Im August lernten wir den Marienverehrer Alban Stolz kennen und erfuhren, wie sehr sich dieser bemühen mußte, um dem Eiseshauch des damals herrschenden Aufklärungsgeistes zu entkommen und damit immer mehr Freude bei der Verehrung der Gottesmutter zu finden. Dabei ist zu bedenken, daß zur wahren Marienverehrung immer auch das Rosenkranzgebet gehört. In seinen religiösen Schriften machte sich daher Alban Stolz viele Gedanken über den hl. Rosenkranz. Mit der Zeit fand er immer tieferen Zugang zu diesem an sich so einfachen Gebet und er verstand es darum auch ausgezeichnet, seinen Lesern einen Zugang dazu aufzuzeigen.
Wir wollen anhand einer Auswahl von Texten aus seinen Schriften die Bedeutung und das Wesen des hl. Rosenkranzes darstellen, wobei wir wieder einmal feststellen werden, daß wir unser ganzes Leben lang Lernende bleiben, wenn es um das rechte Gebet geht.
Die Notwendigkeit des Gebetes
Es ist sicher nicht übertrieben festzustellen: Der moderne Mensch hat großteils das Beten ganz verlernt. Sobald man nur einigermaßen nüchtern erwägt, wie viele Menschen heutzutage gar nicht mehr beten, erschaudert man. Ist doch das Gebet notwendig, wenn der Mensch sein letztes Ziel, den Himmel, erreichen will. Das in unserer Seele verborgene Gnadenleben betätigt sich vornehmlich im Gebet, weshalb sich ganz besonders darin die Geheimnisse unserer Erlösung offenbaren, also unser Kind-Gottes-Sein aus Gnade. Ganz eindringlich weist Alban Stolz in seinem „Kompaß für Leben und Sterben“ aus dem Kalender für das Jahr 1843 auf diese Grundwahrheit hin:
„Was einem jeden alle Tage ganz besonders notwendig ist, wenn es mit seiner Seele nicht den Krebsgang gehen soll, ist das Gebet. Das Gebet ist eine wunderbare Kraft; es ist ein Zaubermittel, eine gewaltige Beschwörung. Es macht die schwersten Lasten leicht, stillt Schmerzen, heilt die Wunden der Seele, strömt Mut und Kraft in sie, bewahrt vor Sünden und Verzweiflung, verscheucht böse Gedanken und hat zahllos viele gute Kräfte in sich. Es ist der Schlüssel zu Gottes Küche und Keller. Wenn du vom Gebet abläßt, so wirst du in der Seele blind, taub, lahm, dürr und tot wie eine Blume, die kein Licht, Luft und Wasser hat, so verwelkst du und senkst du dein Haupt abwärts zur Erde und schaust nur noch auf das, was unten ist und verfaulst in irdischen Begierden.“
Jeder aufrechte und ernsthafte Beter spürt die Erdenschwere der eigenen Seele, diese erbsündliche Verwundung, die uns von Gott weg, hin zu den Geschöpfen zieht. Deswegen fällt es ihm auch so schwer, sich gegenwärtig zu halten, daß all diese irdischen Begierden faulig sind, weil sie keine Gnade in sich tragen, weshalb sie ihrem Wesen nach vergänglich sind. Ohne Gebet ist unser Leben wertlos für die Ewigkeit. Auch wenn wir Katholiken das im Grunde wissen, suchen wir dennoch viele Entschuldigungen, uns, wenn irgend möglich, vom Gebet zu dispensieren. Alban Stolz hält uns entgegen:
„Sag nicht, du habest keine Zeit fürs Gebet. Du hast doch Zeit zum Essen. — Ja, das muß sein. Der Leib muß täglich durch Speise genährt und gestärkt werden. Aber auch deine Seele braucht alle Tage ihre Nahrung und Stärkung, sonst wird sie auch elend und kraftlos zum Guten und geht zugrunde. So gewiß daher die Seele und ihr ewiges Leben mehr wert ist als der Leib und sein Leben, so gewiß mußt du auch deine Seele täglich nähren und stärken durch Gebet und religiöse Gedanken, und so gewiß mußt du dir dazu Zeit nehmen, wie du dir zum Essen Zeit nimmst. Bete täglich mit ernster Andacht morgens und abends, und denk auch viel untertags an Gott.
Die hl. Zita war eine Dienstmagd, aber es war ihr Sprichwort und ihre Lebensart: ‚Die Hände bei der Arbeit, das Herz bei Gott.‘ Mach du es auch so! Der Tag, an dem du nicht gebetet hast, der ist verloren; du hast ihn nicht gelebt für Gott und deine Seele; du hast nur das Tier an dir gefüttert und Erdenlohn verdient, und es ist kein Segen und keine Hoffnung in diesem Tag. Noch einmal: vergiß mir das Beten nicht!“
Man muß beharrlich beten
Zuweilen empfinden wir das Gebet im Getriebe des Alltags als recht mühsam. Inmitten der vielen Arbeiten meinen wir meist, zurecht sagen zu können: „Heute habe ich keine Zeit zum Beten. Gott wird das verstehen.“ – Was nicht selten eine Täuschung ist. Denn, wenn wir ehrlich zu uns wären, würden wir zugeben müssen, daß wir trotz der Arbeit oft noch für viele andere Dinge Zeit finden, die nicht so wichtig sind wie das Gebet. Und sicherlich würde durch die Gnade des Gebetes so manche Arbeit auch besser von der Hand gehen, ist doch an Gottes Segen alles gelegen. In seinem Tagebuch von 1854 gibt uns Alban Stolz einen Hinweis, der uns zur Beharrlichkeit im Gebet sehr ermuntern kann:
„Ich habe schon manchmal beim Gebet das Gefühl gehabt, daß es nur erhört werde, wenn man schon längere Zeit täglich um dasselbe gebetet hat; daß aber auch das kräftigste Flehen, wozu man sich ungewöhnlicherweise einmal erschwingt, wenig Hoffnung auf Erhörung habe. Das Gebet scheint demnach in dem Verhältnis zur Erhörung zu stehen, wie die Einflüsse des Sonnenscheins auf die Pflanze zur Entwicklung der Frucht. Ein einmaliger Sonnentag entwickelt und reift keine Frucht, wohl aber die vieltägige Wiederkehr des Sonnenscheines.“
(Wilder Honig)
Die „Anpassungsfähigkeit“ des Rosenkranzgebetes
Diese Erfahrung wird sicherlich jeder eifrige Beter bestätigen. Gott erhört gewöhnlich unsere zahlreichen Bitten nicht sofort. Er formt vielmehr unser Vertrauen zu Ihm, indem Er uns eine Zeit lang warten läßt. Durch die vielen Wiederholungen unserer Bitten wächst unser Vertrauen, unser Gemüt beruhigt sich und unser Wille festigt sich im Willen Gottes. Auch zum Rosenkranzgebet gehört das ständige Wiederholen der Bitten des „Vaterunsers“ und des „Ave Marias“, die wir mit unseren eigenen Sorgen und Nöten anfüllen können. Wobei diese unsere Bitten zudem noch eingebettet werden in die Betrachtung des Lebens Jesu. Alban Stolz meint daher:
„Es ist mir jetzt nicht unwahrscheinlich, daß der Rosenkranz in ähnlicher Weise eine geistliche Kristallisation ist, wie das Eis im Wasser oder Schnee. Der hl. Dominikus war eine ausgezeichnete Seele, in welcher himmlische Kräfte produktiv neue Erscheinungen gestalten konnten mit ähnlicher Vollendetheit, wie in flüssigem oder weichem Stoff die Naturkräfte eigene treffliche Erzeugnisse hervorbringen. Daher darf der Rosenkranz nicht bloß von Seiten seiner Nützlichkeit und Zweckmäßigkeit her beurteilt werden, sondern muß angesehen werden als ein himmlisches Geschenk, als ein Erzeugnis des christlichen Genies, welches der Heilige Geist selbst ist.“
(ebd.)
Das Rosenkranzgebet ist ein beständiges Verwandlungswunder. Es paßt sich sozusagen wunderbar der Hand an, die den Rosenkranz vertrauensvoll ergreift. Nimmt ein Kind den Rosenkranz zur Hand, ist er ein ganz einfaches Kindergebet. Das Kind muß nur die Grundgebete unserer hl. Religion kennen – das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, das Ave Maria und das Ehre sei dem Vater – sodann kann es auch den Rosenkranz beten, indem es einfach andächtig diese Gebete spricht.
Das Heimischwerden in der Welt der Gnade
Nimmt ein Jugendlicher den Rosenkranz zur Hand, öffnet sich diesem neben den Grundgebeten zudem die Pforte zu den Geheimnissen des Lebens Jesu, das in 15 Bilder zusammengefaßt wird. Neben den Grundgebeten steht die in den 15 Geheimnissen erfaßte Welt der Gnade, in der der Beter durch das Rosenkranzbeten heimisch werden soll. Der Erwachsene dringt mit dem Rosenkranz in der Hand immer tiefer ins Gnadenland der Rosenkranzgeheimnisse ein und wird sich mit jedem Rosenkranz darin besser zurechtfinden. Der Glaube wird verstärkt, die Hoffnung vermehrt und die Liebe immer neu entzündet. Je geistig reifer der Rosenkranzbeter wird, desto lieber und gnadenreicher wird ihm der Rosenkranz werden, wie uns der Kalendermann Alban Stolz weiter erklärt:
„Der Rosenkranz ist und wirkt auf die christliche Seele wie Glockengeläute. Er ist durch die Wiederholung derselben Worte gleichsam eintönig, dringt aber dadurch mit einer gewissen gleichmäßigen Ausdauer auf das Gemüt ein und gibt ihm Stimmung zu bestimmtem Gedankenspiel.
Wenn man nachts nicht schlafen kann und von einem Insektenschwarm widriger Gedanken geplagt ist, beruhigt nichts mehr, als den Rosenkranz bloß in Gedanken zu beten. Die Einförmigkeit des längst bekannten Inhalts hebt jede Anstrengung auf, die altbekannte, der Seele längst eingefurchte Formel, bindet und beschwichtigt das regellose Phantasiespiel, die Frömmigkeit des Gebetes tröstet die Seele — und so mag der Mensch, wie wenn er ein eintöniges Lied hört, in bester Weise in den Schlaf sinken. Ähnlich ist der Rosenkranz auch ein Beruhigungsmittel, wenn man, von Schmerzen geplagt, nicht arbeiten oder denken kann, eben weil er das leichteste Gebet von allen ist; wenig Wechsel der Worte und tröstlicher Inhalt.
Was aus wahrem Genie hervorgegangen ist, daran sollte man nicht nörgeln und kritisieren, sondern es wie ein Naturprodukt als Gottes Gabe dankbar annehmen und die Herrlichkeit des Schöpfers darin verehren. Denn wie auf gesundem Erdboden eine edle Pflanze ihre Blumen treibt, so ist das Menschengehirn der Boden, die geniale Begabung die Pflanze, und schöne Gedanken sind ihre Blüten. Es ist ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen Gedanken aus der genialen Begabung entsprossen und Gedanken der Reflexion. Letztere sind wie alles Menschenwerk voll Mühe und Unvollkommenheit, erstere sind leicht, angenehm, vollendet und schön wie andere Erzeugnisse, welche die Natur freiwillig schenkt.“
(ebd.)
Der Katholik muß nur kindlich einfach den Rosenkranz aus der Hand der Mutter Kirche entgegennehmen, ihn als eine außerordentlich wertvolle Gabe Gottes erkennen, sodann wird er durch beharrliches Beten desselben seinen Gnadenreichtum entfalten wie eine Blume im Sonnenlicht die Schönheit ihrer Blüte entfaltet.
Der unerschöpfliche Inhalt der Rosenkranzgeheimnisse
Wie sehr den Priester Alban Stolz das Rosenkranzgebet beschäftigt und gefesselt hat, zeigt ein Bekenntnis aus dem Jahr 1843:
„Gestern Nacht träumte mir, ich halte eine Predigt über den Rosenkranz. Da sind mir noch zwei Gedanken besonders geblieben: Der Rosenkranz gefalle Gott vorzüglich auch deshalb, weil er ein demütiges Gebet sei, insofern darin einfältig eben allbekannte Wahrheiten wiederholt werden. — Sodann sei der Rosenkranz eigentlich vom hl. Dominikus nur angewendet worden, der Erfinder und Erschaffer des Rosenkranzes sei aber Jesus Christus selbst; dieser habe den Stoff dazu geliefert.“
(ebd.)
Der Rosenkranz kann es nicht verbergen, weshalb er auch von den allermeisten Modernisten so sehr verspottet wurde und wird, er ist ein demütiges Gebet. Jedem stolzen Menschen verbirgt er sein abgrundtiefes Geheimnis. Diesen erscheint er nämlich als allzu einfältig, gedankenarm und monoton. Der Demütige aber läßt sich ganz einfach von der Gottesmutter bei der Hand nehmen und erkennt und bekennt voller Freude: Der eigentliche Erfinder und Erschaffer des Rosenkranzes ist Jesus Christus selbst, denn ER hat tatsächlich durch Sein gottmenschliches Leben den unerschöpflichen Stoff dazu geliefert. So wie man die hl. Evangelien das ganze Leben lang lesen kann, ohne daß sie langweilig werden, ebenso kann man das ganze Leben lang den Rosenkranz beten, weil das Leben des Gottmenschen Jesus Christus unerschöpflich reich an Gedanken ist, weshalb der hl. Johannes am Schluß seines Evangeliums ausdrücklich betont: „Noch gibt es vieles andere, was Jesus getan hat. Wollte man das alles einzeln niederschreiben, so könnte, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die dann zu schreiben wären“ (Joh. 21, 25).
Die sog. Aufklärung hat auch viele Katholiken zum Stolz verführt. Diese sich so aufgeklärt fühlenden Leute – genauso wie die späteren Modernisten, die nichts anderes sind als verspätete Kinder der Aufklärung – schauten verächtlich auf die alten Frömmigkeitsformen, darunter auch den hl. Rosenkranz. Der Kalendermann, Alban Stolz, sah es als eine seiner vornehmlichen Aufgaben an, den Rosenkranz gegen die aufklärerische Unvernunft seiner Zeit zu verteidigen. In seinem „ABC für große Leute“ aus dem Jahr 1864 nahm er unter dem Buchstaben „U“ gegen die Vorurteile seiner Zeit Stellung.
Die Rosenkranzkönigin errettet aus höchster Not.
„Aus der Ferne meiner frühesten Kindheit erinnere ich mich noch, daß in meiner Heimat Bühl zuweilen an Markttagen ein großer hagerer Mann in langem Rock erschien und nahe bei unserem Haus Rosenkränze, Kruzifixe und Gebetbücher feilbot. Damals war aber eine Zeit, wo dergleichen Dinge von vielen verachtet wurden. Die Seelen, welche in stiller und treuer Liebe zu Echtkatholischem dem alten Mann etwas abkauften, mögen in manchem Ort so selten gewesen sein wie Goldkörner im Rheinsand. Gerade heute nun, da ich an diesem Artikel schreibe, bekomme ich über jenen Mann einen Lebensbericht. Er hieß Nikolaus Paule, war geboren im Bistum Trier und war Schullehrer zur Zeit der Revolution. Paule wurde wie zahllose andere Überrheiner ins Gefängnis gebracht, und weil er seinen christlichen Glauben nicht verleugnete, sollte er den anderen Tag geköpft werden. Die Nacht vor der angesetzten Hinrichtung betete er recht inbrünstig um Rettung und machte das Gelübde: er wolle zum Heiligen Grab nach Jerusalem pilgern, wenn Gott ihn am Leben erhalte. Den anderen Morgen ging die Türe auf, aber statt zum Tode geführt zu werden, wurde Paule freigelassen. Es war nämlich über Nacht von Paris die Kunde eingetroffen, daß der schreckliche Robespierre, — seines Zeichens ein Advokat, dann aber in der ersten Französischen Revolution der ärgste Bluthund, — gestürzt sei, und mit ihm das Blut- und Mordregiment ein Ende habe.
Das Zeugnis des Nikolaus Paule
Es ist für einen Gefangenen keine Kleinigkeit, statt des in wenigen Stunden erwarteten Todes plötzlich Leben und Freiheit geschenkt zu bekommen, und dies ist um so freudenvoller, wenn solche Wendung auf ein inbrünstiges Gebet sich ereignet. Darum entschloß sich Paule, vor allem sein Gelübde zu halten. Er brachte so viel Geld zusammen, als für eine Reise nach Jerusalem erforderlich schien, und kam bis nach Marseille. Dort wollte er sich nach Asien einschiffen. In Marseille aber wurde er seines Geldes und damit auch der Möglichkeit beraubt, ins Heilige Land zu reisen. Er wußte sich nun keinen anderen Rat, als nach Rom zu wandern und den Papst zu bitten, daß ihm sein Gelübde umgewandelt werde in ein anderes gottgefälliges Werk. Was ihm der Papst aufgegeben hat, weiß ich nicht. Auf keinen Fall so viel und so Schweres, wie es Paule in einem langen Leben ausgeführt hat. In dem Land, in dem der Leuchter der katholischen Kirche damals am Verlöschen zu sein schien, wanderte er das ganze Jahr bei jeder, auch bei böser Witterung durchs Land, zog den Faden des Rosenkranzes, den die Geistlichen vielfach eingehen ließen, in Dorf und Stadt wieder auf. Dabei war seine Erscheinung mitten auf dem Markt eine laute Bußpredigt. Der große, hagere Mann redete sehr wenig, blickte in tiefem Ernst vor sich hin, seine Nahrung war sehr oft nur Wasser und Brot, sein Lager suchte er nachts in einer Scheuer auf. Und zu diesem Büßerleben belastete ihn Gott noch mit einem besonders schweren Kreuz: er wurde nämlich zuletzt blind. Im Jahre 1833 starb er dann 79 Jahre alt zu Ettlingen, wo er als Fremdling in aller Stille beerdigt wurde. Dieser von der Welt verachtete Rosenkranzhändler hat sich aber noch zu Lebzeiten drei Denkmäler gesetzt, wie niemand weit und breit ein solches hat, und die vor Gott und den Menschen sein Andenken verherrlichen. Was er in einem langen, mühevollen Leben gewonnen, was er durch schwerste Entbehrungen dem eigenen Leib abgebrochen hat, das hat er verwendet, um an solchen Orten, wo es besonders nottat, Kirchen zu bauen, und zwar nicht durch ein Testament nach seinem Tode erst, sondern zu seinen Lebzeiten. Die eine steht in Eisental bei Bühl, die andere in Reichenbach bei Ettlingen und die dritte in seiner Heimat im Bistum Trier. — Dieser gottselige Mann war ein Ultramontan, — ein treuer Sohn Roms; ebenso waren auch die Märtyrer und übrigen Heiligen. Die Treue zur römischen Kirche hat ihnen den Mut, die Kraft und die Freudigkeit gegeben, das Schwerste zu tun und zu leiden. Sie haben alles abgewogen, gemessen und gerichtet im Glauben und in der Hoffnung auf ein ewiges Leben und in der Liebe zu Gott.“
Ultramontane und Liberale
Es war schon merkwürdig, wie die sog. Aufklärung die Katholiken in zwei Lager gespalten hatte. Die wahren Katholiken wurden nunmehr als „ultramontan“ bezeichnet, was wörtlich „über den Bergen“ oder auch „jenseits der Berge“ heißt, wobei mit den Bergen die Alpen gemeint sind. Die wahren Katholiken hielten es mit dem Papst in Rom jenseits der Alpen, sie waren ultramontan eingestellt. Mit anderen Worten: Sie vertrauten auf die Worte Jesu, die dieser dem Petrus gegeben hatte, und orientierten sich deswegen am unfehlbaren Lehramt der hl. Kirche, also an der durch die hl. Kirche verbürgten göttlichen Wahrheit – und nicht an den Tagesmeinungen der modernen Philosophen. Dafür wurden sie von den liberalen „Katholiken“, den Auchkatholiken, verspottet und als Papisten beschimpft.
So ist es bis heute geblieben. Für die Nachfahren der liberalen „Katholiken“, die Modernisten – egal ob sie progressiv, konservativ oder traditionalistisch sind –, ist es eine der schlimmsten Entartungen, sich an das unfehlbare Lehramt der Kirche zu halten und deshalb die modernistischen Phantastereien und auch das nachkonziliare Leeramt mit seinen unzähligen Irrtümern grundsätzlich abzulehnen. Ihr Spott gilt nach wie vor all jenen, die die Verheißungen unseres Herrn Jesus Christus an Petrus ernst nehmen und gerade deswegen die papstlose Zeit laut beklagen. Wobei selbst der Trost, der damals noch den wahren Katholiken geschenkt wurde, uns leider versagt ist: „Die Treue zur römischen Kirche hat ihnen den Mut, die Kraft und die Freudigkeit gegeben, das Schwerste zu tun und zu leiden.“ Gott hat es zugelassen, daß wir alleine dastehen, ohne jenen Halt, den der Papst den Katholiken aufgrund seines gottgegebenen Amtes schenkt. Das andere jedoch, gilt auch heute noch und stärkt unseren Mut: „Sie haben alles abgewogen, gemessen und gerichtet im Glauben und in der Hoffnung auf ein ewiges Leben und in der Liebe zu Gott.“ Damit aber dies auch in der papstlosen Zeit noch wirklich gelingt, ist das tägliche Gebet unerläßlich, denn:
„Die einzelnen Gebete sind einzelne Tropfen in dem ganzen großen Gebetsmeer, welches der moralischen Erde so notwendig ist, wie das Wassermeer der physischen Erde ... Manchmal kann man einen Menschen, ohne daß man mit ihm spricht, zwingen, etwas zu tun, nämlich durch Gott, indem man zudringlich betet, daß Gott ihn dazu bringen möge. Das Gebet hat in irdischen Angelegenheiten nicht nur seine Grade der Wirksamkeit, je nach Qualität des Beters und Intensivität und Ausdauer des Betens, sondern auch, ob das Gebet erhört werden kann, ohne daß die Naturgesetze sichtbar gestört werden müssen. Es ist z. B. ein Unterschied, ob ein Stelzfuß um ein neues Bein betet oder ob bei einer Krankheit, vor der entscheidenden Krisis, um Genesung gebetet wird. Es ist jedesmal höchst lieblich und aufmunternd, wenn Gott in einem einzelnen Ereignis seine gütige Nähe zeigt. Und gewiß ist Gott viel menschlicher, als wir uns denken.“
(Wilder Honig)
Das ausdauernde Gebet
Das ausdauernde Gebet gewährt mit der Zeit eine vielfältige Erfahrung über die gütige Hilfe Gottes. Der himmlische Vater sorgt sich schließlich um jeden einzelnen Menschen und Er möchte uns so gerne Seiner Nähe versichern. Dies setzt jedoch unsere lebendige Zuneigung zu Ihm voraus, bzw. beides bedingt sich gegenseitig. Je treuer man sich an den himmlischen Vater wendet, desto eindringlicher wird unsere Erfahrung sein, daß Gott tatsächlich viel menschlicher ist, als wir Ihn uns denken.
Beten tut uns not
Leider lassen wir uns gewöhnlich gerade dann das Beten verleiden, wenn es am Notwendigsten ist. Alban Stolz gibt zu bedenken:
„Der Mensch hat niemals das Beten notwendiger als zur Zeit, in der er am wenigsten zum Gebet aufgelegt ist; denn gerade dann ist man am schwächsten, einer Versuchung zu widerstehen. Nun aber erweckt und erwärmt gerade das Beten wie das Bergsteigen gegen Erkältung und Einschlafen.“
(Nachtgebet meines Lebens)
Besonders in Zeiten der Versuchung ist das Gebet notwendig, denn nur durch die Hilfe der Gnade kann man den Versuchungen auf Dauer widerstehen – die Gnade aber will erbetet werden. Das Beten erweckt die Seele aus dem Schlaf und erwärmt sie, hat doch unser göttlicher Lehrmeister die Apostel gemahnt: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet; der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Mt. 26, 41). Der aufklärerische Geist hat auch dadurch vielen das Beten verleidet, weil er eine ganz falsche Vorstellung vom Gebet entwickelt hat.
„Eine aufgeklärte Zeit hat gemeint, nur jenes Gebet habe Wert, welches mit intensiven entsprechenden Gedanken begleitet ist. Sie sah das Gebet an als eine Art Predigt, die man seiner eigenen Seele zur Erbauung hält, nebenher auch als eine Predigt, worin man Gott vorhält, was er alles bedenken soll.
Es versteht sich freilich von selbst, daß man sich nicht freiwillig zerstreuten Gedanken hingeben darf, aber das Wesen des Gebetes besteht darin, daß der Inhalt objektiv recht ist, und daß man durch die Intention den Inhalt adoptiert, ähnlich wie bei einem guten Werk. Daß bei jedem Wort, das man spricht, auch der begleitende Gedanke sei, macht das Gebet vollkommener, ist aber nicht unerläßlich. Am entschiedensten zeigt sich, daß auch das (unfreiwillig) zerstreute Gebet doch durch die Intention [Absicht] seinen Wert hat, in dem Umstand, daß selbst die Konsekration vor sich geht, wenn auch der Priester in zerstreuten Gedanken die Konsekrationsworte ausspricht.
In ähnlicher Aufklärerei meinte ich früher, die Beteiligung des Mundes beim Gebet sei durchaus überflüssig, und betete auch niemals bei meiner Andacht in ausgesprochenen Worten, sondern nur in Gedanken. Abgesehen davon aber, daß der Wille leichter über die Worte als über die Gedanken herrscht, so ist erst ein wahres Menschengebet, wenn Geist und Leib, also der ganze Mensch, beten. Am bestimmtesten drängt sich diese Forderung auf, auch den Leib beim Gebet zu beteiligen, wenn man das Tischgebet nach dem Essen verrichtet; denn es ist ja der Leib, der zunächst für seine Lebensflamme neues Öl zugegossen bekommen hat. Andererseits findet eben doch auch leibliche Beteiligung beim Gebet ohne Lippenbewegung statt, indem das bewußte, willkürliche Denken die Kopfnerven braucht und in angestrengte Tätigkeit versetzt.“
(ebd.)
Der Mensch ist kein Engel, er ist nicht reiner Geist, sondern Leib und Seele. Darum ist auch das Gebet des Menschen nicht bloß ein geistiges, vielmehr wird das Geistige auch durch das Leibliche ergänzt. Das gilt ganz selbstverständlich beim gemeinsamen Gebet, muß dieses doch naturgemäß laut gebetet werden. Die Aufklärer haben das Geistige beim Gebet überbetont und damit das menschliche Beten viel zu einseitig gesehen. Natürlich gibt es das stille Gebet, die sog. Betrachtung, in der man still über Gott oder das Leben Jesu oder das Leben eines Heiligen nachdenkt, um daraus übernatürlichen Gewinn zu ziehen. Aber dieses stille Gebet ist immer nur eine Möglichkeit des Betens unter vielen.
Die Sekte der Quäker
Diese Vereinseitigung durch die Aufklärung erinnert schon ein wenig an die Quäker, die sich selber so beschreiben: „Kern unseres spirituellen Lebens, unseres Glaubens und unseres Wirkens ist das gemeinsame Schweigen, Hören und Warten in der Stillen Andacht. Wir suchen die Verbindung mit dem göttlichen Geist, ohne festgelegten Kult oder Liturgie und ohne einen Pastor. Diese Form entspricht unserer Erfahrung, dass das Göttliche sich jedem Menschen, der es sucht, offenbaren kann.“
Bei den Quäkern zeigt sich in ausgereifter Form die Zielrichtung des aufklärerischen Geistes, eine Religion „ohne festgelegten Kult oder Liturgie und ohne einen Pastor“. Also eine Erlösung ohne Kirche und Priestertum. Da der aufklärerische Geist sich auch im Modernismus findet, hat dieser natürlich auch diese Zielsetzung übernommen. Die Kirche ist nur noch eine Verwaltungseinheit, der Priester ist nur noch Gemeindevorsteher und der Kult ist eine meist frei erfundene Feier der Selbstdarstellung der Gemeinde bzw. von Teilen von ihr. Das Gebet des Katholiken ist vielfältig, es ist den Bedürfnissen unserer Natur angepaßt. Eine Art des Gebetes ist die Bitte für andere.
„Das Gebet für andere kommt mir vor wie ein Brennspiegel, in welchem der Fürbittende die Strahlen der Gnade auffängt, konzentriert und auf den wirft, für welchen man betet.“
(ebd.)
Übersieht man einmal die vielen Sorgen und Nöte, die eigenen und fremden Sorgen und Nöte, die Sorgen und Nöte der Familien und der Völker, so sieht man leicht ein, daß man immer einen Grund zum Beten hat. Durch unser Gebet nehmen wir Anteil am Geschehen der Welt, aber nicht wie die Weltmenschen, sondern wir nehmen Teil mit Blick auf die Gnadenwelt Gottes, d.h. mit Blick auf das ewige Heil der Seelen. Alban Stolz gibt darum ganz zu Recht zu bedenken:
„Man kann auch von dem besseren, in der Gnade stehenden Christen sagen: So lange und so viele Zeit, als du nicht betest, befindest du dich im Schlaf, d. h. dein Leben in der gebetlosen Stunde steht so niedrig im Verhältnis zu dem Leben der Seele während der Andacht, als der Schlafzustand des äußeren Menschen zu seinem Zustand im Wachen. Darum sagt der Apostel: Betet ohne Unterlaß! — Und der sinnliche Schlaf der Jünger am Ölberg war ein Symbol jenes geistigen Schlafes in der Unandacht, da der Herr sie ermahnte: ‚Wachet und betet!‘“
DIE BETRACHTUNG DER ROSENKRANZGEHEIMNISSE
Folgen wir nun dem Kalendermann ein wenig bei seiner Betrachtung der Rosenkranzgeheimnisse. Solche Erwägungen sollen und können uns eine Anregung sein, unser persönliches Rosenkranzgebet immer wieder zu vertiefen. Das bleibt doch in der Tat unsere Lebensaufgabe, wenn unser Rosenkranz nicht zum Lippengebet entarten soll. Wir haben jeweils die erste Betrachtung zu dem jeweiligen Rosenkranzgeheimnissen ausgewählt, wodurch man einen hinreichenden Eindruck erhält, wie man sich betrachtend den einzelnen Geheimnissen nähern kann.
Der Freudenreiche Rosenkranz
Der Freudenreiche Rosenkranz beginnt mit dem Geheimnis des Festes von Mariä Verkündigung. Der Rosenkranzbeter steht am Beginn des Neuen Bundes, er betrachtet wie der hl. Erzengel Gabriel Maria die Botschaft von der Menschwerdung des Wortes Gottes bringt…
„Den du, o Jungfrau, vom Heiligen Geiste empfangen hast.“
Der Gedanke: „Den du empfangen hast vom Heiligen Geiste“ schließt das Heiligste in sich, nämlich die Heiligste von allen Menschen — das ist Maria; den Gottmenschen Jesus; und Gott als reinen Geist — den Heiligen Geist. Gott ist ein reiner Geist. Er verband sich mit der Menschheit in Maria, daraus entstand der Gottmensch Jesus Christus.
Maria empfing den Heiland vom Heiligen Geist. Auch wir empfangen Jesus, zwar in ganz anderer Art, aber auch durch den Heiligen Geist. Jesus kommt sichtbar zu uns in der Messe, bei der Wandlung, und dann empfängt ihn jeder durch die heilige Kommunion (d. h. Vereinigung). Nun aber wird die Wandlung vom Heiligen Geiste bewirkt. Der Priester hat ja die Konsekrationsgewalt erhalten, da er durch Handauflegung des Bischofs den Heiligen Geist empfing, in der Priesterweihe nämlich. Der Heilige Geist wirkt also durch sein Wort die Verwandlung von Brot und Wein; darum ruft er vorher in den Meßgebeten denselben auch besonders herab ... Kurz vor der Wandlung nimmt der Priester eine besonders feierliche Stellung ein, die auf das Herabsteigen des Heiligen Geistes deutet, damit er die Opfergaben überschatte und sie wandle in das Fleisch und das Blut des Wortes Gottes: er legt beide Hände flach nebeneinander ausgebreitet über Brot und Wein. — Also auch wir empfangen den Sohn Gottes vom Heiligen Geiste.
Die Reinheit und Demut Mariens
Warum wurde nun weiter gerade Maria auserwählt, den Sohn Gottes zu empfangen? Weil sie reiner von Sünden war als alle übrigen Menschen, also ein würdiges Gefäß der Auserwählung; dann weil sie mehr Demut hatte als die übrigen Menschen, und darum keine Gefahr war, daß sie dem Allerhöchsten etwas von seiner Ehre geraubt hätte, und weil keine Gefahr bestand, daß sie hochmütig ob solcher Bevorzugung werden könnte.
Sündenreinheit und Demut, dies ist auch für uns ganz unerläßlich zum Empfange der heiligen Kommunion. Die Beichte soll zugleich eine Reinigung sein und eine Verdemütigung, darum ist sie unsere gewöhnliche Vorbereitung auf die heilige Kommunion. Mögen wir uns Mühe geben, daraus jedesmal ein wahres und strenges Gericht gegen uns selbst zu halten; denn die heilige Kommunion ist etwas, worauf man sich vorzubereiten hat wie auf den Tod und das Gericht.
Alle Tage dreimal bricht die ganze Christenheit in ein Lobpreisen Gottes aus im Andenken an den Englischen Gruß und was daraus gefolgt ist. Die Empfängnis des Gottmenschen ist die Quelle geworden, aus der auch wir den Leib des Herrn empfangen. Bei der Verkündigung ward in Maria gleichsam der Fruchtkern gelegt, aus dessen Frucht seitdem an Millionen und Millionen Menschen der Leib des Herrn verteilt wird. Es wäre unnatürlich, wenn wir Maria nicht sehr lieb hätten; aus ihr ist ja der Lebensbaum gesprossen, von dessen Frucht alle Gläubigen genießen. Hat doch der Herr selbst gesagt: Wer mit seinem Fleische sich nicht nähret, der kann das Leben nicht in sich haben, kann nicht in seiner Gnade und Liebe bleiben, hat keine Anwartschaft auf das ewige Leben.
Maria ist die Gnadenvolle, die unbefleckte Jungfrau, die von Gott auserwählt worden ist, um die Mutter des göttlichen Sohnes zu werden. Sie ist das wunderbarste Kunstwerk des Heiligen Geistes, das man sich nur denken und ausmalen kann. Bei der Verkündigung geschieht durch und in Maria das unbeschreibliche Wunder der Menschwerdung der 2. göttlichen Person. Die hl. Kirche erinnert uns dreimal täglich an diesen heiligsten Augenblick unserer Geschichte. Niemals können wir Gott und Maria genügend für dieses außerordentliche Gnadenwunder danken, durch das unsere Erlösung erst möglich geworden ist. Und es ist nur allzu wahr: „Es wäre unnatürlich, wenn wir Maria nicht sehr lieb hätten; aus ihr ist ja der Lebensbaum gesprossen, von dessen Frucht alle Gläubigen genießen.“
Der Schmerzhafte Rosenkranz
Die Gottesmutter Maria erlebt an der Seite ihres göttlichen Sohnes nicht nur viele Freuden, sie begleitet Ihn auch auf Seinem Leidensweg. Selbst wenn sie nicht überall leiblich dabei sein konnte, so litt sie doch sicherlich geistig jedes Leid ihres Sohnes mit. Hören wir also, welche Gedanken sich Alban Stolz über das Ölbergsleiden macht:
„Der für uns Blut geschwitzt hat“
Was die Evangelisten über dieses Geheimnis sagen, ist wenig; doch genug, um seine Tiefe ahnen zu lassen. Am ausführlichsten spricht darüber der Evangelist Lukas. Er sagt: „Und er ging hinaus und begab sich nach seiner Gewohnheit zum Ölberg hin. Es folgten ihm auch seine Jünger. Und da er an diesen Ort kam, sprach er zu ihnen: Betet, auf daß ihr nicht in Versuchung fallet! — Und er entfernte sich von ihnen einen Steinwurf weit und kniete nieder, betete und sprach: Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein Wille, sondern der deinige geschehe! Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und er war im Todeskampf und betete inständiger. Und sein Schweiß ward wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen. Da er aufgestanden war vom Gebete, und zu seinen Jüngern kam, fand er sie schlafend vor Traurigkeit. Und er sprach zu ihnen: Was schlafet ihr? Stehet auf, betet, daß ihr nicht in Versuchung fallet!“ usw.
Woher die plötzliche tiefe Trauer? Weil die Gottheit im Herrn sich zurückzog und die Menschheit der eigenen natürlichen Schwäche gänzlich überließ. Jesus stand an der Schwelle des bitteren Leidens. Menschen, die zum Tode verurteilt sind, sterben manchmal schon vorher aus Schreck; oft kommen sie halbtot an der Richtstätte an. Der Tod ist eben für die Natur das Allerbitterste, was sich denken läßt. Wer nicht durch Krankheit und Schwäche sterbensmatt ist, kann ihn nur mit Schauder herankommen sehen. Nun sah Jesus ihn vor sich; sah ihn zudem vereint mit übermenschlichen Martern an Leib und Seele. Darüber erschauderte seine ganze Natur. Wie schon gesagt, hat seine Gottheit sich hierbei ganz zurückgezogen, und er hatte von derselben keine Stärkung zu erwarten; im Gegenteil: Sie machte seine Angst erst recht furchtbar, weil ihre Allwissenheit ihm schon jetzt aufs deutlichste vorstellte, was auf ihn wartete.
Indessen ist diese Todesangst nicht das Schlimmste gewesen, was Jesus im Garten Gethsemane litt. Das Schlimmste waren die Bilder von den Sünden der Welt, die er nun auf sich nehmen sollte. Sie standen so klar vor seinem Geiste, angefangen von der Sünde Adams bis zur letzten Sünde des letzten Menschen beim Weltuntergange. Welch ein riesengroßer Berg! Den mußte er auf sich bürden. Keine Einbildung kann sich so Grauenhaftes ausdenken, wie er es da sah. Wollte man wissen, wie furchtbar ihn das quälte, so müßte man eine solche Einsicht in die Scheußlichkeit der Sünde haben, wie der heilige Gott sie hat. Mehr als alles peinigte ihn aber die Menge der Sünder, welchen er trotz aller Liebe die Sünden nicht hinwegnehmen konnte und die er der Hölle zueilen sah.
Diese Vorstellungen, Gedanken und Eindrücke stürmten mehrere Stunden lang auf ihn ein. Es trat ein Angstschweiß hervor, der mit Blut gerötet war. Dieser Blutschweiß war nichts Wunderbares; die Ärzte sagen, daß auch sonst (bei außerordentlicher innerer Erregung) wohl Blut aus der Haut zugleich mit dem Schweiße hervorkomme. — Jesus suchte im Gebete Stärke. Was der Evangelist von diesem Gebete anführt, ist nur der Text, das kurze Thema vom Ganzen. Vielleicht hat Jesus bloß diese Worte laut gesprochen, so daß die Jünger es hören konnten, das übrige aber leise. Die Jünger, die ihm beten helfen sollten, schliefen bald ein, von großer Traurigkeit betäubt. Für sie erschien ein Engel und tröstete und stärkte ihn.
Abscheu vor der Sünde und Notwendigkeit der Buße
Ich könnte dir nun vielerlei Lehren vortragen, die sich aus dieser Begebenheit ergeben, z. B. wie sie die Mahnung des Apostels bestätigt, der sagt: „Wenn du traurig bist, so bete!“ — oder wie es nicht unrecht ist, wenn du vor einem Unglück trauerst; oder wie das Herz Jesu all deinen Kummer verstehen kann, da es selbst in solcher Trauer gewesen. Jedoch will ich dich nur auf einen Punkt besonders aufmerksam machen, darauf nämlich, wie die Seelennot des Heilandes dir zeigen muß, was in deiner eigenen Seele vorgehen soll beim Andenken an deine Sünden. Haben diese schon den Heiland so in Schrecken gesetzt, da er sie nur von ferne sah, wie müßten sie erst dich selbst in Schrecken setzen, da du sie an dir selber schauest? Ach, bitte doch recht inständig die Mutter Gottes, daß sie dir immer mehr zu diesem Abscheu vor dir selber verhelfe. Du hast nichts nötiger als dieses. Wenn du in deiner Vergangenheit große Sünden und geringe Reue entdeckst, so mußt du doch sehr besorgt sein, daß deine Bekehrung nicht wirklich sein könnte. Jede Beicht ist ja noch keine Bekehrung; ob diese hinlänglich ist, darüber hat man nie volle Sicherheit. Darum soll man gegen die alten Sünden nicht gleichgültig werden, sondern die Reue noch immer zu vervollständigen suchen, um möglichste Sicherheit zu bekommen, daß sie auch wirklich vergeben sind. Wenn du immer mehr wachsest in der Liebe zu Gott, dann wächst auch gleichzeitig dein Abscheu gegen die Sünde, folglich die Reue. Dann wird es dir ergehen wie dem hl. Aloysius. Dieser engelreine Jüngling führte ein sehr strenges, bußfertiges Leben, und zwar in Erinnerung an einige kleine Jugendsünden. Mit dem Alter nahm in ihm auch der Abscheu dagegen zu, und er erkannte immer klarer die Notwendigkeit, dafür Buße zu tun.
Willst du auch deine Sünden immer klarer erkennen, so beschaue sie nur fleißig in dem Spiegel der Todesangst Jesu. Damals, als er die Schreckensbilder von den Sünden der Welt vor sich sah, hat er auch dich vor sich gesehen, dein ganzes Leben mit allen Schandflecken deiner bekannten und unbekannten Sünden. Das hat ihm so große Angst gemacht. Dann kannst du sehen, was deine Sünden sein müssen. — Wenn ein mißratener Bube einen schlimmen Streich macht, wenn er etwa absichtlich eine kostbare Sache zerbricht, deren Wert er gar nicht kennt, und er sieht nun Vater oder Mutter in großen Schrecken geraten, gar weinen und wehklagen über das Unglück, wie wird dem leichtfertigen Buben da bange werden! An dem Schrecken der Eltern kann er leicht ermessen, was er angerichtet hat. — So wird auch dem Leichtsinnigsten eine Ahnung von dem Unglücke kommen, in das seine Sünden ihn stürzten, wenn er die Angst des Heilandes darüber betrachtet, der ihn wohl mehr liebt als Vater und Mutter.
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, daß die Todesangst deines lieben Sohnes uns recht tief zu Herzen gehe.
Das Vorbild Jesu im Leiden
Im Ölgarten tritt der göttliche Erlöser dem ganzen Schrecken der Sünde entgegen. Aufgrund Seiner göttlichen Allwissenheit ist Ihm nichts verborgen von dem, was in unserer Menschenwelt alles an Sünde geschehen ist und noch geschehen wird. Der göttliche Dulder weicht nicht zurück vor dieser übergroßen Schmerzenslast, auch wenn die menschliche Natur noch so sehr davor erschaudert und Er bis zum Blutschweiß daran leidet. Dieses Vorbild Jesu ermuntert uns, gemeinsam mit Ihm für unsere Sünden Buße zu tun. Weil wir jedoch so schwach sind und darum auch so unbeständig im Geist der Buße verharren, sollen wir uns an die Gottesmutter wenden: „Ach, bitte doch recht inständig die Mutter Gottes, daß sie dir immer mehr zu diesem Abscheu vor dir selber verhelfe.“
Diese innere Bekehrung ist nur durch die Gnadenhilfe Gottes möglich, wie wir am Beispiel aller Heiligen sehen können. Kommt uns etwa nicht die Haltung des hl. Aloisius schon etwas befremdend vor, der für einige Jungendsünden solche Buße getan hat? Wobei selbst mit dem Alter in ihm der Abscheu gegen jede Sünde noch mehr zunahm und er immer klarer die Notwendigkeit, dafür Buße zu tun, erkannte. Man sollte die Gottesmutter oft darum bitten: Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, daß die Todesangst deines lieben Sohnes uns recht tief zu Herzen gehe.
Der Glorreiche Rosenkranz
Der hl. Rosenkranz führt uns von den freudenreichen über die schmerzhaften zu den glorreichen Geheimnissen des Lebens Jesu. Wir betrachten diese Geheimnisse auch deswegen, weil mit diesen auch unser Leben beschrieben wird, auch dieses ist aus Freude, Leid und Verklärung zusammengewoben. Allein auf das Vorbild Jesu hin können wir uns selber recht begreifen. Aus dem Leben Jesu wissen wir, daß auf das Leid, das in Gott getragene Leid, die Verklärung der Auferstehung folgt. Hören wir auch hierzu die Gedanken des Kalendermanns:
„Der von den Toten auferstanden ist.“
Im Grabe beginnt die Verwesung ihr gräßliches Werk am Leichnam auszuüben. Der Heiland ist in alle Tiefen des Menschenlebens eingedrungen und hat zuletzt noch die schwere Strafe der Adamsschuld, den Tod, erlitten — aber diese wüste Verderbnis, die Schmach der Verwesung, durfte den Leib nicht angreifen, der uns zum Brote des Lebens, zur wundervollen Speise im heiligsten Altarssakramente bestimmt ist, und womit die Apostel und Maria schon gespeist worden waren. Der Tod hat beim Leibe bloß bewirkt, was das Feuer beim Golde: er verzehrte alles Grobe, Erdhafte, Vergängliche an ihm. Der Leichnam ruhte in der Grabeshöhle des Joseph von Arimathäa, wie vor 33 Jahren der neugeborene Kinderleib des Herrn auch in einer Höhle geruht hatte, damals unter dem Schutze eines anderen Joseph. Da und dort war der Leib Christi eine gleichsam in die Erde eingesenkte verborgene Wurzel. Aus dem Kindesschlaf in der Höhle von Bethlehem wuchs das große Leben, Wirken und Leiden des Erlösers hervor. Aus dem Todesschlaf in der Höhle zu Jerusalem ging Christus als Sieger, König und göttlicher Regent hervor. — Wem wird er sich zuerst in seinem neuen herrlichen Leben gezeigt haben? Zuerst sicher seiner betrübten Mutter. Davon steht freilich nichts in der Schrift. Die erste Erscheinung, von der geschrieben steht, hatte Maria Magdalena. Von allen Jüngern und Jüngerinnen war sie die erste, sicher darum, weil sie mit der größten Liebe am Meister hing und am trostlosesten war über seinen Verlust. Wer aber konnte Jesus mehr lieben als seine Mutter, wer vom Karfreitag bis zum Sonntag mehr leiden als sie? Sie bedurfte des ersten Trostes.
Von allen Freuden nun, die Maria auf Erden erlebt hat, war die größte der Anblick ihres auferstandenen Sohnes. Wollten wir diese Freude ermessen können, so müßten wir vorerst ihren Schmerz ermessen können bei der Kreuzigung, Kreuzabnahme und Grablegung — das ist aber unmöglich, dieser Schmerz war groß wie das Meer; so später auch die Freude.
Indem wir also beten: „Der von den Toten auferstanden ist“, erinnern wir sie an ihre größte Freude und bitten, sie möge im Andenken an diese Freude auch für uns eine Auferstehung zur Herrlichkeit erbitten.
Die Auferstehung des verklärten Leibes
Wie werden wir aussehen, wenn wir aus dem Grabe steigen? In diesem Leben kann der Mensch für seine Gestalt nichts, ob er ein angenehmes Gesicht hat oder ein abstoßendes, ob er gerade Glieder hat oder krüppelhafte, das steht nicht bei ihm, da muß er zufrieden sein, wie er eben gebildet ist. Für die einstige Neugeburt aber ist es anders. Das Aussehen bei der Totenauferstehung haben wir uns selbst zu geben. Dann leuchtet nämlich das Aussehen der Seele durch den Leib. Einige sind dann zum Entsetzen häßlich, andere leuchten und schimmern in Verklärung. Und auch diese sind untereinander nicht gleich. Einige werden leuchten wie die Sonne, andere wie der Mond, andere wie die Sterne, ihre Verklärung ist verschieden. Nun siehe, das hast du jetzt in deiner Gewalt; solange noch Atem in dir ist, arbeitest du an deiner künftigen Gestalt. Wenn du alle Tage im redlichen Kampfe wider das Böse, wenn du durch Wachen und Beten, durch Sakramentenempfang und Übung vieler guten Werke deine Seele veredelst, so verschönerst du damit alle Tage auch deine künftige Leibesgestalt. Wie viel würde mancher dafür geben, wenn er an diesem groben Leibe etwas ändern, ausbessern könnte! Und doch wäre das nur für ein paar Jahre, dann zernagen die Würmer auch das schönste Gesicht. Solltest du nicht lieber alles daransetzen, um deine künftige Auferstehung recht glorreich zu machen? Das ist doch der Mühe wert, wenn es auch nicht ohne mannigfache innere und äußere Plage abgeht. — Ich denke, deine Osterbeichte sollte dich hierin ein tüchtiges Stück vorwärtsbringen oder sollte es vielmehr schon getan haben.
Noch an einen anderen Punkt erinnert dieses Wiedersehen zwischen Jesus und Maria am Ostermorgen, nämlich an das Wiedersehen der Verstorbenen einer Familie in der anderen Welt. Die Liebe von Fleisch und Blut verklärt sich dort oben auch, wird inniger, geistiger, unzerstörbar. Ein Vater, eine Mutter ist in die ewige Ruhe eingegangen. Sie ruhen aus von ihrer Arbeit, wobei die wichtigste und mühsamste die christliche Erziehung ihrer Kinder war. Sie ließen dieselben zurück im unsicheren Kampfe des Lebens und erwarten voll Sehnsucht, daß sie nachkommen. Da zieht einmal wieder ein Triumphzug durch die Straßen des himmlischen Jerusalem. Eine Seele hält ihren Einzug. Sie eilen hinzu — es ist ihr Kind. Welches Wiedersehen!
Gestärkte Hoffnung
Alles Leiden verwandelt sich aufgrund der Erlösungsgnaden in Freude, echte Freude, ewige Freude. Darum kann es nach der Auferstehung Jesu gar nicht anders sein: „Von allen Freuden nun, die Maria auf Erden erlebt hat, war die größte der Anblick ihres auferstandenen Sohnes.“ Nach diesem Meer von Leid und Schmerz steht ihr göttlicher Sohn plötzlich vor ihr. Die Schmach des Kreuzestodes wandelt sich in den größten Sieg, den unsere Menschenwelt je erlebt hat und erleben wird. Ihr über alles geliebter Sohn steht verklärt in unbegreiflicher Schönheit und strahlender göttlicher Herrlichkeit vor ihr. Der auferstandene, verklärte Weltenheiland macht jedem, der sie sehen will, die Hoffnung auf das ewige Leben sichtbar. Mit dem Beten des hl. Rosenkranzes wird diese übernatürliche Hoffnung in unserer Seele gestärkt – so sehr gestärkt, daß sie alle von Gott gefügten Prüfungen überdauert. Wir sollen immer wieder den Auferstandenen vor Augen haben, damit unsere Hoffnung niemals wankt, mögen auch die Stürme des Lebens heftig sein.
Erwägen wir abschließend, was Alban Stolz zum Ausklang seiner Rosenkranzgedanken zu bedenken gibt.
Schluß
Wie die heilige Messe eine kurze Zusammenfassung des ganzen Lebens Jesu Christi ist, wie bei der heiligen Messe die Person Christi und alles, was er für uns getan und gelitten hat, dem himmlischen Vater vorgestellt wird: so führen uns die Geheimnisse des Psalters das Leben Christi in Verbindung mit dem Leben seiner heiligsten Mutter vor. Indem nun jedes Geheimnis zehnmal nacheinander ausgesprochen wird, soll es sich unserer Seele desto tiefer einprägen. — Vom hl. Andreas Avellinus ist bekannt, daß er geradezu geizte mit seiner Zeit. Er hat wenigstens sechs Stunden jeden Tag ausschließlich dem Gebet gewidmet und außerdem noch jeden Augenblick der freien Zeit, die ihm in seinen vielfältigen äußerlichen Geschäften übrig blieb. So kam er so weit, daß er nie ein unnützes Wort sprach, auch nie etwas unnütz anschaute; denn alles, was er sah, erweckte bei ihm religiöse Gedanken. Bei seinen rastlosen Geschäften glich er einem Schutzengel, der sich sorgfältig um das Heil der ihm anvertrauten Menschen annimmt, und doch zugleich Gottes Wesenheit unaufhörlich anschaut und selig darin ist. —
Die Umwandlung der Seele durch das Rosenkranzgebet
Wenn man nur die Zeit benützen wollte während der Arbeit, beim Ausgehen, in schlaflosen Stunden der Nacht, um den Rosenkranz zu beten, so würde die heilsame Wirkung sich bald zeigen. Die Seele kommt dadurch in heiligen Umgang, sie gewöhnt sich jetzt schon an Dinge, welche jenseits in ewiger Wirklichkeit die Freude der seligen Geister sind, und bereitet sich dadurch vor, als gleichgestimmter Geist bei ihnen aufgenommen zu werden. —
Wenn du dich besinnst, so wirst du selbst erkennen, daß du nichts Besseres und Heilsameres denken und anschauen kannst als die Bilder und Geheimnisse des Psalters. An was die Seele sich in ihren Gedanken gewöhnt, das wird sie zuletzt selbst. Unsere Seele muß allmählich umgewandelt werden, muß ganz andere Gedanken und Wünsche bekommen, gleichsam ein anderes Antlitz, wenn sie fleißig in den Spiegel des Lebens Jesu und Marias schaut, welchen die 15 Geheimnisse des Rosenkranzes uns vorhalten. So wird der fleißige Gebrauch daraus eine wahre Himmelsleiter machen mit 15 Sprossen.
Maria, sei gegrüßt! Die Gnade dich umfließt, du aller Frauen Zier! Es ist der Herr mit dir!
Du bist gebenedeit, o Jungfrau, alle Zeit!
Gelobt soll Jesus sein, die Frucht des Leibes dein; o bitte für uns jetzt, im Tode auch zuletzt!
Mutter, deine Demut nennet dich des Herren Dienerin; doch die Christenschar bekennet dich als Himmelskönigin; fleh an deines Sohnes Throne für die Deinen allezeit, daß er huldreich unser schone; steh uns bei im letzten Streit. Amen.
Der hl. Rosenkranz ist tatsächlich ein treuer Lebensbegleiter. Jeder eifrige Rosenkranzbeter kann es täglich erleben: Die Seele kommt dadurch in heiligen Umgang, sie gewöhnt sich jetzt schon an Dinge, welche jenseits in ewiger Wirklichkeit die Freude der seligen Geister sind, und bereitet sich dadurch vor, als gleichgestimmter Geist bei ihnen aufgenommen zu werden.