Ist das „2. Vatikanum“ katholisch oder nicht? (4)

Es folgt der vierte und letzte Teil der apologetischen Arbeit von Hw. P. Martin Lenz über das "2. Vatikanum", ob dieses katholisch gewesen sei oder vielmehr nicht.



Anhang 2: Die Problematik der „una-cum“-Messen

Das heilige Meßopfer ist bekanntlich das Herz des katholischen Kultes. Es ist die unblutige Erneuerung des Kreuzesopfers Unseres Herrn Jesus Christus von Kalvaria. Der Herr selbst hat es durch die Apostel Seiner Kirche anvertraut, damit es als immerwährendes und vollkommenes Opfer vom „Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang“ erneuert werde. In jeder einzelnen hl. Messe bringt seither die ganze katholische Kirche das reine Opferlamm Jesus Christus als ihre makellose Opfergabe zur Verherrlichung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit dar. Doch opfert sich in der hl. Messe nicht nur Christus allein, sondern durch ihr Haupt opfert sich die ganze katholische Kirche. Durch die „eine Taufe“ und den „einen Glauben“ geeint, bringen sich die Katholiken als Glieder des mystischen Leibes durch die Vermittlung des göttlichen Erlösers dem „einen Herrn“ und Gott, und „Vater aller“ (Eph. 4,5) selbst zum Opfer dar. Die ganze katholische Kirche, sowohl die streitende Kirche auf Erden, in ihrer ganzen hierarchischen Verfassung, als auch die triumphierende des Himmels und die leidende Kirche des Fegfeuers ist auf diese Weise selbst hineingenommen in das heilige Opfer und erhält deshalb auch Anteil an seinen Früchten. Die Gebete des Meßkanons, die an den jeweiligen Stellen darauf Bezug nehmen, geben uns von dieser übernatürlichen Realität Zeugnis.

Der Papstname im Meßkanon

Zum sichtbaren Ausdruck der kirchlichen Einheit in Glaube, Kult und Leitung verlangten die Päpste spätestens ab dem 6. Jahrhundert die Nennung ihres Namens im Meßkanon. So fragt Papst Pelagius I. (+ 561) in seinem Schreiben an die Bischöfe der Toskana „Wie dürfte man von euch annehmen, daß ihr von der universalen Gemeinschaft [der katholischen Kirche] getrennt seid, wenn ihr bei der Feier der heiligen Geheimnisse, gemäß der bestehenden Gewohnheit, das Gedächtnis meines Namens verlest?“ Durch die Einfügung des Namens des Papstes und später auch des Ortsbischofs bringt der Zelebrant u.a. zum Ausdruck, daß diese hl. Messe, die er hier und jetzt feiert „una cum“, d.h. „zusammen mit“, „in Einheit mit“ dem Statthalter Jesu Christi auf Erden dargebracht wird. Er schließt sich der kirchlichen Einheit dessen an, der die katholische Religion repräsentiert. Die kirchliche Einheit besteht ja wesentlich in der Glaubensübereinstimmung mit dem Statthalter Christi auf Erden. Damit ist also ein Bekenntnis zum Glauben dessen ausgesagt, der da auf dem päpstlichen Stuhl in Rom die Kirche lehrt, heiligt und regiert. Dasselbe gilt in analoger Weise vom Ortsbischof. Wenn ein Bischof beispielsweise in die Häresie des Arianismus fiel, so wurde fortan von den rechtgläubig gebliebenen Priestern dessen Name nicht mehr im Kanon genannt, weil man sich als Katholik unmöglich zur Glaubenseinheit mit einem Häretiker bekennen, ja dieses Meßopfer gleichsam mit dessen Irrglauben in Verbindung bringen konnte.

Das Problem mit den „Una-cum“-Messen

Die Konzilspäpste oder auch den lokalen Konzilsbischof im Kanon der hl. Messe einzufügen ist eine Sache, die zwei Dinge zur Folge hat. Zum einen bedeutet es zu erklären, daß der Konzilspapat wirklich und wahrhaftig der Papst der römisch-katholischen Kirche ist. Zum anderen erklärt man damit, daß der Priester und in dessen Gefolge auch die anwesenden Gläubigen mit diesem „Papst“ die hl. Messe Gott aufopfern. Sie bekennen sich zur Einheit mit diesem Papst, die wie gesagt wesentlich eine Glaubenseinheit ist. Hier deutet sich das Problem schon an. Wenn einer behauptet, „das 2. Vatikanum habe die Kirche wesentlich im Glauben verändert“, so ist er notwendigerweise durch die Gesetze der Logik gebunden, von der Sedisvakanz auszugehen. Um Katholik zu bleiben, muß er in der Folge das Konzil, seine Reformen und damit auch die Konzilspäpste und deren ökumenistisches Glaubensbekenntnis zurückweisen. In dieser Zurückweisung besteht geradezu seine Treue zur katholischen Kirche! Die Weigerung definiert seinen Status, wirklich Katholik zu sein, in derselben Weise wie seine gehorsame Unterwerfung unter einen wahren Papst. Wie könnte so jemand den Namen eines Scheinpapstes in den zentralen Akt der Gottesverehrung einflechten? Wie könnte man sich zu einer Glaubenseinheit bekennen, die gar nicht existiert? Wie könnte man eine Lüge in den Mittelpunkt des katholischen Kultes, in dem der heiligste Leib und das kostbarste Blut Christi konsekriert wird, hineintragen? Es wäre eine Lüge! Eine Lüge im innersten Kern der katholischen Messe, wenn Bergoglio nicht der Papst ist, wenn sein Lehramt nicht das katholische Lehramt ist, nach dem wir unseren Glauben auszurichten haben.

Außerdem bedeutet es die hl. Messe gewissermaßen mit Bergoglio aufzuopfern, da Bergoglio durch diesen Umstand zum Papst erklärt wird. Also zum höchsten Priester, zum Hohepriester der katholischen Kirche. Das bedeutet, daß der gewöhnliche Priester am Altar sich dem Akt der Gottesverehrung Bergoglios anschließt. Denn Hoherpriester der katholischen Kirche ist der Papst, derjenige, der eigentlich alle hl. Messen auf dem Erdkreis im Namen der gesamten Kirche Gott darbringt, bzw. alle hl. Messen werden durch ihn vor Gott dargestellt. Jede hl. Messe ist ja bekanntlich ein Akt der gesamten Kirche. Weil Jesus Christus, der einzige Priester des Neuen Bundes, jede hl. Messe aufopfert, so opfert in gewisser Hinsicht auch der Papst, Sein sichtbarer Stellvertreter, alle hll. Messen, die „una cum“ – „in Einheit mit“ ihm dargebracht werden, der Allerheiligsten Dreifaltigkeit auf. Deshalb wird sein Name im Kanon genannt. Den Namen eines „Papstes“, der sich zu einer wesentlich anderen Kirche bekennt, an dieser Stelle einzufügen, stellt eine Beleidigung Gottes dar. Deshalb die Praxis im Altertum, die Namen derer, die vom Glauben abgewichen sind, aus den Meßgebeten zu tilgen. Das Opfer Kains fand vor Gott kein Wohlgefallen, denn es wurde von jemandem dargebracht, der nicht würdig war zu opfern. Das Mißfallen hatte nichts mit seinem Opfer oder der Opfergabe zu tun, sondern weil es Kain war, der opferte. Als er seine Hände an den Altar legte, war das eine Beleidigung Gottes, weil er Gott nicht wohlgefällig war. Wie wir wissen, können wir ohne den wahren Glauben bei Gott kein Wohlgefallen finden. „Ohne Glauben ist es unmöglich Gott zu gefallen“ (Heb. 11,6). Wenn also das "2. Vatikanum" eine wesentliche Verfälschung des Glaubens hervorgerufen hat, dann kann Gott an den Opfern derer, die für diese Verfälschungen heute persönlich einstehen, sei es in Rom oder in den jeweiligen Diözesen, kein Wohlgefallen finden. Im Gegenteil!

Wiederum, unter der Voraussetzung, daß das "2. Vatikanum" tatsächlich eine wesentliche Veränderung der Kirche darstellt, verhalten sich die Konzilspäpste zur katholischen Kirche wie Fremdkörper. Der heiligste Augenblick der hl. Messe ist der falsche Platz für die namentliche Nennung dieser Männer. Statt „zusammen mit“ ihnen muß man eher „für“ sie, und zwar für ihr Seelenheil beten. Der treffendste Ort hierfür ist die Bitte der Allerheiligenlitanei: „Daß Du alle Irrenden zur Einheit der Kirche zurückrufen und alle Ungläubigen zum Lichte des Evangeliums führen wollest – wir bitten Dich erhöre uns.“

Wie gesagt, soll traditioneller Weise durch die Nennung des Papstnamens im Kanon die katholische Einheit herausgestellt werden. Das ist einer der wesentlichen Punkte, worauf Rom stets bestanden hat. Wenn eine schismatische Teilkirche in die Einheit der katholischen Kirche zurückkehrte, mußte sie unbedingt zum Zeichen ihrer Unterwerfung unter den päpstlichen Primat und dessen Lehramt, und damit zum Bekenntnis der Glaubensübereinstimmung, den Namen des Papstes in den Meßkanon der ehemals schismatischen Kirche einfügen. Es handelt sich sozusagen um einen Test, ob die Schismatiker es wirklich ernst meinen mit der katholischen Einheit in Unterordnung unter den römischen Papst. Die Nennung des Papstnamens ist also eine Manifestation der kirchlichen Einheit im Herzen der Liturgie.

Der Zelebrant bestimmt, „wohin die Reise geht“

Wenn Bergoglio also nicht Papst ist, dann hat er an dieser Stelle der hl. Messe nichts verloren. Wenn er dort aber vom Zelebranten genannt wird, so haben wir als Katholiken bei solchen Messen nichts verloren! Wir können eben nicht sagen: „Nun, ich gehe zwar zu einem Priester der 'una cum Bergoglio' die Messe feiert, aber ich selbst halte mich da heraus.“ Ich will ja mit Bergoglio nichts zu tun haben. Das geht nicht! Denn wenn wir an einer hl. Messe teilnehmen, dann opfern wir durch den Priester, der am Altar steht. Ein Beispiel: Ein Mann bucht einen Flug nach Rom. Am Flughafen wird aber über Lautsprecher durchgesagt, daß der Flug nach Rom ersatzlos gestrichen ist und stattdessen eine Maschine bereit steht, welche die Inseln im Südpazifik anfliegt. Der Mann, der eigentlich nach Rom fliegen will, ist nicht mit diesem Reiseziel einverstanden, welches der Pilot anfliegt. Aber er sieht keine andere Möglichkeit zu fliegen also steigt er ein. Könnte man seinen Protest nach der Landung auf den Osterinseln, wenn er sagt: „Ich bin zwar freiwillig in das Flugzeug eingestiegen, aber ich habe meine Zustimmung verweigert hierher zu reisen“, wirklich ernst nehmen? Jeder würde sagen, daß so jemand verrückt ist. Warum steigt er freiwillig in ein Flugzeug, das ihn dorthin bringt, wo er gar nicht hin will? Dasselbe geschieht aber bei jeder „una-cum“-Messe. Wenn einer sagt: „Nun ich stimme nicht mit dem überein, was der Priester dort vorne am Altar zu Beginn des Kanon betet“, so handelt es sich genau um den gleichen Fall. Man geht freiwillig hin und ist gleichzeitig nicht mit dem einverstanden, was dort geschieht. Man kann keine hl. Messe mitfeiern, ohne sie durch den Zelebranten aufzuopfern. Die anwesenden Gläubigen schließen sich notwendigerweise seinem Opfer an. Wir fliegen dorthin, wo der Pilot hinfliegt.

Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, daß Bergoglio nicht der Papst sein kann, dann ist es eine Lüge an Zeremonien teilzunehmen, die so tun als wäre er es. Das kann Gott nicht wohl gefallen. Objektiv betrachtet ist es sogar sakrilegisch, wenn ein Priester die hl. Messe „in Einheit mit“ einem falschen Papst darbringt.

Aber wo können wir dann noch zur hl. Messe gehen?

So mancher hält dem entgegen: „Ich bin auf die una-cum-Messen, die bei der Piusbruderschaft gefeiert werden, angewiesen. Ich habe keine andere Möglichkeit. Sonst hätte ich ja überhaupt keine hl. Messe mehr in meiner Nähe. Ich müßte Stunden fahren, könnte vielleicht nur einige wenige Male im Jahr eine hl. Messe besuchen. Was wird mit meiner religiösen Praxis werden? Was wird mit meinen Kindern? Daran sieht man schon, daß die Sedisvakantisten übertreiben! Nein, das geht nicht! Ich muß doch zur Messe! Möglichst täglich zur Messe! Die Messe ist doch das Wichtigste!“

Eine solche Reaktion wäre rein menschlich betrachtet natürlich verständlich. Und doch beruht sie auf einem weitverbreiteten Denkfehler, der die katholischen Grundsätze auf den Kopf stellt. Denn die hl. Messe ist zwar der höchste und vollkommenste Schatz, den die katholische Kirche besitzt. Doch für unser Seelenheil ist nicht die hl. Messe das Wichtigste – sondern der Glaube! Wir können sehr wohl unsere Seele retten, ohne die regelmäßige hl. Messe. Aber wir können das ewige Leben nicht erlangen ohne den Glauben! Wobei der Glaube allein noch nicht genügt. Zum Glauben müssen auch Werke hinzukommen. Ein Leben, welches dem Glauben entspricht! Die Katholiken in Japan lebten Jahrzehnte ohne die hl. Messe. Sie bewahrten jedoch ihren katholischen Glauben durch das Gebet des hl. Rosenkranzes. (Und übrigens ist die hl. Messe nicht in erster Linie für unser Seelenheil da, sondern zur Ehre Gottes. Durch "una-cum-Bergoglio"-Messen wird Gott aber nicht verehrt, sondern beleidigt.)

Es muß also unterstrichen werden: Die erste Sorge muß dem Dogma gelten. Nach dem Dogma muß ich leben. Wir müssen der Glaubenslehre entsprechend treu leben, komme was da wolle. Auch wenn ich deshalb nur Gelegenheit habe, einmal oder zweimal im Jahr an der hl. Messe teilzunehmen, dann soll es so sein, wenn nur diese Messe, an der ich teilnehme, eine katholische hl. Messe ist. Also eine Messe, die von einem Priester zelebriert wird, der nichts mit der Novus Ordo Hierarchie zu tun hat. Eine Messe, in welcher der Name des konziliaren Scheinpapstes, der eine andere Religion als die katholische repräsentiert, nicht erwähnt wird.

Folgendes müssen wir uns klar vor Augen halten. Wenn wir zur hl. Messe gehen, so wollen wir doch Gott wohl gefallen, wir wollen Ihm die höhere Ehre erweisen und nicht uns selbst suchen, nicht zusehen, daß unsere religiösen Gefühle so oft wie möglich befriedigt werden. Wir müssen also eine Messe finden, an der Gott wirklich Wohlgefallen hat. Papst Pius VI. verbot den französischen Katholiken während und nach der Französischen Revolution, ihre Kinder von Priestern taufen zu lassen, welche den schismatischen Eid auf die „Zivilkonstitutionen des Klerus“ abgelegt hatten. Er befahl ihnen, mit diesen Priestern nichts zu tun zu haben.

Die Frage darf nicht lauten: „Wo finde ich noch eine gültige Messe? Wo finde ich noch gültige Sakramente?“ Die Messen der Priesterbruderschaft St. Pius X. sind - zumeist - gültig. Die der russisch-orthodoxen Schismatiker auch! Beide sind aber nicht katholisch. Die einen sind durch das „una cum“ mit der ökumenischen Novus-Ordo-Hierarchie verbunden. Die anderen lehnen katholische Dogmen im Bezug auf die Allerheiligste Dreifaltigkeit oder den Papstprimat ab. Zur Zeit der Französischen Revolution hatten die Katholiken ihren Ochsenkarren oder ihre Pferdekutsche. Beide Fortbewegungsmittel erlaubten es innerhalb einer Stunde nicht allzuweit zu kommen. Es war also nicht selten, daß die Katholiken, welche von diesen zeitgeschichtlichen Umständen betroffen waren, obwohl sie gültig geweihte Priester in ihrem Dorf gleichsam vor der Nase hatten, der hl. Messe gänzlich beraubt waren. Aber ihnen wäre es nie in den Sinn gekommen, zu solchen Priestern zu gehen, die bereit waren, Kompromisse im Glauben einzugehen.

Der Kampfgeist und die Opferbereitschaft für den wahren Glauben war immer ein Kennzeichen der römisch-katholischen Religion. Wenn wir das vergessen oder verlieren, ist es aus. In dieser Welt ist die wahre Kirche die streitende Kirche. Die Wahrheit des katholischen Glaubens muß das allein ausschlaggebende Moment für unser Handeln sein, egal welche Schwierigkeiten unsere Treue zur Folge hat, selbst den Tod. Wenn wir das verlieren, sind wir geistig bereits jetzt schon tot. Die meisten Katholiken, vor allem in der westlichen Welt, hatten es in den letzten Jahrhunderten diesbezüglich freilich einfacher. Aber heute leben wir eben nicht mehr in der Zeit einer Volkskirche, wo es genügt, mit dem Mainstream mitzuschwimmen, um seine Seele zu retten. Wir leben in schwierigen Zeiten, was uns vor allem die Buße der Einsamkeit auferlegt. Dennoch müssen wir zuerst und vor allem unseren Glauben schützen.

Nochmal: Wir können ohne die regelmäßige hl. Messe selig werden. Aber wir können nicht ohne das Bekenntnis des katholischen Glaubens selig werden!

Nachwort: Allein auf weiter Flur

Warum gibt es so wenige, die zur Überzeugung der Sedisvakanz gelangen? Den meisten Menschen, welche zwar die nachkonziliare Katastrophe erkennen und nach einem Weg suchen, die angesichts des fortschreitenden Zerfalls den katholischen Glauben und die Glaubenspraxis bewahren wollen, erscheint die Antwort des „Sedisvakantismus“, die keine andere ist als die des katholischen Glaubens, als zu radikal und bizarr. Die Konsequenzen der Sedisvakanz wirken auf viele wie eine Übertreibung. Aus diesem Grund erscheint die Antwort der Sedisvakanz insgesamt als zu extrem. Sie ist zu weit abseits vom konservativen „Mainstream“ und deshalb für die meisten jenseits von gut und böse. In Wirklichkeit ist es jedoch so, daß das Problem, welches in der Nachkonzilszeit offen zutage getreten ist, bizarr, extrem und jenseits von gut und böse ist.

Die Realisierung der Tragweite

Bis heute ist das Problem einer weltweiten Auflösung der katholischen Religion so noch nie dagewesen. Es hat in der ganzen Kirchengeschichte noch kein solches geistliches Hiroshima gegeben wie in den Jahren nach 1958, wo nahezu alles einfach weggeblasen wurde. Und deshalb haben es die absolut sicheren theologischen Schlußfolgerungen, welche die derzeitige Vakanz des päpstlichen Stuhles als Tatsache offenlegen, so schwer, in der breiten Masse jener Gläubigen, die katholisch sein und bleiben wollen, durchzudringen.

Diese Schlußfolgerungen gehen eben insoweit ins Extreme als das Problem extrem ist. So wie sich die Überlebenden des Atombombenabwurfs über Hiroshima und Nagasaki, als sie aus ihren Verstecken herauskamen, bei der Besichtigung der entstandenen Mondlandschaft, die früher ihre Heimat war, erst einmal daran gewöhnen mußten, daß ein solches Ausmaß an Zerstörung überhaupt möglich sein kann, und daß dies nun tatsächlich Realität geworden war, genauso fällt es vielen Katholiken heute schwer, den Grad der Zerstörung der katholischen Strukturen, der mit dem "2. Vatikanum" einher gegangen ist, zu realisieren und als Wirklichkeit zu akzeptieren. Viele wollen es einfach nicht wahrhaben, daß es wirklich so schlimm ist, wie es ist.

Die Bedeutung des Papstamtes

Erschwerend wirkt sich auch der Mangel an Sensibilität für das Papstamt aus. Viele haben keine Vorstellung mehr, welche Stellung der Papst in der von Christus gestifteten katholischen Religion einnimmt. Die übernatürliche Idee davon ist in den Köpfen vieler verblaßt. Sie wissen nicht mehr, was der Papst eigentlich ist, in welcher Beziehung er zu Christus steht und welche essentielle Bedeutung er für einen Katholiken hat. Es ist ihnen unbekannt, daß der einzige Zweck der Institution des Papstamtes durch den Gottessohn darin besteht, das Heil der Seelen durch die Jahrhunderte hindurch sicherzustellen. Daß mit dieser Aufgabe notwendigerweise eine übernatürlichen Ausstattung verbunden ist, die tatsächlich garantiert, daß ein gebrechlicher Mensch zum Wohle aller dieser Aufgabe nicht nur gewachsen sein, sondern gerecht werden kann. Daß das ganze Amt ohne den andauernden göttlichen Beistand völlig sinnlos wäre. Wenn das Papstamt durch göttliche Ausstattung derart gesichert ist, um uns sicher den Weg zum Heil zu zeigen, dann ist es klar, daß daraus auch Pflichten den Amtsträgern gegenüber erwachsen. Verpflichtungen, die nicht einem Menschen gegenüber erfüllt werden müssen, sondern Gott gegenüber, der diesem Menschen auf übernatürliche Weise zum Wohle aller beisteht. Diese Verknüpfung ist fast völlig in Vergessenheit geraten.

Selbst in traditionalistischen Kreisen scheint das Papstamt als ein bloßer Selbstzweck gedacht zu werden, als ein lediglich administrativer Chefposten. „Weil es eben einen geben muß, der das letzte Wort hat. Aber auch das nur dann, wenn ich mir sicher bin, daß er sein Amt nicht mißbraucht, oder wenn er ein Dogma definiert, was gottseidank nur selten der Fall ist.“ Eine solche Vorstellung vom Papstamt ist einfach absurd!

Bei wenigen hat sich noch ein wirklich religiöses Verständnis des Papstamtes erhalten. Daß da die Titel „Stellvertreter Jesu Christi auf Erden“, der „Nachfolger des hl. Petrus auf der Kathedra der immerwährenden Wahrheit“, der „Garant der katholischen Einheit“ nicht bloß wohlklingende, aber doch leere Worthülsen sind, sondern Realität bezeichnen. Leider hat es der stete Tropfen jahrhundertelanger liberaler und anti-päpstlicher Propaganda, die modernistische Relativierung und Minimalisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit auf feierliche Dogmatisierungen sowie die nun schon über Jahrzehnte andauernden Skandale der Scheinpäpste fertiggebracht, daß das wahre Amtsverständnis des Papstes in den Köpfen selbst frommer und gutwilliger Menschen ausgelöscht und durch ein allgemeines und prinzipielles Mißtrauen ersetzt werden konnte. Man stelle sich das vor: Der Papst als jemand, dem man prinzipiell mißtrauen muß, der in der Regel falsches lehrt und skandalöse Akte setzt. Was für ein Papstbild ist da in den Köpfen derer, die sich als die Speerspitze der katholischen Restauration betrachten? Diejenigen aber, die sich noch das wahre Verständnis des Papstamtes bewahrt haben, werden dann von solchen „erzkonservativen“ Traditionalisten als „Papisten“ und „Papalisten“ – Begriffe übrigens, die schon früher bezeichnender Weise nur von Protestanten und von den Feinden der Kirche für die papsttreuen Katholiken gebraucht wurden – verunglimpft und als solche hingestellt, die sich ein „verklärtes, übersteigertes Papstbild“ gemacht hätten.

Es ist die entstellte Papstauffassung in der Vorstellung des „Mainstream“, welche es vielen Menschen schwer macht zu erkennen, daß die Konzilspäpste unmöglich in Wahrheit Statthalter Jesu Christi auf Erden sein können. Ein aufmerksamer Blick in den guten alten „Volkskatechismus“ oder in den „Katechismus des hl. Pius X.“ würde schon genügen, um da Abhilfe zu schaffen.

Die logische Notwendigkeit der Sedisvakanz

Obwohl der „Sedisvakantismus“ tatsächlich auf den Prinzipien der katholischen Glaubenslehre beruht, die absolut gewiß sind und deshalb auch allen Einwänden tatsächlich standhlten, ist es eine bedauerliche Tatsache, daß vielen Menschen die Verbindung und die logischen Zusammenhänge nicht einleuchten, welchen die bekannten definierten Glaubenssätze mit der notwendigen Schlußfolgerung auf die derzeitige Vakanz des päpstlichen Stuhles haben. Der Grund, warum diese Menschen nicht zum Novus Ordo gehen, ist der, weil sie glauben, daß sie ihre Seele durch den Novus Ordo nicht retten können. Und das ist richtig! Sie erkennen die Glaubensverfälschung im Novus Ordo. Und auch das ist richtig! Doch sie sehen zumeist nicht die logische Verbindung, daß die vollkommen richtige Feststellung dieser Tatsachen unausweichlich die heutige Sedisvakanz zur Folge hat. Diesen notwendigen Zusammenhang zwischen der äußeren Bestandsaufnahme und der sich daraus ergebenden Folge der Vakanz des Apostolischen Stuhles aufzuzeigen, war gerade der Sinn dieser Arbeit.

„Es können doch nicht alle falsch liegen.“

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Bisweilen entartet die Einbindung des Menschen in eine gesellschaftliche Ordnung jedoch dahingehend, daß aus einem vernünftig denkenden Menschen ein unvernünftiges Herdentier wird. Leider ist diese Form menschlicher Denaturierung zum Massendenken ein weitverbreitetes Phänomen der Moderne. Mode und Werbung verdienen damit ihr Geld. Nicht wenige, welche durch die hier vorgetragene Argumentation ins Grübeln gebracht wurden, greifen zu der Ausflucht: „Wenn das wahr wäre, wie kann es dann sein, daß es nur so wenige von euch gibt? Die anderen haben doch auch alle Theologie studiert, oder? Warum solltet ausgerechnet ihr Sedisvakantisten im Recht sein, da ihr doch nur eine so verschwindende Minderheit seid?“ Das Herdentier schaut auf das Rudel. Der Mensch in diesem Modus blickt nicht auf den Sachverhalt, um ihn mit gesundem Menschenverstand nach den geltenden Prinzipien und gemäß den Gesetzen der Logik zu beurteilen, sondern er schaut nach links und nach rechts, um genau so zu urteilen, wie es diejenigen um ihn herum tun. Wenn es jeder so macht, ist es klar, daß damit selten ein wahres Urteil zustande kommt, sondern daß alle so urteilen wie das Leittier, also wie derjenige, der am lautesten schreit bzw. dem von allen am meisten Gehör geschenkt wird. Sowohl die Profangeschichte als auch die jüngere Kirchengeschichte zeigen, wie verhängnisvoll sich die verklärte „Lichtgestalt“ eines Führers auf den modernen Massenmenschen auswirkt. Die hochangesehenen Traditionalistenführer beschworen und beschwören gegenüber ihrer Anhängerschaft, daß die Konzilspäpste als Päpste der katholischen Kirche anzuerkennen seien, also wird das schon stimmen, nicht wahr?

Man sollte dabei jedoch im Gedächtnis behalten, daß am bedeutendsten Tag der Menschheitsgeschichte, als ein offensichtlich Unschuldiger gebunden und mißhandelt vor seinem Richter stand, auch schon nicht das Urteil der Masse (unter denen sich auch zahlreiche Experten des Gesetzes befanden) im Recht war, sondern der eine, den sie kreuzigten. Der Karfreitag beweist am deutlichsten, daß der Konsens der Masse kein hinreichender Indikator zur Feststellung der Wahrheit ist und wie leicht die Wahrheit von den Einflußreichen und Mächtigen verworfen wird, wenn es gilt, sich Anerkennung in Rom zu verschaffen bzw. sich keine Probleme mit noch Mächtigeren aufzuhalsen.

Auch impliziert die Frage Christi, ob der Menschensohn bei seiner Wiederkunft wohl überhaupt noch den Glauben vorfinden werde, daß in der Zeit des Großen Abfalls die katholische Wahrheit kein mehrheitsfähiges Massenphänomen sein wird. „Der Gerechte lebt aus dem Glauben“, heißt es in der Heiligen Schrift. Der katholische Glaube muß unsere Lebensregel sein, nicht das, was die anderen denken, sagen und tun. Man verschaffe sich also die hinreichende Kenntnis durch die klaren Wasser der katholischen Glaubenslehre und gebrauche seinen gesunden Menschenverstand. Wenn schon ein Vergleich aus dem Tierreich auf uns zutreffen soll, dann nicht der eines Herdentieres, sondern der des Fisches im klaren Wasser. Bekanntlich sind es gerade die gesunden Fische, die in der Lage sind, auch gegen den Strom zu schwimmen, während hingegen die träge Masse von der Strömung fortgerissen wird.

Der dornige Weg

Schließlich spielt natürlich die bereits angesprochene allzu menschliche Seite der Einsamkeit eine große Rolle, warum Menschen, denen die Symptomatik der „Kirchenkrise“ bewußt wird, die der wahren Ursache nachspüren und auch auf die mit logischer Notwendigkeit eingetretene Sedisvakanz schließen können, dann trotzdem diesen Weg nicht beschreiten wollen. Der Weg erscheint ihnen zu dornenreich. Zu viel müßte man opfern. Für einige ist es schon ein zu großes Opfer, sich selbst eingestehen zu müssen, bisher nicht alles im Leben richtig gemacht zu haben. Der Stolz ist schon einmal die erste Hürde. Hinzu kommt, daß man zweifelsohne viele Menschen enttäuschen würde. Man fürchtet, Freunde und Bekannte zu verlieren, von überall her auf Unverständnis und Ablehnung zu stoßen und sich freiwillig ins Abseits zu manövrieren. Außerdem kommt dann auch noch bei den meisten die „totale Wüste“ im Hinblick auf die religiöse Praxis und den Sakramentenempfang hinzu. Das ist vielen einfach zu viel. Rein menschlich betrachtet ist das verständlich. Aber es geht hier eben um mehr als nur um rein Menschliches.

Viele übersehen, daß die Einsicht in die Problematik um das "2. Vatikanum" und die Vakanz des Apostolischen Stuhles schon eine Gnade ist, die uns eine Verpflichtung auferlegt. Daß es der katholische Glaube ist, ja daß es letztlich Gott selber ist, der uns heute diese Opfer abverlangt. Daraus aber folgt, daß wir diese Opfer tatsächlich bringen können und bringen müssen. Darüber hinaus werden diese Opfer viel Segen vom Himmel herabziehen. Der ewige Lohn, den Gott den konsequenten und beharrlichen Seelen verheißen hat, wird den geleisteten Verzicht bei weitem übertreffen: „Wer ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden“ (Mt. 24, 13). „Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört, in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1.Kor. 2, 9). „Du guter und getreuer Knecht, weil du über weniges treu gewesen, will ich dich über vieles setzen. Gehe eine in die Herrlichkeit deines Herrn“ (Mt. 25, 21).