In unserer Reihe mit Texten zur Bedeutung der allgemeinen Konzilien für die Kirche folgt ein Beitrag von Matthias Joseph Scheeben über das allgemeine Konzil und die Wissenschaft.
Die katholische Kirche ist einmalig, und sie ist deshalb auch unvergleichlich – und das nicht nur, weil sie eine von Gott gegründete Gemeinschaft ist, sondern zudem weil sie eine wesentlich göttliche Aufgabe zu erfüllen hat, nämlich den Völkern die göttliche Wahrheit zu lehren und sie durch die Vermittlung der heiligmachenden Gnade und aller anderen helfenden Gnaden zu heiligen. Damit nun die Lehre der katholischen Kirche göttlich genannt werden kann, muß sie von allem Irrtum frei sein, und damit sie die Völker wahrhaft heiligen kann, muß sie von Gott eingesetzte Heiligungsmittel besitzen, die die Gnade unfehlbar schenken. Wir nennen diese Mittel Sakramente.
Nun stellt sich aber jedem Katholiken konkret die Frage, wie ist das möglich, daß Gott in der katholischen Kirche dieses Ziel erreicht? Oder anders, bezüglich der Lehre formuliert, gefragt: Wie verbürgt Gott uns die göttliche Wahrheit und in welchem Verhältnis dazu steht sodann die Wissenschaft, also das menschliche Bemühen um Einsicht in die Glaubensgeheimnisse? Diese Frage ist hervorragend geeignet, sich grundlegende Gedanken über das übernatürliche Wesen unserer hl. Kirche zu machen, was heutzutage so notwendig ist. Ist doch der Lehrbetrieb in der Kirche Jesu Christi tatsächlich ganz und gar einmalig und unvergleichlich.
Die kirchliche Unfehlbarkeit – das Ende der Wissenschaft?
In den periodischen Blättern „Das ökumenische Concil vom Jahre 1869“ behandelt Dr. M. Jos. Scheeben unser Thema in dem Beitrag „Das allgemeine Concilium und die Wissenschaft“. Die Gegner des Vatikanischen Konzils haben nämlich schon im Vorfeld die Angst geschürt, daß es mit diesem Konzil, d.h. vor allem durch die angedachte Verkündigung des Dogmas von der Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes, aus sei mit der Wissenschaft. Hier ist natürlich mit „Wissenschaft“ die „freie Wissenschaft“ im modernen Sinne gemeint. Diese im modernen Sinne freie Wissenschaft ist aber vor allem frei von Wahrheit. In den letzten Jahrzehnten haben wir das immer mehr erlebt in der Diktatur der sog. Experten. Wie jeder aufmerksame Zeitgenosse wahrnehmen hat müssen, läßt sich für jeden noch so großen Unsinn ein Experte finden, der in höchst wissenschaftlicher Weise zeigt, daß dieser Unsinn nichts als die Wahrheit ist. Man müßte wohl nur genügend viel Geld zur Verfügung stellen, dann fänden sich sicherlich genügend Experten, die mit wissenschaftlicher Präzision zeigen würden, daß Wasser gewöhnlich aufwärts und nicht abwärts fließt.
Sobald man den wissenschaftlichen Betrieb des letzten Jahrhunderts etwas genauer und nüchterner betrachtet, erkennt man, die allermeisten gleichlautenden Meinungen kommen nicht durch wissenschaftliche Erkenntnis zustande, sondern durch ideologische Vorgaben der Geldgeber. Die moderne Wissenschaft ist viel mehr Fremdzwecken unterworfen, als man oberflächlich betrachtet wahrnimmt. Insofern ist das Gerede von der „freien Wissenschaft“ ein Märchen, wohl eines der verbreitetsten modernen Märchen. Hinter den allermeisten Gebieten der heutigen Wissenschaft steht ein Fremdinteresse, entweder wirtschaftlicher, politischer oder irgendeiner anderen ideologischen Art. Es ist nun recht seltsam, daß dieselben Leute, die dieser Art von Wissenschaft dienen, gerne der katholischen Kirche vorwerfen, daß sie die Freiheit der Wissenschaft unterbinde.
Im geistigen Vorfeld des Vatikanischen Konzils mußte Dr. M. Jos. Scheeben feststellen: „Gleichwohl sind in neuester Zeit Stimmen laut geworden, welche gerade die gegenteilige Befürchtung aussprechen. Wenn wir sie hören, so wird das nächste allgemeine Konzil Lehren als Glaubenssätze proklamieren, welche nicht nur ‚der heiligen Schrift, der alten Kirche, der Geschichte, der menschlichen Vernunft Hohn sprechen‘, sondern die auch für die Zukunft ‚alle geistige Bewegung und wissenschaftliche Tätigkeit in der katholischen Kirche lahm legen müssen‘.“
… ein Hindernis für freie Forschung und Erkenntnis?
Für den Liberalen stellt jede Art von Bevormundung einen Zwang dar, der das freie Forschen hindert. Jede Bindung gilt ihm als ein Hindernis zur freien Erkenntnis. Wobei die allermeisten Liberalen sich keine Rechenschaft darüber geben, was sie nun eigentlich mit den Begriffen „freies Forschen“ und mit „Erkenntnis“ meinen. Für den Liberalen gibt es letztlich aufgrund seiner irrigen Philosophie keine Erkenntnis der Wahrheit mehr, sondern nur noch Meinungen. Der Liberale fordert deswegen die Freiheit des Forschens nicht im Sinne der alten „artes liberales“, also der freien Künste, die frei sind, weil sie jedem Fremdzweck enthoben sind, um ganz der Wahrheit dienen zu können, sondern im Sinne eines aus dem Agnostizismus stammenden Vorurteils: Die Wahrheit ist gar nicht erkennbar, also müssen alle Meinungen toleriert werden. Diese Forderung ist freilich nicht ernst gemeint, denn sie muß systemimmanent sofort eingeschränkt werden: Freie Wissenschaften in diesem Sinne sind nur all diejenigen, die keinen Anspruch auf Wahrheit erheben. Jeder Anspruch auf Wahrheit zerstört nämlich die liberale Meinungsmacherei.
In dem von Dr. M. Jos. Scheeben zitierten Sätzen kommt nun zum Ausdruck, daß die damaligen sog. liberalen Katholiken ihren Glauben schon soweit umgeformt hatten, daß sie sich einbilden konnten, „das nächste allgemeine Konzil [könnte]Lehren als Glaubenssätze proklamieren, welche nicht nur ‚der heiligen Schrift, der alten Kirche, der Geschichte, der menschlichen Vernunft Hohn sprechen‘, sondern die auch für die Zukunft ‚alle geistige Bewegung und wissenschaftliche Tätigkeit in der katholischen Kirche lahm legen müssen‘.“
Von der Autorität der Kirche emanzipierte „Wissenschaft“
Für einen Katholiken scheint eine solche Furcht freilich schon krankhaft zu sein, denn wie könnte ein wahres Konzil der katholischen Kirche so etwas fertigbringen? Auch Dr. M. Jos. Scheeben bemerkt verwundert:
„Man sollte sich nun freilich für überzeugt halten dürfen, daß eine derartige Kundgebung nicht aus jenen Kreisen stammen könne, welche die öffentliche Meinung bereits als die Quelle derselben bezeichnet. Allein wer die gegenwärtigen traurigen Zustände an der Münchener Universität kennt, wer namentlich weiß, daß die Herabwürdigung des Zentrums der katholischen Einheit und Wahrheit seit Jahren von gewisser Seite als System betrieben und die Abneigung gegen die Autorität des Papstes den Kandidaten der Theologie sozusagen eingeimpft wird, der kann von einer solchen Erscheinung nicht im Mindesten mehr überrascht sein. Sie ist eben der Ausdruck jener Wissenschaft, die sich von der Autorität der Kirche emanzipiert und ‚zum Götzen ihrer Selbstanbetung gemacht hat‘; jener Wissenschaft, die darauf ausgeht, die göttliche Lehre der Kirche nach ihren ‚unreinen Wünschen‘ zu gestalten und mit ihren ‚selbstsüchtigen Gedanken zu beherrschen‘; die es als ihre Lebensaufgabe betrachtet, durch die sogenannte öffentliche Meinung jene ‚Macht auszuüben, vor der zuletzt alle sich beugen, auch die Häupter der Kirche, und welcher in die Länge nichts widersteht.‘ Im Bewußtsein, daß die nächste allgemeine Kirchenversammlung ihre stolzen Pläne vereitelt, fordert sie die ‚öffentliche Meinung‘ zur Revolution gegen die göttliche Autorität der Kirche auf, um Beschlüsse zu verhüten, welche über den bereits verurteilten falschen Liberalismus neuerdings das Anathem aussprechen.“
Vom Liberalismus zum Atheismus
Der Liberale hat keinerlei übernatürlichen Glauben mehr – er hat im Grunde überhaupt keinen religiösen Glauben mehr, ist doch der Liberalismus, wie der hl. Pius X. sagt, ein Sammelbecken aller Häresien, und in diesem Sammelbecken wird man unweigerlich zum Atheisten. Der Liberalismus bzw. Modernismus steht allen Irrtümern offen gegenüber, weil er keine Wahrheit mehr anerkennt und schon gar keine göttlich verbindliche Wahrheit. Wenn der liberale Katholik, also der Modernist, von Wahrheit spricht, dann hat dieses Wort bloß noch einen uneigentlichen Sinn und ist deshalb jeweils durch „Meinung“ zu ersetzen. Man erspart sich übrigens viel Verwirrung, aber auch Arbeit, wenn man sich das wenigstens selbst systematisch angewöhnt. Wir haben es gehört, dem Modernismus zugehörig ist jene „Wissenschaft, die darauf ausgeht, die göttliche Lehre der Kirche nach ihren ‚unreinen Wünschen‘ zu gestalten und mit ihren ‚selbstsüchtigen Gedanken zu beherrschen‘; die es als ihre Lebensaufgabe betrachtet, durch die sogenannte öffentliche Meinung jene ‚Macht auszuüben, vor der zuletzt alle sich beugen, auch die Häupter der Kirche, und welcher in die Länge nichts widersteht.‘“
Das Freimaurerkonzil vom 8. Dezember 1869
Der Liberale dient letztlich der öffentlichen Meinung und darum vorgeblich dem modernen Menschen. Diese Frontstellung der öffentlichen Meinung gegen das Vatikanische Konzil ist auffallend. Die liberale Presse – bzw. die dahinterstehenden Leute – war der eigentliche Gegner des Konzils. Es ist sicherlich interessant, hierzu das in Erinnerung zu rufen, was wir in unserem Beitrag vom 7. Januar 2014 „95 Prozent“, schon angemerkt haben:
Bischof Antonio de Castro-Mayer schrieb in den 1980er Jahren einen Artikel, der folgendes enthüllte:
Am 8. Dezember 1869 wurde in Rom das (I.) Vatikanische Konzil eröffnet. Am gleichen Tag eröffnete Ricciardi, ein Abgeordneter aus Savoyen, in Neapel das „Freimaurer-Gegenkonzil“, dem Freimaurer aus ganz Europa angehörten. Unter ihnen stachen hervor Männer wie Victor Hugo, Edgar Quinet, Michelet und Giuseppe Garibaldi, der Zerstörer der weltlichen Macht des Papstes. Papst Pius IX. hatte die Absicht, den Glauben der Katholiken gegen das Einwirken von Rationalismus und Naturalismus zu stärken, die dem katholischen Volk von der Französischen Revolution aufgedrängt worden waren. Das Ziel der Freimaurer war, das Werk Pius’ IX. zu bekämpfen. Ricciardi fasst die Aufgabe des Freimaurerkonzils mit diesem Satz zusammen: „Im Namen des heiligen Grundsatzes der Gewissensfreiheit erklären wir gegen die Verblendung und Lüge in Gestalt der katholischen Kirche, vor allem in Form des Papsttums, einen immerwährenden Krieg.“
Am 16. Dezember veröffentlichte das Freimaurerkonzil seine Beschlüsse: Selbständigkeit des Staates gegenüber der Religion, Abschaffung der Staatsreligion, religiöse Neutralität im Erziehungswesen, Unabhängigkeit von Sitte und Moral in Bezug auf die Religion. Die italienische Zeitschrift „Chiesa Viva“ berichtet uns folgendes bezüglich des Freimaurerkonzils von 1869 und des „II. Vatikanischen Konzils“, das kaum ein Jahrhundert später stattfand (Novemberausgabe 1984): Wer bei den Dokumenten des Vat. II den § 75 der Konstitution „Gaudium et Spes“ betrachtet und im besonderen die Erklärung „Dignitatis humanae“ über die Religionsfreiheit, dem muss auffallen, dass das Konzil die wichtigsten Grundsätze des Gegenkonzils von 1869 aufgenommen hat und, ob man will oder nicht, die ideale Fortsetzung dessen darstellt, was sich dem Vaticanum I und dem Syllabus widersetzt. Und wieder einmal kann man feststellen, dass Vatikan II im Mittelpunkt der Kirchenkrise steht.
(Monitor Campista, 10. März 1985; Heri et Hodie, N° 59, November 1988)
Es ist tatsächlich auffallend, daß es während des sog. 2. Vatikanums keine derartige Frontstellung der liberalen Freimaurerpresse, so muß man wohl aufgrund der obenstehenden Informationen genauer sagen, gegen dieses „Konzil“ gegeben hat. Warum sollte man auch Opposition gegen die eigenen Leute machen, die es ausgezeichnet verstanden, unter dem Decknamen „Konzil“ die eigenen Irrtümer in der ganzen Weltkirche zu verbreiten. 1962 hatte die freimaurische Revolution in Tiara und Chorrock schon stattgefunden, man konnte also beruhigt das Ergebnis abwarten.
Jesus Christus als vorübergehender Genius seiner Zeit
1869 war das noch anders. Damals spannte man wenigstens die unzufriedenen liberalen „Katholiken“ gekonnt vor den eigenen Karren, um der Kirche einigermaßen auch von innen her schaden zu können. Da schon eine ganze Reihe von Klerikern vom liberalen Geist angekränkelt war, konnten auch in kirchlichen Kreisen wohlklingende Namen als Gegner des Konzils genannt und in medienwirksame Stellung gebracht werden.
Entsprechend dem inzwischen weiter verbreiteten modernistischen Klischee warfen die „Nationalisten … der Kirche ‚eine geistlose Monotonie, ein ewiges Einerlei von Sätzen vor, in welchen alle Lehrer der Kirche nur mit anderen Worten immer wieder dasselbe sagen und mit gleicher Verachtung alles, was nicht in denselben Ton einstimmt, als heillose Häresie von sich weisen‘. So nämlich wird die Unveränderlichkeit des kirchlichen Lehrinhaltes von jenen charakterisiert, welche dem, was Christus und seine Apostel gepredigt haben, nur relativen Wert beimessen, die in Christus nur einen vorübergehenden Genius seiner Zeit erblicken und das Christentum in seiner ersten Erscheinung ‚den Standpunkt der Geistlosigkeit‘ nennen.“
Variatio delectat
Das lateinische Sprichwort sagt: „Variatio delectat“. In dem online abrufbaren „Universal-Lexikon“ wird dazu erklärt: „Der hierin ausgedrückte Gedanke, dass »Abwechslung erfreut«, findet sich schon bei dem griechischen Dramatiker Euripides (um 480 bis 406 v. Chr.) in dessen Tragödie »Orest«. Darin rät Elektra ihrem kranken Bruder Orest, das Krankenlager zu verlassen mit dem Hinweis: M??????? ??? ??? ????? (in wörtlicher Übersetzung: »Die Veränderung aller Dinge ist süß«). – Später zitiert Aristoteles diese bereits im Griechischen als »geflügelt« geltende Stelle. In lateinischer Form taucht sie unter anderem bei Cicero in dem Wortlaut »Varietas delectat« auf.“
Dem Menschen erscheint die Abwechslung süß, erlebt er doch das immer Gleiche mit der Zeit als langweilig und öde. Der moderne Mensch hat diese Erfahrung auf die Spitze getrieben, indem er sich die Möglichkeit einer dauernden Ablenkung durch Vergnügen aller Art geschaffen hat. Die Technik macht es relativ leicht, sich pausenlos zu vergnügen. Inzwischen erlebt es jeder im Lehrbetrieb Tätige, wie schwer es ist, den jüngeren modernen Menschen noch zu ernsthaften und ausdauernden Leistungen zu ermuntern. Der Lehrer kann nun einmal im täglichen Lehrbetrieb gewöhnlich nicht so viel „Variatio“ bieten, daß es auch „delectat“. Eines dürfte jedoch klar sein: Mit der wachsenden Vergnügungssucht wird der Mensch immer unfähiger, das immer Gleiche zu ertragen.
Es ist nun aber so: Die Abwechslung erfreut zwar – aber die Wahrheit bleibt immer dieselbe. Wobei es nun wirklich äußerst befremdend wirkt, wenn ein „Katholik“ sich zu der Äußerung versteigt, die katholische Glaubenswahrheit sei „eine geistlose Monotonie, ein ewiges Einerlei von Sätzen“. Genauso denken jedoch die Modernisten über die Dogmen der Kirche!
Man meint, hier äußert ein pubertierender Jugendlicher seine Meinung, denn kann ein geistig reifer Mensch tatsächlich so sprechen, so urteilen? Und das Urteil geht noch weiter: „…in welchen alle Lehrer der Kirche nur mit anderen Worten immer wieder dasselbe sagen und mit gleicher Verachtung alles, was nicht in denselben Ton einstimmt, als heillose Häresie von sich weisen.“
Wie primitiv muß jemand sein, der so etwas sagt? Wie verdreht muß jemand denken, der die immer gleiche Wahrheit nicht mehr von deren unerschöpflichen inhaltlichen Reichtum unterscheiden und diesen darin nicht mehr entdecken kann? Ja, wie geistig verdorben muß ein „Katholik“ schon sein, wenn er die Gefahr des Glaubensirrtums nicht mehr ernst nimmt, ja ein Abweichen von der immer gleichen göttlichen Wahrheit als Bereicherung empfindet? Endlich mal etwas Anderes, etwas Neues! So empfindet der Modernist. Wie kurzsichtig muß zudem ein solchermaßen verbildeter Katholik schon geworden sein, wenn er nicht mehr wahrnimmt, daß die neuesten Einsichten der Liberalen zu allermeist nur die neu aufgewärmten alten Häresien von früher sind?
Ein Fortschritt zum Irrtum
Nein, ein wahrer Katholik denkt ganz anders: „Der Christ dagegen weiß, daß die Lehre der Kirche, eben weil sie göttlich gegeben ist, auch unveränderlich sein muß. Nach ihm kann die Kirche niemals etwas als Glaubens- oder Sittenlehre aufstellen, von dem sie nicht durch Zeugen nachweist, daß es mit der Lehre Christi und der Apostel vollkommen übereinstimmt. Christus ist die große Geistessonne, die allen Zeiten Licht und Wärme spendet; jede Veränderung seiner Lehre ist ein Abfall von der Wahrheit, ein Fortschritt zum Irrtum.“
Es ist wahr, der Liberalismus/Modernismus ist ein gewaltiger Fortschritt zum Irrtum! Heute haben wir überall die Folgen davon vor Augen, aber schon damals, vor 150 Jahren konnte Dr. M. Jos. Scheeben feststellen:
„Wie bitter dagegen die Früchte sind, welche der Baum der freien Wissenschaft hervorgebracht hat, das wissen und fühlen wir alle. Während die freie Forschung da, wo sie als Fundamentaldogma proklamiert und als Tochter des echt christlichen Geistes gepriesen wurde, den ganzen Inhalt der göttlichen Offenbarung der subjektiven Willkür der Menschen preisgab und die Pflicht des Glaubens selbst zweifelhaft machte, hat sie gleichzeitig die Fundamente der natürlichen Erkenntnis umzustürzen und die obersten Prinzipien der Vernunft zu unlösbaren Problemen zu gestalten versucht. Daß aber auch die katholische Wissenschaft, besonders seitdem sie sich an der protestantischen zu reinigen und zu orientieren begann, von dieser Ansteckung nicht ganz frei blieb, dafür brauchten wir den Beweis nicht erst aus weiter Ferne zu holen. Und wenn sogar in unseren Tagen nur ‚Bausteine vorhanden sind‘, womit das Gebäude der Theologie erst ausgeführt werden soll, wenn wir uns ‚bis zur Errichtung eines Monumentes mit hölzernen Kreuzen‘ begnügen müssen, so hat dies eben darin seinen Grund, daß man seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auch in Deutschland der freien Forschung sich in die Arme warf und dadurch jenen Bruch mit der Autorität und der wissenschaftlichen Tradition herbeiführen half, an dessen unheilvollen Wirkungen wir heute noch leiden.“
Es ist nun wirklich wahr, die Aufklärungsphilosophie hat nicht den Glaubensgeist vertieft und den Glauben gestärkt, sondern die Grundlagen des übernatürlichen Glaubens systematisch unterhöhlt und schließlich zum Einsturz gebracht. Schon damals arbeitete man mit dem Zauberwort „neu“. Die überall aufkommenden „neuen“ Erkenntnisse erfreuten die naiven Geister und ließen bei ihnen all das Alte als überholt, also als veraltet erscheinen. Das jahrhundertalte Gebäude der theologischen Wissenschaft wurde geistig demontiert, so daß nur noch Bausteine übrigblieben. So als müßte man nun erst die Theologie neu erfinden! Wie geistig hohl muß ein Katholik sein, der sich so etwas anhört und es sodann auch noch glaubt? Wie kann ein Katholik von freier Forschung faseln, wenn es um den göttlichen Offenbarungsglauben geht? Wenn uns dieser Offenbarungsglaube Geheimnisse zugänglich macht, die uns auch nach ihrer Offenbarung dennoch unergründliche Geheimnisse bleiben, wie kann man diese frei erforschen? Jedem Katholiken ist doch diese Tatsache als wesentlich zum übernatürlich-göttlichen Glauben gehörig bekannt! Was war also damals geschehen, als man „seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auch in Deutschland der freien Forschung sich in die Arme warf und dadurch jenen Bruch mit der Autorität und der wissenschaftlichen Tradition herbeiführen half, an dessen unheilvollen Wirkungen wir heute noch leiden?“
Vom übernatürlichen Glauben zur Abhängigkeit von „Experten“
Der übernatürliche göttliche Glaube wurde kurzum im Namen einer freien Wissenschaft zu einem rein natürlichen Phänomen degradiert. Das Maß der Dinge war nämlich plötzlich nicht mehr Gott und Sein Geheimnis, sondern der Mensch und seine alles vermögende Vernunft. Gott und Seine Kirche, so bildete man sich allenthalben ein, braucht der aufgeklärte Mensch nicht mehr. Der Mensch ist angeblich frei, alles zu erkennen und damit alles zu beurteilen. Wobei aber schon damals der Mensch – wer ist das eigentlich, dieser aufgeklärte Mensch? – gefälligst den Experten, damals Philosophen genannt, das Urteil überlassen sollte, was er denn nun wirklich frei zu denken habe.
Es war so wie bei Martin Luther, der zwar jedem abgefallenen Katholiken, der sich nun Lutheraner oder Zwinglianer oder Calvinist oder Protestant nannte, zugestand, mit Hilfe des Heiligen Geistes die Heilige Schrift frei zu lesen und selber zu verstehen, aber letztlich seine eigene Erklärung als allein verbindlich und richtig ausgab. Jeder Protestant sollte gefälligst ganz frei das aus der Heiligen Schrift herauslesen, was auch er, Dr. Martin Luther, aus dieser herauslas – und wenn gar nicht darin stand, was er, Dr. Martin Luther dachte, dann fälschte er einfach den Text. So ist das nun einmal mit dem Liberalismus und seiner Wissenschaft.
Die Notwendigkeit der Unterwerfung der Wissenschaft unter die Lehrautorität der Kirche
Bei uns Katholiken ist das anders, wie Dr. M. Jos. Scheeben weiter erklärt. Es lohnt sich durchaus den folgenden Text öfter zu lesen und tiefer zu durchdenken:
„Soll die Wissenschaft Großes leisten, so darf sie das Band, welches sie mit der Kirche verknüpft, nicht zerreißen. Nur in der steten Unterordnung und vertrauensvollen Unterwerfung unter die Lehrautorität ist sie im Stande, jene erhabene Aufgabe zu lösen, welche das Christentum ihr zuweist. So fordert es die Natur der Sache selbst. Denn will man die Wissenschaft nicht weit über ihre Sphäre erheben und sie gleichsam an die Stelle der Kirche selbst setzen, so darf man ihr nicht eine Macht zuschreiben, vor der auch die Träger der göttlichen Lehrgewalt sich beugen müssen. Dies hieße ja die gottgewollte Ordnung in der Kirche geradezu umstoßen.“
In der katholischen Kirche gibt es keinen Liberalismus. Es gibt keine freie Meinung, d.h. keine moderne Meinungsmacherei, weil unser Glaube keine menschliche Erfindung ist, sondern göttliche Offenbarung. Über die göttliche Offenbarung kann der Mensch selbstverständlich nicht frei verfügen, er kann sie nur gehorsam annehmen, d.h. glauben. Darum ist es der katholischen Glaubenswissenschaft nur möglich, „in der steten Unterordnung und vertrauensvollen Unterwerfung unter die Lehrautorität …, jene erhabene Aufgabe zu lösen, welche das Christentum ihr zuweist“.
Da der katholische Glaube ein Offenbarungsglaube ist und die menschliche Vernunft übersteigende Geheimnisse enthält, kann er nicht vom Menschen aus eigener Kraft und Einsicht bewahrt werden. Gott hat ihn darum nicht den Fachmännern, den theologischen Experten zur Bewahrung anvertraut, sondern den Hirten, der kirchlichen Lehrautorität. Ein katholischer Gelehrter mag noch so begabt sein, er mag noch so viel studiert haben, er bleibt immer von der kirchlichen Lehrautorität abhängig. Waren nicht durchweg alle Häretiker Experten, Experten, die sich auf ihre persönliche Gelehrsamkeit und ihre theologischen Einsichten zu viel eingebildet haben? Darum stellt Dr. M. Jos. Scheeben fest:
„Nicht den Gelehrten, sondern den mit Petrus vereinigten Bischöfen hat Christus die Vollgewalt seiner göttlichen Sendung übertragen, sie hat er zu Hirten und Lehrern der Völker gemacht und damit ihnen alle untergeordnet, die jemals an Ihn glauben werden. Es ist also klar, daß die Wissenschaft nicht zu jenen Faktoren gehört, welche den ganzen Entwicklungsgang der Kirche leiten, überwachen, in der rechten Bahn erhalten; dies ist vielmehr ausschließlich der Beruf und die Aufgabe des Episkopats selbst.“
Wie verheerend ist es doch, wenn der Episkopat nicht mehr seiner Wächteraufgabe nachkommt, wenn die Hirten zu Wölfen werden und einen durch und durch verdorbenen Lehrbetrieb in ihren Seminaren und ihren Pfarrgemeinden dulden! Wenn heutzutage ein junger Mann noch einigermaßen seinen Glauben bewahrt hat und Priester werden möchte, so wird ihm dieser sicherlich in den modernistischen Seminaren systematisch ausgetrieben. Diese modernen Seminare sind eine Brutstätte der Häresien, weil die dafür Verantwortlichen selber durchweg Häretiker sind. In der Menschenmachwerkskirche wirkt der Heilige Geist nicht mehr das dauernde Wunder, das Dr. M. Jos. Scheeben folgendermaßen beschreibt:
„Denn um die Tätigkeit des göttlichen Lehr- und Hirtenamtes in ihrem ganzen Umfange zu erfassen, genügt es nicht, ihr nur den Akt der höchsten Entscheidung als solcher in kirchlichen Angelegenheiten zu vindizieren; sie beginnt nicht erst da, wo die natürliche Kraft, speziell die Wissenschaft, zu wirken aufhört: vielmehr steht sowohl die entfernte als auch die nächste Vorbereitung samt allen ihren menschlichen Faktoren unter der übernatürlichen Führung der oberhirtlichen Amtsgewalt. Diese ist das leitende und überwachende Prinzip aller kirchlichen Tätigkeit und Bewegung.“
Die Kirche Jesu Christi ist keine Expertenkirche, sie wird nicht von den theologischen Fachmännern, etwa den Theologieprofessoren, geleitet und ihr Glaube wird nicht von diesen autoritativ erklärt und abgesichert, sondern allein von den Bischöfen in Einheit mit dem Papst. Dies ist das dauernde Wunder bzw. Charisma der kirchlichen Unfehlbarkeit. Es kann auch gar nicht anders sein, weil dieser Glaube übernatürlich und darum dem menschlichen Erkennen von sich aus unzugänglich ist. Nur durch die Gnade Gottes kann man die Glaubenswahrheit glaubend verstehen – credo ut intelligam, ich glaube, damit ich einsehe, wie es der hl. Anselm von Canterbury ausgedrückt hat. Wie leicht verirrt sich der Mensch in diesem Labyrinth von göttlichen Geheimnissen, wenn er auf seine eigene Einsicht vertraut und darum meint, sich vom kirchlichen Lehramt emanzipieren zu können! Wie leicht irrt er von der Wahrheit ab und bastelt sich seinen eigenen Glauben mit seiner eigenen Tradition zusammen, wie damals Ignaz von Döllinger mit seinem Anhang und heutzutage die meisten Traditionalisten!
Das notwendige, sichtbare Einheitsprinzip der Kirche
Wenn man genau hinschaut, so kann und muß man feststellen, in der Menschenmachwerkskirche haben sich inzwischen dank Bergoglio alle gedanklich von ihrem Leeramt emanzipiert, was letztlich nur konsequent ist – egal ob sie progressiv, gemäßigt, konservativ oder traditionalistisch sind. Nun ist es offenbar: Immer ist ihr eigenes, privates Urteil – außer alle 150 Jahre einmal, wenn ihr „Papst“ zufälligerweise irgendetwas in feierlichster Form „unfehlbar“ lehren sollte – das Maß aller Glaubensdinge. Jeder hat seine sog. Tradition, die er für den katholischen Glauben hält und ausgibt und eifrig gegen Bergoglio verteidigt. In der Kirche Gottes ist das selbstverständlich ganz anders:
„Mag man darum die Verdienste der Wissenschaft, ihren Einfluß auf die Bildung und Klärung des allgemeinen christlichen Bewußtseins auch noch so sehr erheben, so bleibt es doch immer wahr, daß die wissenschaftliche Tätigkeit für sich betrachtet nur ein menschliches Hilfsmittel, ein natürliches Instrument ist, das seine höhere Weihe erst in der Hand derjenigen erhält, ‚welche der Heilige Geist gesetzt hat, die Kirche Gottes zu regieren‘. Denn erst in dieser innigen Verbindung, in diesem organischen Zusammenhange mit dem sichtbaren Einheitsprinzip der Kirche findet der christliche Forscher die sichere Bürgschaft seines gedeihlichen Wirkens.“
Alle großen und alle heiligen Theologen der katholischen Kirche haben sich jederzeit dem Urteil der Kirche untergeordnet. Sie haben noch gewußt, daß in der Kirche Jesu Christi nicht die eigene Gelehrsamkeit entscheidend ist, sondern der Gehorsam gegenüber dem kirchlichen Lehramt. Wenn es schon in den menschlichen Wissenschaften selten zu einer einheitlichen Meinung kommt – außer diese wird durch andere Interessen fremdbestimmt erzwungen – wie sollte es da erst in Glaubensfragen, in denen göttliche Geheimnisse erörtert werden, zu einer einheitlichen Einsicht kommen?
Der Protestantismus gibt hierzu ein reiches Erfahrungswissen. Wie gespalten ist dieser, in wie viele verschiedenen Sekten hat er sich in den Jahrhunderten seit der Reformation zerteilt! Dabei behaupten alle Protestanten, daß sie sich in ihren Lehren allein auf die Heilige Schrift stützen. Wenn man die Lehren der verschiedenen Sekten genauer anschaut und miteinander vergleicht, kann man es kaum glauben, daß tatsächlich alle dasselbe Buch gelesen haben sollen und als Grundlage ihres Glaubens ausgeben. Ähnlich ist es in der Menschenmachwerkskirche mit der kirchlichen Tradition. Wenn diese losgelöst vom lebendigen Lehramt erklärt wird, dann gibt es schließlich so viele Traditionen wie es Traditionalisten gibt. Ist doch auch hier letztlich das subjektive Urteil des einzelnen bzw. des jeweiligen Tradigurus, das Maß aller Dinge.
Es ist einfach wahr und jedem Katholiken sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, „erst in dieser innigen Verbindung, in diesem organischen Zusammenhange mit dem sichtbaren Einheitsprinzip der Kirche findet der christliche Forscher die sichere Bürgschaft seines gedeihlichen Wirkens“. – Denn: „Nach katholischer Lehre sind es lediglich die Bischöfe, welche als die rechtmäßigen Nachfolger der Apostel über die Angelegenheiten der Gesamtkirche entscheiden. Sie allein sind die von Gott bestellten Träger des apostolischen Lehr- und Hirtenamtes, an dessen sichtbare und persönliche Verwaltung Christus den Bestand seiner Religion und ihre authentische Vermittlung an die Menschheit für alle Zeiten geknüpft hat. Diese Wahrheit antasten hieße die Fundamente des Christentums untergraben.“
Die Umkehrung der gottgewollten Ordnung und …
Damals haben die späteren Altkatholiken dieses Fundament angetastet und sind sodann relativ schnell in einen seichten Protestantismus abgedriftet. Diese liberalen „Katholiken“ waren der Überzeugung, daß die Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes ein Irrtum sei. Ihr Haupträdelsführer, Prof. Ignaz von Döllinger, ein damals hochgelobter Experte in Sachen Theologie, erdachte sich eine andere kirchliche Tradition, die er sodann den Konzilsvätern vorhielt. Genauso wie heute die verschiedenen traditionalistischen Gruppen jeweils ihre eigene, selbst erdachte Tradition haben und ihrem „Papst“ vorhalten.
Aber wer ist denn nun der von Gott eingesetzte Schiedsrichter in solchen Glaubensfragen? Wer entscheidet verbindlich, welche Tradition die katholische ist? Nun: „Nach katholischer Lehre sind es lediglich die Bischöfe, welche als die rechtmäßigen Nachfolger der Apostel über die Angelegenheiten der Gesamtkirche entscheiden.“ Nur die Bischöfe in Einheit mit dem Papst können ein für alle Katholiken verbindliches Urteil fällen – „Sie allein sind die von Gott bestellten Träger des apostolischen Lehr- und Hirtenamtes, an dessen sichtbare und persönliche Verwaltung Christus den Bestand seiner Religion und ihre authentische Vermittlung an die Menschheit für alle Zeiten geknüpft hat.“
Etwas anders ausgedrückt: In der Theologie zählt anders als in der Philosophie nicht der Vernunftgrund am meisten, sondern das Autoritätsargument. Ein Kirchenlehrer etwa hat bei einer theologischen Frage ein größeres Gewicht als irgendein Theologieprofessor – und über allem steht für einen Katholiken selbstverständlich die Autorität des unfehlbaren Lehramtes.
So war es all die Jahrhunderte gewesen, und auf diesem Felsenfundament hat die Kirche Jesu Christi alle Stürme der Zeit überstanden. Immer wieder hat sie die Angriffe der Irrlehrer abgewehrt und den göttlichen Glauben bewahrt.
Es ist seltsam, daß es nur so wenigen auffällt, sobald man die Menschenmachwerkskirche für die Kirche Jesu Christi hält, verkehrt sich alles ins Gegenteil. Jeder beliebige Theologieprofessor kritisiert den „Papst“, jeder Traditionalistenpriester fühlt sich dazu berufen, seinen „Papst“ zu schulmeistern und all seine Verlautbarungen, welcher Art sie auch sein mögen, zu korrigieren, zu kritisieren, sie nach Gutdünken zu loben oder zu tadeln. Alles was ihr „Papst“ ihnen zu sagen hat, wird vor das Forum der eigenen Vernunft zitiert und abgeurteilt. Hier sieht man, wie recht Dr. M. Jos. Scheeben hatte: Diese Wahrheit antasten hieße die Fundamente des Christentums untergraben. Ja: Dies hieße ja die gottgewollte Ordnung in der Kirche geradezu umstoßen.“
… der Verlust des Übernatürlichen
So eindeutig und evident dieser Befund auch ist, fast niemand nimmt ihn noch wahr. Vor allem viele Traditionalisten bilden sich ein, den katholischen Glauben dadurch tapfer verteidigen zu können, daß sie ihrem Papst fest ins Angesicht widerstehen und ihm gehörig die Leviten lesen. Zur Rechtfertigung ihres absurden Tuns muß sodann immer der hl. Paulus herhalten. Völlig verblendet in ihrem bitteren Eifer bilden sich diese Leute tatsächlich ein, vollkommen im Recht zu sein. So eine weitgehende Verirrung des Denkens ist nur erklärbar durch den vollkommenen Verlust des Übernatürlichen.
Letztlich sind alle liberale „Katholiken“ geworden, denn dieser Verlust des Übernatürlichen ist notwendig mit der Anerkennung der Menschenmachwerkskirche als Kirche Jesu Christi verbunden. Da es nämlich in der Menschenmachwerkskirche nichts Übernatürliches mehr gibt – außer wenn man das Dämonische als über der menschlichen Natur stehend betrachtet – wird alles Übernatürliche, das vielleicht von der Lehre her noch theoretisch festgehalten wird, gezwungenermaßen ins rein Natürliche der Menschenmachwerkskirche hineininterpretiert und damit aufgelöst. Das Übernatürliche wird damit vollkommen entwirklicht, es wird zu einem reinen Phantasiegebilde, einer märchenhaften Zutat zur Monsterkirche. Womit übrigens dieses Monster noch monströser wirkt.
Das Ganze kann letztlich nur noch absurd genannt werden. Wobei der derzeitige Chef der Menschenmachwerkskirche diese Absurdität ganz bewußt auf die Spitze treibt. Wir zeigen dies etwa in unserer neuen Broschüre „Der ‚Papst‘ im Gästehaus“, haben aber auch schon in mehreren Beiträgen und zuletzt an anderer Stelle, „Zelozelavi’s Blog – Dammbruch“, darauf verwiesen – wenn auch leider als einsame Mahner in der Wüste.
Die Stimme Gottes bis zum Ende der Zeit
Ganz anders als die meisten Traditionalisten weiß Dr. M. Jos. Scheeben – und das schon vor dem Vatikanischen Konzil, also vor 1870! – was die wahre Tradition der Kirche ist, die dann auch auf diesem Konzil unfehlbar festgehalten wurde. Nein, nicht die Fachleute, nicht die Experten, aber auch nicht irgendein Traditionalistenbischof oder -priester oder Generaloberer sind in der Kirche Jesu Christi die lebendige Stimme Gottes bin zum Ende der Zeit, sondern der Papst und zusammen mit ihm die Bischöfe.
„Kraft dieser göttlichen Sendung aber sind die Bischöfe auch die eigentlichen und einzig wesentlichen Mitglieder des ökumenischen Konzils. Sowohl an sich, als in der Geschichte betrachtet, erscheint dieses nur als ein besonderer Akt der apostolischen Amtsgewalt, als die feierlichste und erhabenste Art, wie die Kirche ihr göttliches Lehr- und Hirtenamt ausübt. Damit ist zugleich der Grund bezeichnet, auf welchen die wesentliche Beteiligung der Bischöfe am Konzil sich stützt. Nicht hervorragende wissenschaftliche Begabung, tiefe und umfassende Gelehrsamkeit oder andere natürliche Vorzüge können hier als eigentliche Rechtstitel irgendwelche Geltung haben; die göttliche Vollmacht, die übernatürliche Weihe des bischöflichen Amtes allein ist der erforderliche und hinreichende Grund, welcher den Hirten der Kirche diese erhabene Aufgabe zuweist. Sie versammeln sich als göttliche Gesandte, um der Welt die Lehre und das Gesetz Jesu Christi in der feierlichsten Weise zu verkünden. Das Gewicht wissenschaftlicher Gründe, gelehrter Beweisführung wäre viel zu schwach, ja völlig unzureichend, um den Entscheidungen und Beschlüssen des allgemeinen Konzils jenes höchste Ansehen zu verleihen, das sie bei der ganzen Christenheit genießen. Diese erblickt in den Aussprüchen des Konzils das Wort Christi selbst, das Zeugnis des göttlichen Geistes, der die apostolischen Nachfolger in alle Wahrheit einführt und bei der Kirche verbleibt in Ewigkeit.“
Man muß es einfach ruhig durchdenken, was das heißt: „Nicht hervorragende wissenschaftliche Begabung, tiefe und umfassende Gelehrsamkeit oder andere natürliche Vorzüge können hier als eigentliche Rechtstitel irgendwelche Geltung haben; die göttliche Vollmacht, die übernatürliche Weihe des bischöflichen Amtes allein ist der erforderliche und hinreichende Grund, welcher den Hirten der Kirche diese erhabene Aufgabe zuweist.“
Darin zeigt sich das übernatürliche Wesen der Kirche. Es sind nicht Begabung, Gelehrsamkeit, wissenschaftliche Kompetenz – also natürliche Vorzüge, auch wenn diese durchaus wünschenswert sind! – sondern die göttliche Auserwählung zum Amt und damit verbunden die von Gott verliehene Vollmacht, die den Bischof zum autoritativen Lehrer macht. Wenn darum der Papst ein Konzil einberuft, so deswegen, weil die Bischöfe des Erdkreises sich als göttliche Gesandte versammeln sollen, um der Welt die Lehre und das Gesetz Jesu Christi in der feierlichsten Weise zu verkünden. Wie es schon in der Apostelgeschichte beim Konzil von Jerusalem heißt: „Denn der Heilige Geist und wir haben entschieden, euch keine weitere Last aufzulegen außer folgenden notwendigen Stücken: Ihr sollt euch enthalten von Götzenopferfleisch, von Blut, von Ersticktem und von Unzucht. Wenn ihr euch davor bewahrt, so tut ihr wohl daran. Lebt wohl!“ (Apg. 15, 28 f.)
Das, was vor 150 Jahren Dr. M. Jos. Scheeben angesichts der vielfältigen Angriffe der liberalen Katholiken gegen das Konzil geschrieben hat, gilt es heute angesichts der modernistischen Wirren gleichfalls zu bedenken:
„Gerade heutzutage, angesichts der bevorstehenden allgemeinen Kirchenversammlung, haben diese Worte eine besondere Bedeutung. Denn jetzt gilt es, den darin ausgesprochenen Grundsätzen einen konkreten Ausdruck zu geben, sie zur vollen Tat werden zu lassen und eben dadurch die wesentliche Bedingung zu erfüllen, unter welcher allein die Wissenschaft ihren historisch berechtigten Anteil an den Beratungen des Konzils wahren und sowohl sich als der Kirche nützen wird.“
Ganz in diesem Sinne kann der Aufsatz „Das allgemeine Concilium und die Wissenschaft“ uns dazu helfen, die katholischen Grundsätze zu verinnerlichen, um uns gegen das absurde Theater der Traditionalisten und Konservativen in der Menschenmachwerkskirche zu wappnen.