„Voll des Frohlockens bin ich im Herrn, und meine Seele jauchzt auf in meinem Gott; denn er hat mich gekleidet in Gewänder des Heiles, hat mich umhüllt mit dem Mantel der Gerechtigkeit, wie eine Braut im Schmucke ihres Geschmeides.“ (Introitus der Festmesse)
Wie könnte es anders sein, die Festmesse zur Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria ist ein jubelvolles Bekenntnis der unaussprechlich hohen Gnadengaben der Immaculata. Alle Kinder Mariens sollen in diesen Jubel der hl. Kirche einstimmen und damit ihrer himmlischen Mutter ihre kindliche Liebe erweisen. Jahr für Jahr stehen wir vor diesem Geheimnis der Gnadenfülle Mariens, der Rose unter den Dornen der Adamskinder. Solche Wunder der Gnade, der Auserwählung und Erhöhung kann nur die unendliche Weisheit und Güte Gottes ersinnen. Voller Erstaunen stehen wir vor diesem Wunder, wenn wir in der Lesung hören: „Der Herr besaß mich im Anfang Seiner Wege, von Anfang an, noch bevor Er etwas geschaffen hat. Von Ewigkeit her bin ich eingesetzt, von Urbeginn, bevor die Erde ward.“
Bei diesen Worten spürt man den Hauch der Ewigkeit. In der Ewigkeit Gottes gibt es kein zeitliches Aufeinander, sondern alles ist in eins gefaßt: Die Schaffung der hl. Engel und deren teilweiser Abfall; die Erschaffung der Welt und die Untreue von Adam und Eva; aber auch die göttliche Antwort darauf in der neuen Eva, Maria – „Der Herr besaß mich im Anfang Seiner Wege“. Gott läßt sich von der Untreue Satans und seines Anhangs und auch von der Untreue unserer Stammeltern seinen Gedanken einer vollkommen reinen Schöpfung nicht verderben. Von Anfang an fügt Er zu dem Versagen Seiner Geschöpfe den Keim der Erlösung hinzu, denn Er verheißt noch vor der Vertreibung aus dem Paradies die Frau, die der Schlange der Kopf zertreten wird.
Ein Hauch der Ewigkeit
Betrachten wir mit der hl. Kirche ein wenig die Schönste von allen, die gnadenvolle Jungfrau. Warum wählt die göttliche Weisheit diese Jungfrau aus? Sie wählt sie aus, weil sie dem ewigen Sohn des Vaters Mutter sein soll. Was für ein göttlich kühner Gedanke: Eine Frau, ein Geschöpf wird Mutter Gottes! Der Benediktinerabt Dom Columba Marmion erklärt in einer seiner Vorlesungen: „Das ist das Grundprinzip bei diesem ganzen Thema: die göttliche Mutterschaft Mariens ist, obwohl sie in der Ordnung der zeitlichen Verwirklichung später ist, der höchste Grund und die außerordentliche Quelle aller Gnaden und aller Vorzüge Mariens. Alles hat in ihr seinen Ursprung“ (Marie Michel Philipon O.P., Die geistliche Lehre Dom Marmions, Verlag Herder, Freiburg 1955, S. 183).
Man könnte sagen, Maria, die Immaculata, ist der Versöhnungsgedanke Gottes nach dem Sündenfall von Adam und Eva und zugleich der Beweis, daß Gott die Sünde nochmals auslöschen kann. Aber dazu muß Er sich in unsere Sündenwelt begeben, Er muß Mensch werden und unser Erlöser. Dom Marmion gibt zu bedenken: „Es gibt drei Dinge, die von einer Seite her an das Unendliche rühren: die hypostatische Union, die göttliche Mutterschaft und unsere eigene Seligkeit. Nichts Größeres kann Gott verwirklichen“ (Ebd. S. 183f). Dabei ist offensichtlich, daß alle drei Weisen der Verbindung von Gott und Geschöpf wiederum zusammengehören. Weil Gottes Sohn Mensch wird, erwählt Er sich Maria zur Mutter und ermöglicht damit uns die Erlösung. In Jesus und Maria dürfen auch wir wieder durch die wiedergeschenkte heiligmachende Gnade der göttlichen Natur teilhaftig werden. Maria überragt jedoch in der Ordnung der Erlösung alle anderen Geschöpfe, ja: „Nach dem hl. Thomas ist es für Gott selbst unmöglich, eine höhere Würde zu schaffen. Es ist die größte Ehre, die er Maria hat erweisen können. Diese Würde erhebt sie über alle Geschöpfe. ,Alle Geschlechter werden mich seligpreisen, weil der Allmächtige Großes an mir getan hat‘“ (Ebd. S. 184). So nochmals Dom Marmion.
Natus ex Maria virgine
Jeder, der noch einigermaßen recht über Gott denkt, wird diese Wahrheit sofort einsehen. Er wird spontan begreifen, daß Gott Seine ganze Weisheit und Würde und Allmacht und Güte einsetzen wird, um Maria an Heiligkeit soweit wie nur irgend möglich über alle Geschöpfe zu erheben. Man kann sagen, bei der Erschaffung der Immaculata konnte Gott alle Möglichkeiten der Heiligung ausschöpfen, weil Maria dem Willen Gottes niemals ein Hindernis in den Weg stellte. Der Wille Mariens war jeden Augenblick vollkommen mit dem Willen Gottes eins. Dom Marmion ist deswegen vollkommen überzeugt: „Die, welche an der Größe Mariens zweifeln, haben nie den ganzen Inhalt der Worte des Evangeliums ergründet: ,Maria, aus der Jesus geboren wurde‘“ (Ebd.).
Das Privileg der Unbefleckten Empfängnis
Maria steht nun als die unbefleckt Empfangene nicht außerhalb des Menschengeschlechtes. Auch ihr gilt der Fluch der Sünde Adams, schreibt doch der hl. Paulus: „Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt gekommen und durch die Sünde der Tod, und der Tod ist auf alle Menschen übergegangen, weil alle gesündigt haben“ (Röm 5,12). Auch Maria mußte erlöst werden. Aber Gott hat sie im Voraus an der Erlösung teilnehmen lassen, wie wiederum Dom Marmion erklärt: „Die Kirche lehrt uns in der Tat, daß dieses Privileg der Unbefleckten Empfängnis Maria ,im Hinblick auf den Tod ihres Sohnes‘, ,ex morte Filii sui praevisa‘, verliehen wurde so wie das Heil der Gerechten des Alten Testamentes von den künftigen Leiden Christi abhing. Welch herrliche Gabe des Sohnes an seine Mutter! Es ist die erste Frucht seines Leidens, der höchste Beweis seiner Liebe, ein Privileg, das alle geschaffene Macht übersteigt und des Gottessohnes würdig ist“ (Ebd. S. 185).
Man könnte so sagen: Die unbefleckte Empfängnis Mariens war selbst für Gott nicht kostenlos, denn die Gerechtigkeit Gottes fordert Wiedergutmachung für die Erbschuld. Letztlich war der Kaufpreis für diesen einzigartigen Gnadenvorzug Mariens schon das kostbare Blut Christi, wie auch Don Marmion ganz ergriffen in einer Predigt feststellte: „Mit welch wunderbarer Freude mag Jesus dieses königliche Diadem seiner Mutter zu Füßen gelegt haben, das mit seinem kostbaren Blute erkauft war! Mit welcher Zartheit und mit welcher Dankbarkeit mag Maria umgekehrt auf seine so großzügige Liebe geantwortet haben, die sie dazu weihte, ihn mit allen Fibern ihres Herzens zu lieben“ (Ebd.).
Mit welcher Liebe und Fürsorge bereitet der dreifaltige Gott das „Vas spirituale“, das „geistliche Gefäß“, nämlich die Seele Mariens vor, soll doch der Sohn Gottes in Maria Mensch werden. Was für eine übernatürliche Schönheit erfüllt diese Seele, die Gott in einzigartigerweise auserwählt hat! Papst Pius XII. war ganz begeistert von diesem Gedanken, wenn er schreibt: „Wie schön muß die Jungfrau sein! Gewiß hat Gott im Antlitz seiner eigenen Mutter allen Glanz Seiner göttlichen Schöpferkunst vereint. Der Blick Mariens, das Lächeln Mariens, die Sanftmut Mariens, die Schönheit Mariens unterscheidet sie von allen anderen Geschöpfen, die neben ihr nur wie ein Schatten erscheinen. Gott hat in den Blick Mariens etwas von Seiner göttlichen Würde gelegt. Ein Strahl der Schönheit Gottes leuchtet auf in den Augen Seiner Mutter.“
Es ist ganz und gar wahr, die Schönheit der Seele Mariens übertrifft alles, was es in der ganzen Schöpfung gibt, ob in der sichtbaren oder unsichtbaren Welt. Was für ein Wunder der Gnade: „Gott hat in den Blick Mariens etwas von Seiner göttlichen Würde gelegt.“ Er hat Maria so sehr mit Gnaden erfüllt, daß sie an Gott heranreicht – soweit das für ein Geschöpf möglich ist. Wenn schon der hl. Paulus allgemein feststellt: „Allein mit der Gnade verhält es sich nicht wie mit der Sünde. Wenn durch den Fehltritt des einen die vielen dem Tod verfallen sind, so haben sich durch die Gnade des einen Menschen Jesus Christus auf die vielen in sehr viel reicherem Maß Gottes Gnade und Gabe ausgewirkt“, um wie viel mehr muß das für die Immaculata gelten. Dementsprechend heißt es im Graduale der Festmesse: „Ganz schön bist du, Maria; in dir ist nicht der Erbschuld Makel. Alleluja.“
Der Tabernakel des Eigeborenen
Wie faszinierend ist diese übernatürliche Schönheit Mariens! Wobei man nie vergessen darf, daß diese Schönheit Mariens nicht Selbstzweck, sondern immer hingeordnet ist auf Jesus. Dieser Gedanke ist Dom Marmion sehr wichtig, weshalb er ihn auch besonders hervorhebt, enthüllt er doch erst den ganzen Sinn der Immaculata: „So schön dieses ‚glorreiche Privileg‘ in sich auch sein mag, es bleibt auf die Herrlichkeit Christi bezogen. Es kündigt wie ein Morgenrot die vollkommene Heiligkeit dessen an, der die Sonne der Gerechtigkeit ist. Ehe die Sonne am Horizont auftaucht, läßt sie ihr Erscheinen durch die Ausstrahlung ihres Lichtes ankündigen, das die Berge vergoldet. So bereitet der Allerhöchste, ehe er den Schoß des Vaters verläßt, den Tabernakel vor, der dazu bestimmt ist, ihn für neun Monate aufzunehmen; er tut dies durch eine unbefleckte Reinheit, die nie der geringste Hauch der Sünde trüben soll. Wie sollte man sich vorstellen, daß dieser heilige und unschuldige Sohn Gottes, der die Reinheit selber ist im Schoße des Vaters, auf Erden von einer auch nur mit dem leichtesten Fehler befleckten Mutter geboren würde? ‚Sanctificavit tabernaculum suum Altissimus.‘ Der, von dem wir täglich in der heiligen Messe sagen: ,Tu solus sanctus, Jesu Christe‘, ,Du allein bist der Heilige, Jesus Christus‘, könnte von niemand geboren werden und unsere menschliche Natur annehmen, es sei denn von einem reinen und unbefleckten Wesen“ (Ebd. S. 186).
Die ganze Heiligkeit der Gottesmutter kann man nur erahnen, wenn man ganz folgerichtig bedenkt, daß Jesus Christus, der heiligste und allerhöchste Sohn des Vaters, wahrhaft ihr Sohn ist. Darum ist Maria die Immaculata, die reinste und gnadenvolle Jungfrau, weil Jesus ihr Sohn werden sollte. Und wie sollte dieser ewige und göttliche Sohn nicht Seine ganze göttliche Allmacht aufbieten, um in Maria die allergrößte Heiligkeit zu verwirklichen? Dom Marmion ist vollkommen davon überzeugt: „Wenn wir die großartige Gabe Jesu an seine Mutter verstehen wollen, dürfen wir nicht vergessen, daß das Privileg der Unbefleckten Empfängnis nicht nur die Freiheit von der Erbsünde bedeutet, sondern auch und vor allem die Mitteilung der Gnade, die wirkliche ,Teilhaftigmachung an der göttlichen Natur' (2 Petr. 1, 4)“ (Ebd. S. 187).
Gott hat Maria vom ersten Augenblick ihres Daseins an mit dem ‚Gewand des Heiles‘, das ist die heiligmachende Gnade, bekleidet. Aber dabei bleibt es natürlich nicht, das war sozusagen nur der Anfang. Die hl. Liturgie fährt im Introitus fort: „Er hat mich umhüllt mit dem Mantel der Gerechtigkeit, wie eine Braut im Schmucke ihres Geschmeides.“ Dom Marmion fragt nun: „Welches ist dieses ‚Geschmeide‘? Vom Heiligen Geiste angetrieben, singt der Psalmist die Herrlichkeit des zukünftigen Erlösers: ,Du bist so schön wie sonst kein Menschenkind, von Anmut sind die Lippen dir umflossen, auf ewig hat dich Gott dafür gesegnet. Das Szepter deines Reiches ist ein gerechtes Szepter. Und Dir zur Rechten steht die Königin im goldenen Diadem aus Ophir‘ (Psalm 44). Dieser König ist Jesus, und diese Königin ist Maria“ (Ebd.). Was für schöne Bilder für diese unfaßbare Wirklichkeit der Gnade, ja der Gnadenfülle Mariens: Gewand des Heiles, Mantel der Gerechtigkeit, Schmuck des Geschmeides einer Braut, die der König der Könige zur Hochzeit führt. Und schließlich noch das goldene Diadem aus Ophir, das die Königin trägt, denn: „Dieser König ist Jesus, und diese Königin ist Maria.“
Maria, die Gnadenvolle
Lassen wir uns vom hl. Hieronymus diese unbegreifliche Schönheit der Immaculata etwas ausführlicher beschreiben. Die hl. Liturgie verwendet diesen Text im Brevier und zwar in der zweiten Nachstunde als 4. und 5. Lesung:
„Wie schön und erhaben die heilige, glorreiche, allzeit unversehrte Jungfrau Maria ist, wurde schon vom Engel in Gottes Auftrag geoffenbart mit den Worten: ‚Sei gegrüßt, du Gnadenvolle; der Herr ist mit dir; du bist gebenedeit unter den Weibern.‘ Es war ja auch recht und billig, daß diese Jungfrau mit Gnaden so ausgestattet wurde, daß sie voll der Gnade war, sie, die dem Himmel neue Herrlichkeit verlieh, die der Erden den Herrn und damit die Versöhnung schenkte, die den Völkern den Glauben, den Lastern das Ende, dem Leben die rechte Ordnung, den Sitten die Zucht brachte. Mit Recht wird sie die Gnadenvolle genannt; denn anderen wird nur ein Teil der Gnade verliehen, auf Maria aber hat sich die ganze Fülle der Gnade niedergelassen. Sie ist wirklich voll der Gnade; wohl lehrt uns der Glaube, daß auch in den heiligen Vätern und Propheten Gnade wohnte, jedoch nicht in dieser Fülle; auf Maria aber kam die ganze Fülle der Gnade herab, die in Christus ist, wenn auch in anderer Weise. Und deshalb sagte der Engel: ‚Du bist gebenedeit unter den Weibern‘, d.h. mehr gebenedeit als alle Frauen. Darum hat auch allen Fluch, der durch Eva gekommen war, der Segen Marias weggenommen. Von ihr sagt Salomon im Hohenlied, um sie zu loben: ‚Komm, meine Taube, meine Makellose. Schon ist der Winter vorbei, der Regen hat aufgehört und ist vorüber.‘ Und weiter: ‚Komm vom Libanon, komm! Du sollst gekrönt werden.‘“
Eine Quelle, versiegelt mit dem Siegel der ganzen Dreifaltigkeit
„Nicht mit Unrecht heißt es von ihr, daß sie vom Libanon kommen soll; denn Libanon bedeutet soviel wie Heiligkeit. Sie glänzt ja durch viele Tugenden und Verdienste, sie leuchtet heller als der weiße Schnee infolge der Gaben des Heiligen Geistes. Auch die Einfalt der Tauben besaß sie in allem. Denn alles, was bei ihr geschah, atmet Reinheit und Einfalt, alles war Wahrheit und Anmut, alles war Erbarmen und Gerechtigkeit, wie sie vom Himmel herabschaut. Sie war makellos, weil sie ganz unversehrt war. Sie hat nämlich ein männliches Wesen umschlossen, wie der heilige Jeremias bezeugt; jedoch sie hat dieses nicht von einem anderen empfangen. Es wird der Herr, sagt er, etwas Neues schaffen auf der Erde; ein Weib wird ein männliches Wesen umschließen. Es war wirklich etwas Neues, ein neues alles Neue übertreffende Wunder, als Gott, den die Welt nicht fassen, den niemand sehen kann, wenn er noch leben will, als Gott in ihrem Schoß einkehrte, ohne den leiblichen Zugang zu benützen. Er wurde von ihr getragen und der ganze Gott weilte dabei in ihrem Schoße. Er ging daraus hervor und trotzdem blieb die Pforte ganz und gar verschlossen, wie Ezechiel sagt. Darum heißt es auch im Hohenlied von ihr: Ein verschlossener Garten, eine versiegelte Quelle bist du; was von dir ausgeht, ist wie ein Paradies. Sie ist wirklich ein Garten der Wonne, in dem alle Arten von Blume gepflanzt sind, in dem alle Tugenden ihren Duft verbreiten. Und verschlossen ist dieser Garten; es ist unmöglich, ihn zu entweihen, noch durch List oder Trug ihn zu verwüsten. Und eine Quelle ist Maria, eine Quelle, die versiegelt ist mit dem Siegel der ganzen Dreifaltigkeit.“
Wenn man diesen Gnadenreichtum, wenn man diese übernatürliche Schönheit Marias eingehender erwägt, wird man mit Dom Marmion voller Begeisterung ausrufen: „Vereinigen wir uns also mit ihr, um zu rufen: ‚Meine Seele frohlocke im Herrn‘. ‚Magnificat…!‘ ,Ehre sei dem Vater, dem Sohne und dem Heiligen Geiste!‘“ (Ebd. S. 188). Ja, Ehre und Herrlichkeit und Lobpreis sei der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in Ewigkeit, die ein solche Wunder geschaffen hat: „Gott, der Vater, ihr Vater; Gott, der Sohn, ihr Sohn; Gott, der Heilige Geist, ihr Bräutigam. – Und überall, wohin sie geht, trägt sie mit sich die Heiligste Dreifaltigkeit. Wie wahr sind doch die Worte: Alles im Universum vollendet sich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes durch die Immaculata. Da wo sie abwesend ist, da ist auch Gott, da ist auch Jesus abwesend. Und da wo sie ist, da ist auch die Heiligste Dreifaltigkeit“, so der Ritter der Immaculata, P. Maximilian Kolbe.
Wir müssen uns der Immaculata anschließen, so eng anschließen wie nur irgend möglich. Papst Pius XII. ist davon überzeugt: „Es genügt nicht, Maria und ihre Größe nur zu kennen; man muß sich ihr nähern und im Glanze ihrer Gegenwart leben. Ich möchte, daß ihr Tag für Tag, jeden Augenblick, der Immaculata immer mehr näherkommt und daß ihr sie noch besser kennenlernt, daß ihr sie immer noch mehr liebt.“
O wie schön ist das, im Glanze der Immaculata zu leben, aber es ist zugleich eine dauernde Herausforderung. Denn nur großmütige Seelen werden auch tatsächlich der Immaculata immer näherkommen und sie immer besser kennenlernen, so daß sie diese auch immer mehr lieben. Darum fordert Papst Pius XII. alle Katholiken dazu auf: „Wir möchten vor allem, daß ihr als Söhne und Töchter Mariens danach strebt, in eurer Seele ihre übernatürliche Schönheit herauszustellen. Vollzieht also nach ihrem Vorbild die vollkommene Vereinigung mit Jesus, daß Jesus in euch sei, daß ihr in Ihm seid bis hin zur Verschmelzung eures Lebens mit Seinem Leben. Möge euer Geist vom Glanz des Glaubens erleuchtet sein und möchtet ihr wie sie sehen, urteilen, handeln und denken wie Gott. Möge euer Herz, soweit es möglich ist, die Unversehrtheit, wie sie ihrem Herzen zu eigen ist, anstreben. Traget in den Zügen eurer Seele die Ähnlichkeit mit der himmlischen Mutter. Lasset in eine Welt, die eingehüllt ist in die Finsternis und bedeckt ist vom Schmutz, laßt in diese Welt eindringen die Lichtstrahlen und den Wohlgeruch einer Reinheit ohne Makel.“
Christus lieben mit dem Herzen Mariens
Was würde der Papst erst sagen, wenn er die heutige Gesellschaft vor Augen hätte? Wieviel mehr würde er die Notwendigkeit betonen, ganz mit der Immaculata vereint zu leben, damit wir fähig werden, in eine Welt, „die eingehüllt ist in die Finsternis und bedeckt ist mit Schmutz, die Lichtstrahlen und den Wohlgeruch einer Reinheit ohne Makel“ eindringen zu lassen! Muß man sich nicht in den vielfältigen Gefahren, die der Seele gegenwärtig überall drohen, einen übernatürlichen Schutz suchen? Muß man sich nicht möglichst eng an Gott binden, um den vielen Versuchungen ohne Schaden für die Seele entgegentreten zu können? Maximilian Kolbe weiß:
„Kein Geschöpf ist so nah bei Gott wie die Immaculata. Derjenige, der mehr als die Anderen der Immaculata gehört, wird sich mit umso mehr Mut und Freiheit den Wunden des Erlösers, der Eucharistie, dem Herzen Jesu, Gott Vater, ja, der ganzen Dreifaltigkeit nähern. Aber dies alles, diese übernatürlichen Dinge formt sie in uns und durch uns. Sei sicher, daß derjenige, der der Immaculata gehört, niemals wird verlorengehen. Aber je mehr er ihr gehört, umso mehr gehört er Jesus, umso mehr gehört er dem Vater. Er wird sich ein Gewissen daraus machen, den Willen Gottes immer vollkommener zu erfüllen und mehr und mehr seine Treulosigkeiten gegen den Willen Gottes abzulegen. Und er wird umso mehr den Frieden des Herzens haben inmitten der Stürme der Zeit. Zu seiner Zeit wird ihm die Immaculata alle Geheimnisse des Herzens Jesu enthüllen, und er wird der Vielgeliebte Unseres Herrn Jesus sein. Aus der Erfahrung wissen wir, daß die Seelen, die sich der Immaculata geschenkt haben, und zwar vollständig und ohne Einschränkungen, daß diese Seelen den Herrn Jesus und das Geheimnis Gottes besser kennen als die andern. Die Gottesmutter kann nicht anders führen als zum Herrn Jesus hin. Das Herz Jesu liebe mit dem Herzen der Immaculata. Die Immaculata weiß alles und lenkt alles, man muß nur seine Einwilligung geben, daß sie uns mehr und mehr führt, und dann wird sie selbst alles vollbringen durch uns zum Heil der Seelen. Das Herz ist das Symbol der Liebe Gottes. Die Seele, die diese Offenbarung der Liebe betrachtet, möchte Liebe um Liebe geben; aber aus der Erfahrung wissen wir, daß wir sehr schwach sind. Und da offenbart sich die Liebe des göttlichen Herzens, da Er uns Seine eigene Mutter gibt – Siehe da deine Mutter –, damit wir Ihn lieben, mit ihrem Herzen, nicht mit unserem armseligen, sündigen Herzen sondern mit ihrem unbefleckten Herzen.“
Durch Maria zu Jesus
Durch Maria zu Jesus. Das ist der Gedankengang dieser Ausführung, das ist der Weg des inneren Lebens, wenn man der Immaculata folgt. Es war die Überzeugung all unserer Heiligen: „Die Gottesmutter kann nicht anders führen als zum Herrn Jesus hin. Das Herz Jesu liebe mit dem Herzen der Immaculata.“ Sobald man das aber ernsthaft versucht, wird man der eigenen Schwächen umso mehr gewahr. Denn unser Herz und unsere Gesinnungen sind nicht ganz rein – ja unermeßlich weit von der Reinheit der Immaculata entfernt. Soll man darob verzagen und denken, eine solche Verehrung ist nicht für mich? Nein, im Gegenteil. Gerade weil wir schwach sind, brauchen wir eine starke Hilfe. Wer ist so mächtig als Fürsprecher wie die Immaculata? Und wer könnte mehr die Schwächen des Kindes verstehen als die eigene Mutter? Darum gibt P. Maximilian Kolbe zu bedenken: „Und welches ist jetzt die Rolle der heiligsten Jungfrau? – Man muß ihr gestatten, daß sie uns erziehe, wie sie es bei Christus getan hat. Wir sehen so, welches ihre hervorragende Rolle ist im geistlichen Leben. Wenn die Heiligen sich heiligen konnten, so deshalb, weil sie sie erhoben hat, mit großer Hingabe, als die beste aller Mütter.“
Sich von der Immaculata erziehen lassen
Ist das nicht ein wunderbar tiefer Gedanke, sich von der Immaculata erziehen zu lassen, weil sie doch auch dasselbe bei unserem Herrn Jesus Christus getan hat. Nur hat dieser ihr sicherlich in der Erziehung nicht solche Sorgen bereitet wie wir. Wir bedürfen einer starken Hand, ganz besonders wenn es um unser Gebetsleben geht. Bedenken wir nur, Maria ist die Lehrmeisterin des Gebetes. Darum wünscht P. Maximilian Kolbe von ganzem Herzen:
„Daß doch die Immaculata Besitz nehme von unserem Herzen, daß sie dort hervorbringe unseren gütigen Jesus, Gott, und daß sie Ihn dort forme bis zum vollkommenen Mannesalter. Aber wer nicht Maria, die Unbefleckte, zur Mutter haben will, der wird auch Christus nicht zum Bruder haben. Der Vater wird ihm nicht Seinen Sohn senden, der Sohn wird nicht in seine Seele hinabsteigen, der Heilige Geist wird nicht mit Seinen Gnaden den mystischen Leib formen nach dem Vorbild Christi, denn alles vollzieht sich in Maria, der Immaculata, der Gnadenvollen, und nur in Maria. Wenn ihr glücklich leben und sterben wollt, dann bemühet euch, diese Kindesliebe gegen unsere sehr gute Himmelsmutter immer mehr zu vertiefen. Unser Herr Jesus Christus ehrte sie als erster als Seine Mutter, gemäß dem Gebot Gottes: ‚Ehre deinen Vater und deine Mutter.‘ Und darin müssen wir auch Ihn nachahmen. Selbst wenn wir zu einer glühenden Innigkeit in dieser Liebe zu Maria gelangen, werden wir doch niemals jenen Grad der Liebe erreichen, die Jesus ihr gegenüber hat.“
Das hier Gesagte ist sicherlich wahr und darum ganz besonders zu beherzigen: „Wenn ihr glücklich leben und sterben wollt, dann bemühet euch, diese Kindesliebe gegen unsere sehr gute Himmelsmutter immer mehr zu vertiefen.“ Unsere Verehrung der Immaculata läßt aber das Hochgebirge der Gottesliebe vor unsere Augen treten, wobei wir nur unter der Anleitung von bewährten Führern den Aufstieg wagen dürfen. Dabei wissen wir und müssen es auch immer bedenken: „Selbst wenn wir zu einer glühenden Innigkeit in dieser Liebe zu Maria gelangen, werden wir doch niemals jenen Grad der Liebe erreichen, die Jesus ihr gegenüber hat.“ Da hilft uns wiederum die Immaculata, angesichts der Höhe dieses Gebirges dennoch nicht zu verzagen, denn sie wird ihre ganze mütterliche Sorge und Weisheit einsetzen, um uns möglichst nahe zum Gipfel zu führen.
In seinem selbst verfaßten Weihegebet fleht Dom Marmion: „O Maria, Mutter Christi, Mutter der heiligen Liebe, gestalte du uns nach dem Herzen deines Sohnes.“ Ist das nicht aufgrund unserer zahlreichen Schwächen ein notwendiger Wunsch?! Und ist das nicht auch aufgrund der allgemeinen Verwirrung eine der wichtigsten Gnaden? Nur mit Hilfe der Immaculata vermag man sich vor der Hölle zu bewahren und dem Herzen Jesu ähnlich zu werden.
Die Immaculata, das wahre Abbild der Kirche Jesu Christi
Aber gibt es überhaupt noch viele wahre Verehrer der Immaculata? Man begegnet vielfach einem schon unheimlich zu nennendem Phänomen. Viele Leute geben sich als Marienverehrer, ja sogar als Ritter der Immaculata aus – und sind dennoch mit einer erschreckenden Blindheit geschlagen, wenn es um die makellose Kirche Jesu Christi geht. Sie verehren die Immaculata, so sagen sie wenigstens, und halten dennoch die Hure Babylon, zu der die Menschmachwerkskirche in Rom zweifelsohne gehört, für die Kirche Jesu Christi. Sie fabulieren von der kranken Kirche, einer Kirche voller Irrtümer, die die Seele in die Hölle führt, eine Kirche mit unwürdigen Sakramenten und einer seelenmordenden Gesetzgebung, ohne zu merken, daß sie damit die Immaculata verhöhnen, die doch das wahre Abbild der Kirche ist, der reinsten Braut Jesu Christi. Wie kann so etwas sein? Wie kann es sein, daß man darin keinen Widerspruch mehr sieht?
Wir haben schon öfter auf dieses beängstigende Phänomen bei vielen Konservativen und Traditionalisten der Menschenmachwerkskirche aufmerksam gemacht. Es ist wohl nur dadurch zu erklären, daß die Frömmigkeit dieser Leute nicht mehr auf dem Glauben aufbaut, sondern letztlich nur noch charismatisch sentimental ist. Wenn aber der Glaube nur noch Spiritualität ist, geraten die unsichtbaren, gnadenhaften, aber ganz und gar wirklichen Glaubenszusammenhänge aus dem Blickfeld. Die Frömmigkeit wird zum Selbstzweck, der Glaube zur Nebensache, wie man es in der modernen Ökumene auch praktiziert. Um den Zusammenhang zwischen Glauben und Andacht aufzuzeigen, wollen wir wieder einmal M. J. Scheeben zu Wort kommen lassen. Der Text ist genommen aus: „Die theologische und praktische Bedeutung des Dogmas von der Unfehlbarkeit des Papstes, besonders in seiner Beziehung auf die heutige Zeit“, in: Das ökumenische Konzil vom Jahre 1869, Periodische Blätter, Zweiter Band, 13. und 14. Heft, Friedrich Pustet, 1871.
Das Dogma
Jetzt aber, nachdem die zweite Definition stattgefunden, wird jedes katholische Herz mit uns in Freude und Bewunderung die über der Kirche waltende Hand Gottes bewundern, welche diese beiden Wahrheiten am Himmel des neunzehnten Jahrhunderts als segensvolle und trostreiche Sterne im hellen Lichte erstrahlen läßt: die ohne Fehl empfangene Jungfrau als den Stern der Gnade, den Morgenstern, welcher der im Fleische erschienenen Sonne der Gnade vorausgegangen ist und, den in seine Herrlichkeit eingegangenen Heiland begleitend, vom Himmel her uns aus der Nacht dieses Lebens zum Tage der Ewigkeit geleitet; die unfehlbare Kathedra des Stellvertreters Christi aber als den Abendstern, auf dem die von der Erde scheidende Sonne der ewigen Wahrheit ihr Licht zurückgelassen hat, damit die Welt nicht wieder in die Finsternis des Heidentums zurückfiele. Wäre es blinder Zufall oder gar kleinliches Menschenwerk, daß gerade heutzutage, wo die Hölle mehr denn je systematisch das Licht Christi aus der Welt verdrängen und die Nacht des alten Heidentums zurückführen will, jene beiden Sterne, die beide von Christus, der Sonne der Gnade und der Wahrheit, ihr Licht empfangen, um es in milden unserem irdischen Auge zusagenden Strahlen in die Nacht dieser Welt zu ergießen, zugleich in ihren vollen Glanz gestellt wurden? Wahr ist’s, daß manche fromme Seelen und tiefblickende Geister längst die doppelte Definition als ein großes Heilmittel für die kranke Zeit herbeigewünscht und befürwortet haben; wahr ist’s ebenfalls, daß Pius IX. sogleich vom Anfang seines Pontifikates an sein Augenmerk auf die volle Klarstellung und Geltendmachung beider Wahrheiten gerichtet hatte; aber eben diese Wünsche und Bestrebungen waren das Werk des die Kirche leitenden Geistes Gottes, und der Papst selbst beeilte sich bei der Durchführung seiner Absicht so wenig, daß namentlich die zweite Definition erst zu einer Stunde stattfand, die er menschlicher Weise nicht zu erleben hoffen durfte, und daß sie durch eine so seltsame Komplikation von Umständen ermöglicht und zugleich unabweislich gemacht wurde, wie ebenfalls kein menschlicher Scharfblick es voraussehen konnte.
Fassen wir also jetzt die beiden Sterne näher ins Auge und schauen wir hinein in das liebliche Licht, welches sie sowohl wechselseitig übereinander, als über die übrigen Gestirne des christlichen Himmels verbreiten und segenbringend in die Nacht unseres Jahrhunderts hinabfallen lassen.
Im Allgemeinen können wir sagen, daß beide Dogmen die Übernatürlichkeit des Christentums in lebendiger kraftvoller Wirklichkeit und Wirksamkeit uns vor Augen führen, und daß deshalb beide, wie sie den äußersten Haß der Hölle auf sich laden und dem schroffen Widerstand vonseiten des rationalistischen, naturalistischen und liberalistischen Geistes der modernen Welt begegnen, so auch von den wahren Freunden des Christentums als die Devise betrachtet werden müssen, unter welcher sie die Hölle und den Geist der Welt besiegen werden.
Die Hölle haßt in der unbefleckt empfangenen Jungfrau das unbesiegte Weib, das nach der Prophezeiung des Urevangeliums in Gemeinschaft mit seinem Samen in ewiger Feindschaft ihr gegenübersteht und der alten Schlange den Kopf zertritt; in der Unfehlbarkeit des Heiligen Stuhles haßt und verfolgt sie die unüberwindliche Macht, welche nach der Verheißung des Heilandes die Kirche allen Angriffen der Hölle gegenüber aufrecht erhält und allen von der Hölle ausgesäten Häresien den Kopf zertritt. Der Geist der Welt, der, wenn schon nicht offener Feind des Christentums, so doch durch dessen übernatürliche Ideen und Ansprüche nicht in der Genügsamkeit seiner Natur, Vernunft und Freiheit gestört sein will und alles nach dem Maßstabe der letzteren bemißt, mag den übernatürlichen Adel der hl. Jungfrau und die Unfehlbarkeit des Heiligen Stuhles als Idole einer frommen Schwärmerei schon dulden, entsetzt sich aber unwillkürlich vor der dogmatischen Feststellung und kraftvollen Durchführung beider Lehren, weil er instinktmäßig fühlt, daß vor dem Glanze der übernatürlichen Makellosigkeit und Herrlichkeit der Jungfrau ebenso wie vor der übernatürlichen Irrtumslosigkeit und Majestät des Stuhles der Wahrheit alle Träume von der absoluten Selbstherrlichkeit der Natur und der natürlichen Weisheit und Freiheit in eitlen Dunst sich auflösen. Da dieser naturalistische Geist aber auch viele sonst wohlgesinnte Katholiken angesteckt hat, wie das Konzil in der Einleitung der ersten Konstitutionen selbst sagt, da derselbe in Deutschland in manchen theologischen Schulen seit langem sich festgesetzt hat, und, wie sehr auch durch die Reaktion des kirchlichen Sinnes zurückgedrängt, nicht mit der Wurzel ausgerottet worden ist: so ist aus ihm auch die Antipathie zu erklären, welcher beide Dogmen nirgendwo mehr als in Deutschland begegnet sind. Der wahrhaft Gläubige und in seinem Glauben erleuchtete Geist aber, der in Christus den wahren Gottmenschen, den Gründer und das Haupt eines übernatürlichen Reiches und den Spender übernatürlicher Gnade und Wahrheit verehrt und diese Idee in ihrer ganzen Kraft und Reinheit verfolgt, sieht in der unbefleckt empfangenen Jungfrau und dem unfehlbaren Lehrstuhl Petri mit Freude und Bewunderung die kostbaren unbeweglichen Grundsteine des übernatürlichen Reiches Christi und die kostbaren Pfänder seiner Gnade und Wahrheit spendenden Allmacht, die schönsten Trophäen seines Sieges über Hölle und Welt, Trophäen, die ihrerseits wieder als siegreiche Waffen unablässig sich bewähren werden, solange der Kampf mit der Hölle und der Welt fortdauern soll.
Der Kampf, besonders in Deutschland, gegen das Dogma
Es ist doch seltsam, die meisten Traditionalisten empfinden das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes genauso wie die Protestanten, Gallikaner, Jansenisten und Altkatholiken als Bedrohung und sprechen daher gerne von den maßlosen Übertreibungen der Unfehlbarkeit des Papstes. Genauso haben die Protestanten, Jansenisten und Altkatholiken von der Übertreibung der Marienverehrung bei der Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis gesprochen. Warum? Weil sie den übernatürlichen Grund und Zusammenhang der Dogmen nicht mehr verstehen, da ihr „Glaube“ schon ein ganz naturalistischer geworden ist. Scheeben formuliert es so: „Der Geist der Welt, der, wenn schon nicht offener Feind des Christentums, so doch durch dessen übernatürliche Ideen und Ansprüche nicht in der Genügsamkeit seiner Natur, Vernunft und Freiheit gestört sein will und alles nach dem Maßstabe der letzteren bemißt, mag den übernatürlichen Adel der hl. Jungfrau und die Unfehlbarkeit des Heiligen Stuhles als Idole einer frommen Schwärmerei schon dulden, entsetzt sich aber unwillkürlich vor der dogmatischen Feststellung und kraftvollen Durchführung beider Lehren, weil er instinktmäßig fühlt, daß vor dem Glanze der übernatürlichen Makellosigkeit und Herrlichkeit der Jungfrau ebenso wie vor der übernatürlichen Irrtumslosigkeit und Majestät des Stuhles der Wahrheit alle Träume von der absoluten Selbstherrlichkeit der Natur und der natürlichen Weisheit und Freiheit in eitlen Dunst sich auflösen.“
...und der daraus folgende Glaubensverlust
Was aber bewegt die heutigen Traditionalisten, eine solch vollkommen unkatholische Haltung einzunehmen – und dabei sich noch einzubilden, die kirchliche Tradition zu wahren und die Kirche zu retten? Am Anfang dieser verkehrten Lehre steht letztlich eine praktische Entscheidung, nämlich: Die modernistische, apostatische, ökumenische Menschenmachwerkskirche ist immer noch die Kirche Jesu Christi. Mit dieser Entscheidung wird notwendigerweise die Hure Babylon zum Urbild der Kirche. Weil darum der praktische Tatbestand – Menschenmachwerkskirche – nicht mehr mit dem Dogma der wahren Kirche Jesu Christi übereinstimmt, muß man die Lehre soweit verbiegen und zurechtbiegen, daß man sich einbilden kann, diese neuheidnische römische Gemeinschaft sei immer noch die katholische Kirche. Das geht freilich nicht ohne (stillschweigend?) eine ganze Reihe von Dogmen zurückzuweisen. Letztlich wäre es dasselbe, wenn ich eine Dirne als Vorbild der Immaculata nehmen würde und dann versuchte, die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis diesem Tatbestand anzupassen. Das würde notwendigerweise zur Leugnung der wichtigsten Mariendogmen führen, wie man übrigens bei den Modernisten sehen kann, für die Maria ein ganz normales jüdisches Mädchen war.
Wie wir gelesen haben, erklärt Scheeben: „Da dieser naturalistische Geist aber auch viele sonst wohlgesinnte Katholiken angesteckt hat, wie das Konzil in der Einleitung der ersten Konstitutionen selbst sagt, da derselbe in Deutschland in manchen theologischen Schulen seit langem sich festgesetzt hat, und, wie sehr auch durch die Reaktion des kirchlichen Sinnes zurückgedrängt, nicht mit der Wurzel ausgerottet worden ist: so ist aus ihm auch die Antipathie zu erklären, welcher beide Dogmen nirgendwo mehr als in Deutschland begegnet sind.“
...durch den naturalistischen Geist
Auch die meisten Traditionalisten sind von diesem naturalistischen Geist angesteckt. Dieser allein kann die zwanghafte Vorstellung erklären, unter allen Umständen die modernistisch-neuheidnische Menschenmachwerkskirche für die Kirche Jesu Christi halten zu müssen. Und sie erklärt auch die Antipathie gegen das Unfehlbarkeitsdogma. Denn dieses steht dieser Wahnvorstellung am direktesten und am meisten im Wege. Wenn man auch dem Papst die Unfehlbarkeit nicht ganz absprechen will wie die Altkatholiken – was letztlich die einzig ehrliche Konsequenz wäre –, muß man sie zumindest auf aller-aller-seltenste Fälle begrenzen, so daß sie letztlich jede praktische Bedeutung für das Leben der Kirche verliert. Die Unfehlbarkeit darf den Phantastereien der Traditionalisten wie der Modernisten nicht mehr im Wege stehen. Genauso wie damals die Protestanten, Jansenisten und Altkatholiken zeiht man die Katholiken der Papolatrie – der Vergöttlichung des Papstes –, wie man auch die Verehrung der Gottesmutter als Vergöttlichung derselben bezeichnet hat. Da ist eine grundlegende Bekehrung bitter nötig, wie M. J. Scheeben zu Beginn seines oben auszugsweise angeführten Aufsatzes schreibt:
Es ging ihnen, bemerkte schon im April dieses Jahres der Bischof Ghilardi von Mondovi, wie dem jungen Tobias mit dem großen Fische, der demselben von Gott zu seinem Heile zu-gesandt war. Als er den Fisch auf sich zukommen sah, erschrak er und rief mit lauter Stimme: „Domine invadit me, Herr er überfällt mich.“ Der Engel aber bemerkte ihm: Er solle nur kühn den Fisch angreifen, ihn ausweiden, und das Innere bewahren, denn es sei zu nützlichen Heilmitteln verwendbar. Und auf die Frage, wozu denn die Heilmittel dienten, antwortete der Engel u. a.: „Die Galle diene zur Heilung der weißfleckigen Augen.“ Der heilige Augustinus erklärt den Fisch als das Vorbild Christi: Christus ille piscis, qui ascendit de flumine vivus. Auch Christus wurde von der Welt gefürchtet; von der Hölle betört, meinten die Juden, er werde ihr Land verderben und zugrunde richten; und doch war eben er das Heil der Welt und nur gekommen, um die Blindheit der Menschen zu heilen und ihnen Licht, Leben und Segen zu spenden: Afflatus est cæcus et illuminatus est mundus. Ganz ähnlich, wie mit Christus selbst, ergeht es mit dem von Christus zum Träger und Organ seines Lichtes und seines Segens bestellten Statthalter. Auch ihm gegenüber erscholl und erschallt aus tausend Kehlen der Ruf: Er fällt uns an und verschlingt uns. Aber es sind nur die Blinden und Augenkranken, die so rufen, und gerade zu ihrer Heilung ist die erhabene Vollmacht, die dem Statthalter Christi verliehen worden, bestimmt. Sie brauchen nur durch eine sorgfältige Erwägung in das Innere dieses Dogmas einzudringen und seine milde Kraft auf sich wirken zu lassen, und es wird nicht bloß ihr krankes geistiges Auge heilen, sondern ihnen auch als ein unerschöpflicher Quell des Lichtes und des Segens erscheinen.
Wer unvoreingenommen an das katholische Dogma herangeht, kann Scheeben nur Recht geben und mit ihm feststellen – wie wir es schon gelesen haben: „Der wahrhaft Gläubige und in seinem Glauben erleuchtete Geist aber, der in Christus den wahren Gottmenschen, den Gründer und das Haupt eines übernatürlichen Reiches und den Spender übernatürlicher Gnade und Wahrheit verehrt und diese Idee in ihrer ganzen Kraft und Reinheit verfolgt, sieht in der unbefleckt empfangenen Jungfrau und dem unfehlbaren Lehrstuhl Petri mit Freude und Bewunderung die kostbaren unbeweglichen Grundsteine des übernatürlichen Reiches Christi und die kostbaren Pfänder seiner Gnade und Wahrheit spendenden Allmacht, die schönsten Trophäen seines Sieges über Hölle und Welt, Trophäen, die ihrerseits wieder als siegreiche Waffen unablässig sich bewähren werden, solange der Kampf mit der Hölle und der Welt fortdauern soll.“
Die Anwendung dieser so klaren, vom katholischen Dogma erleuchteten Lehre ist: Wer Bergoglio für den Papst der Kirche Jesu Christi hält, der kann sich nicht mehr Katholik nennen – genauso wie niemand, der (man mag es kaum aussprechen) eine Dirne für die Gottesmutter hält, ein Marienverehrer sein kann. Wir können die Immaculata nur inständig darum bitten, durch die Vermittlung der notwendigen Gnaden die Blindheit möglichst vieler zu heilen und ihnen Licht, Leben und Segen zu spenden.