Trostbrief in einer trostlosen Zeit - Nr. 2

In der Reihe unserer Trostbriefe folgt hier der zweite:



Der Engel des Herrn…

Die beiden Feste des hl. Erzengels Gabriel und Mariä Verkündigung machen es Ihnen, liebe Gläubige, sicherlich wieder besonders schwer, auf das hl. Meßopfer zu verzichten. Da erlebt man dann leidvoll, wie unser ganzes Kirchenjahr mit dem Geheimnis des hl. Meßopfers innigst verwoben ist. Ohne hl. Meßopfer fehlt dem Fest das Wesentliche.

Aber es hat immer wieder Zeiten gegeben, in denen manche Landstriche oder sogar ganze Länder des hl. Meßopfers beraubt waren. Dann mußten die Katholiken weitgehend ohne hl. Meßopfer oder zuweilen sogar ganz ohne Priester auskommen. Bekannt sind die „verborgenen Christen“ in Japan, die fast drei Jahrhunderte ohne Priester ihren Glauben im Geheimen bewahrten. Das sind wahre Gnadenwunder, an denen auch wir uns heute noch aufrichten können.

Wenn die ordentlichen Gnadenmittel nicht mehr erreichbar sind, schenkt uns Gott die notwendigen Gnaden auf außerordentliche Weise. Ein solch außerordentliches Gnadenmittel ist die geistige Teilnahme am hl. Meßopfer. Unser Geist kennt keine räumlichen Grenzen, wir können etwa mit einem einzigen Gedanken tausende Kilometer überwinden und an einen geliebten Menschen denken. Wie sollte es da nicht möglich sein, im Geiste an einer hl. Messe teilzunehmen und wie sollte uns dann Gott Seine Gnaden verweigern, wenn Er doch weiß, wie gerne wir zur hl. Messe gehen würden, wenn wir nur könnten?

Eine zusätzliche Hilfe, gesammelt am hl. Meßopfer geistigerweise teilzunehmen, ist es, wenn man den hl. Schutzengel bittet, stellvertretend in die Kirche zu gehen. Viele kennen das Gebet:

O heiliger Schutzengel mein,

Geh für mich in die Kirch' hinein,

Knie dich an meinen Ort,

Hör die heilige Messe dort.

Bei der Opferung bring mir dar

Gott zum Dienste ganz und gar,

Was ich habe, was ich bin,

Leg's als Opfergabe hin.

Bei der heiligen Wandlung dann

Bet mit tiefer Andacht an

Unsern Heiland Jesu Christ,

Der wahrhaft zugegen ist.

Bet für die, die mich geliebt,

Bet für die, die mich betrübt,

Denk auch der Verstorbenen mein,

Jesu Blut wasch alle rein.

Beim Genuß vom höchsten Gut,

Meines Heilands Fleisch und Blut,

Im Geiste mich mit ihm verein',

O laß mein Herz sein Tempel sein.

Fleh, daß allen Menschen Heil

Durch dieses Opfer wird zuteil.

Ist die heilige Messe aus,

Bring den Segen mir nach Haus.

Es ist übrigens überhaupt ein außerordentlicher Trost, sich in Notzeiten vermehrt der hll. Engel zu erinnern und sie wieder lebendiger – oder noch etwas konkreter gesagt: gegenwärtiger – zu verehren. Mechthild Thaller-Schönwerth, die Vertraute der Engel, schrieb einmal: „Es ist eine stille, aber tiefe Tragik im Dienste der Engel: sie tun für die arme, sündige Menschheit, was in ihren Kräften liegt, sie erwarten keinen Dank und selten finden sie ihn. Aber die glaubensarmen Menschen vergessen sie, oder erklären ihre Existenz als ein anmutiges Märchen“ (Irmgard Hausmann, Die Vertraute der Engel, Band 2, Miriam-Verlag, Jestetten 1984, S. 184).

Auch wenn die hll. Engel für uns kein anmutiges Märchen sind, so denken wir dennoch viel zu wenig an ihre tröstende und allzeit helfende Gegenwart. Je notvoller die irdische Welt wird, umso fester müssen wir uns an die himmlische binden. Die hl. Engel warten nur darauf, daß wir sie um ihre Hilfe bitten!

Am Fest Maria Verkündigung gedenken wir des Augenblicks der Menschwerdung. Die göttliche Vorsehung hat einen Engel dazu auserwählt, Maria die Freudenbotschaft zu bringen. Wir sehen daraus zweierlei: Auch die himmlische Welt nimmt Anteil an unserem ewigen Geschick und sie hilft dabei zudem aktiv mit. Der Erzengel Gabriel greift als Bote Gottes ins Weltgeschehen ein. Stellvertretend für alle Menschen und alle Engel legt er Maria die alles entscheidende Frage vor, ob sie bereit ist, die Mutter des göttlichen Wortes zu werden.

Bevor wir einen kurzen Blick auf diese Botschaft werfen wollen, lassen wir die Welt der Engel ein wenig vor uns erstehen, denn Engel kann man schließlich nicht mit leiblichen Augen sehen. Dabei soll uns nochmals die Vertraute der Engel, Mechthild Thaller-Schönwerth helfen. In ihrem Tagebuch heißt es am 25. 3. 1912:

„O Erzengel St.Gabriel, liebeglühender Seraph! Gegrüßet seist Du, Auserwählter Gottes! Gegrüßet seist Du, Gabriel! Du bist voll der Gnade und Freude, der Heilige Geist ist mit Dir, Du bist auserwählt unter allen Engeln und gebenedeit ist die »Unbefleckte Jungfrau Maria«, der Du die Botschaft brachtest, daß sie Mutter unseres Erlösers Jesus Christus werde. Heiliger Erzengel Gabriel, Du Gesandter des Heiligen Geistes, bitte für uns arme Sünder, steh uns bei in jeder Angst und Not, am meisten in der Stunde des Todes, Amen.
Heute ist großer Freudentag im Himmel — und für alle auf Erden, die guten Willens sind. Ich bat Unsere liebe Frau recht inständig, allen meinen geistlichen Kindern viel Seelentrost und Herzensfreude zu bringen. Ich finde keine Worte, um meine Gedanken nur einigermaßen zum Ausdruck zu bringen. Ave Maria, du bist voll der Gnade! Mache Du gut, was mir mangelt!
Ich sah St. Gabriel in einer weißen, goldgestickten Dalmatica (Festkleid des Diakons) mit dem goldenen Lilienstab in der linken Hand. Sein Antlitz strahlte wie die Sonne. Ich mußte meine Augen schließen, sonst wäre ich blind geworden. Ach, wie selig muß es uns werden im Himmel, wenn die Augen unserer Seele diese Schönheit schauen und in sich aufnehmen. Und doch — was ist die höchste Engelsschönheit gegen Gott, dem Urquell aller Schönheit? »Und das Wort ist Fleisch geworden« — aus Maria, der Jungfrau, und die Menschheit, die zu erlösen Gottes Sohn Mensch wurde, hat ihren Erlöser verfolgt und ans Kreuz geschlagen. Für uns wurde aus dem Urquell aller Schönheit ein »Mann der Schmerzen«, an dem »keine Gestalt mehr war«. O gekreuzigter Jesus, Du trankst den bitteren Kelch des Leidens, um uns die Süßigkeit des Himmels zu erwerben!“ (Irmgard Hausmann, Die Vertraute der Engel, Band 1, Miriam-Verlag, Jestetten 1992, S. 161f).

Was für eine beeindruckende Gedankenwelt, ganz erfüllt vom Gnadenlicht des hl. Glaubens. Die hl. Engel sind nicht einfach nur Freunde Gottes, sie sind durchglüht von der Herrlichkeit Gottes und auch der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus. Der hl. Erzengel Gabriel ist der Bringer der Freudenbotschaft in unsere freudlose Menschenwelt. Darum ist es ganz und gar wahr: „Gegrüßet seist Du, Gabriel! Du bist voll der Gnade und Freude, der Heilige Geist ist mit Dir, Du bist auserwählt unter allen Engeln und gebenedeit ist die »Unbefleckte Jungfrau Maria«, der Du die Botschaft brachtest, daß sie Mutter unseres Erlösers Jesus Christus werde.“

Im Haus von Nazareth begegnen sich die himmlische Welt und unsere Menschenwelt, um den Willen Gottes zu erfahren und zu vollbringen. Das himmlische Gespräch findet eigentlich zwischen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und Maria statt. Aber es geziemte sich, aus Rücksicht auf Maria, daß der Erzengel Gabriel dieses Gespräch führte. Maria sollte ganz frei sein, so frei wie Adam und Eva zur Zeit der Sünde. Schon von Anbeginn an wies die Heilige Schrift auf diesen Augenblick hin, um uns das Geheimnis der göttlichen Vorsehung aufzuschließen, wie der hl. Papst Leo schreibt:

„Der allmächtige, gütige Gott, dessen Wesen Güte, dessen Wille Allmacht, dessen Wirken Barmherzigkeit ist, hat gleich bei Beginn der Welt, als die Bosheit des Teufels uns mit dem Gift seines Neides zu Tode verwundet hatte, die Heilmittel angezeigt, durch die er in seiner Erbarmung die sterblichen Menschen wieder retten wollte. Und so verkündigte er der Schlange, daß der Same des Weibes dereinst durch seine Kraft den verderblichen Hochmut ihres Hauptes demütigen werde. Damit wies er hin auf Christus, der im Fleische kommen, der Gott und Mensch zugleich sein sollte, der von einer Jungfrau geboren werden und den Schädling des menschlichen Geschlechtes durch seine makellose Geburt vernichten wollte.“

Maria sieht den Engel, aber sie erschrickt nicht vor ihm, sondern vor seinem Wort. Wie könnte auch die Königin der hl. Engel vor einem Engel erschrecken. Während Mechthild Thaller schreibt: „Ich sah St. Gabriel in einer weißen, goldgestickten Dalmatica (Festkleid des Diakons) mit dem goldenen Lilienstab in der linken Hand. Sein Antlitz strahlte wie die Sonne. Ich mußte meine Augen schließen, sonst wäre ich blind geworden“, blickt Maria ruhig auf den himmlischen Boten und stellt ihm genauso ruhig ihre durchaus berechtigten Fragen. Was übrigens ein unübersehbarer und beeindruckender Hinweis darauf ist, daß unser hl. Glaube nicht blind, sondern durchaus vernünftig ist, wenn er auch ein Geheimnis bleibt. Maria glaubt jedem Wort des Engels – wenn sie auch vor der großen Ehrfurcht des hl. Erzengels vor ihr, dem Menschenkind, erschrickt! – aber sie will diese auch soweit verstehen, daß sie vernünftig darauf erwidern, bzw. ihr Zustimmung geben kann.

Und ist man nicht immer wieder davon zutiefst ergriffen, welch glühender Brautwerber der hl. Erzengel Gabriel ist. Seine wohlüberlegten Worte sind und bleiben allezeit beeindruckend. Sie spiegeln den unerhörten Ernst der Stunde wider, der entscheidenden Stunde der Weltgeschichte. Der hl. Bischof Ambrosius weiß:

„Denn eine so große, erhabene Botschaft durfte nicht durch den Mund eines Menschen, sondern mußte von einem Engel verkündigt werden. Heute hört Maria zum ersten Male: Der Heilige Geist wird über dich kommen. Sie hört die Verheißung und glaubt. Schließlich spricht sie: Siehe! Ich bin eine Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Worte! Schau ihre Demut, ihre Ergebung in Gottes Willen! Magd des Herrn nennt sich die, welche zur Mutter des Herrn erkoren wird; die unerwartete Verheißung macht sie nicht stolz.“

So soll es sein: Wir hören das Wort Gottes und glauben. Und in diesem übernatürlichen Offenbarungsglauben steht uns plötzlich die göttliche Welt vor Augen, ja das Geheimnis aller Geheimnisse, die Allerheiligste Dreifaltigkeit, wird uns offenbar.

Wie endet wohl die Verkündigung? Im hl. Evangelium lesen wir nur: „Und der Engel schied von ihr.“ Jeder möge sich jetzt in das Geheimnis der Menschwerdung betend hineindenken und dabei erwägen, welche Gedanken, welche Empfindungen, welche Gebete das unbefleckte Herz Mariens in diesem Augenblick erfüllten. Erst dann, wenn er sich bemüht hat, selbst betrachtend dies alles zu verinnerlichen, möge er ergänzend folgende Vision Anna Katharina Emmerichs lesen:

„Jetzt aber ergoß sich zu ihrer Rechten in schräger Linie von der Decke ihrer Kammer eine solche Masse von Licht nieder, daß ich mich davon gegen die Wand der Türe zurückgedrängt fühlte, und ich sah in diesem Lichte einen weißen leuchtenden Jüngling mit gelben fließenden Haaren vor sie nieder schweben. Es war der Engel Gabriel. Er sprach zu ihr, indem er seine Arme an beiden Seiten des Oberkleides leise von sich bewegte. Ich sah die Worte wie leuchtende Buchstaben aus seinem Munde gehen, ich las sie und hörte sie. Maria wendete das verschleierte Haupt etwas nach der rechten Seite hin, jedoch schüchtern sah sie nicht auf. – Der Engel aber fuhr fort zu sprechen, und Maria wendete ihr Gesicht wie auf seinen Befehl etwas zu ihm, hob den Schleier wenige auf, und antwortete. Der Engel sprach abermals, und Maria hob den Schleier auf, blickte den Engel an und erwiderte die heiligen Worte: ‚Sieh, die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Worte.‘
Die heilige Jungfrau war in tiefer Entzückung. Licht füllte die Kammer, ich sah die Decke der Kammer nicht mehr. Der Himmel schien offen, eine Lichtbahn ließ mich über den Engel hinauf schauen, ich sah im Ausgang dieses Lichtstroms eine Figur der heiligen Dreifaltigkeit, wie ein dreieckiges, sich durchstrahlendes Licht, und ich erkannte in ihm, was man nur anbeten und nie aussprechen kann, Gott den Allmächtigen Vater und den Sohn und den heiligen Geist, und doch nur Gott den Allmächtigen.
Da aber die heilige Jungfrau gesprochen: ‚Mir geschehe nach deinem Worte‘, sah ich jene geflügelte Erscheinung des heiligen Geistes, aber nicht ganz so, wie sie gewöhnlich in Gestalt einer Taube abgebildet wird. Das Haupt war wie ein Menschenantlitz und es breitete sich Licht gleich Flügeln zur Seite der Gestalt, aus deren Brust und Händen ich drei Lichtergüsse nieder zu der rechten Seite der heiligen Jungfrau strömen sah und sich mitten in ihr vereinigen sah.
Die heilige Jungfrau ward mit dem Eindringen dieses Lichtes zu ihrer Rechten, von dieser Seite aus ganz durchleuchtet und wie durchsichtig, und es war, als zöge sich die Undurchsichtigkeit wie Nacht vor diesem Lichte zurück. Sie war in diesem Augenblicke so von Licht durchgossen, daß nichts Finsteres, nichts Verhüllendes mehr in ihr erschien, sie war leuchtend und durchleuchtet in ihrer ganzen Gestalt.
Ich sah aber nach dieser Durchleuchtung den Engel verschwinden, die Lichtbahn, aus der er hervorgetreten, zog sich zurück; es war, als werde der Lichtstrom von dem Himmel wieder eingeatmet, und ich sah, als fielen aus dieser sich zurückziehenden Lichtbahn viele geschlossene weiße Rosen, jede mit einem grünen Blättchen auf die heilige Jungfrau nieder. …
Nach dem Verschwinden des Engels sah ich die heilige Jungfrau in tiefer Entzückung ganz in sich selbst versunken, und ich sah, daß sie die Menschwerdung des verheißenen Erlösers in sich als eine kleine menschliche Lichtgestalt mit allen Gliedern bis in die Fingerchen ausgebildet erkannte und anbetete. – O! hier in Nazareth ist es anders als zu Jerusalem, dort müssen die Frauen im Vorhofe bleiben und dürfen nicht in den Tempel, ins Heilige dürfen nur die Priester, hier aber in Nazareth, hier in dieser Kirche ist die Jungfrau der Tempel selbst, und das Allerheiligste ist in ihr, und der hohe Priester ist in ihr, und sie allein ist bei ihm. O! wie ist das lieb und wunderbar, und doch so ganz einfach und natürlich! Die Worte Davids im 45. Psalm waren erfüllt: Der Allerhöchste hat seine Hütte geheiligt, Gott ist in ihrem Innern, sie wird nicht erschüttert werden.“
(Anna Katharina Emmerich, Leben der heil. Jungfrau Maria, aufgeschrieben von Clemens Brentano, Literarisch-artistische Anstalt, München 1854, S. 140-142)