften versehen.
Einleitung der SAKA-Redaktion von 1989
Durch besondere Umstände ist uns erst kürzlich das Manuskript des vorliegenden Artikels in die Hände gelangt. Paul Hacker, am 18. März 1979 im Alter von 66 Jahren verstorben, war Professor für Indologie in Münster. Als Konvertit hatte er sich im Kirchenkampf intensiv auf der Seite der Verteidiger der katholischen Wahrheit engagiert. Auch gegen Ratzinger hatte er öffentlich Stellung genommen. Das Manuskript, das etwa aus dem Jahre 1974 stammt, gelangte nicht zum Druck, weil es zu entschieden formuliert war. So ließ er es - von ihm selbst als «Samizdat-Ausgabe» bezeichnet - verschiedenen Persönlichkeiten zugehen. Es ist auch heute noch überaus lesenswert. Die nachträgliche Veröffentlichung soll auch ein Dank an Paul Hacker sein für seine wichtige Hilfe zur Erkenntnis der ihn tief bedrückenden Lage der von ihm über alles geliebten Kirche. R. i. p.
Bekanntlich wurde Joseph Ratzinger 1977 zum Erzbischof von München-Freising und im November 1981 zum Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre ernannt, er also, der an der Zerstörung des katholischen Glaubens einen nicht geringen Anteil hat. Der Wolf ändert das Haar und bleibt wie er war!
Hier der Text von Paul Hacker: hacker_ratzinger.pdf