Adventlicher Trostbrief

Der Advent geht seinem Ende entgegen – und es ist ein seltsamer Advent. Wie schon an Ostern werden viele von uns wiederum durch die staatlichen Maßnahmen daran gehindert, an den Gottesdiensten teilzunehmen. Es ist also wieder eine Zeit für Trostbriefe, denn es soll dennoch Advent werden in unseren Herzen.



Was gilt es also zu beachten? Was will uns die göttliche Vorsehung sagen, steht doch der allmächtige und allweise Gott über jeder menschlichen Willkür. Selbst alles, was Er nur zuläßt aufgrund der vielen Sünden der Menschen willen, kann und soll uns zum Segen werden. Was ist also zu bedenken während dieses Advents?

Man kann es vielleicht so sagen: Es ist nicht unbedingt notwendig, daß wir in die hl. Messe gehen, daß es Weihnachten wird, aber es ist unbedingt notwendig, daß wir Maria verehren und uns ihr zuwenden, denn ohne Maria gibt es sicherlich auch kein Weihnachten. Denn was wäre der Advent ohne Maria? Er wäre nichts! Einfach gar nichts! Wäre nämlich Maria nicht gewesen, wäre auch Jesus Christus, unser Herr und göttlicher Heiland, nicht in unsere Menschenwelt gekommen.

Maria steht am Anfang unserer Erlösung. Als Vorerlöste, als reinste, sündenlose Jungfrau-Mutter verkörpert sie das neue Paradies. In ihr wird uns die Fülle der göttlichen Verheißungen offenbar. Sie ist das Wunder aller Wunder, weil aus ihr der Gottmensch Jesus Christus geboren werden soll. Darum spricht der Advent ganz selbstverständlich von Maria, er spricht von ihrem Glauben, ihrer Sehnsucht, ihren Gebeten, ihren Tugenden, ihren Wünschen, ihren Opfern und ihrer Hingabe.

In unserer hl. Liturgie kommt dies wunderschön dadurch zum Ausdruck, daß das Fest der Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria mir seiner Oktav mitten in den Advent fällt. Was für erhebende Adventbetrachtungen sind die von der Kirche zusammengestellten Texte über diesen unbegreiflichen Gnadenvorzug Mariens! Das ganze Alte Testament spricht nicht nur von Jesus als dem kommenden Erlöser des ganzen Menschengeschlechtes, es spricht auch von Maria. Beide, Jesus und Maria, sind die Sehnsucht des Alten Bundes.

Am 5. Tag der Oktav von Mariä Empfängnis, dem 12. Dezember, wird im kirchlichen Nachtgebet die Auslegung des hl. Bischofs Tharasius, Patriarch und Bekenner von Konstantinopel, gestorben am 25.2.806, zum Festevangelium gelesen. Lassen wir uns doch ein wenig von dem wunderbaren Hymnus ergreifen, den dieser Heilige auf die Immakulata anstimmt:

Mit welchen Lobsprüchen sollen wir dich überhäufen, Maria? Du makelloses Kind! Du unbefleckte Jungfrau! Du Zierde der Frauen, du Glanz der Mädchen! Du heilige Jungfrau-Mutter, du Gebenedeite unter den Frauen! Du bist berühmt um deiner Unschuld willen, bist mit Jungfräulichkeit ausgestattet! Du sühntest Adams Fluch, du löstest Evas Schuld; du bist das ganz reine Opfer Abels, die Freude der Stammeltern, eine makellose Gabe. Du bist des Enos [der älteste Sohn des Seth, des dritten Sohnes von Adam und Eva] Hoffnung auf Gott, die keine Enttäuschung erleidet; du bist die dem Henoch geschenkte Huld, sein Übergang zu einem sicheren Leben. Du bist die Arche Noes, die Vermittlerin der zweiten Wiedergeburt bei Gott. Du bist der leuchtende Glanz der königlichen und priesterlichen Würde Melchisedechs, du Abrahams festes Vertrauen, sein Gehorsam und sein Glaube an die Verheißung der künftigen Nachkommenschaft. Du bist Isaaks neues Opfer, ein geistiges Brandopfer; du bist der Grund der Himmelsleiter Jakobs, der edelste Ausdruck seiner auf zwölf Stämme verteilten Nachkommenschaft. Du bist als leibliche Tochter Judas erschienen; du bist Josephs Schamhaftigkeit und des alten Ägypten, d.h. der jüdischen Synagoge, Zerstörung, du Makellose. Du bist des Moses, des Gesetzgebers, göttliches Buch; darin ist das Geheimnis der Wiedergeburt eingetragen und mit Gottes Finger ist darin das Gesetz geschrieben so wie auf den Tafeln von Sinai; danach wird das neue Israel befreit werden von der Knechtschaft der geistigen Ägypter; das alte Volk wurde in der Wüste mit Manna und Wasser aus dem Felsen gelabt; der Fels aber war Christus, der aus deinem Schoß hervorgehen sollte wie ein Bräutigam aus seinem Gemach. Du bist der blühende Stab Aarons, du die Tochter Davids, in Goldgewand gekleidet, bunt geschmückt.“

Es ist wahr, all diese geheimnisvollen Vorbilder im Alten Testament werden erst durch Maria verständlich und somit richtig faßbar. Man kann sicherlich ganz zurecht sagen, immer wieder spricht Gott schon im Alten Bund von Maria, immer wieder beschreibt ER sehnsüchtig das neue Land, aus dem Jesus Christus hervorblühen soll – als die göttliche Wunderblume. Die Makellose verweist auf denjenigen, der „das alte Volk … in der Wüste mit Manna und Wasser aus dem Felsen gelabt; der Fels aber war Christus, der aus deinem Schoß hervorgehen sollte wie ein Bräutigam aus seinem Gemach“. Ja, der ganze Alte Bund jauchzt über die Tochter Davids, die in „Goldgewand gekleidet, bunt geschmückt“ ist, weil sie allein uns den Messias schenken wird. Der heilige Bischof Tharasius fährt weiter in seinem hymnischen Lobpreis auf die Makellose:

Du bist der Spiegel der Propheten, die Erfüllung ihrer Weissagungen. Dich hat Ezechiel mit Prophetenblick die verschlossene Tür genannt, durch die nie ein Mensch hindurchgehen wird, nur Gott der Herr allein; und der wird die Tür verschlossen lassen. Du bist der Zweig Jesses, von dem Isaias, der Künder ganz großer Dinge, spricht; aus ihm soll die Blume Christus aufblühen; er wird die Triebe der Laster mit der Wurzel ausrotten und Pflanzen göttlicher Erkenntnis auf den Acker setzen. Auf dich hat Jeremias schon hingewiesen, als er sprach: Seht, es kommen die Tage, spricht der Herr, wo ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde, wie ich ihn begründet habe mit ihren Vätern; damit zeigte er die Ankunft und die Geburt deines Sohnes an und rief das Volk der Heiden von den Grenzen der Erde her zur Anbetung Gottes. Dich kündete auch Daniel, der Mann des großen Verlangens, als hohen Berg, von dem Christus, der Grundstein, sich loslösen und das Götzenbildnis der vielgestaltigen Schlange umstürzen und zertrümmern wird. Dich ehre ich als das makellose Lamm, dich preise ich als die Gnadenvolle, dich besinge ich als die reine und unbefleckte Wohnung Gottes. Und fürwahr, als die Sünde übergroß wurde, floß auch die Gnade überreich herab. Durch eine Frau haben wir den Tod verdient, durch eine Frau wird er wieder alles gutmachen. Durch die Schlange haben wir eine bittere Speise empfangen; durch Ihn dagegen werden wir wieder genährt mit der Speise der Unsterblichkeit. Die erste Mutter Eva hat Kain zur Welt gebracht, den Fürsten des Neides und der Bosheit; dein eingeborener Sohn wird der Erstgeborene des Lebens und der Auferstehung sein. O staunenswerte Neuheit! O Weisheit, die mit keinem Wort wiederzugeben ist.“

Wahrlich, wer kann eine solch gewaltige Verwandlung der Menschenwelt fassen? War nach dem Sündenfall von Adam und Eva nicht alles zum Verzweifeln? Hat nicht die Bosheit so überhandgenommen, daß alles verloren schien? Aber nein! Gott hat Evas Namen gewandelt ins AVE, wie es im Hymnus „Ave, maris stella“ so eindringlich besungen wird:

Du nahmst an das AVE aus des Engels Munde. Wend den Namen EVA, bring uns Gottes Frieden. 

Da kann man wirklich nur ausrufen: „O staunenswerte Neuheit!“ Welch eine gottinnige Welt entsteht dort, wo Maria ist, die neue Eva, die uns nicht zum Fluch, sondern zum Segen geworden ist. Denn immer bringt und schenkt sie uns ihren Sohn, immer folgt auf den marianischen Advent das hochheilige Weihnachtsfest. Alle großen Propheten des Alten Bundes sind darum voller Sehnsucht, sie künden Maria, weil sie letztlich von Jesus sprechen. Ob Ezechiel, Jesaias, Jeremias oder Daniel, immer wieder kehrt der Gedanke sich Maria zu, denn: „Durch eine Frau haben wir den Tod verdient, durch eine Frau wird er wieder alles gutmachen. Durch die Schlange haben wir eine bittere Speise empfangen; durch Ihn dagegen werden wir wieder genährt mit der Speise der Unsterblichkeit.“ Darum preisen wir nochmals mit dem hl. Bischof Tharasius aus ganzem Herzen unsere himmlische Mutter und Königin:

Wir aber, das Volk Gottes, das heilige Geschlecht, die gottgefällige Gemeinde, die Kinder der Taube und Sprossen der Gnade, wir wollen an diesem Fest der Jungfrau mit reinem Herzen und unbefleckten Lippen vielstimmige, wohlklingende Lieder emporsenden. Dies hohe, erhabene Fest, der Freudentag der Engel, des Lobes der Menschen würdig, wollen wir in gebührender Weise begehen und wollen alle zusammen so wie der Engel in Ehrfurcht und heiliger Freude rufen: Ave! Sei gegrüßt! Sei gegrüßt, du Wonne des Vaters; durch dich ist bis an die fernsten Grenzen der Erde die Kenntnis von Gott gedrungen. Sei gegrüßt, du Wohnstatt des Sohnes; aus dir ist er mit dem Fleische umhüllt hervorgegangen. Sei gegrüßt, du unaussprechliche Wohnung des Heiligen Geistes. Sei gegrüßt, du bist heiliger als die Cherubim. Sei gegrüßt, du bist ruhmvoller als die Seraphim. Sei gegrüßt; du bist weiter als der Himmel. Sei gegrüßt; du leuchtest heller als die Sonne. Sei gegrüßt; du glänzest mehr als der Mond. Sei gegrüßt; du bist wie der Sterne vielfältiger Glanz. Sei gegrüßt, du leichte Wolke; du spendest Regen vom Himmel. Sei gegrüßt, du heiliger Hauch; du hast den Geist der Bosheit von der Erde verscheucht. Sei gegrüßt, dir galt das edle Loblied der Propheten. Sei gegrüßt; dich haben die Apostel auf der ganzen Welt verkündet. Sei gegrüßt; du bist das ruhmvolle Bekenntnis der Martyrer. Sei gegrüßt, du lobwürdige Predigt der Patriarchen. Sei gegrüßt, du höchste Zier der Heiligen. Sei gegrüßt, du Ursache des Heiles aller Sterblichen; sei gegrüßt, du Königin, du Friedensstifterin; sei gegrüßt, du makellose Zierde der Mütter! Sei gegrüßt, du Mittlerin für alle, die unter dem Himmel sind; sei gegrüßt, du hast die ganze Welt erneuert! Sei gegrüßt, du Gnadenvolle; der Herr ist mit dir; Er, der vor dir war, der aus dir stammt, der mit uns ist. Ihm sei Lob mit dem Vater und mit dem Heiligsten, Leben spendenden Geiste, jetzt und immer und durch alle Ewigkeit. Amen.“

Wird bei solchem Lob nicht der Wunsch in einem wachgerufen: O könnte ich doch nur die heiligste Jungfrau und Gottesmutter so preisen wie dieser hl. Bischof! O wäre doch mein Herz so von ihrem Geheimnis ergriffen wie sein Herz. Dann würde mein Herz jauchzen und singen, das Lob aller Jahrhunderte würde darin laut werden und sich in dem Ruf Ausdruck verleihen:

Sei gegrüßt, du Ursache des Heiles aller Sterblichen; sei gegrüßt, du Königin, du Friedensstifterin; sei gegrüßt, du makellose Zierde der Mütter! Sei gegrüßt, du Mittlerin für alle, die unter dem Himmel sind; sei gegrüßt, du hast die ganze Welt erneuert! Sei gegrüßt, du Gnadenvolle; der Herr ist mit dir; Er, der vor dir war, der aus dir stammt, der mit uns ist. Ihm sei Lob mit dem Vater und mit dem Heiligsten, Leben spendenden Geiste, jetzt und immer und durch alle Ewigkeit. Amen.“

Lassen wir uns also in diesen letzten Adventstagen ganz besonders von der Gottesmutter bei der Hand nehmen, bergen wir uns unter ihrem mütterlichen Schutzmantel, damit sie uns am hochheiligen Weihnachtsfest ihren Sohn zeige – als Kind in der Krippe liegend, denn nur dann wird es tatsächlich Weihnachten werden…