Das "Coronavirus" und die daraus folgende „Coronakrise“ sind in aller Munde und vereinnahmen beinahe alle Gedanken der meisten Menschen. Da wundert es einen nicht, daß auch allmählich individuelle Lösungsansätze aufgezeigt werden, denn Not macht erfinderisch. Das betrifft nicht nur den Gesundheitssektor – so war etwa kürzlich von selbstgebastelten Gesichtsmasken die Rede –, sondern auch die Religion. Wobei man zugeben muß, daß bei aller Not recht wenig über Gott gesprochen wird.
Aufgrund der Krise wird das öffentliche Leben auf ein Mindestmaß herabgefahren, was auch die öffentlichen Gottesdienste betrifft und für unbestimmte Zeit verunmöglicht, denn keiner weiß bis jetzt, wann es wieder Entwarnung geben wird. Was also tun, solange die Gläubigen nicht mehr in die Kirchen kommen können?
Der Fernseh-Altar
Es heißt, wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muß der Berg zum Propheten kommen, also bringt man wenigstens den sonntäglichen Gottesdienst zu den Leuten ins Wohnzimmer. Für die Menschenmachwerkskirche ist dies kein Problem, weil es seit Jahrzehnten gängige Praxis ist, eine sonntägliche Gemeindefeier von irgendwo im Land im Fernsehen zu übertragen. Diese Gemeindefeiern sind meistens besonders kreativ und publikumswirksam gestaltet, also ein echter Spiegel der konkret angewendeten Spielmöglichkeiten der bugninischen Mahlfeier, die man gemeinhin Neue Messe nennt.
Es ist bezeichnend, daß es in der Menschenmachwerkskirche – also bei den durch den Modernismus geprägten Leuten – überhaupt keine grundsätzlichen Fragen mehr bezüglich der Angemessenheit einer Übertragung einer „Neuen Messe“ gibt. Das ist leicht erklärlich, denn auf der Grundlage des Modernismus, der seinem Wesen nach naturalistischer Unglaube ist, sind solche Fragen gar nicht mehr sachlich begründbar. Warum sollte man eine sog. Neue Messe nicht im Fernsehen übertragen, wenn sie eine bloße Mahlfeier ist und damit ein bloßer Gemeindeevent? Damit ist sie eigentlich nichts wesentlich anderes als etwa ein klassisches Konzert – abgesehen davon, daß sie womöglich viel banaler als dieses und zudem künstlerisch dilettantisch ist. Eine solche Übertragung kann man darum auch ganz unbekümmert vom Wohnzimmersessel aus mit ansehen und mitverfolgen.
Der eine oder andere Leser wird sich nun womöglich zu fragen beginnen: Ja gibt es denn überhaupt begründbare Einwände gegen eine Übertragung der hl. Messe im Fernsehen? Es ist eine Tatsache, für uns sind Fernsehübertragungen schon so selbstverständlich geworden, daß wir gar nicht mehr auf die Idee kommen, sie zu hinterfragen, d.h. sachlich zu unterscheiden, was sie denn nun können und was nicht. Das war in der Pionierzeit des Fernsehens noch anders. Der deutsche Philosoph Josef Pieper macht sich im Jahr 1953 einige Gedanken „Zur Fernsehübertragung der heiligen Messe“.
Säkularisierung und Entchristlichung
In fünf Abschnitten gibt er seine Überlegungen wieder:
"Auf dem Grunde des geschichtlichen Vorgangs, den wir als »Säkularisierung« bezeichnen, geschieht vor allem eine fortschreitende Schwächung der natürlichen religiösen Grundvorstellungen. Es handelt sich um etwas, das fast noch schlimmer und hoffnungsloser ist als »Entchristlichung«, weil sozusagen die Hand zu verdorren droht, mit welcher der Mensch das eigentlich Christliche zu fassen vermag. Weil aber anderseits der Vorgang nicht formell und unmittelbar »Entchristlichung« ist, setzt er sich um so leichter und unmerklicher innerhalb der Christenheit selbst durch.
Der Begriff »Zeichen« im Sinne des Realsymbols ist zum Beispiel zweifellos nicht ein eigentlich und ausschließlich christlicher Begriff; aber niemand, der diesen Begriff nicht lebendig zu vollziehen vermag, kann verstehen und lebendig vollziehen, was ein Sakrament ist. Was aber für den Begriff »Zeichen« gilt, trifft in ähnlichem Sinn zu für den Begriff des »Opfers«, den Thomas dem Bereich des »Naturrechts« zuweist, und für den der »heiligen Handlung«.“
(Josef Pieper, Weistum Dichtung Sakrament, Kösel-Verlag, München 1954, S. 271)
Die Schwächung der natürlichen religiösen Grundvorstellungen
Die systematische Säkularisierung des christlichen Glaubens geht zurück bis zur Aufklärung oder sogar bis zur sog. Reformation. Das Wesen der Säkularisierung ist, daß das Übernatürliche verweltlicht wird, also in den Bereich des Natürlichen, Weltlichen herabgezogen wird. Dabei bleiben zwar gewisse Äußerlichkeiten, Begriffe, Bräuche erhalten, werden aber mit einem anderen, rein säkularen, weltlichen Sinn erfüllt. Josef Pieper verweist darauf, daß dadurch auch und vor allem eine fortschreitende Schwächung der natürlichen religiösen Grundvorstellungen geschieht.
Wobei es sich fast wie ein Widerspruch anhört, wenn er von natürlichen religiösen Grundvorstellungen spricht, ist doch unser hl. Glaube wesentlich übernatürlich. Es gibt freilich auch die natürliche Anlage des Menschen zur Religion, wie es ja auch eine natürliche Gotteserkenntnis gibt. Aber der Philosoph spricht hier nicht von dieser Unterscheidung, sondern von der Tatsache, daß der übernatürliche Glaube über Generationen hinweg gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen ist, also sozusagen zur zweiten Natur geworden ist. Gerade dieses Selbstverständnis des katholischen Glaubens und seine daraus folgende Selbstverständlichkeit des übernatürlichen Verständnisses des alltäglichen Lebens wird durch die Säkularisierung unterminiert, es wird allmählich ausgetrocknet. Dadurch verlieren auch im natürlichen Bereich die religiösen Vorstellungen ihre Kraft und ihre Bedeutung.
Die Äußerlichkeiten, Begriffe und Bräuche, gibt es zwar noch, aber sie werden nicht mehr vom übernatürlichen Glauben her verstanden, weshalb man ihnen unbemerkt einen anderen Sinn unterschieben kann. Darum stellt Josef Pieper fest: „Es handelt sich um etwas, das fast noch schlimmer und hoffnungsloser ist als »Entchristlichung«, weil sozusagen die Hand zu verdorren droht, mit welcher der Mensch das eigentlich Christliche zu fassen vermag.“ Also gerade das, was eigentlich Weg zur göttlichen Gnade und zum dreifaltigen Geheimnis Gottes sein soll, wird zum Hindernis!
Sichtbares Zeichen und unsichtbare Gnade
Der Mangel des säkularisierten Denkens zeigt sich ganz besonders im Verständnis des Sakramentes. Setzt sich doch dieses aus einem sichtbaren Zeichen und der unsichtbaren Gnade zusammen. Das sichtbare Zeichen gehört zwar wesentlich zum Sakrament, ist aber nicht das Wesen des Sakramentes. Das sichtbare Zeichen wird nur im und durch den übernatürlichen Glauben als Zeichen des Sakramentes verstanden. Anderseits wird die unsichtbare gnadenhafte Wirklichkeit des Sakramentes wiederum nur mit Hilfe des sichtbaren Zeichens konkret erfaßt, d.h. nur wenn das Zeichen hier und jetzt gesetzt wird, wird auch die Gnade geschenkt, insofern alle Bedingungen zur Gültigkeit erfüllt sind.
Auch das hl. Meßopfer ist Sakrament und damit an sichtbare Zeichen gebunden. Das Wesen des hl. Meßopfers ist jedoch nicht im Zeichen erfaßbar, sondern nur im göttlichen Glauben. Josef Pieper wendet nun diese Einsichten auf die oben gestellte Frage an:
"Was nun die Fernseh-Übertragung der heiligen Messe betrifft, so scheint sie mir einerseits bereits vorauszusetzen, daß der lebendige Sinn dafür, was eine »heilige Handlung« ist, entscheidend geschwächt ist; anderseits und vor allem wird durch solche Übertragungen diese Schwächung immer weiter, bis zur Unheilbarkeit, vorangetrieben."
(Ebd. S. 271f)
Durch die Fernsehübertragung wird das Bild, das sichtbare Zeichen losgelöst von der sakramentalen Wirklichkeit. Aber ganz besonders bei der hl. Messe ist das ganze sakramentale Geschehen an die gegenwärtigen Zeichen gebunden. Diese Wirklichkeit des Opfers wird nur vor Ort gegenwärtig und ist darum auch nur vor Ort sakramental erlebbar. Wer eine Fernseh-Übertragung der heiligen Messe bedenkenlos befürwortet, zeigt damit, daß sein Sinn dafür, was eine „heilige Handlung“ wesentlich ist, schon entscheidend geschwächt ist. Ihm ist die Schranke, die das Heilige vom Weltlichen trennt, nicht mehr lebendige und glaubensnotwendige Wirklichkeit. Diese Schranke wurde in den alten Zeiten ebenfalls zeichenhaft verwirklicht, in der westlichen Kirche durch den Lettner [Schranke zwischen Chor und Langhaus in mittelalterlichen Kirchen], in der östlichen Kirche durch die Ikonostase. Auf der Website „haus-der-ikonen.de“ wird dazu erklärt:
Die Ikonostase (griech. ikonostasis) - die Bilderwand
„Ein eigenständiger und der vielleicht wichtigste liturgische Baukörper der orthodoxen Kirche ist die Ikonostase (die Bilderwand, Trennwand). Sie trennt den als numinös erlebten Altarraum, der nur für Priester und Diakone zugänglich ist, vom Kirchenschiff, dem Kirchenraum mit den Gläubigen. Sie bildet also die Trennlinie zwischen himmlischer und irdischer Welt. Man nimmt zum einen an, dass diese ‚Scheidewand‘ auf den ‚Vorhang‘ des jüdischen Tempels zurückzuführen ist, der den Altar vom weiteren Tempelraum abschließt und zum anderen, dass sie sich aus den frühchristlichen Chorschranken (cancelli) entwickelt hat. Sie entspricht dem Lettner in den gotischen Kirchen des Westens.“
(https://www.haus-der-ikonen.de/Ikonostase/ikonostase.html)
Der Tempel des Alten Bundes
Der Tempel des Alten Bundes war nach dem hl. Paulus folgendermaßen aufgebaut:
„Hinter dem zweiten Vorhang war das Zelt, das das Allerheiligste genannt wird, mit dem goldenen Rauchopferaltar und der Bundeslade, die ringsum mit Gold überzogen war. In ihr befanden sich das goldene Gefäß mit Manna, der Stab Aarons, der Blätter getrieben hatte, und die Bundestafeln; über ihr waren die Kerubim der Herrlichkeit, die die Sühnestätte überschatteten. Davon soll jetzt im einzelnen nicht gesprochen werden.
Nachdem dies so eingerichtet war, betreten die Priester das vordere Zelt jederzeit, um gottesdienstliche Handlungen zu verrichten. Das andere dagegen betritt allein der Hohepriester einmal im Jahr, nicht ohne Blut, das er für seine und des Volkes Vergehen darbringt“ (Hebr. 9, 3-7).
Ein Kapitel weiter im Hebräerbrief gibt der hl. Paulus die mystische Deutung dieses Aufbaus des alttestamentlichen Tempels, der mit dem Abendmahlsaal zusammen Vorbild war für die christlichen Kirchen:
„Da wir also, Brüder, die Zuversicht haben, durch das Blut Jesu in das Allerheiligste einzutreten, - diesen neuen, lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist durch sein Fleisch, hat er uns eröffnet -, und da wir einen Hohenpriester über das Haus Gottes haben, laßt uns mit aufrichtigem Herzen voll Glaubenszuversicht hinzutreten, die Herzen gereinigt vom bösen Gewissen, und den Leib gewaschen mit reinem Wasser“ (Hebr. 10, 19-22).
Die Trennlinie zwischen himmlischer und irdischer Welt
In der göttlichen Liturgie wird dieses Geheimnis im sakramentalen Opfer Christi gegenwärtig. Wir treten durch das Blut Christi mit aufrichtigem Herzen und voll Glaubenszuversicht ins Allerheiligste ein, das der Hohepriester betritt, um Sein Opfer zu begehen. Er geleitet uns hinein ins unsichtbare Mysterium der Erlösung. Die Ikonostase oder der Lettner sind dazu da, dieses Mysterium vor dem unbefugten Zugriff zu bewahren, sie bilden die Trennlinie zwischen himmlischer und irdischer Welt. Auf „orthpedia.de“ wird unter der Überschrift „Orthodoxes Glaubensbuch - Die Ikonostase“ dazu noch etwas ausführlicher ausgeführt:
„Die Ikonostase trennt nicht bloß die göttliche von der erschaffenen Welt, sondern ist auch ein Abbild der himmlischen Kirche mit unserem Herrn Jesus Christus als Haupt. Die Ikonostase ist mit ihren Ikonen dem mittleren Teil der Kirche zugewandt, wo die Betenden stehen. Dadurch steht die Versammlung der Gläubigen während des Gottesdienstes gleichsam von Angesicht zu Angesicht der Versammlung der Himmelsbewohner gegenüber, die in den Bildern der Ikonostase geheimnisvoll anwesend sind.
‚Die Ikonostase ist die Grenze zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Welt‘, schreibt der Priester Pawel Florenski. – ‚Die Ikonostase ist eine Erscheinung von Heiligen und Engeln... eine Erscheinung der himmlischen Zeugen und vor allem der Gottesmutter und Christi selbst.‘ Die Ikonostase schließt den Altarraum nicht von den Gläubigen in der Kirche ab, sondern eröffnet ihnen das geistige Wesen des Geschehens im Altarraum. Die Bilder der Ikonostase zeigen, wie der Mensch wird, wenn er sich mit Gott vereint.
Im Zentrum der Ikonostase ist die Königstür, die sich vor dem Altartisch befindet. Sie heißt so, weil durch sie der Herr der Herrlichkeit selbst, Jesus Christus, in Gestalt der Heiligen Gaben schreitet. Links von der Königstür, im nördlichen Teil der Ikonostase, dem Rüsttisch gegenüber, befindet sich die nördliche Tür, durch welche die Zelebranten während des Gottesdienstes hinausgehen; rechts, im südlichen Teil der Ikonostase, ist die südliche Tür, durch welche die Kleriker in den Altarraum eintreten. Hinter der Königstür hängt ein Vorhang, der an bestimmten Stellen des Gottesdienstes geöffnet oder geschlossen wird. Der geöffnete Vorhang versinnbildlicht die Offenbarung des Mysteriums der Erlösung für die Menschen; das Öffnen der Königstür bedeutet die Öffnung des Himmelreiches für die Christen.“
(https://orthpedia.de/index.php/Ikonostase)
Geheimnis des Glaubens
Der Lettner in der westlichen Kirche und die Ikonostase in der östlichen Kirche waren eine sichtbare Schranke, hinter der das Mysterium des Glaubens verborgen wurde. Verborgen und zugleich enthüllt. Das geheimnisvolle Geschehen der hl. Wandlung wurde dadurch dem Volk entrückt, aber zugleich auch als Geheimnis zugänglich gemacht. Der Priester ist der von Gott beauftragte Bote, der Brückenbauer zur unsichtbaren Welt Gottes und Seiner Gnade. Nur der Priester mit seinen Leviten darf an den Altar treten – und in den Chorraum, in dem das hl. Meßopfer dargebracht wird.
Im Alten Bund durften nur die Priester den Tempel betreten und nur der Hohepriester einmal im Jahr hinter den Vorhang ins Allerheiligste gehen. Diese Distanz zum Allerheiligsten wird auch im Neuen Bund bewahrt. Der Lettner oder die Ikonostase bilden die Schranke, hinter die das Volk nicht vordringen darf. Die Schranke ist ein Schutz für das Geheimnis und das Allerheiligste. Nur im Glauben kann man diese Schranke übertreten, nur im Glauben kann man den Priester an den Altar begleiten, denn das Opfer des Neuen Bundes ist das Geheimnis des Glaubens.
In der nachtridentinischen Zeit wurde der Lettner zum Chorgitter oder in den Pfarrkirchen zur Kommunionbank. Die Schranke war auch in der Kommunionbank noch da, aber nicht mehr so beeindruckend wie im Lettner und auch nicht mehr so sichtbar. Selbstverständlich ist auch diese Schranke in der bugninischen Pseudoliturgie, der sog. Neuen Messe, zugunsten der „tätigen Teilnahme der Gläubigen“ gefallen. Der Altar wurde zur „Altar“-Insel, also zur Bühne, auf der der Tisch steht, an dem man die Mahlfeier begeht. Das Geheimnis ist also in der sog. Neuen Messe schon vom Ritus her vollkommen profaniert.
Die Profanierung der hl. Messe durch die Fernsehübertragung
Folgen wir nun weiter Josef Pieper in seinen Erklärungen:
„Zum Wesen der heiligen Handlung gehört die Schranke gegenüber dem profanen Bereich, gegenüber Markt und Straße. Es ist aber gerade diese Schranke, die in der Fernseh-Übertragung der Mysterienfeier durchbrochen und zerstört oder vielmehr als gar nicht vorhanden erklärt wird — so daß der rechte Name für das, was hier geschieht, »Profanierung« ist.
Das gelegentlich angeführte Argument, die heilige Messe könne auch in Tanzlokalen, im Konzentrationslager usw. würdig gefeiert werden, verfehlt den Kern des Sachverhalts; denn in all diesen Fällen verwirklicht sich die »Schranke« durchaus, und sei es durch nichts anderes als durch die schweigende Ehrfurcht der »Umstehenden« und Mitfeiernden.
Im Fall der »Fernsehmesse« aber wird die Schranke auf doppelte Weise zerstört: erstens versetzt die Übertragung das Bild der heiligen Handlung mit unvermeidlicher Wahllosigkeit mitten in den profanen Bereich, auf die Straße und auf den Markt, in ausnahmslos jede Situation des alltäglichsten Lebens; zweitens dringt das Instrumentarium der öffentlichen Neugier und Langeweile in den Raum der heiligen Handlung ein.
Man darf nämlich das Vehikel der Übertragung, eben den Fernseh-Funk, nicht rein abstrakt betrachten — etwa als die bloße Ermöglichung einer optisch-akustischen Übermittlung von einem Ort an viele andere Orte. Konkret soziologisch gesehen ist der Fernseh-Funk ein Instrument der Massenunterhaltung, wodurch der Befund, daß eine Fernseh-Übertragung der heiligen Messe dem Charakter der heiligen Handlung widerstreite, noch mehr Gewicht bekommt. Die Bedenkenlosigkeit, mit welcher [in einem befürwortenden Bericht über die Pariser Übertragungen] von der Vermeidung der »Eintönigkeit« durch Wechsel des »Dekors« gesprochen wird, ist eine äußerst beunruhigende Bestätigung dafür, daß hier völlig sachfremde Kategorien ins Spiel kommen.“ (Ebd. S. 272f)
Tridentinischer Ritus im Rahmen der Massenunterhaltung?
Man kann zwar den Ritus der hl. Messe übertragen, also die äußeren Zeremonien, aber nicht das Geheimnis, nicht die heilige Handlung als solche, die verborgen hinter der Schranke sich vollzieht. Durch die Übertragung im Fernsehen fällt die Schranke. Das macht zwar für die sog. Neuen Messe nichts aus, weil hier die Schranke gar nicht mehr existiert, aber für den wahren katholischen Ritus bringt es eine große Gefahr mit sich. Hierbei darf man sich nicht von zweitrangigen Argumenten täuschen lassen, etwa der Möglichkeit für die Daheimgebliebenen, an der hl. Messe teilnehmen (?) zu können, oder der etwaigen Apostolatsmöglichkeiten, usw.
Es ist wirklich des tieferen Nachdenkens wert, was Josef Pieper zu bedenken gibt: „Im Fall der »Fernsehmesse« aber wird die Schranke auf doppelte Weise zerstört: erstens versetzt die Übertragung das Bild der heiligen Handlung mit unvermeidlicher Wahllosigkeit mitten in den profanen Bereich, auf die Straße und auf den Markt, in ausnahmslos jede Situation des alltäglichsten Lebens; zweitens dringt das Instrumentarium der öffentlichen Neugier und Langeweile in den Raum der heiligen Handlung ein.“
Durch die Übertragung des Ritus einer hl. Messe im Fernsehen wird diese in einen neuen Rahmen eingefügt, nämlich den Rahmen der Massenunterhaltung, denn: „Konkret soziologisch gesehen ist der Fernseh-Funk ein Instrument der Massenunterhaltung, wodurch der Befund, daß eine Fernseh-Übertragung der heiligen Messe dem Charakter der heiligen Handlung widerstreite, noch mehr Gewicht bekommt.“ Daraus ergibt sich unmittelbar die Versuchung, immer mehr Unterhaltungsmomente in den Ritus einzubauen, wie es bei den sog. Neuen Messen sowieso schon üblich ist.
Aber auch die Übertragung eines „tridentinischen“ Ritus wird damit automatisch mit dieser Versuchung konfrontiert werden, wie schon damals – 1953! – Josef Piepers Aufmerksamkeit nicht entgeht: „Die Bedenkenlosigkeit, mit welcher [in einem befürwortenden Bericht über die Pariser Übertragungen] von der Vermeidung der »Eintönigkeit« durch Wechsel des »Dekors« gesprochen wird, ist eine äußerst beunruhigende Bestätigung dafür, daß hier völlig sachfremde Kategorien ins Spiel kommen.“ Man muß schon genau hinhören, um die Größe der Gefahr zu erkennen: „Vermeidung der »Eintönigkeit« durch Wechsel des »Dekors«“! Im Fernsehen ist also der Ritus als solcher immer der Gefahr ausgesetzt, langweilig und eintönig zu erscheinen, was letztlich nur durch immer neue Showeinlagen verhindert werden könnte.
Die bedenkenlose Profanierung heiliger Handlungen
Wir haben also gesehen, wir sorgfältig der Blick des deutschen Philosophen bisher schon die Sache durchdrungen hat. Aber dieser Blick dringt sogar noch etwas tiefer:
„Übrigens wird nicht allein die »heilige Handlung« im engeren Sinn der kultischen Feier angetastet. Es gibt auch natürliche »Mysterien«, die der gesunde Sinn durch das Schweigen der Scham und der Ehrfurcht schützt. Wer das Gesicht eines ins Gebet versunkenen Menschen oder gar den Augenblick, da ein Gläubiger den Leib des Herrn empfängt, zu photographieren wagt, und zwar nicht sozusagen zufällig und beiläufig [wie es einmal bei besonderen Anlässen geschehen mag], sondern mit systematischem Vorbedacht; und wer, wie es etwa in der Pariser »Fernseh-Kapelle« gebräuchlich zu sein scheint, den Gläubigen zumutet, sich in solcher Situation der Kamera auszusetzen — der muß bedenken, daß auch damit schon eine Profanierung geschieht, eine Profanierung, die sich nur dem Grade nach unterscheidet von einer etwaigen filmischen Publizierung von Geburt, Sterben und Zeugung.“ (Ebd. S. 273f)
Dem modernen Menschen muß man es schon zweimal in Erinnerung rufen: „Es gibt auch natürliche »Mysterien«, die der gesunde Sinn durch das Schweigen der Scham und der Ehrfurcht schützt.“ Heute sind sowohl Scham als auch Ehrfurcht den allermeisten unbekannt. Dabei hat Gott beides in unser Menschenherz eingepflanzt, um auch die natürlichen Mysterien zu schützen, weil sie offensichtlich aufgrund der erbsündlichen Verwundung eines solchen Schutzes dringend bedürfen. Schon ein Mensch, der ins Gebet versenkt ist, ist kein Objekt der Photographie, um wie viel weniger des Films oder des Fernsehens. Nun müßte man meinen, gerade in dieser modernen Welt, der nichts mehr heilig ist, müßte man umso vorsichtiger sein und handeln. Ist die Bedenkenlosigkeit, mit der man das Allerheiligste der Profanierung des Fernsehens ausliefert, nicht schon ein äußerst bedenkliches Zeichen einer zumindest weit verbreiteten Gedankenlosigkeit?
Die Profanierung des Denkens
Man muß hier sogar noch weiter unterscheiden, wie Josef Pieper weiter anmerkt:
„Dies alles bedeutet jedoch keineswegs, daß die christliche Verkündigung und Missionierung sich nicht aller technischen Mittel, und also auch des Fernsehens, bedienen dürfte; im Gegenteil, sie muß sich ihrer bedienen. Missionierung aber hat wesentlich den Sinn der Hinführung zum Glauben und zum Geheimnis. Niemals jedoch in der Kirchengeschichte ist die unvermittelte Darbietung des Mysteriums selbst auch an die Nicht-Eingeweihten als eine mögliche Form der Missionierung betrachtet worden. Der Fernseh-Funk bietet zweifellos neue Möglichkeiten der Missionierung. Die Übertragung der Meßfeier ist keine solche Möglichkeit.“ (Ebd. S. 274)
Das Geheimnis des Glaubens erschließt sich nicht von selbst. Darum kann es nicht unvermittelt, ohne genügende glaubensmäßige Vorbereitung und entsprechende Hinführung dem Nicht-Eingeweihten dargeboten werden. Darum gab es in der frühen Christenheit die Arkandisziplin [Geheimhaltung von Lehre und Brauch vor Außenstehenden]. Das Geheimnis der hl. Messe wurde geheim gehalten, damit es von den Heiden nicht verspottet und verunehrt werden kann. Erst nach und nach, Schritt für Schritt durften die Taufschüler an diesem Geheimnis teilhaben. Darum taugt die Übertragung der Meßfeier im Fernsehen nicht als Möglichkeit der Missionierung.
Das Gegenteil zu meinen, ist ein typisch modernes Mißverständnis, das letztlich eine Folge der fortschreitenden Profanierung des Denkens war und ist. Man meint, es den Weltmenschen gleichtun zu können, was aber nicht stimmt. Nicht alles, was im weltlichen Bereich Erfolg verspricht, ist in der Welt der Gnade in gleicher Weise anwendbar, worauf viele Heilige großes Gewicht gelegt haben. Viele haben gemeint, durch das Fernsehen Einfluß auf diejenigen Leute gewinnen zu können, die man sonst wenig oder nicht mehr in der Kirche sieht. Josef Pieper ist selbst hierbei skeptisch.
Eine vermeintliche Erleichterung der „intentionalen“ Teilhabe
„Es ist gesagt worden, es sei von der Fernseh-Messe für die Gläubigen eine »Stärkung des religiösen Sinnes« zu erwarten. Nachdem allenthalben Klarheit darüber besteht, daß eine sakramentliche Teilhabe an der heiligen Messe durch eine Fernseh-Übertragung nicht zustandekommen kann, bleibt nur übrig, eine Erleichterung oder Intensivierung der »intentionalen« Teilhabe anzunehmen.“ (Ebd.)
Durch eine Übertragung einer heiligen Messe im Fernsehen kann allerhöchstens eine Erleichterung oder Intensivierung der „intentionalen“ Teilhabe geschehen. Durch das übertragene Bild kann womöglich die geistige Teilnahme erleichtert werden, weil man besser weiß, wie weit der Priester gerade am Altar ist. Dadurch wird aber sogleich auf eine Gefahr aufmerksam gemacht. Denn ist es eigentlich für denjenigen, der sich geistigerweise mit einem hl. Meßopfer vereint, überhaupt wichtig, was der Priester genau vor Ort macht? Wohl kaum. Jeder weiß, wie lange eine hl. Messe etwa dauert und kann sich darum leicht während dieser Zeit mit dem Opfer Christi am Altar und am Kreuz verbinden. Je lebendiger er das fertigbringt, umso weniger wird er auf die äußerliche Synchronität seines Gebetes mit dem hl. Meßopfer achten. Ja ihm würde eine solche Aufmerksamkeit auf das Bild am Fernseher sogar zur Ablenkung anstatt zur Hilfe werden. Darum meldet auch Josef Pieper Zweifel an:
„Diese Annahme aber erscheint höchst problematisch. Platon hat gesagt, schon die Schrift bedeute, obwohl sie ein Mittel der Fixierung und Aufbewahrung sei, dennoch eine Schwächung der menschlichen Erinnerungskraft. Und es ist eine längst erwiesene Tatsache, daß die technische Erleichterung des Sehens sowie die gesteigerte Darbietung von »Seh-Stoff« die Intensität des Sehens in bedrohlichem Maße geschwächt hat, obwohl man zunächst das Gegenteil erwarten möchte. Es ist mehr als fraglich, ob die Fernseh-Übertragung der heiligen Messe in den Zuschauern durchschnittlicherweise eine Steigerung der inneren Teilnahme bewirkt und ob nicht der Kranke oder der sonstwie Verhinderte, die ja immer wieder als Beispiel angeführt werden, viel intensiver »teilnehmen«, wenn sie durch Lesung der Meßgebete oder durch eine wirkliche innere Vergegenwärtigung die heilige Handlung mitvollziehen. Es ist eine vornehmliche Aufgabe der religiösen Erziehung, die Gläubigen zu solchem inneren Mitvollzug fähig zu machen. Von der anscheinenden »Erleichterung«, welche die Fernseh-Messe bedeutet, ist dies Resultat nicht nur nicht zu erwarten; es ist im Gegenteil zu befürchten, daß es gerade vereitelt werden könnte.“ (Ebd. S. 274f)
Ein Philosoph unterscheidet sich von seinen Zeitgenossen durch seinen vertieften geistigen Blick. Dadurch kommt dem Philosophen die Wirklichkeit deutlicher und differenzierter vor Augen, so daß er Entwicklungen vorauszuahnen vermag, lange bevor andere sie überhaupt erst bemerken. Wenn Josef Pieper im Jahr 1953 (!) schon zu bedenken gibt: „Und es ist eine längst erwiesene Tatsache, daß die technische Erleichterung des Sehens sowie die gesteigerte Darbietung von »Seh-Stoff« die Intensität des Sehens in bedrohlichem Maße geschwächt hat, obwohl man zunächst das Gegenteil erwarten möchte“, dann kann man das nur prophetisch nennen. Denn die damals schon längst erwiesene Tatsache wollen selbst heute die Allermeisten immer noch nicht, ja immer weniger wahrhaben, weil sie sich immer noch und immer mehr von der gegenteiligen Erwartung blenden lassen. Dementsprechend hat sich aber auch die Intensität des Sehens in bedrohlichem Maße geschwächt, so daß es einem richtig unheimlich wird.
Es ist sicher so, durch eine Fernseh-Übertragung der heiligen Messe wird bei den Zuschauern durchaus keine Steigerung der inneren Teilnahme bewirkt. Für Kranke oder sonstwie Verhinderte, wäre es sicherlich besser, „wenn sie durch Lesung der Meßgebete oder durch eine wirkliche innere Vergegenwärtigung die heilige Handlung mitvollziehen“, denn diese geistige Teilnahme am hl. Meßopfer ist auf jeden Fall intensiver als ein bloßes Zuschauen im Fernsehen. Josef Pieper faßt seine Erwägungen folgendermaßen zusammen:
„Das entscheidende Gegenargument bleibt jedoch das der »Profanierung«. — Es scheint mir eines der überzeugendsten und erfreulichsten Ergebnisse der liturgischen Erneuerungsbewegung zu sein, daß sowohl der schlichte Sinn einfacher Menschen als auch, wie ich aus zahlreichen Gesprächen und Diskussionen weiß, die instinktive Antwort vor allem der akademischen Jugend die Fernseh-Übertragung der Messe mit großer Mehrheit ablehnt, und zwar aus diesem Grunde.“ (Ebd. S. 275f)
Vom Zeichen zum Schein
Not macht erfinderisch, so haben wir schon festgestellt. Der Ausfall sämtlicher öffentlicher Gottesdienste hat auch die Traditionalisten umgetrieben und nach Not-Lösungen Ausschau halten lassen. Die allermeisten Gruppen – hier sind auch wirklich sämtliche Grenzen gefallen – haben gemeint, aus der Not eine Tugend machen zu sollen und haben sich ganz fraglos in die Tradition der Fernsehgottesdienste eingeklinkt. Da durch den technischen Fortschritt eine Übertragung einigermaßen einfach zu bewältigen ist, gingen viele Priester oder Gemeinschaften wenigstens am Sonntag „online“, wie man sagt. D.h. sie übertragen „live“ übers „Internet“ aus ihren Kapellen oder Kirchen ihre hll. Messen – in der Hoffnung, dadurch ihren Gläubigen einen Ersatz oder eine Hilfe in diesen Wochen ohne Gottesdienst bieten zu können oder sogar neue Gläubige zu gewinnen. Sobald man die Einwände Josef Piepers erwägt, dürfte diese Hoffnung ziemlich schwinden und einer begründeten Skepsis weichen.
Die Berechtigung dieser Skepsis wird durch einen besonderen Einfall von Traditionalisten erwiesen, nämlich den Fernseh-Altar [kein Aprilscherz!]. Zunächst glaubt man, seinen Augen nicht trauen zu können, aber unter der Überschrift „Gläubige richten schöne kleine Hausaltare [!] rund um die Mess-Übertragung ein“ finden sich auf der „Pius-Homepage“ zwei Bilder mit geschmückten Tischen, auf denen jeweils ein Fernseher steht. Auf dem einen Bild wird der Fernseher von zwei Kerzenleuchtern flankiert, auf denen jeweils drei Kerzen brennen, was doch recht an eine Sakramentsandacht erinnert, mit einer Fatimastatue auf der einen und einer Herz-Jesu-Statue auf der anderen Seite. Das andere Bild zeigt einen etwas kleineren Tisch, auf dem vor dem Fernseher vier Kerzenleuchter stehen, während in deren Mitte ein Kreuz zu sehen ist. Also richtige Fernseh-Altäre! Hoffentlich wird dem Leser bei dieser Vorstellung nach all den erwogenen Einwänden unwohl zumute, ja es wirkt direkt etwas gespenstisch. Kniet sich die Familie während der Übertragung des Ritus der hl. Messe vor dem Fernseher hin? Bildet sie sich aufgrund der in dieser Art und Weise gestalteten Teilhabe womöglich ein, „wirklich“ dabei zu sein? Oder anders herum formuliert: Bildet sie sich ein, die hl. Messe im Wohnzimmer zu haben?
Und noch eine Frage drängt sich auf: Was machen die Familienmitglieder während der Übertragung der hl. Wandlung? Suggeriert der Fernseher nicht eine reale Gegenwart, sodaß der Zuschauer schon ganz schön aufpassen muß, keinen Götzendienst zu begehen, indem er das Bild der Hostie im Fernseher bzw. den Fernseher selbst anbetet? Verführt nicht das ganze Ambiente – der Fernseher als Hauptgegenstand auf dem Altar – regelrecht dazu, den Schein für die Wirklichkeit zu halten? Man fragt sich schon: Wie kann man so einen Einfall auch noch belobigen? Josef Pieper wäre ganz sicher entsetzt gewesen, wenn er damals solche Bilder zu Gesicht bekommen hätte, und er hätte dadurch seine Bedenken vollkommen bestätigt gesehen.
Es ist schon wahr: Not macht erfinderisch. Aber nicht alle Erfindungen sind brauchbar und sinnvoll. Ein Fernseh-Altar ist jedenfalls für einen Katholiken ganz und gar unbrauchbar, ja unmöglich. Dazu noch ein Gedanke ganz zum Schluß: Was geschieht übrigens, wenn die Übertragung der Messe zu Ende ist? Schaut man sich dann auf dem Fernseher-Altar einfach einen Spielfilm, eine „Netflix“-Serie oder sonst irgendetwas an?