Gedanken zum Fest Christi Himmelfahrt

Unsere hl. Liturgie, also der katholische Gottesdienst, ist lebendiger, gebeteter Glaube, formt sich doch unser Beten ganz aus den übernatürlichen Glaubenswahrheiten. Darum beten Andersgläubige auch anders als wir Katholiken, weil sie in vielerlei Irrtümern über Gott und der Erlösungsordnung befangen sind. Das gilt natürlich auch für den Irrtum des Modernismus.



Es ist schon merkwürdig, wenn sich sog. Traditionalisten wieder und wieder darüber aufregen, daß die „Liturgie“ in der vom Modernismus durch und durch geprägten Menschenmachwerkskirche nicht den traditionellen Formen entspricht und z.T. ganz abenteuerliche, ja gotteslästerliche Formen annimmt. Seit nunmehr 50 Jahren protestieren diese Leute bei den Bischöfen oder auch in Rom gegen derartige „liturgische Entgleisungen“, ohne einzusehen, daß ihr Protest unsinnig ist. Denn die Menschenmachwerkskirche hat natürlich keine katholische Liturgie, genauso wie ganz selbstverständlich der Protestantismus keine solche mehr hatte, weil der Glaube ein anderer geworden war.

Es ist ein eigentümliches Phänomen ganz besonders bei den sog. Traditionalisten, daß sie diese Tatsache einfach nicht wahrhaben wollen. Sie wollen einfach nicht begreifen: Die sog. Neue Messe ist ihrem Wesen nach und bliebt darum auch immer eine experimentelle „Liturgie“, zu ihr gehört entsprechend der modernistischen Auffassung ganz einfach ein weiter Spielraum von Gestaltungsmöglichkeiten. Die sog. Neue Messe ist ihrem Wesen nach kein festgelegter und festgefügter Ordo Missae, sie lebt von der Vielfalt und gibt dieser weiten Raum. Erst dann, wenn man diese Tatsache einsieht und anerkennt, wird man befähigt, den Unterschied zur katholischen Liturgie zu begreifen.

Blickt man zurück in die Vergangenheit, so zeigt sich auch in dieser Beziehung der entscheidende Bruch während des sog. 2. Vatikanums. Obwohl der Ritus selber auf diesem noch nicht geändert wurde, wurde dennoch die geistige Grundlage zu einem ganz neuen, der Irrlehre des Modernismus entsprechenden Ritus gelegt. Bis dahin begnügten sich die Modernisten mit eher vorsichtig zu nennenden Änderungen.

Dazu sind wir kürzlich über einen Text gestolpert, der das Gesagte recht gut veranschaulichen kann. Zur Vorbereitung auf das Fest Christi Himmelfahrt griffen wir nach einem Schott-Meßbuch und lasen darin die Einführung. Während des Lesens begannen die Gedanken plötzlich zu stocken, denn die Erklärung hörte sich etwas befremdend an. Als wir daraufhin nach dem Erscheinungsjahr suchten, wurde alles klar. Der Schott stammte aus dem Jahr 1966, war also kurz nach dem „2. Vatikanum“ gedruckt worden. Als nächstes suchten wir einen älteren Schott aus dem Jahr 1954 und lasen darin ganz ohne zu stocken, weil darin nichts den katholischen Sinn Befremdendes gesagt wurde. Wir möchten dem Leser hier nun diese beiden Einführungen zum Fest Christi Himmelfahrt zum Vergleich darbieten.

Im Schott von 1954 heißt es:

In Ascensione Domini (Christi Himmelfahrt)

Dupl. I. class. mit privileg. Oktav dritter Ordnung – Farbe weiß .Stationskirche: St. Peter

1. Die Himmelfahrt des Heilandes ist die Krönung und Vollendung seines gottmenschlichen Lebens auf Erden. Unter den Siegesgesängen der vereinigten Himmelschöre öffnen sich für ihn die Tore des Himmels; mit seiner verklärten Menschheit, begleitet von den Erstlingen der Erlösung, den Vätern aus der Vorhölle, tritt Jesus als König ein in die blendende Gottesherrlichkeit. Statt mit der schimpflichen Dornenkrone ist er nun mit «Ehre und Herrlichkeit» gekrönt. Er sitzt auf dem höchsten Throne und hat von seinem Vater unumschränkte Herrschergewalt erhalten über alle Völker der Erde. Als mitleidsvoller, mit unsern Schwachheiten vertrauter Hoherpriester zeigt er dem Vater ohne Unterlaß die Wundmale, die er auch in seiner Verklärung beibehalten wollte, und bewegt ihn dadurch zum Erbarmen. Er ist unser Fürsprecher beim Vater (1 Joh. 2, 1).

2. Christus zog nicht allein in den Himmel ein, an seinem Triumphzug nahm die ganze menschliche Natur teil. «Gott», sagt der hl. Paulus (Eph. 2, 4-6), «hat uns mitbelebt in Christus und mitauferweckt und in Christus Jesus mitversetzt in den Himmel.» Er ist nicht allein aufgefahren, er hat nicht allein den Thron der Herrlichkeit bestiegen, sondern wir mit ihm: «Gottes Sohn hat die mit ihm als Glieder zu einem Leibe zusammengeschlossenen Gläubigen zur Rechten des Vaters gesetzt» (hl. Leo der Große). So findet das erhabene Geheimnis der Himmelfahrt seine Fortsetzung, bis mit der Aufnahme des letzten Auserwählten der mystische Leib Christi seine Vollendung erreicht haben wird.

3. Freuen wir uns über den Triumph unsres göttlichen Heilandes, der nun der «König der Glorie» ist. «Wenn ihr mich liebtet, würdet ihr euch freuen, daß ich zum Vater gehe» (Joh. 14, 28). Wir sollen aber auch selbst ein sehnsüchtiges Verlangen erwecken nach der Seligkeit des Himmels, unsrer einstigen Heimat. «Was droben ist, suchet, wo Christus ist zur Rechten des Vaters» (Kol. 3, 1). Beachten wir auch, daß der Heiland vom Ölberg, der Stätte seines Leidensbeginnes, zum Himmel aufgefahren ist; so müssen auch wir «durch viele Trübsale ins Himmelreich eingehen» (Act. 14, 22).

4. Ursprünglich war die gottesdienstliche Feier der Auffahrt des Herrn mit dem Pfingsttage verbunden gewesen (s. S. 567). Um das Jahr 400 aber war ihr bereits auch ein eigener Tag geweiht. Als selbständiges Fest gewann es von den ältesten Zeiten her gerade in der Mutterkirche von Rom eine hervorragende Stellung. War Ostern das Fest des Sieges Jesu Christi, so erscheint das heutige als das Fest des triumphierenden Einzuges des Ostersiegers in die ewige Lichtstadt des Himmels, wo er als unser glorreicher Mittler und König thront («Rex gloriae»). In der Frühzeit des Kirchenjahres war dieser Tag der Abschluß der großen Feste des Erlösers. «Die Himmelfahrt Christi ist die Vollendung und Erfüllung aller seiner übrigen Feste und ein glückseliger Beschluß der ganzen irdischen Laufbahn des Gottessohnes» (hl. Bernhard, † 1153).

5. Wir sind um Petrus geschart (Stationskirche). Mit ihm schauen wir zu dem in den Himmel Erhöhten auf, an dem wir liebend hängen. Er tröstet uns durch die Versicherung seiner Wiederkunft (Intr.). Wir verlangen, dem Geiste nach im Himmel zu leben (Oratio). Lukas und Markus berichten uns die näheren Einzelheiten der Himmelfahrt Christi (Lesung, Evang.). Freudig begrüßen wir Christus als König (Allel., Offert.) und gehen ihm entgegen, der als verklärter Gottkönig in der hl. Wandlung zu uns kommt und in uns die Gnaden seiner Himmelfahrt wirkt (Comm.).

Im Schott von 1966 liest man dagegen:

FEST DER HIMMELFAHRT DES HERRN

Stationskirche: St. Peter - 1. Klasse - weiß

DER AUFSTIEG ZUM HIMMEL - Biblische Besinnung

Legendäre Überlieferungen von Menschen, die den Himmel erstiegen haben sollen, sind uns aus der altorientalischen Welt bekannt. Das Alte Testament wertet sie als Ausdruck wahnsinniger Vermessenheit. Und doch haben auch in der Schrift selbst solche Überlieferungen ihren Platz gefunden: da ist eine „Himmelfahrt“ des Henoch und des Elias; nach jüdischer (außerbiblischer) Überlieferung auch des Moses. Man mochte auf diese Weise die Tatsache erklären, daß die Grabstätten dieser Männer nicht aufzufinden waren. Dazu kommt ein geistig religiöses Moment: diese Menschen konnten zum Himmel aufsteigen, weil sie „gerecht“ und „vollendet“ waren, aber nur weil Gott selbst sie „hinwegnahm“; außerdem müssen sie zur Erde zurück, um ihr Leben zu beschließen und die Nähe der Endzeit zu verkünden. Nun steht die theologische Überlegung des Urchristentums vor der Himmelfahrt Christi als einer Tatsache; wie hat sie diese Himmelfahrt verstanden und gedeutet?

Zunächst finden wir eine noch stark jüdisch geprägte Auffassung, die von der Himmelfahrt Christi in Ausdrücken spricht, wie sie der jüdischen Umwelt geläufig waren: Christus wurde „hinweggenommen“, so etwa wie Henoch und Elias, und wie diese wird auch er in der Endzeit wieder zur Erde kommen (Apg 1, 9-11). Hier müssen wir unterscheiden zwischen der Wirklichkeit des Ereignisses und der bildhaften Form seiner Darstellung: Bei Gott Vater gibt es nicht rechte und linke Seite, also hat Christus sich nicht zu seiner Rechten gesetzt in grob materiellem Sinne. Was den Aufenthaltsort des auferstandenen Herrn betrifft, sollen wir uns davon jedenfalls keine allzusehr materiellräumliche Vorstellung machen.

Im übrigen führen andere Stellen des Neuen Testaments uns von der bildhaften Darstellung weg und mehr zur Sache selbst hin. Sie betrachten die Himmelfahrt Christi als das normale Gegenstück seiner Erniedrigung am Kreuz (Phil 2, 6-11); in ihr vollzieht sich das Grundgeschehen des Ostermysteriums: durch den Tod zum Leben, durch das Kreuz zur Herrlichkeit. Noch eine andere Seite der Himmelfahrt Christi zeigt uns der Epheserbrief und der 1. Petrusbrief: indem er von der unteren Welt bis in den Himmel hinaufsteigt, offenbart der Herr seine universale Herrscherstellung. Aus dieser Allherrschaft Christi ergibt sich für die Kirche der Auftrag, das Evangelium in alle Welt hinauszutragen, Mk 16, 19-20.

Schließlich gewährt uns die Himmelfahrt Christi, als sein feierliches Eingehen in die Herrlichkeit des Vaters, einen Einblick in seine neue Seinsweise: Fülle des Lebens, Glanz der Freude und Herrlichkeit, die er auch der ganzen Menschheit mitteilen will, wie es die Sendung des Heiligen Geistes bestätigt (Apg 1, 8). Das Aufsteigen Christi zum Vater ist Anfang und Vorspiel des Aufsteigens der ganzen erneuerten Menschheit (Offb 7). So ist das Himmelfahrtsfest das Fest der Königsherrlichkeit Christi in dem neuen Reich, zu dem wir alle unterwegs sind.

Die Entmythologisierung der Heiligen Schrift

Jedem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, daß die Erklärung des Festes Christi Himmelfahrt im Schott von 1966 irgendwie anderen Geistes ist als die „alte“ Erklärung von 1954. Die meisten Leser werden den Grund dafür nicht sofort und eindeutig benennen können, aber dennoch von der Richtigkeit dieser spontanen Einschätzung überzeugt sein.

Es will einem etwa nicht so recht einsichtig werden, was die legendären Überlieferungen aus der altorientalischen Welt von Menschen, die angeblich den Himmel erstiegen haben, über die Himmelfahrt unseres Herrn aussagen sollen, wenn sie das Alte Testament einerseits als Ausdruck wahnsinniger Vermessenheit wertet, anderseits sich aber auch in diesem solche (!) Überlieferungen ihren Platz gefunden haben, wie etwa eine „Himmelfahrt“ des Henoch und des Elias. Wenn dann noch das religiöse Moment hinzukommt – diese Menschen konnten zum Himmel aufsteigen, weil sie „gerecht“ und „vollendet“ waren, aber nur weil Gott selbst sie „hinwegnahm“ – und sogar deren Wiederkommen in diese Welt erwartet wird, um ihr Leben zu beschließen und die Nähe der Endzeit zu verkünden, so werden die Zweifel noch vermehrt. Was soll damit eigentlich genau gesagt, bzw. bezweifelt werden?

Nun, irgendwie ahnt man aus dem Gesagten und noch mehr aus dem darin Angedeuteten das für die moderne Exegese typische Vorgehen, nämlich das geschichtliche Fundament zu unterhöhlen. Wenn es dann weiter heißt: „Man mochte auf diese Weise die Tatsache erklären, daß die Grabstätten dieser Männer nicht aufzufinden waren“, so fragt man sich unwillkürlich: Wollte man das etwa mit der Himmelfahrt unseres Herrn auch? Sollte sie nur erklären, warum man keinen Leichnam fand, warum das Grab leer war? Wir wissen, daß durch den Modernismus das tatsächlich so gesehen und durchaus behauptet wurde: In Wirklichkeit war das Grab nicht leer, weil es ja gar keine Wunder gibt und darum auch Christus nicht wirklich, echt, nicht tatsächlich von den Toten auferstanden sein kann. Das leere Grab und die Geschichte der Auferstehung Jesu ist eine reine Projektion aus dem Glauben heraus – und natürlich auch genauso die Himmelfahrt. In der Wirklichkeit kann das ganz anders gewesen sein – und ist es natürlich auch ganz anders gewesen. Weder die Auferstehung noch die Himmelfahrt sind geschichtliche Ereignisse.

Genau in diesem Stil geht es weiter, wenn gefragt wird: „Nun steht die theologische Überlegung des Urchristentums vor der Himmelfahrt Christi vor einer Tatsache; wie hat sie diese Himmelfahrt verstanden und gedeutet?“ Ist also die Himmelfahrt nur für die „theologische Überlegung des Urchristentums“ eine Tatsache, oder ist diese Tatsache ganz einfach und unverrückbar eine katholische Glaubenswahrheit und damit ganz selbstverständlich auch eine Glaubenswirklichkeit, weil sie uns als solche uns von Gott offenbart wurde? Haben die Christen der ersten Jahrhunderte die Himmelfahrt Christi sich nur so vorgestellt und so geglaubt, oder ist sie damals wirklich geschehen, so wirklich geschehen, daß die Apostel Augenzeugen davon waren? An der rechten Antwort auf diese Frage hängt unser übernatürlicher Glaube. Unser hl. Glaube gründet doch nicht auf bloßen Vorstellungen des Urchristentums, sondern er basiert auf geschichtlichen Tatsachen.

Genau dasselbe läßt sich über die Feststellung von der „stark jüdisch geprägten Auffassung“ sagen, „die von der Himmelfahrt Christi in Ausdrücken spricht, wie sie der jüdischen Umwelt geläufig waren“. Spricht man in diesen Ausdrücken von der Himmelfahrt unseres göttlichen Erlösers, weil man die eigenen Wunschvorstellungen irgendwie in Worte fassen mußte, oder deswegen, weil man ganz selbstverständlich das selbst Erlebte in denjenigen Worten berichtet, die einem am vertrautesten sind?

Ebenfalls seltsam mutet einen die Überbetonung der Zurückweisung der bildlichen Vorstellung an. Natürlich gibt es bei Gott Vater „nicht rechte und linke Seite, also hat Christus sich nicht zu seiner Rechten gesetzt in grob materiellem Sinne“ – aber wie sollen wir uns bitte die Übernahme der himmlischen Herrschaft durch Jesus Christus anders vorstellen, ist doch unsere Vorstellung immer bildhaft, also an Bilder gebunden? Ist mit einer solchen Art der Kritik der „allzusehr materiellräumlichen Vorstellung“ nicht eine Entwirklichung unseres Glaubens verbunden, wie es für den Modernismus typisch ist? Letztlich hat der Modernismus gerade unter dem Vorwand der Vergeistigung unseren hl. Glauben entwirklicht und zu einem reinen Phantasieprodukt der Urgemeinden erniedrigt! Denn ein Glaube ohne geschichtliche Grundlage ist ein reiner Irrwahn. Mit Hilfe der sog. Entmythologisierung der Heiligen Schrift wurde der übernatürliche Glaube nicht noch mehr vergeistigt, sondern der allgemeinen Zweifelsucht ausgeliefert. Mit anderen Worten: Es wurde allen modernen Irrtümern Tür und Tor geöffnet.

Die anthropozentrische Wende

Der Autor des 1966er-Schott-Kommentars scheint zwar noch nicht ganz im Modernismus versunken zu sein – man könnte sagen, er möchte wenigstens noch abstrakt den katholischen Glauben festhalten –, aber dessen Ungeist erfüllt schon all seine Gedanken. Jedenfalls hat er mit dem „2. Vatikanum“ die sog. anthropozentrische Wende voll und ganz mitvollzogen: nicht mehr Gott, sondern der Mensch bzw. die Menschheit steht fortan im Mittelpunkt aller Erwägungen. Dementsprechend heißt es: „Schließlich gewährt uns die Himmelfahrt Christi, als sein feierliches Eingehen in die Herrlichkeit des Vaters, einen Einblick in seine neue Seinsweise: Fülle des Lebens, Glanz der Freude und Herrlichkeit, die er auch der ganzen Menschheit mitteilen will, wie es die Sendung des Heiligen Geistes bestätigt (Apg 1, 8). Das Aufsteigen Christi zum Vater ist Anfang und Vorspiel des Aufsteigens der ganzen erneuerten Menschheit (Offb 7).“

Wenn man das Aufsteigen der „ganzen erneuerten Menschheit“ mit Christus zum Vater wörtlich und ernst nimmt, dann ist darin schon die Allerlösungslehre Karol Wojtylas, alias Johannes Paul II., vertreten. Genauso klingt dann auch der Schlußsatz: „So ist das Himmelfahrtsfest das Fest der Königsherrlichkeit Christi in dem neuen Reich, zu dem wir alle unterwegs sind.“ Das ist nichts anderes als das „pilgernde Gottesvolk“ des „2. Vatikanums“ – wobei das „pilgernde Gottesvolk“ die ganze Menschheit ist! –, das unterwegs ist zum Punkt Omega des Teilhard de Chardin. Ja, in der Tat, alle sind wir unterwegs – und später wird man sagen: Der Weg ist unser Ziel.

Übrigens: Der Ritus des Schott-Meßbuches von 1966 entspricht noch weitgehend dem 62er Ritus – nur mit Einschub der Fürbitten nach dem Credo und ohne Schlußevangelium. Wobei freilich jedem aufmerksamen Beobachter klar war, lange wird dies nicht mehr so sein. Der „neue“ Ritus, der dem modernistischen Glauben entsprach, stand schon in den Startlöchern. Wie wir heute wissen, wird dieser „neue“ Ritus sodann in Windeseile die Welt erobern, weil diese schon vorher weitgehend ihren katholischen Glauben verloren und den „neuen“ modernen Glauben angenommen hatte.

Im Folgenden soll eine „alte“ Predigt zum Fest Christi Himmelfahrt wiedergegeben werden – immerhin 186 Jahre alt! – um zu zeigen, daß das Alter überhaupt keine Bedeutung hat, wenn es um unseren hl. Glauben geht, bleibt doch dieser immer gleich. Die Sprache mag zwar hie und da veraltet klingen, die Gedanken hingegen sind einfach nur wahr.

Christi Himmelfahrt,

Gehalten zu Bischofsheim an der Rhone 1834.

Dominus Jesus assumptus est in coelum, et sedet a dextris Dei. Jesus, der Herr, ward aufgenommen in den Himmel, und sitzt zur Rechten Gottes. Mark. 16, 19.

Dreiunddreißig Jahre lang war Jesus Christus auf Erden umhergewandelt; Ehre hatte er Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden gegeben, die eines guten Willens waren. Von einer Grenze des jüdischen Landes bis zur andern war beseligend der Schall seines Wortes gedrungen; Himmel, Erde und Meere hatten die Kraft seiner Wundermacht erfahren: die Blinden sahen, die Tauben hörten, die Stummen sprachen, die Lahmen gingen, die Toten waren aufgestanden, was krumm war, war gerade, was Berg war, war nun eben, was verloren war, ward gesucht und gefunden, der hochangefüllte Leidenskelch war bis zum letzten Tropfen ausgeleert, die Menschen waren erlöst, die priesterlichen, königlichen und gemeinen Feinde vor der ganzen Welt beschämt; Jesus Christus war mit Macht am dritten Tage auferstanden, und nun war auch der Augenblick gekommen, da er, sich erhebend über alle Himmel, auffahren sollte zu seinem Vater und zu unserm Vater, zu seinem Gott und zu unserm Gott. Erst vor einigen Wochen war Jesus, betrübt bis in den Tod, an den Ölberg gegangen, seinen Blutschweiß zu vergießen; heute geht er nun wieder, und zwar zum letzten Male, an denselben Ölberg – nicht mehr betrübt bis in den Tod, wohl aber hocherfreut bis zum Entzücken. Vor wenigen Wochen führte ihn Judas und die Schaar der Mörder vom Ölberge hinweg zu Pilatus, zum grimmigen hohen Rate, zum schmerzhaftesten Tode, und heute begleitet ihn die Schar der Engel, eine Menge erlöster Seelen vom Ölberge hinweg zu seinem himmlischen Vater, zum Throne der ewigen Majestät. Ja, die Stunde der Verherrlichung ist gekommen, da Jesu durchbohrte Füße die erlöste Erde zum letzten Male betraten, seine durchbohrten Hände die Jünger zum letzten Male segnen sollten. Die Jünger waren bereits an den Ölberg gekommen, erwartungsvoll standen sie beieinander, und fragten sich wohl oft, was denn der Meister ihnen heute offenbaren würde, und warum er sie gerade hierhergeführt? Auf einmal stand Jesus mitten unter ihnen stille. Seine verklärte Gestalt zeigte sich jetzt in noch herrlicherem Glanze; denn so wollte er scheiden, damit seine letzte Erscheinung in liebevoller Majestät in den Herzen seiner Jünger unvertilgbar bleiben sollte. Eine feierliche Stille herrschte ringsum, denn alle Jünger sahen jetzt im ganzen Wesen des Heilandes wieder etwas ganz besonders Feierliches. Jetzt öffnete Jesus Christus das letzte Mal auf Erden vor dem Gericht seinen göttlichen Mund, und sprach – O was sprach Er? Teuer und unvergeßlich sind uns die letzten Worte unsrer scheidenden Eltern und Freunde, begierig sind wir auf die letzten Worte großer, heiliger Menschen; und nun spricht Jesus seine letzten Worte – sie sind die schönste Vollendung seiner schönen Lehren – unvergeßlich seinen Jüngern, unvergeßlich den Engeln, unvergeßlich den Menschen. Wer brennt nicht vor heißer Begierde, diese Worte zu hören? Jesus aber sprach: „Ich fahre nun auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen; ich gehe nun hin, euch eine zu bereiten. Ich gehe nun hin, euch eine Wohnung zu bereiten. Ich mußte leiden, und am dritten Tage auferstehen, damit in meinem Namen Buße und Vergebung der Sünden überall verkündet werde. Ich gehe hin, damit der Tröster zu euch komme; ja ihr werdet die Kraft des Hl. Geistes empfangen, der über euch kommen wird, und werdet in Jerusalem und Judäa, in Samaria und bis in die entferntesten Gegenden der Erde Zeugen von mir sein. Wer glaubt und getauft sein wird, wird selig, wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden. Folgende Wunder werden aber diejenigen, welche glauben, begleiten: In meinem Namen werden sie Teufel austreiben, neue Sprachen reden, Schlangen aufheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden, werden Kranken die Hände auflegen, und sie werden gesund werden. Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden! Gehet hin und lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehret sie halten Alles, was ich euch befohlen habe, und sehet! Ich bin bei euch alle Tage bis an’s Ende der Zeit.“ Und nun schwieg Jesus, um auf Erden nichts mehr zu sprechen bis zum Tage des Gerichtes. – Jetzt erhob er seine Hände zum letzten Segen – die Jünger fielen anbetend auf ihre Knie nieder – immer höher und höher schwebt der König Himmels und der Erde – der Dank der Engel schallt ihm entgegen, der Dank der Erde schallt ihm nach – siehe! Da wogt langsam eine goldene Wolke heran und entzieht den Erlöser den Erlösten, den Vater seinen im Erdentale trauernden Kindern, den Meister und Lehrer den Jüngern, sie entzieht ihn, bis sie ihn einst zum Throne dienen wird, wenn er auf ihr in großer Macht und Herrlichkeit wiederkommt, zu richten die Lebendigen und die Toten. Und nun setzte sich der Sohn zur Rechten des Vaters, bis dieser ihm seine Feinde zum Schemel seiner Füße legt. – Unverwandt waren die Augen der Apostel emporgerichtet, wo sie den Herrn hatten verschwinden sehen – sie sahen hinauf – aber sie sahen den Herrn nicht mehr. Noch vor einigen Augenblicken sprach er so liebevoll mit ihnen; sie sahen sein göttliches Angesicht, seine unendliche Milde, hörten seine beseligenden Worte – und jetzt sehen sie hinauf zum Himmel, sehen aber Jesum nicht mehr – er ist auferstanden, aufgefahren und nicht mehr hier.

Sollte man nicht denken, die Jünger Jesu wären in tiefe Trauer versetzt worden, da sie nun eine verlassene, furchtsame Herde ohne ihren starken Hirten waren? Nein! Sie waren nicht traurig; sie waren voll Freude, wie uns die Hl. Schrift ausdrücklich versichert. Freude gewährte ihnen also die Himmelfahrt des Herrn. Bei seiner Freude sollten sie nicht trauern, und darum soll auch uns die Himmelfahrt Jesu zur Freude gereichen, denn

I. Gewährt sie Trost, II. Gebietet sie Sehnsucht.

I. Nicht Trauer, wohl aber Freude und Trost empfanden die Jünger bei der Himmelfahrt Jesu. Eben erst hatte ihnen ja Jesus gesagt, daß er hingehe, um ihnen eine Wohnung zu bereiten; wenn nun uns Gott erschiene und sagte: Fürchtet euch nicht! denn seht, ich verlasse euch jetzt, aber nur deswegen, um euch im Himmel dort einen Platz zu bereiten! wer von uns würde da traurig sein können? Eben hatte Jesus seinen Jüngern gesagt: Er werde bei ihnen bleiben alle Tage bis an's Ende der Welt, und irdische und höllische Macht solle ihnen nicht schaden; Jesus will also mit seinem Geiste bei und in ihnen sein und zwar alle Tage, und die Jünger sollten auf diese Worte ein Mißtrauen setzen? Hätte es aber nicht so geschienen, wenn sie sich dem Schmerze des Scheidens überlassen hätten? In jenem Augenblicke, da sie den Heiland nicht mehr mit ihren Augen sahen, wußten sie ja doch, daß er dessen ungeachtet mitten unter ihnen war – mit seinem Geiste; sie sahen ihn mit den Augen ihrer Seele, hörten ihn durch die Stimme des Gewissens und Glaubens. Kein Übel soll ihnen schaden; ja sie sollen die Macht haben, Übel zu entfernen, sogar der Fürst der Finsternis soll ihre Macht empfinden und vor ihnen beben – und darüber sollten sie traurig sein? Das Heil der Kranken hatte Jesus in ihre Hände gelegt; so sind sie beauftragt, den Schmerz zu verscheuchen, und sie selbst sollten jetzt Schmerz empfinden, und kein Heil für die Wunde des Scheidens in ihren Herzen haben? Ist nicht denen die Traurigkeit eine Sünde, welchen Gott den Tröster, den Heiligmacher, den starken und heiligen Geist versprochen? Noch fühlten sich die Jünger schwach, ungelehrig, und fürchteten sich vor den Juden und Heiden; nun aber erwarten sie den Hl. Geist, der ihnen das vollste Verständnis der heiligen Schriften mitteilen, sie gelehrig und stark machen, der ihnen alle Furcht vor den Menschen benehmen sollte, und sie sollten traurig sein? Aber die Bedingung der Sendung des h. Geistes war eben das Scheiden Jesu. „Wenn ich nicht von euch scheide, kann der Tröster nicht zu euch kommen,“ sagte ja Jesus selbst. Die Jünger wußten nun, daß der Hl. Geist an Jesu Stelle treten, daß also dieser Heilige Geist eben so liebevoll, gütig, mächtig sein werde wie Jesus, ja daß er die Fülle alles Trostes in sich haben müsse, weil ihn ja Jesus besonders den Tröster genannt hat. Wie konnten also die Apostel in der Hoffnung eines allmächtigen Trostes trostlos und niedergeschlagen sein? Jesus fuhr vor den Augen seiner Jünger in den Himmel. Wem allein ist dieses möglich, als dem Allmächtigen? und erkannten sie hieraus nicht auf's Neue die göttliche Macht ihres Meisters? Sahen sie jetzt, da er am Himmel schwebte, nicht in der Wirklichkeit, was er kurz vor seinem Auffahren mit den Worten kund gab: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden?“ Hier erkannten die Jünger ihren Gott, und darum sagt auch der Evangelist: „da er sich zum Himmel erhob, beteten sie ihn an, kehrten mit großer Freude nach Jerusalem zurück, und waren täglich im Tempel, lobten und dankten Gott.“ Luk. 24, 52–53. Wer Gott in den Himmel auffahren sieht, und die Worte noch im Ohre widerhallen hört, daß ihm eine Wohnung bereitet werden solle, wer vermag hier, sich dem Schmerz hinzugeben? Noch mehr! Die Jünger sahen Jesum in jene Freude zurückkehren, die kein Aug gesehen, sahen ihn zu seinem himmlischen Vater eilen, sahen ihn in seine ewige Herrlichkeit wieder eingehen, und nun, da sie wußten, daß Jesus nicht mehr leiden sollte, daß er sein hohes, hartes Werk auf Erden blutig vollendet hatte und in seine Freude zurückging – jetzt sollten sie sich dem Trübsinne hingeben? Als sie zum Himmel emporschauten, sahen sie plötzlich zwei Engel in glänzendem Lichtgewand vor sich, welche sprachen: „Ihr Männer aus Galiläa! warum steht ihr noch da, und schaut zum Himmel? Seht! Dieser Jesus, der von euch hinweg in den Himmel aufgenommen ward, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn sahet, sich in den Himmel erheben.“ Da nun die Apostel sahen, daß Jesus kaum in sein Reich zurückgekehrt, aus demselben seine Engel schon an sie abgesendet, daß sie schon der Gemeinschaft und Unterredung mit Bewohnern jener Welt gewürdigt werden, daß die Engel die bewillkommenden Jubelstürme beim Eintritte Jesu in den Himmel verlassen müssen, um am Ölberge die Versicherung seiner Verheißungen zu erneuern, daß himmlische Diener ihnen zum Dienste herabeilen; da gehörte wohl eine Traurigkeit unter die unmöglichen Dinge. Die Apostel erfuhren von den Engeln, daß Jesus so wieder zum Gerichte kommen werde, wie sie ihn hätten auffahren sehen; da nun Jesus so liebevoll mit ihnen bei seiner Auffahrt sprach, konnten sie wohl denken, daß er bei seiner Wiederkunft sie strenge behandeln werde? Eben, daß sie seine Auffahrt zu sehen gewürdigt wurden, dies sicherte ihnen die Hoffnung, daß Jesus, wenn er zum Gericht käme, ihnen zum Troste erscheinen würde. Und mit diesen Machtgefühlen seliger Ewigkeit schritten sie nun den Ölberg hinab, der Ankunft des Heiligen Geistes entgegen. Der Ankunft des Heiligen Geistes entgegen Sowie nun aber die Himmelfahrt Jesu den Jüngern Trost und Freude gewährte, so auch uns. Jesus ist, obgleich im Himmel, doch auch auf Erden alle Tage bei uns bis an's Ende der Zeit. Auch für uns ist Jesus aufgefahren, uns eine Wohnung im Hause seines Vaters zu bereiten; darum nun sollen wir jede unmäßige Furcht vor dem Tode bewältigen. Wenn Jesus alle Tage bei uns zu bleiben versprochen hat, wird er nicht auch am Tage unsers Todes bei uns bleiben? Wird er da nicht um so lieber bei uns sein, weil wir im Augenblicke unsers Hinscheidens seinen Trost am nötigsten haben? Wahrhaft! er will es; darum sendet er uns in der Nähe des Todes seinen Priester, daß uns dieser denselben verklärten Leib reiche, der in den Himmel auffuhr, und sitzt zur Rechten Gottes. Und so steigt Jesus von der Rechten des Vaters herab, unsern Todeskampf zu beschwichtigen und uns den Weg zu seinem Throne zu zeigen, will alle Tage bei uns bleiben auf Erden, damit wir alle Tage seien bei ihm im Himmel. Auch uns gelten noch die Worte Jesu, daß wir in seinem Namen Teufel austreiben, neue Sprachen reden, Schlangen aufheben können, und wenn wir etwas Tödliches getrunken, daß es uns nicht schaden soll, daß wir Kranken die Hände auflegen und sie zur Genesung bringen dürfen; wenn wir nun hierdurch gleichsam uns in die Allmacht Jesu teilen, Hölle und Welt besiegen können, werden wir dann nicht im Namen Jesu den Tod zu bezwingen im Stande sein? Wenn wir Krankheiten heilen können im Namen Jesu, werden wir wohl auf unserm eigenen Krankenbette in demselben Namen, Ruhe und Friede finden. Ferner hat Jesus auch für uns den Hl. Geist gesendet, und dieser Geist ist kein matter Tröster. Er ist es, von dem aller Trost kommt, den uns die Menschen geben, und den wir in uns selbst fühlen: sein Trost ist göttlicher Natur, hoch erhebend über die Erdentäler, entzückend mit den Vorgefühlen des dritten Himmels. Es ist Sache eines Trösters, da die größten Trostgründe zu sagen, wo die größte Not uns drückt. Daß dies der Hl. Geist tut, zeigen die Sterbenden, die da meistens im Frieden zu vollenden scheinen. Endlich sitzt jetzt Jesus zur Rechten des Vaters mit offenen, verklärten Wunden der Erlösung; hat nun Jemand gesündigt, so haben wir einen Sachwalter beim Vater, Jesum Christum, den Gerechten, und dieser ist die Versöhnung für unsre Sünden; doch nicht allein für unsre, sondern auch für die der ganzen Welt. Und so haben wir denn gläubig erkannt die Liebe Gottes gegen uns. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Darin aber zeigt sich die Liebe in uns vollkommen, daß wir, wenn Er, wie die beiden Engel sagten, so wiederkommen wird, wie er aufgefahren – am Tage des Gerichts frohe Zuversicht behalten; und das werden wir, wenn wir in dieser Welt so sind, wie Er war. Furcht ist nicht in der Liebe; aber vollkommene Liebe verdrängt die Furcht; denn die Furcht hat etwas Peinliches; wer sich also noch fürchtet, dessen Liebe ist noch nicht vollkommen. Darum laßt uns Gott lieben, denn er hat uns zuerst geliebt – in der Krippe geliebt, am Versöhnungsholze geliebt, in seinem Scheiden geliebt, und liebt uns zur Rechten Gottes. Jesus dort – wir noch hier. Brennt unser Herz nicht vor Sehnsucht, daß seine Körperfesseln fallen, und es sich erhebend über die Fluten der Zeit, sich schwinge in die Jubel des dritten Himmels – zur Rechten des Vaters? Der Aufgefahrene ist im Lande der Freude – wir weinen im Thale der Zähren, darum seufzen die Gerechten nach ihrer Heimat, und darum

II. gebietet uns die Himmelfahrt Jesu die Sehnsucht nach seinem Reich. Was ist der Himmel? Wenn wir fragen: was ist der Himmel? so antworten uns Isaias und Paulus, der nach eigener Aussage bis in den dritten Himmel entzückt war: Es hat's kein Aug gesehen, kein Ohr gehört, und ist in keines Menschen Herz gestiegen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. Wenn wir fragen: was ist der Himmel? so antwortet uns der Liebesjünger: „Der Himmel ist das neue Jerusalem, welches wie eine Braut für ihren Bräutigam geschmückt ist. Gottes Wohnung ist unter den Menschen; sie werden sein Volk, und er wird ihr Gott sein; jede Träne wird Gott von ihren Augen trocknen, der Tod wird nicht mehr sein, aufhören werden Klage, Trauer und Schmerz. Die Mauern des neuen Jerusalem, sagt Johannes ferner, sind Jaspis, die Grundsäulen der Mauern sind aus Edelsteinen; zwölf Thore hat das neue Jerusalem, diese zwölf Thore sind zwölf Perlen; die Straßen der Stadt sind reines Gold, dem durchsichtigen Crystall gleich. Ein Tempel ist nicht im Himmel, denn Gott und Jesus sind selbst der Tempel. Die Himmelsstadt bedarf nicht der Sonne, noch des Mondes, denn die Herrlichkeit Gottes erhellt sie, und das Lamm ist ihre Erleuchtung. Die Völker werden in ihrem Lichte wandeln, die Könige der Erde in ihr ihre Anbetung darbringen, und herrschen werden sie in Ewigkeit. Die Himmelstore werden am Tage nicht verschlossen, denn Nacht herrscht da nicht mehr. Dieser Himmel kommt bald, und mit ihm Vergeltung, je nachdem, was jeder gewirkt hat.“ So spricht Johannes vom Himmel. Wenn wir fragen: was ist der Himmel? antwortet uns Petrus: „Es ist ein unvergängliches, unzerstörbares, unverwelkliches Erbteil.“ I. 1, 4. „Die Wohnung der Gerechtigkeit.“ II. 3, 13. Fragen wir: was ist der Himmel? so sagt uns Jesus: Der Himmel ist die Erkenntnis Gottes und seines Sohnes Jesu Christi. So heißen seine Worte: „Vater! Das ist das ewige Leben, daß sie erkennen Dich, den allein wahren Gott, und Den du gesandt hast, Jesum Christum.“ Gott – Jesus Christus ist der Himmel; darum haben wir keine Ruhe, bis wir im Himmel, d.i. in Gott und Jesus ruhen. Gute Menschen gewähren uns Freude, so lange sie leben; der unendliche Gott gewährt uns Freude, so lange Er lebt, d.i. ewig. Gute Menschen gewähren uns Freude, so viel ihnen möglich ist; Gott gewährt uns Freuden, so viel es ihm – dem Allmächtigen möglich ist – unaussprechliche. Gute Menschen suchen uns alle Tage neue und größere Freuden zu machen; der unendliche Gott läßt jeden Augenblick die himmlischen Freuden wachsen; weil er unendlich ist, werden sie mit der Erkenntnis von ihm immer zunehmen, und nie wird der Augenblick erscheinen, da die Seligen sagen können: jetzt haben wir den Höhepunkt aller Freuden erreicht. Freilich wird der Hochgenuß des Entzückens in ihnen bisweilen den Gedanken rege machen, daß sie nun angelangt seien am Ziele der höchsten Freude; aber in demselben Augenblick wird ihre unaussprechliche Freude von einer noch unaussprechlicheren verdrängt, so daß sie in Ewigkeit rufen werden: Es hats kein Aug gesehen, kein Ohr gehört, und ist in keines Menschen Herz gestiegen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. Jetzt ist's uns klar, warum der hl. Paulus, vertieft in diese Herrlichkeit, ausruft: Ich wünsche aufgelöst und bei Jesus zu sein! Hier lernen wir nun eine apostolische Sehnsucht nach dem Himmel; hier sehen wir ein liebeflammendes Herz, welches mit hoher Freude auf alle Freuden dieser wechselnden Erde verzichtet, welches den Augenblick seiner irdischen Auslösung kaum erwarten kann, um aus dem Meere himmlischer Seligkeit seinen Durst zu stillen. Das nun ist der Himmel, in menschlichen Worten schwach gezeichnet. Jetzt erkennen wir aber auch, warum Millionen Martyrer und Heilige so hohe Sehnsucht nach Foltern, Scheiterhaufen, Schwertern und dem Tode hatten – sie wollen aufgelöst und bei Jesus sein. Diese Sehnsucht nun nach dem Himmelreich ist notwendig; denn in dem Grad wir sehnsüchtig sind, in demselben werden wir arbeiten, den steilen Himmelspfad zu erklimmen. Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz, spricht Jesus; nun können wir leicht ermessen, ob unser Schatz im Himmelreich ist. Leider sehen wir aber ganz andere Himmelreiche, worin sich die Menschen herumtreiben. Siehe dort einen Reichen, wie er im schmutzigen Geldhaufen wühlt! sein Himmel ist ein Klumpen gelber und weißer Erde, Gold und Silber genannt; sein Himmel liegt also im Geldkasten, denn da sind seine Hände und sein Herz. Siehe dort die Eitelkeit, wie sie in Seide starrend, frech dahinschreitet! Ihr Himmel ist ein verführerischer Putz, der von Würmern gemacht, wie der von Würmern zernagt wird – ihr Himmel ist ein zerreißendes Kleid – dies ist ihr Schatz, denn daran hängt ihr Herz. Siehe dort einen Unmäßigen, wie er mit den Lasttieren um die Wette zu trinken vermag – sein Himmel ist der Bauch, dies ist sein Schatz, denn an dieser einst verfaulenden Würmerspeise hängt sein unsterbliches Herz. Siehe dort einen Unzüchtigen! Sein Himmel ist die Lust des Rosses und Maultieres, die keinen Verstand haben … Das Himmelreich leidet Gewalt. Es ist eine schreckliche Wahrheit, daß oft ein unsicherer Erdengewinn die Menschen antreibt, die größten Gefahren zu bestehen, und von einem Weltteile bis zum andern zu eilen, wogegen sie des Himmels wegen keinen Fuß bewegen mögen; es ist schreckliche Wahrheit, daß man den einfachen Worten Jesu in Betreff der ewigen Freude nicht glaubt, und sich vorerst den Himmel mit allen möglichen Farben ausmalen läßt, bis man einmal anfängt, etwas dafür zu tun. Das Himmelreich leidet Gewalt; aber wie viel Gewalt haben wir uns denn schon dafür angetan? Nicht einmal das Leichteste – die Sehnsucht nach dem Himmelreich hatten wir. Wie weit haben wir also noch, bis wir anfangen, nach dem Himmel zu seufzen, bis wir lernen, den Tod willkommen zu heißen, bis wir lernen, mit dem Apostel Alles für Kot und mit Salomon Alles für Eitelkeit zu halten, um das Himmelreich zu erobern! Alles Irdische hat Schwerkraft, und zieht hinab; ohne Last geht man am leichtesten die Höhe hinan. Frei von der Last alles Irdischen, werden wir also um so leichter das Himmlische erreichen. Unser Vaterland ist nicht die Erde; hier ermüdet uns die Pilgerschaft; wem nun aber diese Pilgerschaft gefällt, der liebt sein Vaterland nicht. Hier müssen wir seufzen, weil wir im Tale der Zähren sind; ein Mensch aber, der auf Erden nicht als Fremdling seufzt, kann sich nicht als Bürger im Himmelreiche freuen. Nur dem, der bittet und verlangt, wird gegeben, nur dem, der mit Sehnsucht an der Pforte des Himmels anklopft, wird sie aufgetan, wer das Himmelreich sucht, wird es finden; darum ist nicht derjenige vor Gott reich, der viel besitzt, sondern der, welcher viel begehrt, der viel mit vielem Vertrauen und vieler Sehnsucht verlangt. Was können wir aber mehr verlangen, als den Himmel? O so flieht denn, ihr trügenden Schattengüter der Erde! Die Sehnsucht nach euch, ist Sehnsucht nach – Moder und Verwesung; flieht! denn all eure Reize erfüllen nicht des Menschen großes Herz, welches nur erfüllt wird, wenn es in Gott und Gott in ihm ruht. Dagegen naht uns, ihr Freuden des Aufgefahrenen! Kommt bald, denn wir seufzen im Thale der Tränen und „dürsten nach den Wonneströmen des ewigen Lebens, wie der Hirsch nach der Wasserquelle. Unsre Seele schmachtet nach Gott dem Starken, dem Lebendigen. Wann werde ich kommen und erscheinen vor deinem Angesicht, o Herr! Wenn ich je deiner vergessen könnte, Jerusalem, dann werde meine Rechte der Vergessenheit übergeben. Es klebe meine Zunge an meinem Gaumen, wenn ich mich deiner nicht erinnere, wenn ich nicht Jerusalem an den Anfang meiner Freude setze, da in ihm der Ersehnte aller Gerechten, da in ihm derjenige ist, der hingegangen, um uns Allen eine Wohnung zu bereiten.“ Er ist aufgefahren, um Alle hinaufzuziehen, wie er selbst sagt, und Heil uns! wir sind geknüpft an diese Bande der ewigen Freiheit d. h. der seligen Abhängigkeit vom Aufgefahrnen. Jesus Christus ist zurückgekehrt in's Paradies der Wonne; nicht vier, unzählige Ströme der Freude leitet er herab in's Tränental, die Worte der Weihe, von seinem Throne gesendet, schallen bis an die Grenzen der Erde aus dem Munde von hunderttausend Aposteln; die heilige Kirche blickt in ewigem Brautschmucke über die Teile der Welt und der Zeit, sowie der Aufgefahrene über die Himmel und die Erde. In jedem Augenblicke halten tausend Blicke aus allen Weltteilen eine Himmelfahrt, sowie hunderte von Seelen frommer Vollender dem Aufgefahrenen entgegeneilen. Die leidende Kirche sendet ihre brennenden Seufzer zur Rechten Gottes hin, und die streitende blickt „im Blutkampfe gegen die Sünde“ in die verklärten Wunden der Erlösung. Aus allen Winkeln führt jetzt ein Weg zum Aufgefahrenen, und die vom Dornenpfad zerstochenen Füße der Erdenpilger heilt das emporgewendete Auge im Augenblicke wieder. O Seligkeit! o ewige Seligkeit! Allmächtige Hände bereiten meine ewige Wohnung! Ich soll nur sterben, um ewig mich zu freuen! Ich soll mich auf's Totenlager legen, um von da aus den Thron des Ewigen zu besteigen – um, nach den Worten seines Apostels, ewig mit ihm zu herrschen. O Jesu! Da mein Dank ewig sein muß, und er dir nur gefällt, wenn er selig ist, o so rufe mich zu deiner Rechten! Du hast mich mit den Strömen deines Blutes getränkt, so tränke mich auch mit den Strömen deiner Freude! Ihr Fürsten des Himmels habt eure Tore geöffnet, als der König der Herrlichkeit einzog! Ihr Engel habt: Ehre sei Gott in der Höhe! gesungen, als der Allmächtige hinaufzog – die Gefangenschaft gefangen dahinführend, laßt in eurem unendlichen Begrüßungsjubel unsre Stimmen keine Mißtöne sein! Da liegen die Millionen der Erde im Staube, blicken hinauf zu den ziehenden Wolken, die unsre ewige Sehnsucht verschleiern, aber sie müssen zittern diese Wolken vor dem Schrei der Kinder Evas, die aus dem Tränental rufen: Daß du, Aufgefahrner! unsre Herzen zu himmlischen Begierden und einstens unsern Leib zur ewigen Verklärung erhebest! Wir bitten dich, erhöre uns! Amen!

(Predigten von Georg Joseph Saffenreuter, Zweiter Theil, Verlag der Stahel`schen Buchhandlung, Würzburg 1840, S. 152 – 164, Rechtschreibung weitgehend angeglichen und mit Überschriften versehen.)