Wahnsinn hoch zwei

Es ist schon äußerst bedenklich, wenn in einer Gesellschaft ein Wahnsinn als solcher nicht mehr wahrgenommen, sondern für normal ausgegeben und auch dafür gehalten wird. Da wird das Leben allmählich unheimlich. Denn wie sollen dann noch die normalen und notwendigen Dinge richtig gesehen werden, wenn der Wahnsinn gleichberechtigt neben ihnen steht? Wie soll der Wahnsinn vom Normalen unterschieden werden? Und wie soll man sich sodann gegen den Wahnsinn schützen, wenn er immer noch mehr Akzeptanz gewinnt und immer noch mehr Lebensbereiche erobert?



Man kann sich vor dem Wahnsinn nur noch durch den Mut zur Einsamkeit schützen und mit dem Wissen trösten, daß es nur noch eine kleine Herde sein wird, wenn das Ende kommt – das nun doch schon recht nahe vor der Türe zu stehen scheint. Mit anderen Worten: Man muß der Versuchung zur großen Zahl widerstehen, weil die Mehrheit zur Zeit des großen Abfalls nicht mehr der Realität entsprechend denkt. Vielmehr gilt es nüchtern zu erwägen, was unser göttlicher Lehrmeister zu bedenken gibt: „Wird aber der Menschensohn auf Erden Glauben finden, wenn er kommt?“ (Lk 18, 8).

Das Denken in der großen Zahl ist vor allem im kirchlichen Bereich zu einer recht gefährlichen Versuchung geworden, denn es versperrt den Zugang zur unübersehbaren katastrophalen Wirklichkeit. Man könnte es auch so formulieren: Diese Versuchung ist eine optische Täuschung aus der Note der Katholizität der Kirche heraus. Weil die Kirche katholisch, also weltweit verbreitet und für alle Völker da sein muß, darum muß ihr immer auch die große Zahl zugesprochen werden. Man vergißt dabei nur allzu leicht, daß die Kirche mit einer sehr kleinen Zahl begonnen hat und dennoch von Anfang an katholisch war.

Die Versuchung der großen Zahl

Durch die Versuchung der großen Zahlt wird also der Blick auf die unübersehbare Wirklichkeit getrübt, die derzeit so aussieht: Seit dem sog. 2. Vatikanischen Konzil hat der Wahnsinn ganz allgemein das Ruder übernommen – nämlich in jenen Institutionen, die einmal der katholischen Kirche dienten, aber allesamt den Feinden in die Hände gefallen sind. Gleichsam über Nacht war die Menschenmachwerkskirche institutionalisiert worden. Mit der in den Institutionen immer noch versinnbildlichten Macht der wahren Kirche Jesu Christi hat der Wahnsinn den Siegeszug von oben nach unten angetreten.

Vermeintlich im Namen Gottes und seines Stellvertreters, des Papstes, wurde in kürzester Zeit die Mehrheit der Katholiken kurzerhand umprogrammiert, d.h. mit den unzähligen irrigen Ideen des Modernismus dem wahren Glauben abspenstig gemacht. Dabei erwies sich vor allem die sog. Neue Messe als ideales Revolutionsmittel, denn mit ihr konnte man den Modernismus mühelos und fast unerkannt bis in die entferntesten Winkel der Erde bringen. Es war direkt unheimlich, wie schnell sich dieses modernistische Gespenst verbreitete und wie flächendeckend die Irrlehren Besitz von den Herzen nahmen. Man konnte wirklich sagen: Jetzt ist alles anders als früher und sicher nichts mehr katholisch.

In Tiara und Chormantel

Wir haben schon öfter darauf hingewiesen: Die Täuschung war deswegen so perfekt und allgemein, weil die feindliche Übernahme nicht offen geschah, weshalb die Feinde unter dem Deckmantel der kirchlichen Autorität agieren konnten. Damit war von vorneweg jeglicher katholische Widerstand in die Defensive gedrängt und mit dem Siegel des Ungehorsams, ja der Illegitimität gezeichnet. Die Feinde wußten nur zu gut, solange ihre Scheinautorität öffentlich anerkannt wurde, konnte sich neben ihnen kein bedeutender Widerstand organisieren. Sie wußten, es werden immer nur Einzelne oder kleinere Gruppen sein, die sich aus der Täuschung der großen Zahl loslösen und dem Zerstörungswerk entgegenstemmen.

Von der Inkonsequenz zum Wahnsinn

Das ist, man faßt es kaum, bis heute so geblieben. Nicht wenigen Konservativen und Traditionalisten treibt kein anderer Gedanke so sehr den Angstschweiß ins Gesicht wie die Vorstellung, dieser modernistische Räuberhaufen könnte nicht mehr die Kirche Jesu Christi sein. Anstatt diesen absurden Gedanken als eine Blasphemie zu verwerfen, wird er mit aller Macht bis zum Wahnsinn verteidigt: Lieber einen Häretiker oder Apostaten als Papst als gar keinen Papst!

Das teuflische Spiel der Pseudopäpste

Die Feinde konnten also in aller Ruhe und Gelassenheit ihr teuflisches Spiel der Pseudopäpste beginnen. Es gab bald keine einzige Glaubenswahrheit mehr, die nicht in irgendeiner Weise angezweifelt oder zumindest umgedeutet wurde. Die einzige Verbindlichkeit bestand in der Unverbindlichkeit aller Irrehren. Wer sich nicht rechtzeitig aus dem Wahnsinn ausklinkte, der war rettungslos verloren! Wer sich in das modernistische Spiel der Menschenmachwerkskirche hineinziehen ließ, indem er mit ihr irgendwie mitspielte, der versankt unrettbar in der Diktatur der Beliebigkeit. Denn anders als die meisten sog. Katholiken irrtümlicherweise wahrnahmen, ging diese Diktatur nicht so sehr von den Bischöfen und nicht einmal hauptsächlich von den progressistischen Professoren, sondern von „Rom“ aus. Mit Rom ist hier natürlich nicht die Stadt Rom gemeint, sondern die römische Kurie mit dem „Papst“ an der Spitze.

Man ist ziemlich ratlos, wenn man sieht, wie sehr, ja rigoros sich die Konservativen und Traditionalisten gegen die Einsicht in diese evidente Tatsache wehrten und wehren. Es ist nun wirklich unübersehbar, Rom beförderte nicht nur den Modernismus, Rom schrieb ihn mit dem sog. 2. Vatikanum der ganzen Menschenmachwerkskirche als Lehrgrundlage vor. Es ist zutiefst erschreckend, wie wenige schon damals noch zwischen dem katholischen Glauben und einer etwas konservativeren Form des Modernismus unterscheiden konnten – und können. Das ist nur verständlich, wenn man die seit Jahrhunderten geleistete Vorarbeit bedenkt. Ist doch der moderne Geist und damit auch der Modernismus nicht einfach vom Himmel gefallen. Das katholische Denken war schon lange ausgehöhlt und das „sentire cum ecclesia“, das Mitdenken mit der Kirche allmählich in den Herzen erstorben. Die allermeisten Leute waren nur noch gefühlt katholisch, aber klare Auskunft darüber, was denn nun der katholische Glaube genau sei und was ihn wesentlich von allen anderen Glaubensformen unterschied, konnte fast niemand mehr geben.

Die Absicherung der Revolution

Wie schon erwähnt, hatten die Pseudopäpste der letzten Jahrzehnte die Schlüsselposition bei diesem gewaltigen Betrug in Händen. Die Modernisten wußten genau, wie ihre „Päpste“ aufzutreten und vorzugehen hatten, waren sie doch zugleich die Nahtstelle und die Absicherung der neuzeitlichen Revolution. Damit ein modernistischer Pseudopapst das sein kann – Nahtstelle und Absicherung der Revolution – muß er immer ein Mann der Mitte sein, also ein Liberaler! Er muß schließlich sowohl den Konservativen, als auch den Progressiven als Identifikationsfigur dienen können. Im Nachhinein muß man zugestehen, daß dieser Balanceakt ausgezeichnet gelang. Für die meisten Konservativen stand ihr „Papst“ für die „alte“ Kirche, wie er genauso für die Progressiven für die „neue“ Kirche stand, wobei beide „Kirchen“ nebeneinander existierten und in der Öffentlichkeit als die eine katholische Kirche galten.

Wie es so bei Menschen ist, versuchten beide Seiten, ihren „Papst“ für sich zu vereinnahmen und sich einzubilden, daß der „Papst“ natürlich hinter ihnen stand. Diese Tatsache wird ebenfalls von den meisten Konservativen und Traditionalisten nicht wahrgenommen, weil die Pseudopäpste in der Öffentlichkeit immer als konservativ hingestellt wurden und so, als würden sie ausschließlich den Progressisten entgegentreten. Sie wollen bis heute nicht einsehen, daß der Modernismus von diesen seit Jahrzehnten ganz allgemein durch eine grundsätzliche Anerkennung unterstützt wird, wohingegen die sog. Tradition (die viele Variationen kennt) nur geduldet wird. Eingeschritten wird immer nur gegen Leute, die inopportune öffentliche Aufmerksamkeit erregen, wohingegen sich im ganzen Lehrbetrieb (bzw. Irrlehrbetrieb) der Modernismus unübersehbar etabliert hat.

Bei einer Revolution ist es entscheidend, vor allem den rechten Flügel zu kontrollieren. Deswegen mußten sich die Pseudopäpste zunächst um diesen kümmern. Sie mußten bei den Konservativen und Traditionalisten den Eindruck erwecken, daß man ihre Sorgen und Nöte sehr gut verstand und im Grunde hinter ihnen stehen würde, wenn man nur könnte wie man wollte. Dabei hätte ein etwas kritischerer Blick jeden schnell zur Einsicht geführt, daß dies nur revolutionäre Taktik war. Es wurde und wird nämlich den Konservativen und Traditionalisten immer nur so viel Spielraum zugestanden, wie es für die Revolution dienlich ist. Letztlich wurden sie all die Jahre einfach nur an der kurzen Leine gehalten und mit leeren Versprechen abgespeist.

Die modernistische „Theologie“ des Papsttums

Dieses aufmerksame, scheinbare Entgegenkommen der Pseudopäpste hatte noch einen entscheidenden Vorteil für die Römer. Die Konservativen und Traditionalisten konnten sich an einen imaginären „Papst“ gewöhnen, den sie letztlich gar nicht mehr ernst nehmen müssen. – Die Progressiven brauchten sich daran gar nicht mehr zu gewöhnen, war doch der „Papst“ für sie sowieso nicht mehr mehr als ein Vereinsvorsitzender. Unmerklich war dadurch die Theologie des Papsttums im modernistischen Sinne verändert worden. Der einzige Unterschied bestand und besteht darin, daß die Konservativen und Traditionalisten im Gegensatz zu den Progressisten bis heute nicht konsequent sind. Sie schwafeln immer noch vom Primat Petri und von der Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes, obwohl sie beides durch ihre Taten ständig leugnen. Vor allem eine Traditionsgruppe dokumentiert das regelmäßig dadurch, daß sie zwar zu Rom gehören wollen, aber nur unter der Bedingung, daß Rom sie so sein läßt wie sie sind. Das ist die neue, traditionalistische Form des kirchlichen Gehorsams! Das kirchliche Lehramt hat immer das zu tun und zu sagen, was wir ihm vorschreiben.

Als Resümee aus dem Gesagten kann man festhalten: Letztlich gehorcht niemand in der Menschenmachwerkskirche mehr dem „Papst“, sondern dieser muß vielmehr der Basis gehorchen und zeigen, daß er jederzeit bereit ist, ihre jeweilige – modernistische oder traditionalistische – Tradition abzusegnen. Und in der Tat waren die meisten Traditionalisten schon zufrieden, wenn die Pseudopäpste sie immer wieder mit Traditionshäppchen abspeisten. Eine ab und zu hingeworfene, katholisch klingende Phrase genügte ihnen schon für einen neuen Hoffnungsschimmer, daß sich Rom bald bekehren werde.

Die Verunmöglichung einer Bekehrung durch die Aufhebung des Widerspruchsprinzips

Es ist ganz wichtig einzusehen: Den Feinden ging es ganz besonders darum, die Mehrheit an den Gedanken zu gewöhnen, die wahre Kirche Jesu Christi könne ganz gut inmitten der Synagoge Satans und ihren modernistischen Irrlehren existieren, so daß beide eine „Kirche“ bildeten. Denn damit wurde letztlich eine Bekehrung unmöglich gemacht. Solange man nämlich in der Menschenmachwerkskirche verblieb, war nur noch ein konservativer Modernismus möglich, aber kein katholischer Glaube mehr. Denn der katholische Glaube fordert selbstverständlich eine Trennung!

In dieser Vorstellung der Kirche Jesu Christi inmitten der Synagoge Satans zeigt sich übrigens die für die Moderne so typische Aufhebung des Widerspruchsprinzips, wodurch prinzipiell jegliche klare Unterscheidung verunmöglicht wird. Die Aufhebung des Widerspruchsprinzips ist die Grundlage, die geistige Voraussetzung des modernen Wahn-sinns. Denn wenn es keinen (klar erkennbaren) Widerspruch mehr gibt, dann ist der Wahn von der Wirklichkeit nicht mehr zu unterscheiden. Gegensätze werden sodann nicht mehr als Gegensätze wahrgenommen, schwarz kann weiß und weiß schwarz sein, gut kann böse und böse gut sein, usw. Der Prophet Isaias spricht deswegen das göttliche Wehe über all diejenigen, die sich dieser Sünde schuldig machen: „Wehe, die ihr Böses gut und Gutes böse nennt! Die ihr Finsternis zu Licht und Licht zu Finsternis, Bitteres zu Süßem und Süßes zu Bitterem macht!“ (Is 5, 20).

Der Lefebvrismus – Die Lehre vom schwarzen Schimmel

Aus diesem Wahn-sinn entwickelte sich eine ganz eigene Art der Verblendung, die man fortan Traditionalismus nannte. Dabei ist die geistige Grundlage für die meisten Konservativen und Traditionalisten der Lefebvrismus, der in der Erklärung vom 21. November 1974 seine prägnanteste Formulierung erhielt. In dieser Erklärung spricht Lefebvre bekanntermaßen über zwei „Rom“. Ein katholisches „Rom“ und ein modernistisches „Rom“. Während man dem katholischen „Rom“ anhängen müsse, müsse man das modernistische ablehnen. Während das katholische „Rom“ „Hüterin des katholischen Glaubens und der für die Erhaltung dieses Glaubens notwendigen Traditionen“, „Lehrerin der Weisheit und Wahrheit“ ist, ist das modernistische „Rom“ schuld an der „Zerstörung der Kirche, dem Ruin des Priestertums, an der Vernichtung des heiligen Meßopfers und der Sakramente, am Erlöschen des religiösen Lebens, am naturalistischen und teilhardistischen Unterricht an den Universitäten und Priesterseminaren und in der Katechese, einem Unterricht, der aus dem Liberalismus und dem Protestantismus hervorgegangen ist und schon etliche Male vom Lehramt der Kirche feierlich verurteilt worden ist“.

Man könnte das Ganze als rein phänomenologische Feststellung noch irgendwie erklären, wobei man aber dennoch anmerken müßte, daß die Aussageweise recht diffus, also unklar und verworren ist, weiß man doch bis zum Schluß der Erklärung nicht, wo und was denn nun genau und vor allem konkret das ewige und das modernistische „Rom“ sein soll. Umso mehr als beide in dem einen Papst subsistieren sollen. Diese sich aus dem Gesagten an sich notwendig ergebende Formulierung erinnert einen unwillkürlich an die „subsistit in“–Lehre des sog. 2. Vatikanums. Aber so abenteuerlich haben sich wohl selbst die Modernisten auf dem Konzil dieses „subsistit in“ nicht vorgestellt: Zwei sich völlig widersprechende Gemeinschaften „subsistieren“ in einem Papst und sind dadurch irgendwie katholische Kirche.

Lefebvristische Sophistik

Aber hier gehen wir natürlich schon zu weit, denn Lefebvre spricht nicht von „Kirche“, sondern von „Rom“. Das macht er deswegen, um die Leute vom wahren Sachverhalt abzulenken. Würde er nämlich von „Kirche“ sprechen, so dächte man unwillkürlich an zwei Kirchen. Nun von Rom gibt es keine Mehrzahl, weil es nur eine Stadt mit dem Namen Rom gibt. Damit werden gedanklich die beiden beschriebenen „Rom“ unwillkürlich zu Spielarten des einen Rom. Der phänomenologischen Beschreibung wird also durch die Wortwahl vornweg eine bestimmte Interpretationsrichtung gegeben. Der Widerspruch tritt nicht ganz offen zutage.

Versuchen wir darum einmal zu begreifen, was denn hier eigentlich durch das Gesagte suggeriert wird? Was sagt Lefebvre genau? Was bringt er mit seinen Worten konkret zum Ausdruck? Seine Beschreibung ist – und kann es nur sein, weil sie sonst von Anfang an absurd wäre – eine Abstraktion im modernen Sinne, also eine Entwirklichung der Sache. Das Täuschende dabei ist, daß das Gegenteil der Fall zu sein scheint. Denn der Leser bildet sich doch ein, was er liest, ist eine Beschreibung der römischen kirchlichen Tatsachen.

Nun, das gilt aber nur für den einen Teil, nämlich den modernistischen. Das erkennt man jedoch erst in dem Augenblick, in dem man sich zwingt, das Gesagte zu konkretisieren. Jedem Leser wird sofort einsichtig werden, daß es in Rom viele Modernisten gibt, von denen der oberste Chef der Herr „Papst“ ist. Diese Einsicht ließe sich durch viele Beispiele belegen, von denen auch Lefebvre in den harten Phasen seiner Auseinandersetzung mit dem modernistischen „Rom“ genügend angeführt hat. Und immerhin spricht er auch in der Erklärung (die zu einer der harten Phasen gehört) Klartext, denn „Zerstörung der Kirche, […] Ruin des Priestertums, […] Vernichtung des heiligen Meßopfers und der Sakramente, […] Erlöschen des religiösen Lebens, […] naturalistische[r] und teilhardistische[r] Unterricht an den Universitäten und Priesterseminaren und in der Katechese, ein […] Unterricht, der aus dem Liberalismus und dem Protestantismus hervorgegangen ist und schon etliche Male vom Lehramt der Kirche feierlich verurteilt worden ist“ – das ist doch durchaus starker Tobak. Die Schlußfolgerung ist ja auch dementsprechend: Mit diesem Rom wollen wir nichts zu tun haben!

Aber wie ist es eigentlich mit der anderen Seite der Wirklichkeit, also mit dem ewigen „Rom“. Hier ist das hinzugefügte Adjektiv verräterisch, denn „ewig“ steht hier eindeutig im Gegensatz zu „zeitlich“, und zwar im Sinne von konkret verwirklicht. Es ist nämlich eine unleugbare Tatsache, daß das ewige „Rom“ im konkreten „Rom“ nicht in gleicher Weise – wenn überhaupt! – verwirklicht ist wie das modernistische. Die entscheidende Frage ist die: Ist eine solche Verwirklichung in gleicher Weise überhaupt möglich? Oder noch etwas schärfer formuliert: Ist sie aus dem erstellten, widersprüchlichen Befund überhaupt denkbar?

Die methodische Bedeutung des Widerspruchsaxioms

Zur Beantwortung unserer Frage müssen wir einen Rückgriff auf die Erkenntnistheorie machen, also auf jene philosophische Disziplin, die die Möglichkeiten unseres Erkennens zu ergründen und abzugrenzen sucht. Ziehen wir dazu einen Meister auf diesem Gebiet zu Rate, nämlich Platon. Arbogast Schmitt legt in seinem Buch „Die Moderne und Platon“ folgendes dar:

Die methodische Bedeutung des Widerspruchsaxioms und die ,nichtklassischen‘ Logiken der Gegenwart

Nimmt man die im vorletzten und letzten Kapitel besprochenen Charakteristika des platonisch-aristotelischen Verständnisses des Widerspruchsaxioms zusammen, kann man seine Besonderheit und seine Differenz zu einem neuzeitlichen, etwa cartesianischen Umgang mit dem Widerspruchsaxiom etwa so formulieren: Ausgangspunkt für den Aufweis, daß das Widerspruchsaxiom dasjenige Beweisfundament ist, auf das alle anderen Beweise zurückgeführt werden können, ist bei Platon ähnlich wie noch bei Descartes, aber mit anderer Funktion, eine ,Meditatio‘ über die Gründe des Zweifels (griechisch: ,Aporia‘). An vielen Einzelbeispielen und in grundsätzlicher Argumentation zeigt Platon, daß sich das Denken immer dann im Zweifel befindet, wenn es etwas nicht als ein Etwas festhalten kann, sondern mit dem Anschein konfrontiert ist, etwas sei zugleich es selbst und nicht es selbst. Anders als Descartes sucht Platon aber nicht einfach nach einem Gegenstand, der irgendwie dieser axiomatischen Forderung zu genügen scheint, um dann von ihm zu behaupten, er allein sei das einzig sicher Erkennbare, von dem allein er deshalb auch wisse, daß er existiere. Platon nimmt vielmehr das Wissen um die Bezweifelbarkeit einer Erkenntnis oder Erfahrung für das, was es ist: für die Bezweifelbarkeit einer Erkenntnis. Wenn uns ein Gegenstand, z.B. ein Sinnesgegenstand, sowohl er selbst wie nicht er selbst zu sein scheint, dann folgt daraus nicht, daß die Sinnesgegenstände widersprüchlich sind, widersprüchlich ist vielmehr das, was wir von ihnen zu wissen meinen. Nicht der äußere, sondern der innere Gegenstand, d.h., der Inhalt unseres Meinens, ist widersprüchlich.
Deshalb ist die Folgerung, die man nach Platon aus der Feststellung eines Widerspruchs zu ziehen hat, nicht ein Urteil über den (äußeren) Gegenstand, sondern über unser Wissen von ihm.
Wenn etwas - in derselben Hinsicht, Relation oder Zeit - zugleich es selbst und nicht es selbst zu sein scheint, dann wissen wir, daß es nicht eines, sondern mehreres war (Platon, Politeia 436b-c).

(Arbogast Schmitt, Die Moderne und Platon, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart – Weimar 2003, S. 243 f.)

Platon korrigiert Lefebvre

Wenden wir diese Einsicht auf das Beispiel aus der Erklärung Lefebvres an: Lefebvre erscheint eindeutig die „Kirche“ („Rom“) als etwas, das „zugleich es selbst und nicht es selbst“ ist. Einerseits ist sie eine modernistische Kirche, anderseits soll sie, ganz im Widerspruch dazu, zugleich die katholische Kirche sein – beides unter der Leitung ein und desselben „Papstes“ vereint. Was hätte Lefebvre vernünftigerweise aus diesem Widerspruch schließen müssen? Platon sagt: „Wenn etwas - in derselben Hinsicht, Relation oder Zeit – zugleich es selbst und nicht es selbst zu sein scheint, dann wissen wir, daß es nicht eines, sondern mehreres war.“

Das ist die einzige vernunftgemäße und richtige Schlußfolgerung aus dem von Lefebvre Gesagten: Es kann sich gar nicht um eine, sondern es muß sich mindestens um zwei „Kirchen“ handeln! Sobald man diese allein mögliche Schlußfolgerung verweigert, gerät man notwendigerweise in einen Strudel von Folge-Widersprüchen. Denn der wahrgenommene Widerspruch läßt sich nur richtig durch die Einsicht auflösen, daß es zwei Kirchen sein müssen.

Wir wiesen schon darauf hin, daß es ja auch wirklich sehr schwer – bzw., wie wir jetzt wissen, sogar philosophisch unmöglich! – ist, die katholische Kirche zugleich mit der modernistischen in der einen Menschenmachwerkskirche ausfindig zu machen. Je konkreter man nachfragt, desto eindeutiger wird der Befund: Es gibt derzeit in „Rom“, also im Vatikan keine katholische Kirche, es gibt dort nur katholisierende Ansichten, Äußerungen, Verlautbarungen usw. Der Irrtum von den zwei Kirchen unter der Leitung eines Papstes verändert also unmerklich, aber notwendig den Glauben. Durch den Irrglauben des Lefebvrismus werden sodann die Konservativen und Traditionalisten dazu verführt, ja gezwungen, jede katholisierende Ansicht, Äußerung oder Verlautbarung für einen Beweis dafür zu halten, daß Rom auch noch katholisch, also in Rom noch die katholische Kirche irgendwie gegenwärtig ist.

Es ist nun besonders auffallend, aber durchaus nicht verwunderlich, daß auch wirklich fast alle Konservativen, durch Bergoglio gezwungen, dem Lefebvrismus verfielen. Seit ihr Idol Ratzinger zurückgetreten ist, der ihnen noch den - freilich falschen - Eindruck vermittelte, er stünde hinter ihnen, sind ihnen ja die katholisierenden Ansichten, Äußerungen und Verlautbarungen versagt worden. Diese Alibis fallen seit Bergoglio weg, er redet modernistischen Klartext. Was den Konservativen bleibt, ist Ratlosigkeit – und vor allem Wahnsinn!

Wahnsinn im Quadrat

Man muß nüchtern feststellen: Ein heutiger kirchlicher Traditionalist ist schon ein ganz eigenartiger Mensch und Pseudokatholik. Er hat überhaupt kein Problem damit, seine „Tradition“ gegen den eigenen Papst und dessen „Tradition“ zu stellen, und er bildet sich selbstverständlich und ohne jeden Selbstzweifel ein, er könne und müsse seine „Kirche“ (so muß man sagen, denn „katholische Kirche“ wäre falsch) ständig gegen den eigenen Papst verteidigen, wobei er zudem felsenfest davon überzeugt ist, im Grunde stehe sein „Papst“ hinter ihm. Wenn das nicht wahnsinnig ist! Ja Wahnsinn hoch zwei! Wahnsinn im Quadrat!

Ein Zeugnis des Wahnsinns

Wir wollen diesen Wahnsinn hoch zwei nochmals durch Erwägungen eines Piuspriesters dokumentieren, die an Irrsinn wohl kaum noch übertroffen werden können. Wir haben diese schon in einem früheren Beitrag – Monster Church – angeführt. Abbé Bonneterre sagte in seiner Predigt zum Fronleichnamsfest 1987 folgendes:

„Im Modernisten sind zwei Menschen, sagt Mgr. Lefebvre, einer, der sich katholisch nennt und einer, der sich modern nennt. Es gibt immer zwei Gesichter, zwei Gedanken wie zwei Seelen. … Paul VI. war ein Mensch mit doppeltem Gesicht und doppelten Gedanken. Was Johannes Paul II. anbetrifft, so ist das ebenso: manchmal ist das, was er sagt oder macht, nicht schlecht; manchmal ist es das Gegenteil, es ist ganz modernistisch (Fideliter Nr. 57, S. 16). Als Modernisten verurteilen die Päpste Mgr. Lefebvre, – als Katholiken ‚können sie ihm nur zustimmen.“

Wie wir schon feststellten, wer den Widerspruch nicht dort auflöst, wo er wirklich zu finden ist, trägt ihn in andere Bereiche hinein. Wenn das katholische und das modernistische „Rom“ eine „Kirche“ sein soll, dann liegt der Widerspruch in einem falschen Begriff von Kirche und er schiebt sich unweigerlich in den „Papst“ selbst hinein. Was aber heißt: Das unfehlbare Lehramt der Kirche wird zu einem Widerspruch in sich! Derselbe (!) Papst, ein und dieselbe Person, verurteilt und stimmt Lefebvre zugleich zu! Wenn das kein Wahnsinn ist! Der Abbé versteht als geübter Piusideologe natürlich den Wahnsinn durchaus noch zu steigern:

„Ich glaube, daß diese Zweideutigkeit, die Ambivalenz der Beziehungen zwischen den Konzilspäpsten und Mgr. Lefebvre in diesem Drama seinen Grund hat. Vom Modernismus durchdrungen, kann der Papst nicht seine Zustimmung geben, aber die katholische Seite seines Bewußtseins kann nicht nein sagen. Mgr. Lefebvre kann legitimerweise die Zustimmung des Papstes voraussetzen. Jacques Ploncard d’Assac hat von der ‚besetzten Kirche’ gesprochen, es sei uns gestattet, vom ‚besetzten Papst’ zu sprechen. Für seine Befreiung zu beten, gegen seinen modernistischen Willen zu handeln, seinem katholischen Willen untergeben zu sein: das ist der ganze klarsehende Gehorsam, den Mgr. Lefebvre dem Papst entgegenbringt, und das ist zweifellos der größte Dienst, den er der Kirche und dem Papst erweisen kann.“

Da ist man einfach sprachlos! Der „ganze klarsehende Gehorsam, den Mgr. Lefebvre dem Papst entgegenbringt“, besteht darin, daß er dem „katholischen“ Willen des Papstes unterworfen ist, dem modernistischen Willen jedoch entgegenhandelt. Damit wird der Gehorsam von jeglicher Realität gelöst und wird zur reinen Imagination. Denn ein solcher Gehorsam kann keiner konkreten Person geleistet werden! Genau das ist aber der Gehorsam der Piusbrüder und der meisten Konservativen und Traditionalisten gegenüber ihrem „Papst“: Reine Imagination, Phantasterei – oder anders ausgedrückt: Wahn-Sinn!

Übrigens könnte solch ein Wahnsinn auch aus dem Munde eines Burke oder Schneider oder Brandmüller stammen. Wie war das noch? Wir beten zur Sühne für den Götzendienst unsere „Papstes“! Und damit ist die kleine Tradiwelt wieder in Ordnung. Man muß nur genügend Phantasie haben, dann wird schon wieder alles gut!

Ein „Papst“ mit doppeltem Bewußtsein

Die alles bisher Gesagte noch übertreffende Schlußfolgerung Abbé Bonneterres sieht schließlich so aus: „Der modernistische Papst spricht seine Verurteilungen aus, während das katholische Element in ihm nicht anders kann, als dem unermüdlichen Bischof-Missionar zuzustimmen. Dieser weiß von Anfang an, daß der Hl. Petrus ihm schließlich recht geben würde.“ Nun, das ist mindestens Wahnsinn hoch zwei! Ein Papst mit doppeltem Bewußtsein, wobei der modernistische Papst die Verurteilungen ausspricht, wohingegen das katholische Element in ihm nicht anderes kann, als dem gerade eben Verurteilten zuzustimmen. Ein solcher „Papst“ ist nichts anderes als der Hampelmann des eigenen Wahnsinns: „Dieser weiß von Anfang an, daß der Hl. Petrus ihm schließlich recht geben würde.“

Dagegen ist nun wirklich die protestantische Geistkirche noch eine geistige Meisterleistung. Aber schauen Sie sich einmal in aller Ruhe um, genau so tickt der Lefebvrismus bzw. Traditionalismus!

Die Anpassung des Dogmas?

Eines ist jedenfalls sicher, so etwas Verrücktes hat es in der Kirchengeschichte wahrlich noch nicht gegeben. Da mußte erst ein Lefebvre auf der Bühne der Weltgeschichte erscheinen. Selbst die meisten Irrlehrer waren immerhin noch so ehrlich, daß sie sich schließlich klar von der katholischen Kirche losgesagt haben, weil sie eine dieser widersprechende Lehre vertraten. Vergleichbarer mit diesem Wahnsinn sind am ehesten die Lehren der Gallikaner, Jansenisten und z.T. auch Altkatholiken (gemeint sind jene, die sich nach dem Vatikanischen Konzil nicht von Rom getrennt haben, sondern ihre Irrlehre trotz des Unfehlbarkeitsdogmas nicht wirklich abgelegt, sondern das Dogma ihrer Irrlehre weitgehend angeglichen haben. Die Lefebvristen greifen meist zielsicher auf die Erklärungen dieser Leute zurück). Wir haben schon öfter darauf verwiesen, daß die fast identische Argumentation der Traditionalisten mit diesen Häretikern direkt ins Auge springt. Am auffallendsten sind die kirchengeschichtlichen Beispiele für einen häretischen Papst, die heute bei den Konservativen und Traditionalisten stereotyp wiederkehren.

Gerade diese Beispiele beweisen jedem, der noch Augen hat zu sehen – und nicht einer krankhaften Wahrnehmungsstörung verfallen ist – daß für die Traditionalisten, genauso wie für die Gallikaner, Jansenisten und Altkatholiken, ein häretischer „Papst“ eine Notwendigkeit ist. Sie brauchen nämlich diesen häretischen, also allzeit irrenden „Papst“, um ihren Widerstand gegen den Papst begründen und ihre eigene Tradition gegen die immerhin ständig wachsende Tradition der Modernisten (die zugleich die Tradition ihres Papstes ist!) halten zu können, mit denen sie ja in einer Kirche und unter diesem einen Papst vereint sein wollen.

Die Erfahrung lehrt sie nämlich, daß sie sich bei der Verteidigung ihrer Tradition nicht immer auf ihren „Papst“ so verlassen können, wie sie es gerne hätten und es sich so gerne einbilden. Ihre krankhafte Phantasie ist doch nicht stark genug, diese Tatsache ganz auszublenden. Oder anders ausgedrückt: Ihr imaginärer Papst, der mit seinem „katholischen“ Bewußtsein ganz und gar für sie ist, wird zuweilen von der Wirklichkeit ein- und überholt. Infolgedessen projizieren sie, genauso wie die Häretiker, ihre negativen Erfahrungen mit dem Stuhl Petri zurück in die Vergangenheit, um nur ja nicht die einzig richtige Schlußfolgerung ziehen zu müssen. Jeder in den Geschichtsbüchern der Häretiker neu entdeckte, angeblich häretische Papst entlockt ihnen ein Freudengeschrei und bereitet ihnen höchste Genugtuung. Was für ein Irrsinn!

Die unverbindliche Verbindlichkeit

Auch wenn die Pseudopäpste, wie wir anmerkten, sich bemühten, einigermaßen Rücksicht auf die Konservativen und Traditionalisten zu nehmen, so mußten sie andererseits dennoch die Revolution vorantreiben. Diese durfte auf keinen Fall ins Stocken geraten. Vor allem Karol Wojtyla gelang es ausgezeichnet, beides miteinander zu verbinden. Dabei half ihm wohl seine slawische Art mit ihrer unverbindlichen Verbindlichkeit. Joseph Ratzinger konnte letztlich lückenlos an das lange revolutionäre Wirken seines Vorgängers anknüpfen. Darum war es ihm auch möglich, die Bemühungen seines Vorgängers abzuschließen und den rechten Rand abzusichern, indem er der „alten“ Messe wieder mehr Spielraum einräumte.

Mit seinem berühmt-berüchtigten Motu Proprio „Summorum Pontificum“ band er den rechten Rand unlösbar an die Revolution und gab ihm dabei dennoch das Gefühl, von der Autorität endlich ganz verstanden und so akzeptiert zu werden, wie man war – überaus glücklich mit der „alten“ Messe in der „neuen“ Kirche, so könnte man es wohl am besten formulieren. Bis zu Joseph Ratzingers Rücktritt erschien deswegen den Traditionalisten ihr Wahnsinn überschaubar, ja sie wähnten sich sogar im Aufwind. Das änderte sich schlagartig mit dem Amtsantritt von Herrn Bergoglio. Wobei wir in diesem Beitrag gar nicht auf die vielen häretischen oder apostatischen Akte Bergoglios eingehen, sondern wieder einmal auf die Tatsache verweisen wollen, daß es nun in Rom plötzlich zwei wirkliche und nicht nur imaginäre „Päpste“ gab. Die Auswirkung dieser Verdoppelung wird gewöhnlich unterschätzt.

Zwei Männer in weißer Soutane

Zunächst stellt sich jedem aufmerksamen Beobachter eine grundsätzliche Frage: Was ist nun eigentlich seit dem Rücktritt Ratzingers genau Tatsache? Unleugbare und unübersehbare Tatsache ist: Es laufen nun im Vatikan zwei Männer mit weißer Soutane herum, die sich „Papst“ und „Seine Heiligkeit“ nennen und nennen lassen. Daraus ergeben sich unmittelbar mehrere Interpretationsmöglichkeiten: Für die einen ist Franziskus Papst und Benedikt nicht mehr Papst. Für die anderen ist Benedikt Papst und Franziskus war nie Papst. Für wieder andere ist der eine der aktive Papst, wohingegen der andere der passive Papst ist. Und dann gibt es noch welche, denen das Ganze gar zu bunt wird und schlichtweg feststellen: Es ist gar keiner Papst, weder Ratzinger noch Bergoglio. Wenn eine solche Interpretationsvielfalt nicht Wahnsinn hoch zwei ist!

Wir fänden diesen Wahnsinn schon wieder amüsant, wenn es nicht um eine gar so ernste Sache ginge. Es ist - bayerisch ausgedrückt - „kaum unglaublich“: Es werden tatsächlich von sog. Katholiken alle vier Positionen vertreten! Zugegebenermaßen, es ist ja schon verwirrend: Ein doppelter Papst, ein Papst mit doppeltem Bewußtsein, ein doppeltes Rom, ein doppelter Glaube. Da soll man sich noch auskennen und nicht wahnsinnig werden?

Eines wird einem jedenfalls bei nüchterner Betrachtungsweise immer klarer: Die Macher dieses Wahnsinns wußten, was sie taten. Den Feinden der Kirche geht es nämlich schon länger um die Umdeutung des modernistischen (!) Papsttums, so muß man wohl am Richtigsten sagen. Denn mit dem katholischen Papsttum hat das Ganze schon lange nichts mehr zu tun. Aber immerhin schaute es wenigstens für die einfachen und leider viel zu naiven Gläubigen immer noch so aus, solange in Rom nur eine weiße Soutane herumlief – und nun sind es zwei. Es erschien offensichtlich den Feinden der Kirche wünschenswert, die Leute schon einmal daran zu gewöhnen, daß nunmehr in Rom zwei „Päpste“ sind. Und die Rechnung ging bestens auf, in kürzester Zeit sprach und spricht ein Großteil von zwei Päpsten – ob man bei Ratzinger noch „emeritiert“ dranhängt oder nicht, spielt dabei keine wesentliche Rolle mehr. Dieses Phänomen zeigt einwandfrei: Fast niemand in der Menschenmachwerkskirche weiß noch, was ein „Papst“ eigentlich ist und wesentlich sein muß, und daß es deswegen auch immer nur einen einzigen Papst geben kann.

Eine „Glaubwürdigkeitskrise“

Interessant wird es dann, wenn der Widerspruch plötzlich jemandem auffällt, wie im Artikel aus einer biederen Provinzzeitung kürzlich geschehen. In der Allgäuer Zeitung vom 17. Januar 2020 macht sich deren Korrespondent für Italien und den Vatikan über die neusten Streitereien bezüglich des Zölibats Gedanken. Und man muß Herrn Julius Müller-Meiningen zugestehen, daß er eine ganz eigene, äußerst interessante Note in die Betrachtung dieser Auseinandersetzungen einzubringen weiß.

Der Artikel ist überschrieben: „Dieser Papst neben ihm. - Benedikt XVI. möchte den Zölibat und die katholische Kirche retten, stattdessen zerstört er ihr wichtigstes Amt. Für Franziskus ist das fatal“. Zunächst geht Müller-Meiningen kurz auf die „Glaubwürdigkeitskrise“ der katholischen Kirche ein, die vor allem durch die Missbrauchsskandale hervorgerufen wurde. Die steigenden Kirchenaustritte sind die spürbare Quittung dafür. Neben dieser Glaubwürdigkeitskrise macht der Autor noch eine innere Krise aus. Er schreibt:

„Eine Reihe derjenigen Kleriker, denen nach eigener Darstellung eigentlich an der Wahrung des Kerns der katholischen Kirche gelegen ist, tragen nun zur Schwächung desselben bei. Die Rede ist vom Papstamt. Die Debatte über den Zölibat, in die sich der emeritierte Papst Benedikt XVI. eingeschaltet hat, ist der Beleg dafür.“

Der Streit um den Zölibat hat mal wieder den modernistischen Grabenkrieg zwischen progressiven und konservativen Kräften angefacht. Wenn auch dieser Krieg schon erheblich an Kraft, Schwung, Elan und Geist verloren hat und viel eher ein Krieglein, oder ein Schlächtchen genannt werden muß, so zeigt er doch immer noch recht gut, wie Modernismus funktioniert. Unser Autor beschreibt das Schlächtchen so:

„Jetzt erschien in Frankreich ein Buch mit dem Titel ‚Aus der Tiefe unseres Herzens‘. Als Co-Autoren firmierten der Chef der Gottesdienstkongregation im Vatikan, Robert Kardinal Sarah, Wortführer der Traditionalisten, und Benedikt XVI. Das Buch, das im Februar auch auf Deutsch erscheinen soll, ist eine Kampfansage an alle Bemühungen, den Pflichtzölibat, also das Gebot der Ehelosigkeit für katholische Priester, zu lockern. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist nicht willkürlich. Papst Franziskus hat mit der Einberufung der Amazonien-Synode im Oktober die Diskussion über die Lockerung des Pflichtzölibats eröffnet. In einigen Wochen will er seine eigenen Schlussfolgerungen zum Thema veröffentlichen. Das von Ratzinger und Sarah veröffentlichte Buch ist der Versuch, den Spielraum für Veränderungen so weit wie möglich einzuengen.“

„Papst“ gegen „Papst“ – Vom Abstrakten zum Konkreten

Der Zölibat ist im Rahmen der Menschenmachwerkskirche ein theoretisch längst überwundener Anachronismus. Die Mehrheit der Priester und wohl auch Bischöfe halten den Zölibat nicht mehr ein. Wie immer wollen die Konservativen diese Entwicklung, die ganz im Sinne des Modernismus ist, nicht wahrhaben. Darum versuchen sie, gegen die Bemühungen Bergoglios, den Zölibat zu lockern, zu opponieren. Um ihrer oppositionellen Stimme mehr Gewicht zu verleihen, haben sie den emeritierten „Papst“ Benedikt XVI. mit ins Boot geholt, also den zweiten Mann in weißer Soutane in Rom. „Dieser Papst neben ihm“, nämlich neben Bergoglio, soll den Karren, den die Amazonien-Synode in Gang gebracht hat, wieder stoppen. So die typische Sicht der konservativen Bergaufbremser, als wäre der Karren nicht schon längt im Dreck versunken. Müller-Meiningen meint dazu:

„Das Wort Benedikts XVI. hat auch nach seinem Rücktritt im Jahr 2013 großes Gewicht in der katholischen Kirche. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Versuch der Schadensbegrenzung von Erzbischof Georg Gänswein nichts als Kosmetik. Noch vor der Veröffentlichung behauptete der Privatsekretär des emeritierten Papstes, Benedikt XVI. habe nie seine Zustimmung gegeben, Co-Autor der Veröffentlichung zu sein. Das Titelbild mit ihm und dem Kardinal sei zu ändern, ebenso werde er seine Mit-Unterzeichnung des Vor- und Nachworts zurückziehen. Der Aufsatz, den der emeritierte Papst zur Notwendigkeit des Pflichtzölibats zur Veröffentlichung beigetragen habe, sei hingegen ‚hundert Prozent Benedikt‘, sagte Gänswein. Im Kern bleibt also die Tatsache, dass der emeritierte Amtsinhaber beim derzeit brisantesten Thema in der katholischen Kirche mitredet.“

„Papst Nobody“ nimmt Stellung gegen den „Papst“

Damit steht nun wirklich die Gretchenfrage im Raum: Darf er das eigentlich, der Ratzinger? Ein zurückgetretener Papst ist doch umso mehr verpflichtet, sich aus allen kirchenpolitischen und theologischen Fragen herauszuhalten, als er doch mit seinem Rücktritt wieder ein „Nobody“ geworden ist. Wie groß ist jedoch die Gefahr, daß die einfachen, naiven Gläubigen dennoch seinen Äußerungen versehentlich päpstliche Bedeutung zuerkennen, weil sie nämlich sowieso gewöhnt sind, allein nach dem Schein zu urteilen, den Herr Ratzinger zudem mit seiner weißen Soutane in Rom eifrigst pflegt. Darum stellt unser Autor ganz zurecht fest:

„Trotz seines Versprechens beim Rücktritt, fortan ‚verborgen vor der Welt‘ zu leben, mischt sich Benedikt XVI. immer wieder ein. Anlässlich der Familien-Synode veröffentlichte er eine Stellungnahme gegen die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion; er äußerte sich 2018 zum Verhältnis von Christen- mit Judentum; nach dem Antimissbrauchsgipfel im vergangenen Frühjahr verfasste der emeritierte Papst auch hierzu seine Meinung; nun folgte der Zölibat-Aufsatz.“

Die Rivalität auf dem „Apostolischen“ Stuhl

Dafür, daß Joseph Ratzinger „verborgen vor der Welt“ lebt, ist das schon ganz schön viel Einmischung in die Amtsführung seines – ja was eigentlich? Nun, seines Papstrivalen! Das „päpstliche“ Doppelgespann macht es verständlicherweise für Herrn Bergoglio recht schwer, seine „päpstliche“ Autorität – was das auch immer bei einem Modernisten sein mag – in die Waagschale zu werfen. Denn Josef Ratzinger ist nicht irgendwer – er, der größte Theologe des 20. Jahrhunderts seiner Menschenmachwerkskirche; er, der Mozart der Theologie, der angeblich druckreif sprechen kann, wo andere nicht einmal einen ganzen Satz ohne zu stottern hervorbringen. Da hat es Bergoglio mit seinem zwar durchdachten, aber durchweg leichtfertigen Geschwätz selbstverständlich ziemlich schwer. Herr Bergoglio hört sich gegenüber Ratzinger einfach primitiv, banal und zuweilen recht naiv an – wenn er es auch nicht ist, möchten wir extra betonen. Auch Müller-Meiningen gibt zu bedenken:

„Benedikt XVI. ist trotz schwerer körperlicher Gebrechen geistig noch äußerst wach. Er handelt vermutlich im guten Glauben, seiner Kirche und ihren angeblich ewigen Wahrheiten einen Gefallen zu tun. Das Gegenteil ist der Fall. Unter den Religionen hat die katholische Kirche mit dem Papst, dem Nachfolger Petri, ein Alleinstellungsmerkmal. Die Führung der Weltkirche, die dem Papst zusammen mit den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, obliegt, ist die Aufgabe dieses einen Mannes, mit allen seinen Schwächen. Der Vatikan und mit ihm die Kirche sind eines der letzten Beispiele absolutistischen Herrschens. Das macht die Kirche antiquiert, aber dennoch in gewisser Weise effektiv und faszinierend. Während andere Kirchen auf Streitigkeiten mit der Gründung neuer Glaubensgemeinschaften reagieren, garantiert der Papst die Einheit im Katholizismus. Die Welt hört dem Papst zu, auch wenn sie ihn nicht immer ernst nimmt. Die Voraussetzung dafür ist die Einzigartigkeit dieser Figur.“

Wir können nicht umhin, dem Autor für diese originellen Gedanken unser Lob auszusprechen. Sie kommen wohl aus einem ehrlichen Herzen, in dem das Katholische noch nachklingt, so scheint es uns wenigstens zu sein. Wir wüßten jedenfalls keinen neueren Text, der das Phänomen des Papsttums seit dem sog. 2. Vatikanum so gut umschreibt, wie diese Zeilen. Auch wenn die letzte Einsicht in das übernatürliche Wesen des Papsttums fehlt – wie könnte man es dem Autor inmitten des nachkonziliaren Wirrwarrs verübeln –, so wird wenigstens noch ein natürliches Verständnis dessen sichtbar, was Papsttum ja auch wirklich, wenn auch nicht ausschließlich ist. Auch hier setzt die Gnade die Natur voraus.

Die Notwendigkeit einer Führung innerhalb der Gemeinschaft

Sobald man die Kirche als Gemeinschaft begreift, so erkennt man damit unmittelbar verbunden die Notwendigkeit einer Führung. Die Kirche ist nun „eines der letzten Beispiele absolutistischen Herrschens“. Das ist zwar etwas zweideutig und ein wenig mißverständlich formuliert, aber im heutigen Zusammenhang gesehen durchaus zu bedenken und wert, hervorgehoben zu werden. Es fällt nämlich auf, daß vor allem die Traditionalisten sich einbilden, ihrem allzeit irrenden Papst keinerlei Gehorsam zu schulden. In der Tat hat ihr „Papst“ ihnen gar nichts zu sagen. Wenn er nicht zufälligerweise in ganz und gar außerordentlicher und feierlicher Weise ein Dogma verkündet – was er Gott sei Dank seit 1950 nicht mehr getan hat! –, dann ist er ein Mensch wie jeder andere auch. Außerhalb dieser einen, äußerst seltenen Ausnahme ist nämlich ihr Papst jederzeit irrtumsfähig.

Zudem sind die sog. Konzilspäpste auch noch liberal-doppelzüngig und mit doppeltem Bewußtsein, so daß man sich vor ihnen allzeit in Acht nehmen muß. Wobei die Traditionalisten gewöhnlich ihr Mißtrauen sogar soweit auf die Spitze treiben, wie nur irgend möglich, denn selbst im natürlichen Bereich hat doch auch ein irrtumsfähiger Mensch durchaus etwas, ja meistens viel mehr zu sagen als der „Papst“ der Traditionalisten – und selbstverständlich viel öfter als nur einmal alle 100 Jahre! Was wäre ein Staatschef, was wäre ein Firmenchef, was wäre selbst irgendein Abteilungsleiter, wenn er nur alle 100 Jahre einmal etwas Verbindliches zu sagen hätte, ansonsten aber könnten alle machen, was sie wollen? Da wäre die Firma oder der Staat schnell bankrott und die Abteilung der Firma würde in kürzester Zeit aufgelöst!

Das übernatürliche Fundament der Einheit der Kirche

Was macht nun den Unterschied? Während andere Glaubensgemeinschaften nur eine äußere Einheit haben, „garantiert der Papst die Einheit im Katholizismus“. Denn: „Die Führung der Weltkirche, … ist die Aufgabe dieses einen Mannes, mit allen seinen Schwächen.“ Immerhin, solche Erwägungen hört man bei keinem Traditionalisten. Es ist wahr, die Führung der Weltkirche ist also nicht die Aufgabe eines Burke oder Schneider oder Lefebvre usw., sondern „dieses einen Mannes, mit allen seinen Schwächen“.

Das ist alles richtig und überaus bedenkenswert – aber jetzt müßte sich der Autor die entscheidende Frage stellen: Wie ist das möglich, ohne daß diese Führung zur Willkür wird? Die Antwort darauf wäre die Lehre der katholischen Kirche von der Unfehlbarkeit des Papstes und damit auch die Klärung des: „mit allen seinen Schwächen“. Denn gerade dieser Einwand ist ja das Alibi aller Konservativen und Traditionalisten, gegen die sich der Autor ganz zurecht wendet! Leider ist ihm die Einsicht in diese übernatürliche Wirklichkeit verwehrt, weil sie in der Menschenmachwerkskirche nicht mehr zu finden ist. Darum bleibt er letztlich auf der Ebene der Natur stehen und kann im Grunde nicht mehr begreifen und auch nicht wirklich erklären, warum man als Katholik dem Papst – trotz seiner Schwächen! – und nicht irgendeinem Bischof oder Professor glaubensmäßig folgen soll, ja unbedingt muß. Anders ausgedrückt: Ohne den übernatürlichen Beistand der Unfehlbarkeit hat die Einheit der Kirche keinerlei Glaubensgrund. Sie bedeutet somit allerhöchstens noch einen rein natürlichen Vorteil gegenüber den anderen Religionsgemeinschaften, ist aber kein wesentlicher Unterschied mehr.

Schon in unserem Artikel „Karikaturen (3)“ haben wir das übernatürliche Wesen der Kirche und ihrer Einheit etwas ausführlicher dargelegt. Zu unserem Thema wollen wir nochmals auf die Fußnote Nr. 3 aus der Dogmatik von Heinrich verweisen, in der der Unterschied zu einer bloß natürlichen Einheit erklärt wird:

„Die katholische Kirche erklärt sich durchaus nicht aus der bloß äußerlichen Verfassungsform der katholischen Kirche; sonst könnte man dieselbe nachahmen. Keine nur fingierte Unfehlbarkeit eines höchsten Glaubensrichters kann und wird je einen wahren und innerlichen Glaubensgehorsam finden; keine menschliche Autorität wird jemals im Stande sein, eine Einheit der Überzeugung auch nur in einem beschränkten Kreise und für einige Dezennien hervorzubringen. Eine Autorität wird sich dann gegen die andere erheben, und die Autorität wiederum durch die Eifersucht und Willkür der Einzelvernunft gestürzt und illusorisch gemacht werden. Die katholische Einheit erklärt sich nur aus dem übernatürlichen Glauben, sowohl in den Trägern der Autorität, als in den Gliedern der Kirche. Nur die wirklich durch Gott gesetzte und durch seinen Beistand unfehlbare Autorität hat die Kraft und den Mut den Glauben zu gebieten, den sie selbst in sich trägt, und nur der von Gott der Seele eingegossene Glaube erzeugt die freudige und zweifellose Zustimmung zur Lehre der Kirche. Die katholische Glaubenseinheit ist nicht eine äußerliche Form, sondern innerliche, bis zum Martyrium starke Überzeugung. Sie ist nicht das Werk geistiger Herrschsucht auf der einen und geistigen Servilismus auf der anderen Seite; vielmehr ist es derselbe übernatürliche Glaube, der Lehrende und Hörende in derselben Wahrheit vereinigt.“ (Dr. J.B. Heinrich, Dogmatische Theologie, Erster Band, Zweite Auflage, Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1881, S. 479).

Die lehrmäßige Zersplitterung des modernistischen Rom

Eigentlich ist das momentane Gestreite in Rom ein Tatsachenbeweis dafür, daß es sich bei der Menschenmachwerkskirche nur noch um eine rein menschliche Gemeinschaft handelt, denn „keine menschliche Autorität wird jemals im Stande sein, eine Einheit der Überzeugung auch nur in einem beschränkten Kreise und für einige Dezennien hervorzubringen“. Nun ist doch die lehrmäßige Zersplitterung des modernistischen Rom unübersehbar. Weshalb diese Zersplitterung? Bergoglio hat nur eine rein menschliche Autorität, wenn er überhaupt eine hat. Je abwegiger seine Vorstöße gegen den christlichen Glauben sind – vom katholischen Glauben will man schon gar nicht mehr sprechen –, desto deutlicher wird das, denn immer weniger folgen ihm noch. (Wobei durchaus erschreckend bleibt, wie viele ihm dennoch folgen, was doch heißt, daß sie ebenfalls den christlichen Glauben längst verloren haben, also Neuheiden wie Bergoglio sind.) Was ist die Folge davon?

„Eine Autorität wird sich dann gegen die andere erheben, und die Autorität wiederum durch die Eifersucht und Willkür der Einzelvernunft gestürzt und illusorisch gemacht werden.“ Deswegen steht Bergoglio gegen Ratzinger und Sarah! Wer hat nun recht? Das ist eigentlich die falsche Frage. Die richtige lautet: Was ist nun wahr? Oder anders: Was ist katholischer, göttlich verbürgter Glaube? Da Bergoglio diesen nicht mehr gewährleisten, lehramtlich absichern kann, ist alles nur noch natürliche Vertrauenssache, denn „die Autorität wird durch die Eifersucht und Willkür der Einzelvernunft gestürzt und illusorisch gemacht“. Der eine vertraut dem Ratzinger, der andere Schneider, wieder ein anderer Sarah oder Burke, usw.

„Die katholische Einheit erklärt sich nur aus dem übernatürlichen Glauben, sowohl in den Trägern der Autorität, als in den Gliedern der Kirche. Nur die wirklich durch Gott gesetzte und durch seinen Beistand unfehlbare Autorität hat die Kraft und den Mut den Glauben zu gebieten, den sie selbst in sich trägt, und nur der von Gott der Seele eingegossene Glaube erzeugt die freudige und zweifellose Zustimmung zur Lehre der Kirche.“ Es gibt nur eine Möglichkeit, zu einer wahren, festen, für alle verbindlichen Glaubenseinheit zu gelangen, denn nur die „durch seinen Beistand unfehlbare Autorität hat die Kraft und den Mut den Glauben zu gebieten, den sie selbst in sich trägt“.

Meinen statt Glauben

Bergoglio trägt diesen Glauben sicherlich nicht (mehr) in sich, hat er doch in seiner synodalen „Kirche“ die „Unfehlbarkeit“ dem Volk übertragen und sich selber zu einem bloßen Moderator der „unfehlbaren“ Volksmeinung gemacht. Wie jeder Katholik sehen kann, ist damit das übernatürliche Fundament der kirchlichen Einheit zerstört, und der Glaube löst sich in einen dauernden Prozess der Meinungsbildung auf. Es gibt in der synodalen „Kirche“ keinen von Gott der Seele eingegossenen Glauben mehr, der die freudige und zweifellose Zustimmung zur Lehre der Kirche erzeugt. Der moderne Mensch glaubt nur noch sich selbst oder richtet seinen Glauben mehr oder weniger blind nach der Mehrheit. Sein „Glaube“ ist ausschließlich menschliches Meinen.

Der moderne Mensch kann darum den übernatürlichen Glauben nicht mehr oder zumindest nur noch sehr schwer verstehen. Für diejenigen Menschenmachwerkskirchler aber, die es noch irgendwie versuchen und irgendeine Ahnung bewahrt haben, bleibt letztlich immer ein Widerspruch. Unser Autor formuliert diesen so: „Die Welt hört dem Papst zu, auch wenn sie ihn nicht immer ernst nimmt. Die Voraussetzung dafür ist die Einzigartigkeit dieser Figur.“ Reicht es zu einer Glaubenseinheit, wenn die Welt (und genauso die sog. Katholiken) dem Papst zuhört, aber ihn nicht ernst nimmt? Sicher nicht! Und worin besteht dann noch die Einzigartigkeit dieses Mannes? Wie kann ein Mann einzigartig sein, wenn man ihn nicht mehr ernst nimmt? Ist er dann nicht ein Clown, eine Karikatur, wie wir bezüglich Bergoglio schon ausführlich gezeigt haben?

Man würde dem Autor wirklich wünschen, die wahre Einzigartigkeit eines katholischen Papstes zu begreifen, die er irgendwie noch zu ahnen scheint. Ist diese Ahnung nicht allein dadurch zu erklären, daß selbst ein Bergolio letztlich von einer fast 2000-jährigen Papstgeschichte lebt? Davon abgekoppelt, etwa in irgendeinem Beruf, wäre Herr Bergoglio eine Karikatur pur, nur ein Clown. Jeder Chef würde versuchen, ihn so schnell wie möglich loszubekommen! Nein, für einen echten Papst genügt es bei weitem nicht, daß ihm die Welt ab und zu zuhört, einem echten Papst schuldet jeder Katholik Glaubensgehorsam, denn die „katholische Glaubenseinheit ist nicht eine äußerliche Form, sondern innerliche, bis zum Martyrium starke Überzeugung“.

Nochmals: Diesen Glaubensgehorsam kann man dem Papst nur dann vernünftigerweise leisten, wenn Gott die Wahrheit des päpstlichen Zeugnisses verbürgt, was wir Unfehlbarkeit nennen. Die daraus folgende Überzeugung „ist nicht das Werk geistiger Herrschsucht auf der einen und geistigen Servilismus auf der anderen Seite; vielmehr ist es derselbe übernatürliche Glaube, der Lehrende und Hörende in derselben Wahrheit vereinigt“.

„Kasperltheater“ ...

Die Worte des großen Dogmatikers bringen es ans Tageslicht: Da begegnen sich zwei Welten, die durch einen unüberwindbaren Abgrund voneinander getrennt sind. Ein wenig davon ahnt auch noch der Korrespondent der Allgäuer Zeitung:

„Seit März 2013 existieren zwei Päpste, ein mit allen Vollmachten ausgestatteter Amtsinhaber und ein emeritierter. Benedikt XVI. schuf diese Figur quasi neu. Darauf, dass er immer noch in gewisser Weise Papst ist, gibt es mehrere Hinweise. Benedikt behielt seinen Namen, er trägt weiterhin die weiße Soutane und lässt sich mit ‚Seine Heiligkeit‘ ansprechen. Diese gewagte Konstellation hätte gut gehen können, solange der Emeritus tatsächlich schweigt. Entgegen dieser Ankündigung äußert sich Benedikt XVI. kalkuliert zu jeder großen kirchlichen Streitfrage. Wenn er nicht immer noch Einfluss auf den Kurs der katholischen Kirche nehmen wollte, würde er schweigen. Er tut es nicht, beansprucht also Mitspracherecht. Die Folgen sind fatal, für die Kirche und das Amt des Papstes. Von Kasperltheater bis Kirchenspaltung ist alles drin.“

Sehr gut beobachtet: „Benedikt XVI. schuf diese Figur quasi neu.“ Die wenigen Papstrücktritte der Kirchengeschichte waren anders als der Rücktritt Ratzingers. Diese verschwanden von der Bildfläche, weil sie mit ihrem Rücktritt des Amtes verlustig gingen. Sie vermieden fortan alles, was diese Tatsache hätte in Zweifel ziehen können. Sie verzichteten zudem auf alle kirchlichen Ämter und lebten fortan in der Verborgenheit – und natürlich nicht in Rom! Ratzinger aber „behielt seinen Namen, er trägt weiterhin die weiße Soutane und lässt sich mit ‚Seine Heiligkeit‘ ansprechen“. Wenn damit nicht die Vortäuschung falscher Tatsachen vorprogrammiert ist, dann gibt es überhaupt keine Täuschungsmöglichkeiten mehr.

Hinzu kommt – das haben wir selber bisher noch gar nicht so klar gesehen! – Ratzinger äußert sich ganz dezidiert „zu jeder großen kirchlichen Streitfrage“. Die Schlußfolgerung daraus ist eindeutig: Er „beansprucht also Mitspracherecht“! Der Mozart der Theologie möchte weiter gehört werden, wo doch Bergoglio sowieso nur ein theologischer Stümper ist!

… mit „Papstduett“

Fest steht also: Das Papstduett gehört inzwischen sozusagen als Sondereinlage und höchstwahrscheinlich Übergangslösung zur Menschenmachwerkskirche. Die Verantwortlichen wissen sicher: „Die Folgen sind fatal, für die Kirche und das Amt des Papstes. Von Kasperltheater bis Kirchenspaltung ist alles drin.“ Nun, was wollen Bergoglio und Ratzinger mehr? Sie wissen dabei auf jeden Fall mit Sicherheit: Bei diesem Kasperltheater können sie sich unbedingt auf die Konservativen und Traditionalisten verlassen.

Bei der Kirchenspaltung dagegen sind wir viel skeptischer. Denn was könnte eigentlich überhaupt noch ein Grund sein, sich von einem allzeit irrenden „Papst“ loszusagen? Wird dieser sodann nicht einfach wieder durch einen anderen allzeit irrenden „Papst“ ersetzt werden – was hätte man damit gewonnen? Vielleicht die Hoffnung oder gar das Versprechen, daß er sich nicht ganz so wie im Tollhaus aufführt wie ein Bergoglio?

Bergoglio jedenfalls nimmt‘s gelassen, er kennt schließlich seine Pappenheimer… Und außerdem: Aus diesem Sammelbecken der Häresien reißt man so leicht niemanden heraus. Da kann sich nämlich jeder einbilden, er sei ja noch katholisch, Bergoglio hin oder her! – Und das reicht schließlich heutzutage allen Menschenmachwerkskirchlern vollkommen aus. Alles andere wäre schon wieder eine Versuchung zum Sedisvakantismus, wovor uns der Herr bewahren möge, oder etwa nicht?