Wie wir aus dem Leben des Heiligen gezeigt haben (Allein und zu Fuß, Der heilige Ignatius und seine Jesuiten), war der hl. Ignatius der von Gott Auserwählte, der einen neuen Orden gründen sollte, dem die Aufgabe zukam, unter den durch die Reformation veränderten Bedingungen der Neuzeit den hl. Glauben gegen die vielfältigen Angriffe der Feinde zu verteidigen, das Volk im katholischen Glauben zu unterrichten und in der Frömmigkeit zu stärken. Hierin waren die Jesuiten die von der göttlichen Vorsehung geschenkte ideale und notwendige Ergänzung zu den anderen Orden, denn während die anderen Orden in Klöstern abgewandt von der Welt lebten, lebten die Jesuiten in Häusern, um sich den Seelen, die in der Welt leben mußten, zuzuwenden.
Damit der neue Orden den vielfältigen neuen Aufgaben gerecht werden konnte, hat Gott den hl. Gründer zuweilen sogar in außerordentlicher Weise erleuchtet, damit das zu schaffende Gesetzeswerk der Konstitutionen fest und weit genug wurde, den Ordensgeist durch die schwierigen Zeiten hindurch zu bewahren. Damals schrieb der hl. Ignatius von sich, daß er „immer und zu jeder Stunde, wann er Gott finden wolle, ihn finden könne“, und P. Lainez war der Überzeugung: „Er lebt nun in einem rein geistigen Zustand, in der Gotteserfahrung.“ Im Vorwort der Konstitutionen schreibt der Gründer: „Zwar ist es die höchste Weisheit und Güte Gottes unseres Schöpfers und Herrn, die diese geringste Gesellschaft Jesu in ihrem heiligen Dienst bewahren, leiten und voranführen muß, wie sie sich gewürdigt hat, sie entstehen zu lassen; und von unserer Seite muß mehr als irgendeine äußere Satzung das innere Gesetz der Liebe und Güte, welches der Heilige Geist in die Herzen schreibt und einprägt, dazu helfen. Weil jedoch ..., halten wir es für notwendig, daß Satzungen geschrieben werden.“
Die ideale Grundhaltung jedes Jesuiten kommt wohl am besten in dem Gebet des hl. Ignatius zum Ausdruck, in dem er um die vollkommene Hingabe an den Willen Gottes bittet:
„Nimm, Herr, und empfange meine ganze Freiheit, mein Gedächtnis,
meinen Verstand und meinen ganzen Willen, all mein Haben und mein Besitzen.
Du hast es mir gegeben; Dir, Herr, gebe ich es zurück.
Alles ist Dein, verfüge nach Deinem ganzen Willen.
Gib mir Deine Liebe und Gnade, denn diese genügt mir.“
Weil es damals offensichtlich noch viele großmütige Seelen gab, wuchs der Orden überraschend schnell. Schon beim Tod des hl. Ignatius gab es mehr als 1000 Jesuiten in über 100 Niederlassungen, die sich fast in die ganze Welt zerstreuten, um als Missionare zu wirken. Das mußte natürlich den Neid und die Mißgunst der Gegner wachrufen. Aber nicht nur das, die Jesuiten wurden in den geistigen Kampf der Neuzeit in einer Weise hineingezogen, wie sie es sich wohl selbst niemals ausgemalt hätten, wurden sie doch mehr und mehr zur geistigen Elite der katholischen Kirche. Darum wandte sich der Haß der Feinde der Kirche zunächst gegen die Jesuiten.
Die zwei Banner
Als Iñigo sein Exerzitienbüchlein verfaßte, nahm er in dieses auch eine Betrachtung auf, in welcher dem Katholiken seine Grundsituation in der Welt begreiflich werden soll, es ist die Besinnung über die zwei Banner. Hierin läßt der Heilige den Exerzitanten sich auf der einen Seite Unseren Herrn Jesus Christus als höchsten Befehlshaber Seines Heeres, der hl. Kirche, vorstellen, auf der anderen Seite aber Luzifer, den Todfeind der menschlichen Natur.
Um die Tatsache der Existenz dieser zwei Heerführer begreiflich zu machen, beschreibt der hl. Ignatius die Zurichtung des Schauplatzes folgendermaßen: „Hier ein großes Heerlager in der Gegend von Jerusalem sehen, wo der oberste Befehlshaber der Guten, Christus Unser Herr, weilt; ein anderes Heerlager in der Gegend von Babylon, wo der Häuptling der Feinde, Luzifer, sich befindet.“ Auf der einen Seite gibt es Jerusalem, die heilige Stadt, die ein Abbild des himmlischen Jerusalems ist, auf der anderen Seite die Stadt Babylon, d.i. die aus der Geheimen Offenbarung bekannte Stadt Babylon: „Auf ihrer Stirn trug sie einen geheimnisvollen Namen: ‚Das große Babylon, die Mutter der Huren und der Greuel der Erde.‘“
Bei jeder Betrachtung gibt der hl. Ignatius eine besondere Gnade an, um die man bitten soll: „Hier bitten um die Erkenntnis der Betrügereien des bösen Häuptlings, um Hilfe, mich davor zu bewahren, um Erkenntnis des wahren Lebens, das der höchste und wahrhaftige Befehlshaber zeigt, und um die Gnade, Ihm nachzufolgen.“ Wer könnte bezweifeln, daß diese Gnade umso wichtiger wird, je verworrener die Zeitverhältnisse und je raffinierter die Betrügereien Luzifers werden? Je größer die Macht Luzifers wird, desto mehr muß man sich um Erkenntnis des wahren Lebens, das der höchste und wahrhaftige Befehlshaber zeigt, und um die Gnade, Ihm nachzufolgen bemühen, damit man die Betrügereien Luzifers sicher und ruhig zu durchschauen und ihnen entgegenzutreten vermag.
Der Heerführer des babylonischen Heerlagers
Damit einem das gelingen kann, muß man die Taktik des Feindes studieren. Der hl. Ignatius möchte einen allgemeinen Einblick geben, wie der Teufel gewöhnlich vorgeht. „Der erste Punkt ist: Sich vorstellen, wie sich der Anführer aller Feinde in jenem großen Heerlager von Babylon hinsetzt auf einen großmächtigen Thron aus Feuer und Rauch, in einer Gestalt von Schauer und Schrecken.“ Der Anführer aller Feinde hat einen großmächtigen Thron, unser Herr Jesus Christus selbst nennt ihn den Fürst dieser Welt. Dieser Thron besteht aus Feuer und Rauch. Das Feuer ist der Haß und der Rauch ist die Täuschung. Dazu gesellen sich Angst und Schrecken, mit deren Hilfe der Teufel seine Anhänger in seiner Sklaverei hält. Sein Thron ist ein Thron der geistigen Pestilenz. Der Teufel ist seinem Wesen nach ein haßerfüllter Tyrann, der sich jedoch als Wohltäter der Menschheit aufspielt.
Der Plan Luzifers
Noch etwas gibt es nach dem hl. Ignatius zu erwägen: „Der zweite: Erwägen, wie er unzählige Dämonen zusammenruft, und wie er sie ausstreut, die einen in diese, die andern in jene Stadt, und so über die ganze Welt hin, ohne irgendeinen Landstrich, einen Ort, eine Stadt oder irgendeinen einzelnen Menschen zu übergehen.“ Der Teufel hat seine Helfer und Helfershelfer, er hat sein Heer, das er in die Welt hin aussendet, ohne irgendeinen einzelnen Menschen zu übergehen. Das große, letzte Ziel Luzifers ist der satanische Weltstaat, so daß ihm alle Menschen dienen müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat Luzifer seinen Plan: „Der dritte: Erwägen die Rede, die er an sie richtet, und wie er sie anspornt, Netze und Ketten auszuwerfen; und zwar sollen sie zuerst durch Begierde nach Reichtum in Versuchung führen, wie er bei den meisten zu tun pflegt, damit sie desto leichter zu eitler Ehre der Welt und von da zu ausgewachsenem Hochmut gelangen. Die erste Stufe soll also die Reichtümer sein, die zweite die Ehre, die dritte der Hochmut, und über diese drei Stufen führt er sie ein zu allen übrigen Lastern.“
Luzifer kennt den Menschen seit Jahrtausenden, er hat ihn ausgiebig beobachtet und mit seinem geistigen Spürsinn, den er auch nach seinem Fall nicht verloren hat, ausgespäht. Luzifer ist ein Meisterpsychologe geworden. Er weiß, die Schwachstelle des Menschenherzens ist die Gier nach Reichtum (wobei der hl. Ignatius bemerkt, der Reichtum sei hier nur als ein Beispiel angegeben, es können auch andere an sich indifferente Dinge sein, wie hohe Wissenschaft, großer Einfluß, umfassende Wirksamkeit, usw.). Reichtum aber verleiht Ehre und Macht, und beides schmeichelt dem Hochmut des Menschen, der seit der Erbsünde eingewurzelte Stolz: „Ich will nicht dienen, ich will sein wie Gott!“ So verführt Luzifer die Menschen über Reichtum, Ehre und Hochmut zu allen anderen Lastern, die aus diesen notwendigerweise folgen. Der lasterhafte Mensch aber ist der Sklave seiner Leidenschaften und seiner Sünden und damit Luzifers, denn durch jede schwere Sünde erwirbt der Teufel ein gewisses Eigentumsrecht über den Menschen.
Der Friedensfürst des ewigen Jerusalems
Nachdem man das Vorgehen und den Plan Luzifers verstanden hat, lenkt der hl. Ignatius im zweiten Teil der Betrachtung den Blick auf unseren Herrn Jesus Christus, den anderen Heerführer im weltgeschichtlichen Drama: „Entsprechend als Gegensatz hat man sich vorzustellen den höchsten und wahren Befehlshaber, der da ist Christus Unser Herr. Der erste Punkt ist: Erwägen, wie Christus Unser Herr Sich im großen Heerlager in der Gegend von Jerusalem niederläßt, an einem unscheinbaren Ort, schön und anmutig.“
Schon die äußere Erscheinung soll den Unterschied, ja den Gegensatz zum ersten Heerführer deutlich machen. Während Luzifer in Babylon thront, wählt unser Herr Jerusalem, die Stadt des himmlischen Friedens, zu seinem Heeressitz. Der Thronsaal ist ein unscheinbarer Ort, schön und anmutig. Auch unser Herr Jesus Christus hat seine Helfer und Helfershelfer: „Der zweite: Erwägen, wie der Herr der ganzen Welt so viele Personen, Apostel, Jünger usf. erwählt und sie in die ganze Welt sendet, damit sie Seine heilige Lehre durch alle Stände und alle Lebenslagen hindurch ausstreuen.“
Das Herz für die wahre Gottesliebe bereiten
Das Wort Gottes, die heilige Lehre unserer Erlösung durch das hochheilige Kreuz Jesu Christi, soll in die ganze Welt hinausgetragen werden, damit alle Menschen zum hl. Glauben und durch den Glauben zum ewigen Leben geführt werden, das Gott denen verheißen hat, die IHN lieben. Da aber dieser Liebe jene Seelenhaltung entgegensteht, die aus der Sünde stammt, muß der Mensch sein Herz erst durch die entgegenstehenden Tugenden für die wahre Gottesliebe bereiten. Darum muß man: „Erwägen die Rede, die Christus Unser Herr an alle Seine Diener und Freunde richtet, welche Er zu solcher Fahrt aussendet, wie Er ihnen empfiehlt, sie möchten allen zu helfen suchen, indem sie zuerst zu höchster Armut im Geiste hin bewegen und, wenn Seine Göttliche Majestät daran Gefallen fände und sie erwählen wollte, nicht minder zu äußerer Armut; zweitens zum Verlangen nach Schmähungen und Verachtetwerden, denn aus diesen beiden Dingen ergibt sich die Demut. So daß drei Stufen entstehen: die erste Armut gegen Reichtum, die zweite Schmähungen und Verachtetwerden gegen die weltliche Ehre, die dritte Demut gegen Hochmut, und über diese drei Stufen müssen sie einführen in alle andern Tugenden.“
Das ist also der Weg, den unser Herr Jesus Christus die Seelen führen möchte, von Armut zur Demut und von dort zu allen anderen Tugenden. So wird das Reich Gottes zunächst in den Seelen aufgebaut und von dort aus auch wieder in der Gesellschaft gefestigt. Der hl. Ignatius läßt seine Betrachtungen immer in ein Gespräch münden, denn diese sollen doch keine geistigen Trockenübungen sein, sondern Begegnungen mit dem lebendigen Gott oder den Engeln und Heiligen im Himmel. Hier soll nur das erste Gespräch noch angeführt werden, um zu zeigen, wie der hl. Ignatius die Seelen führen möchte: „Ein Gespräch zu Unserer Herrin, daß sie mir von ihrem Sohn und Herrn die Gnade erlange, unter Sein Banner aufgenommen zu werden, zuerst in der größten Armut im Geist, und falls Seine Göttliche Majestät daran Gefallen fände und mich erwählen und annehmen wollte, nicht minder zu äußerer Armut; zweitens im Erleiden von Schimpf und Unrecht, um Ihm darin jeweils mehr nachzufolgen, wofern ich das erdulden kann ohne irgend jemandes Sünde noch ein Mißfallen Seiner Göttlichen Majestät. Und damit verbunden ein Ave Maria“ (Alle Texte sind genommen aus: Ignatius von Loyola, Die Exerzitien, Johannes Verlag, Einsiedeln 1986).
Der hl. Ignatius möchte dabei helfen, den großmütigen Seelen einen Weg zu einer möglichst vollkommenen Hingabe an Gott zu zeigen, der nichts anderes ist als die Nachfolge Christi. Er ist das ganz große Vorbild. Dieser Weg kann aber nur in der hl. Kirche gefunden und nur mit ihrer Hilfe gegangen werden. Darum ist die Hingabe an Gott beim hl. Ignatius immer verbunden mit der Treue zur Kirche Jesu Christi. In seiner dreizehnten Regel „Zum Gespür, das wir in der streitenden Kirche haben müssen“, macht der Heilige deutlich, daß unsere Nachfolge Jesu allein glückt „... indem wir glauben, daß zwischen Christus, unserem Herrn, dem Bräutigam, und der Kirche, seiner Braut, der gleiche Geist ist, der uns leitet und lenkt zum Heil unserer Seelen“.
Die besondere Bindung des Jesuitenordens an den Papst und das Lehramt
Der hl. Ignatius bindet seinen Orden durch ein eigenes Gelübde ganz besonders an die hl. Kirche und den Papst. Dabei hat er sich wohl kaum vorstellen können, welche weitreichende Folgen das haben würde. Sein Orden wurde nämlich zum Hauptangriffsziel der Feinde der Kirche, was er in seinem Exerzitienbüchlein als Betrachtung über die zwei Banner vorlegte, wurde für den Orden harte Wirklichkeit. Der Grund für den besonderen Haß gegen die Jesuiten war einfach der: Sein Orden wurde, ohne daß der Stifter es zunächst beabsichtigte, durch sein Wirken an den Universitäten und die Gründung vieler Kollegien zu dem wichtigsten Lehrorden der katholischen Kirche. Hinzu kam noch der große Einfluß der Jesuiten als Beichtväter bei Königen und Fürsten. Wie segensreich dieser Einfluß für die katholischen Länder wirklich war, wird wohl erst beim letzten Gericht offenbar werden. Jedenfalls ist es Tatsache, der Jesuitenorden wurde zu einer Hauptstütze der Kirche in der geistesgeschichtlichen Auseinandersetzung gegen das wachsende Heer Satans.
Zunächst standen die Jesuiten bei den allermeisten Fürsten und Königen noch in hohem Ansehen. Nur wenige zweifelten ihr segensreiches Wirken an, war dieses doch zu offensichtlich und ganz allgemein anerkannt. Mit der aufkommenden Aufklärung änderte sich das allmählich. Die französischen Philosophen, also die freimaurerischen Aufklärer, hatten die Vernichtung der katholischen Kirche beschlossen. Dabei verstanden sie es ausgezeichnet, zunächst die Jansenisten und Calvinisten als nützliche Idioten (griech: idiota = der Unwissende) für ihren Plan einzuspannen, da sie diesen das eigentliche Ziel, nämlich die Zerstörung des Christentums, natürlich verheimlichten. Anders als diese Irrlehrer hatten die Freimaurer von Anfang an klar erkannt, die Vernichtung der katholischen Kirche würde unvermeidlich die Vernichtung jeglichen positiven christlichen Glaubens nach sich ziehen.
Die Manipulation der öffentlichen Meinung durch die Freimaurer
In dem Buch „Die Aufhebung des Jesuiten-Ordens“ geht Dr. Caspar Riffel detailliert auf die jahrzehntelange Wühlarbeit dieser Leute in ganz Europa ein, die der Aufhebung des Jesuitenordens vorausging. Die Freimaurerei war ja spätestens seit 1717 international organisiert und konnte daher immer besser länderübergreifend agieren und ihren ruchlosen Zerstörungsplan ins Werk setzen. Der Haß dieser „Schön- und Freigeister“ gegen das Christentum ist leicht aus ihren Schriften zu erweisen, wie Dr. Riffel zeigt. „Der Stifter unserer heiligen Religion war ihnen wenigstens um nichts besser als Muhamed oder andere Schwärmer und Betrüger; den Gott und Vater aber, welchen Jesus Christus uns offenbarte, stellten sie in ihrer Verblendung kaum so hoch als den Jupiter der Heiden. Schwere Anklagen erhoben sie gegen den Inhalt der geoffenbarten Wahrheiten; das Christentum erziehe schlechte Bürger, weil es die Menschen zu viel mit einem anderen Leben beschäftige; es predige Knechtschaft und Sklaverei, weil es die Fürsten im weltlichen Regime als Gottes Stellvertreter angesehen und verehrt wissen wolle. Auf diese Verdächtigungen der Person Christi und seiner Lehre folgten die Angriffe gegen den Charakter und die Schriften der Apostel. Diese wurden teils als dumme Menschen, teils als Fanatiker und Betrüger gelästert, deren Berichte darum keinen Glauben verdienten; alles beruhe bei ihnen auf Wundern und außerordentlichen Taten, die doch eben so wohl mit der gesunden Vernunft als mit den Gesetzen der Natur in Widerspruch stünden; was auf einem so verborgenen Winkel der Erde, wie Palästina, und vor so langer Zeit sich begeben habe, könne vor der gegenwärtigen Kritik nicht mehr als Geschichte gelten. Andere gingen noch weiter: sie leugneten, daß die in der heiligen Schrift des Neuen Testaments aufgeführten Personen (um von den Büchern des Alten Testaments nicht einmal zu reden) je wirklich gelebt und so gehandelt hätten, wie von ihnen geschrieben stehe; die Evangelien seien bloß Romane und emblematische, symbolische Erzählungen von den Gestirnen und dem Laufe derselben. In Maria, der Mutter Gottes, werde z.B. die Jungfrau des Tierkreises, in Christus die Sonne, in Petrus der Janus, in den zwölf Aposteln die Schutzgeister der Monate symbolisch dargestellt. Solcher Unsinn wurde im Angesichte der katholischen Kirche, die seit beinahe achtzehnhundert Jahren in der lebendigsten Wirklichkeit vorhanden war, als hohe Weisheit, als echte Philosophie nicht etwa scherz- und spottweise, sondern mit schwerem Ernste vorgetragen von Männern wie Lalande, Dupuis, Bolney und Andern“ (Dr. Caspar Riffel, Die Aufhebung des Jesuiten-Ordens, Verlag von Franz Kirchheim, Mainz 1855, S. 60f; Die Rechtschreibung wurde angeglichen).
Die Handlanger des Teufels verstehen die Kunst der Verstellung und Täuschung. Auch wenn der Unsinn noch so groß ist, man muß ihn nur hartnäckig wieder und wieder verkünden, dann wird er allmählich auch geglaubt. Das gelang mit der Zeit auch beinahe vollständig, weil man sich mit Hilfe von reichen Freunden immer leichter die notwendigen Mittel dazu verschaffen konnte, um die öffentliche Meinung zu manipulieren. Schon damals wurden von den Gesinnungsgenossen natürlich allein ihre eigenen Männer als aufgeklärt und gebildet hochgelobt, wohingegen alle Gegner der Aufklärung als rückständig und abergläubisch verunglimpft wurden. So konnte man unter der Maske eines aufgeklärten Christentums die eigenen glaubenszerstörenden Meinungen unters Volk bringen:
„Nach ihnen hat die Eigenliebe, Selbstsucht, unersättliche Lebenslust im Allgemeinen, bei der ärmeren Klasse insbesondere die Not, die Unzufriedenheit mit ihrem Erdengeschicke die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele erfunden; während doch die letztere als ein Ding, das einen Anfang gehabt, auch ein Ende nehmen müsse; und dies um so mehr, als die menschliche Seele aus demselben Stoffe gebildet, aus der gleichen Fabrik hervorgegangen sei, wie die des Tieres. Deshalb sei der Mensch darauf angewiesen, seine Glückseligkeit auf Erden im Sinnengenusse, in Befriedigung seiner Neigungen und Leidenschaften zu suchen. Dazu treibe ihn seine Natur mit unabweisbarer Gewalt. Die Handlungen des Menschen seien in sich ganz gleich, er werde dazu durch den niederen Instinkt getrieben; die Willkür allein habe den Unterschied zwischen Gut und Bös, zwischen Tugend und Laster erfunden, und das tyrannische äußere Gesetz und dessen Wächter, der Henker halte ihn aufrecht. Folgerichtig wurde nach solchen Grundsätzen gepredigt: die Schamhaftigkeit der Jungfrau und des Weibes sei nur eine feinere Wollust, um desto sicherer zu betrügen; der Tor, welcher vor geschlechtlichen Ausschweifungen sich bewahre, oder die Fleischeslust nicht befriedige, müsse zu den Tieren auf die Weide geschickt werden; selbst der Ehebruch sei in sich nicht unerlaubt, wie durch die eheliche Verbindung die Freiheit des Menschen nicht gebunden werden könne… die Liebe des Vaters zum Kinde sei nur eine verkappte Herrschbegierde; die Liebe des Kindes zu den Eltern aber beruhe allein auf dem Gefühle der Schwäche und Nahrungsbedürftigkeit; der Selbstmord sei erlaubt, selbst sogar unter gewissen Umständen eine Notwendigkeit. Und solche Ansichten, die freilich guten Teils nur grundsätzlich enthielten, was in den verworfenen Kreisen, worin die Philosophen sich bewegten, im Leben verwirklicht wurde, fanden Eingang und Aufnahme! Und solche Abgesandten der Hölle erwarben sich Freunde und Beschützer selbst am Hofe, an den höchst gestellten Personen, an Männern, welchen das Staatsruder in die Hände gegeben war! Die Verdammungsurteile der Gerichtshöfe und Parlamente gegen die schlechten Schriften und deren Verfasser wurden gewöhnlich durch Minister und deren Günstlinge, oder auch durch Maitressen unwirksam gemacht; aus dem leicht begreiflichen Grunde, weil diese genau so lebten, wie jene lehrten, und weil es ihrem Stolze schmeichelte, über den Vorurteilen und dem Aberglauben des gemeinen Haufens zu stehen, Freunde der Gelehrten und Beförderer der Künste und Wissenschaften zu sein“ (Ebd. S. 62f).
Es ist zu hoffen, daß den Lesern aufgefallen ist, wie hier im Jahr 1855 schon die Grundlagen unserer modernen Gesellschaft bis ins Detail vorweggenommen wurden. Was damals jedoch meist noch auf die höheren Kreise beschränkt war, hat inzwischen die ganze Gesellschaft befallen. Die Gottlosigkeit und Sittenlosigkeit ist inzwischen allgemein geworden, weil die Ideen der sog. Philosophen – wobei diese Bezeichnung ein Hohn ist, ist doch ein Philosoph ein Liebhaber der Wahrheit – als Lehre des Modernismus in die kirchliche Gemeinschaft eingedrungen sind und die Geister massenhaft in die Finsternis des Unglaubens gerissen haben.
Die geschürte Verachtung des Klerus
Damals gelang das noch nicht ganz ohne Widerspruch: „Zwar fehlte es nicht an einsichtsvollen Männern, welche das unvermeidliche Verderben sahen, an dessen Rande Europa jetzt schon schwebte, auch hatten sie Mut genug, die Gottlosigkeit der sog. Philosophen und das letzte Ziel ihrer Bestrebungen zu enthüllen; aber sie predigten tauben Ohren; sie konnten darum der immer größer werdenden Entsittlichung und Irreligiosität keinen Einhalt tun; wurden vielmehr Gegenstand des tödlichsten Hasses. Diese Männer gehörten fast ausschließlich dem Klerus, insbesondere der Gesellschaft Jesu an. Es war nun nicht schwer einzusehen, daß erst dieses mächtige Bollwerk, welches um Thron und Altar aufgerichtet stand, niedergerissen werden müsse, ehe ein glücklicher Erfolg des ganzen Unternehmens zu erwarten stehe; namentlich konnte man nicht hoffen, vorher bei dem Kern des Volkes mit den verderblichen Grundsätzen durchzudringen. Die Mittel nun, welche zu diesem Zwecke in Anwendung kamen, tragen ihre Verwerflichkeit auf der Stirne. Mit vereinten Kräften wurde die Geistlichkeit überfallen, nicht in einem ehrlichen Kampfe, nicht in ernster Weise, sondern wie das so die Meuchelmörder im Brauche haben, rücklings, durch die giftigen Pfeile des gemeinen Spottes, durch die Verdächtigung ihres sittlichen Wandels, durch Anklage auf Heuchelei, durch Beschuldigung, daß sie in der Dummheit und Aberglauben, in der geistigen Knechtschaft und Sklaverei, worin sie selbst sich befinde, auch das Volk erhalten wolle. Diese Lästerungen wurden verbreitet in dem Gewande von allerlei, durch die Bosheit selbst erfundenen Histörchen, durch Sarkasmen, Witzworte, Gedichte, besonders aber durch Gemälde und Kupferstiche, wobei ein zweifaches erreicht wurde; auch die des Lesens Unkundigen hatten eine Schrift vor sich, welche sie verstanden, und verspürten weiter gleichzeitig mit der tiefsten Verachtung gegen den Klerus die Lust nach Laster, das ja das allgemeine aller Stände erschien, mächtig in sich angeregt“ (Ebd. S. 63f).
In der Betrachtung des hl. Ignatius sitzt Luzifer auf einem Thron von Feuer und Rauch. Seine Helfer werden vom Haß geleitet und kennen keine Moral. Wenn es darum geht, die Kirche zu zerstören, ist jedes Mittel recht. Dabei wurde vor allem die Lüge in den Dienst dieses todbringenden Hasses genommen.
Die „Monita secreta“
Ein bis heute wirkendes Beispiel dieser Lügenpropaganda dafür sind die „Monita secreta“, die sogenannten „geheimen Instruktionen“ der Jesuiten. Auf „welt.de“ war dazu am 21.01.2014 ein Kurzbericht zu lesen, „Die ‚Geheimen Instruktionen‘ der Jesuiten gehen um“, worin es heißt: „Diese Schrift, in der Form einer ordensinternen Anweisung des Generals an die Provinzialoberen formuliert, erschien erstmals 1614, vor 400 Jahren, in gedruckter Form. Und obwohl sie wissenschaftlich längst als eine Fälschung identifiziert sind, befeuert sie bis heute über Internet-Blogs Negativurteile über die ‚Gesellschaft Jesu‘. Als eine ‚Gebrauchsanleitung Satans‘ wird das Dokument polemisch bezeichnet, das 1614 in Krakau in Druck ging. Es handelt davon, wie die Leitung des Ordens vermeintlich dazu auffordert und instruiert, reiche Witwen zur Erblassung an die Jesuiten zu bewegen, Organisationen und Parteiungen zu gründen und dann gegeneinander aufzuhetzen, Regierungen durch finanzielle und politische Manöver zu stärken oder zu Fall zu bringen, Monarchen, Politiker und Bankiers über Ränke oder über den Beichtstuhl vor den Karren der Ordensinteressen zu spannen, kurz: immer und überall seine Finger ins Spiel zu bringen, ja das Spiel letztlich in die eigene Richtung zu lenken und dabei selbst vor Kriegen nicht zurückzuschrecken. … Als erster unterzog 1615 der Krakauer Erzbischof Piotr Tylicki die ‚Monita‘ einer umfassenden Prüfung. Er schrieb die Autorenschaft einem früheren Jesuiten zu, Hieronymus Zahorowski, der sie aus Rachsucht verfaßt und zunächst handschriftlich verbreitet habe.“
Über 400 Jahre wirkt also diese Lüge schon in der Öffentlichkeit fort, obwohl selbst Jesuitengegner wie der französische Jansenist Antoine Arnaut (1612-1694), der Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger (1799-1890) und sein Kollege Adolf von Harnack (1851-1930) die vermeintliche Geheimschrift eindeutig als Fälschung auswiesen. Im letzten Kapitel dieser Schrift hieß es unter anderem: „Königen und Fürsten soll man durch die Lehre schmeicheln, daß der katholische Glaube beim gegenwärtigen Zustand ohne Politik nicht bestehen könne. Aber hierbei ist große Diskretion und Behutsamkeit nötig. Auf diese Weise werden die Unsrigen die Gunst der Großen gewinnen, und sie werden zu den geheimsten Beratungen beigezogen werden.“
Der Haß der Kirchenfeinde auf die Jesuiten
Wir werden zeigen, wie die Feinde der Jesuiten all diese Verleumdungen dazu benutzten, um die Fürsten und Könige gegen diese aufzuhetzen, denn in der Synagoge Satans „heiligt“ der Zweck die Mittel. Wenn es darum geht, die Kirche zu zerstören, ist alles erlaubt. In seiner Enzyklika Etsi multa luctuosa vom 21. November 1873 schreibt Papst Pius IX.: „Der eine oder andere von euch, ehrwürdige Brüder, mag sich vielleicht darüber wundern, daß der in unserem Jahrhundert gegen die katholische Kirche geführte Krieg ein so großes Ausmaß angenommen hat. Doch wer den Charakter, die Tendenzen, das Ziel der Sekten wirklich begriffen hat, ob sie sich nun freimaurerisch nennen oder einen anderen Namen annehmen, und sie mit dem Charakter, der Natur und der Entwicklung dieses Kampfes vergleicht, der fast auf dem ganzen Erdball offen gegen die Kirche geführt wird, wird nicht daran zweifeln können, daß das heutige Unheil hauptsächlich auf die Ränke und Intrigen eben jener Sekten zurückgeht. Aus ihnen besteht die Synagoge Satans, deren vereinigte Kräfte, wie eine zur Schlacht aufgestellte Armee, mit wehenden Bannern zum Sturm auf die Kirche anmarschieren... Indem sie sich einschmeichelte und sich tückisch einschlich, unermüdlich wühlte und nach Herzenslust betrog, ist sie [die Synagoge Satans] zu einer sichtbaren Macht geworden... Enthüllt und geißelt vor allem den Irrtum jener, die, ob sie nun Betrüger oder Betrogene sein mögen, unverfroren behaupten, soziale Anliegen, Fortschritt und Wohltätigkeit zum gegenseitigen Nutzen seien das einzige Ziel, das diese finsteren Vereinigungen verfolgen.“
Der Haß der Kirchenfeinde auf die Jesuiten war auch deswegen so groß, weil sie vor allem in ihnen einen zumindest ebenbürtigen Gegner in den Wissenschaften vor sich hatten. Solange die Jesuiten auf den Universitäten und Schulen Einfluß hatten, konnten sie ihre verwegenen, unsinnigen, absurden, gottlosen, völlig verdorbenen Thesen nicht ohne weiteres öffentlich vertreten. Noch war das christliche Denken so verbreitet und gefestigt, daß sie in ihren Äußerungen sehr vorsichtig sein mußten. Die Feinde wußten genau, solange die Jesuiten in der Wissenschaft zumindest mit führend, wenn nicht sogar ihnen überlegen waren, was ihren Haß nur noch größer machte, konnte ihre eigene gottlose Pseudowissenschaft niemals den Sieg davontragen. Und die Jesuiten waren wachsam genug, um das subversive Unternehmen der Feinde zu durchschauen, wie Dr. Riffel hervorhebt:
„Dieser tödliche Haß der Philosophen und Revolutionsmänner des 18. Jahrhunderts läßt sich leicht begreifen. Jesuiten waren es, welche mit ihrem Scharfblick die anfangs noch geheim gehaltenen Pläne der verschiedenen Parteien zuerst entdeckten und auf die Gefahr aufmerksam machten. Die Macht der Rede, die sie in einem so hohen Grade besaßen, die Begeisterung, womit sie die christlichen Wahrheiten verkündeten, der heilige Ernst, die tiefe Ergriffenheit, womit sie die Irreligiosität, den Unglauben und das sittliche Verderben bekämpften – dies erfreute die Frommen, bestärkte die Bessern, erschütterte die Leichtsinnigen, brachte die Lauen, Kalten und Gleichgültigen zur Besonnenheit und hatte bei den Schlechten wenigstens den Erfolg, daß sie nicht in behaglicher Ruhe, nicht ohne Schrecknisse des empörten Gewissens dem Laster frönen konnten. – Zudem lag großenteils in ihren Händen die Erziehung der Jugend; und diese Erziehung und Bildung war eine durchweg christliche. Kinder aus allen Ständen wurden ihren Händen anvertraut. Kein Orden, keine Gesellschaft konnte in dem Unterrichts- und Erziehungswesen ihnen an die Seite treten, geschweige denn sie übertreffen. Mit innigster Liebe und Hochachtung hingen an ihnen die Zöglinge, und bewahrten meist diese Gefühle ihr ganzes Leben hindurch: eine Erscheinung, welche bis auf den heutigen Tag bei den Jesuitenzöglingen ganz allgemein ist, während eben so durchwegs bei den Schülern anderer Institute fast mit dem Tage der Entlassung eine gewisse Mißachtung gegen die Lehrer als charakteristisches Kennzeichen hervortritt. Rechnen wir dazu den Umstand, daß die Jesuiten Gewissensräte und Beichtväter der Könige und hochgestellten Personen aus deren nächster Umgebung und dadurch in Stand gesetzt waren, von manch‘ verderblichem Schritte, von unbedachter Mitwirkung an dem beabsichtigten Unheil die Einen und die Andern abzuhalten; bringen wir weiter in Anschlag, daß das Volk in aller Liebe ihnen zugetan war, teils wegen ihrer Sitten, wegen der Untadelhaftigkeit ihres Wandels, wegen der großen Strenge gegen sich, verbunden mit wahrhaft christlicher Milde gegen andere; vergessen wir endlich nicht, daß sie, was die Gesamtheit betrifft (einzelne, aber sehr wenige Glieder mögen davon eine Ausnahme machen), wegen der vortrefflichen Einrichtung des Ordens, vor Verfall und innerer Auflösung sich bewahrt hatten: so können wir leicht ermessen, warum sie vorzüglich der Gegenstand des erbittertsten Hasses der Philosophen geworden sind. Nicht ein Verbrechen demnach, sondern gerade Vortrefflichkeit des Ordens hat dessen Auflösung veranlaßt, und buchstäblich wahr ist die bekannte Klage: ‚Ein Gott geweihter, jeglicher Menschenart unter allen Zonen dienender Männerbund ward zerrissen unüberwiesen und ungehört.‘“
(Dr. Caspar Riffel, a.a.O. S. 69ff)
Damit ein so großes öffentliches Unrecht geschehen konnte, mußte der dämonische Haß alle Bosheit aufwenden, die ihm zur Verfügung stand. Wie wir schon sagten, ist eine Hauptwaffe des Teufels die Lüge, die Verstellung, die Heuchelei. Dr. Riffel stellt fest:
„Die Gegner der Jesuiten trugen hier die heuchlerische Maske der Pharisäer: sie gaben sich den Schein als Eiferer für die wahre Religion und für gute christliche Sitten (wobei wie wir oben angemerkt haben, ihre sittliche Verderbnis alle bis dahin bekannte Maße überschritt und selbst ins Widernatürliche abglitt); dort erschienen sie in dem Gewande edler Patrioten, allein in zwei Abteilungen gespalten, die eine die Farbe der Königtums, die andere die Cocarde (militärisches oder politisches, auf der Kleidung angebrachtes Abzeichen) der Volksfreunde tragend; eine dritte Klasse endlich verdächtigte sie als Feinde der geistigen Freiheit, des Fortschrittes, der materiellen Interessen der Völker, kurzum des höheren und niederen, des geistigen und leiblichen Wohls der Gesamtheit und des Einzelnen. Alle diese Beschuldigungen sind zu einem dichten Knäuel zusammengewachsen, und zwar
a) durch die Länge der Zeit, in welcher sie vorgebracht werden; denn nicht von gestern und vorgestern datieren sie, sondern sie beginnen mit der Entstehung des Ordens und sind seitdem nicht einen Augenblick ausgesetzt worden. Aus religiösem Fanatismus haben die Protestanten, d.h. alle Feinde der katholischen Kirche, die Verfolgung begonnen; die sog. Philosophen, d.h. die Feinde des Christentums überhaupt und aller bürgerlicher Ordnung kamen ihnen dabei zu Hilfe, und heute wird der Kampf fortgeführt durch Anhänger und Jünger von diesen und jenen.
b) durch die schamlose Frechheit im Erfinden und Verdrehen von Tatsachen, woraus denn endlich die sogenannte Geschichte erwachsen ist, die um so mehr Ansehen erlangte, je älter und zahlreicher die Beweise und Urkunden sind, auf die man sich berufen hat und jetzt noch beruft. Auf diese Weise gründete sich die Lüge eine sog. Tradition; der zweite Schreiber bezog sich auf die Schrift des ersten, der dritte auf die Werke des ersten und zweiten, der vierte auf die Bücher der ersten, zweiten und dritten und so fort in endloser Reihenfolge. Daß der Anfang schon ein falscher, erlogener oder doch ganz entstellter sei, wußten die Allerwenigsten; und die es wußten, hüteten sich wohl, das Geheimnis zu verraten, indes sie ihr Gewissen mit dem verwerflichen, ganz grundlos den Jesuiten zu Last gelegten beschwichtigten, zu einem löblichen Zweck sei jedes Mittel erlaubt. Es ist nämlich zu wissen, daß, ganz abgesehen von den Protestanten, durch die Jansenisten und Philosophen förmliche Lügenschriften verfaßt, Dokumente fabriziert, Urkunden ausgefertigt wurden, teils für Geld, von erkauften Kreaturen, teils gegen Beförderungen oder durch Aussichten zu denselben; trotz der Verdammungsurteile, welche von den höchsten Gerichtshöfen dagegen erlassen wurden, haben sie sich auf die Nachwelt fortgeerbt, und so das Urteil der letzteren bis auf diesen Tag bestochen. Es liegt im Interesse der Kirchenfeinde, diese falschen Ansichten zu erhalten, die wahre Erkenntnis der Sache so lange als möglich hinausschieben, und so fabrizieren sie bis zur Stunde Erzählungen, denen nichts weiter abgeht als Wahrheit.
Ist nun die gewaltige Aufregung gegen die Jesuiten noch etwas Auffallendes? Wir sind weit davon entfernt, anzunehmen, daß auch nur eine geringe Mehrzahl unter ihren Feinden aus dem Volke und selbst aus den sog. Gebildeten diese Feindschaft aus bösem Willen hege; wir können es sogar entschuldigen, daß selbst bessere, edel denkende Männer durch das Geschrei sich beirren lassen, weil sie hier, wie kaum bei einer anderen geschichtlichen Tatsache, mit einer entsetzlich schlauen Taktik und unermüdlichen Ausdauer hinters Licht geführt werden.“
(Ebd. S. 71f)
Die Vorlesungen des Jesuiten Maldonat
Der Autor unseres Buches möchte seine Behauptung nicht einfach ohne einen Beleg stehen lassen, weshalb er auf einen Fall eingeht, der das Vorgehen der Feinde gegen die Jesuiten beispielhaft aufzeigt. „Der wohlbegründete Ruf großer Gelehrsamkeit, worin die Jesuiten standen, und das Herbeiströmen der wissbegierigen Jugend nach ihren Hörsälen hatte längst schon die unedle Eifersucht der übrigen Orden, mancher Weltgeistlichen und besonders der Universitätsprofessoren zu Paris aufgeregt. Als nun gar der berühmte Spanier Maldonat daselbst auftrat und der größte Saal der Akademie die Menge der Zuhörer, welche schon zwei bis drei Stunden vor dem Beginn der Vorlesung sich herzudrängten, nicht fassen konnte, so daß der bescheidene Jesuit unter freiem Himmel seinen Lehrstuhl aufstellen mußte: da war dem Neid und der Scheelsucht kein Mittel zu schlecht, um den Orden selbst zu verderben. Zwar setzte der König der beispiellosen Anmaßung der Sorbonne und der Universität zu wiederholten Malen Schranken; aber kaum hatte er sich mit dem Hofe aus der Hauptstadt entfernt, als gegen die Jesuiten im Allgemeinen und gegen Maldonat insbesondere eine Rechtsanklage bei dem Parlament angebracht wurde. Dieser Gerichtshof zählte nur wenige den Beklagten geneigte Mitglieder, und war sonach bei dem hohen Ansehen der Kläger und bei der Gewandtheit der Anwälte Arnauld, Pasquier u.s.w. eine günstige Entscheidung kaum zu erwarten. Und doch siegte die Macht der Wahrheit: die Jesuiten wurden freigesprochen, und die Anklageschrift Pasquier’s in all‘ ihren Punkten als falsch erklärt. Aber was geschah? Die Gegner der Jesuiten ließen sie in unzähligen Exemplaren abdrucken und verbreiten; dasselbe geschah mit Pasquier’s Schmähschrift ‚Katechismus der Jesuiten‘, mit den Reden Arnauld’s, Dolle’s u.a. und so dienen sie heute noch als Hauptquellen der Schmähungen, obgleich sie später von den Parlamenten als ‚Lügenschriften‘ zum Feuer verurteilt wurden. Davon sagen uns die Maulhelden unserer Zeit kein Wörtchen; sie bringen stets eine Ware zu Markt, welche von unparteiischen Kennern längst als eine unechte erklärt ist“ (Ebd. S. 73).
Aus dem Beispiel, das durch beliebig viele andere gestützt werden könnte, wird überaus deutlich, daß es diesen Herren in keiner Weise mehr um die Wahrheit geht. Wie alle sog. Aufgeklärten und Liberalen sind sie vielmehr von einem fanatischen Haß gegen die Wahrheit erfüllt, der durch nichts befriedigt werden kann. Nicht einmal öffentliche Gerichtsurteile können sie davon abschrecken, ihre Lügen weiter zu verbreiten. Wie laut aber schreien dieselben, wenn man ihnen auch nur das kleinste vermeintliche Unrecht antut. Sofort erheben sie gemeinsam ein Wolfsgeheul ohne Ende und beschimpfen die Gegner aufs Heftigste, denn selbstverständlich sind sie immer die Guten und die anderen ebenso selbstverständlich immer die Bösen.
Dr. Riffel gibt zu bedenken: „Ähnliche Proben von Unredlichkeit und gemeinen Betrugs werden uns im Laufe der Geschichte noch viel begegnen. Ist nun aber der Umstand, daß man zu solchen schlechten und nichtswürdigen Mitteln seine Zuflucht nehmen mußte, nicht schon ein schöner Beweis für die Unschuld der Jesuiten? Eine gute Sache wird offen und ehrlich verfochten; wer anders den Kampf führt, brandmarkt sich als Verleumder und sein Unternehmen als verabscheuungswürdig. Aber auch die Mittel, welche angewendet werden und auch die Männer, welche solche handhaben, sprechen zu Gunsten der Jesuiten. Was fanatische Protestanten wider sie vorbrachten, ist als höchst parteiisch kaum zu berücksichtigen, während das günstige Zeugnis ehrenhafter, gelehrter und teils wegen ihres Charakters, teils wegen ihrer Gelehrsamkeit allgemein geachteter Protestanten von großem Gewichte erscheint. Was die Jansenisten in ihrer blinden Wut gelästert, verdient noch weniger Glauben, da all ihre Schmähungen durch die unverdächtigen Aussprüche von Königen, von den Gerichtshöfen, von den Bischöfen und der ganzen Geistlichkeit widerlegt sind. Es wird mit Recht vor dem bürgerlichen Gesetz als ‚Injurie‘ bestraft, wenn jemand einem anderen das Verbrechen vorwirft, wegen dessen er von dem Gericht ist freigesprochen worden; und es sollte kein durch öffentliche Verachtung zu bestrafendes Verbrechen sein, wenn man die Anklagen der erbittertsten Feinde der Jesuiten immer aufs Neue wiederkäut – und darunter Anklagen, die schon seit Jahrhunderten als Lügen erklärt sind?“ (Ebd. S. 73f).
Die Vertreibung der Jesuiten aus Portugal
Die internationale politische Jagd auf die Jesuiten begann in Portugal. Dort regierte unter dem schwachen König Joseph Manuel Sebastian Jesu de Caraldho, bekannter unter dem Namen Marquis de Pombal. Nach „Freimaurer-Wiki“ wurde dieser 1744 vom englischen Großmeister Prinzen Friedrich von Wales in eine Londoner Loge aufgenommen und hatte in Wien wiederholt die Loge "Zu den drei Kanonen" besucht. Er begünstigte das Wiederaufleben der Freimaurerei, so daß in ganz Portugal und den Kolonien neue Logen eingerichtet wurden.
Pombal war ein Emporkömmling, der durch die Heirat einer Witwe in den höheren Adel Portugals sich eindrängte und durch niederträchtige Schmeicheleien die Gunst des schwachen Königs gewann. Pombal ruinierte nicht nur das Land, er war es auch, der die Jesuiten aus dem Land vertrieb. Der letzte Grund für seinen Haß gegen die Jesuiten war, wie es der hl. Ignatius in seinem Exerzitienbüchlein anspricht, die Gier nach Reichtum. Pombal glaubte den Lügengeschichten, nach denen die Jesuiten in Uruguay und Paraguay ein ungeheures Reich gegründet haben sollten, an dessen Spitze sie den König Nicolaus stellten. Zudem sollten sie zahllose Heere auf die Beine gestellt und den Welthandel an sich gerissen haben. Außerdem sollten sie durch unmenschliche Behandlung der Indianer unermeßliche Reichtümer aufgehäuft haben. Man hat wirklich beim Lesen solcher Vorwürfe den Eindruck, auch wenn eine Lüge noch so lächerlich ist, sobald sie nur dreist genug vorgetragen wird, findet sie bei all denen leicht Glauben, denen die Lüge nützt. Und die Feinde der Jesuiten waren, wie wir schon gezeigt haben, äußerst dreist und wurden es durch die fortschreitende Gottlosigkeit immer noch mehr. Dennoch kann man feststellen:
„Unparteiische und große Gelehrte hatten schon längst und haben gleichzeitig dem Wirken der Jesuiten in den südamerikanischen Missionen volle Gerechtigkeit widerfahren lassen; sie anerkennen, daß keine Macht etwas Ähnliches hervorzubringen im Stande sei; sie waren voll Bewunderung über die Liebe und Ausdauer der Jesuiten, sowie über die Tugend und Glückseligkeit der Neubekehrten; aber die zum Untergang des Ordens Verschworenen, schamlos und frech wie Lügner aus Neigung, Profession und des Geldes wegen, nahmen davon nicht die geringste Notiz; sie erheuchelten, mit tiefem Ernste an die ausgestreuten Nachrichten zu glauben, und sprachen, wie von einer ausgemachten Sache, von dem nahe bevorstehenden Untergang der Staaten, wenn es den Jesuiten nach ihrem Plan gelänge, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Zu diesem Ende wurden denn auch die anderen Staaten gegen sie zu den Waffen aufgerufen und die Lästerschriften nach allen Richtungen hin, in Spanien, Frankreich, Italien, Deutschland, Brasilien u.s.w. in Übersetzungen verbreitet. Wo es nicht offen geschehen durfte, und wo die Bestechung der Zensurbehörden durch portugiesisches Geld nicht gelang, nahm man, wie es auch zum Teil in unseren Tagen noch geschieht, zu den Winkelpressen seine Zuflucht.
Die spanischen Bischöfe in Amerika widersprachen laut und öffentlich; die weltlichen Beamten und Gouverneurs stellen den Jesuiten die ehrenvollsten Zeugnisse aus; der berühmte Astronom und Reiseschreiber Don Antonio di Ulla, der, nachdem er viele Jahre in Amerika sich aufgehalten, es nach allen Richtungen hin bereist und durchforscht hatte, über zehn Jahre die Würde eines Statthalters von Louisiana bekleidete, ließ dem Wirken und den Einrichtungen der Jesuiten die gerechteste Anerkennung widerfahren; – allein viele vollgültige Stimmen der Wahrheit wurden überhört; Tausende von Unwissenden und eben so viele Böswillige wiederholten das grundlose Geschrei.… und den portugiesischen Missionen in Amerika
Daraufhin ließ Pombal durch seinen Bruder, den Gouverneur von Para und Maranhao, die Jesuiten aus den portugiesischen Missionen Amerikas gewaltsam vertreiben; nicht etwa, weil sie schon ein Jesuitenreich gegründet, sondern ein ähnliches, wie das ihrer spanischen Brüder in Paraguay zu stiften die Absicht gehabt haben sollten. Um dem rechtswidrigen Verfahren nachträglich ein gesetzliches Ansehen zu verschaffen, wurde bei dem Papste Benedikt XIV. auf Visitation und Reform des Ordens angetragen, weil derselbe von seinen frommen und heiligen Satzungen ganz und gar abgefallen sei. Der Kraft des Breve vom 1. April 1758 mit dieser Untersuchung Beauftragte war der Kardinal Saldanha. Nun ist aber zu wissen, daß durch Pombal, wie er selbst in seinem Prozeß eingestanden und durch Quittungen aus dem Archiv nachgewiesen hat, Gelder im Betrag von drei Millionen nach Rom geschickt worden sind, zur Bestechung Jener (und darunter befanden sich auch Kardinäle), die am Werk der Bosheit mittätig waren. Wie viel Saldanha davon für sich eingestrichen, läßt sich nicht genau bestimmen; jedenfalls aber hatte er keine reinen Hände, und mußte deshalb wenigstens einige Schuld an den Jesuiten entdecken. Nach einer für die Wichtigkeit der Sache durchaus unzureichenden zehntätigen Untersuchung verbot er ihnen den Handel (wobei der Provinzial überzeugend nachweisen konnte, daß sie nie Handel getrieben haben) unbedingt, und bewirkte bei einzelnen furchtsamen Bischöfen, daß jene in deren Diözesen die Kanzel und den Beichtstuhl nicht mehr betreten durften. Weiter wagte er nicht zu gehen, obgleich Pombal dadurch, daß er zum Patriarchate von Lissabon ihm verhalf, neue Ansprüche auf seine dankbare Gefügigkeit sich erworben hatte.“
(Ebd. S. 79ff)
Als am 4. September 1758 auf den König Joseph Manuel ein verunglückter Mordversuch begangen wurde, sah Pombal darin eine günstige Gelegenheit, die Jesuiten in diese Sache mit hineinzuziehen und dadurch ihre Vertreibung aus dem Land zu erreichen. Erst drei Monate nach dem angeblichen Mordversuch wurden die Mitglieder der Familien von Aveiro und Tavora inhaftiert und auf grausamste Weise mißhandelt und gefoltert und schließlich hingerichtet, obwohl diese bis zum Schluß ihre Unschuld beteuerten und ihnen nichts nachgewiesen werden konnte. Dieser furchtbare Justizmord wurde 1781, also fast 30 Jahre später wenigstens insofern gesühnt, als nachträglich alle damals wegen Verschwörung Angeklagten und Bestraften für unschuldig erklärt wurden.
In dem Urteil gegen Aveiro wurden auch die Jesuiten als die ersten Urheber des Mordversuches bezeichnet und ebenfalls auf empörendste Weise mißhandelt. Als man bei der Hausdurchsuchung weder Reichtümer noch Waffen fand, griff man zu an den Haaren herbeigezogenen Anklagen gegen diese. „Das überwiesene Verbrechen des einen bestand darin, daß er die Häuser des Herzogs von Aveiro und des Marquis von Tavora öfters besucht hatte; der andere hatte zufällig mit der letzteren Familie auf ein und demselben Schiff die Reise von Indien nach Rom gemacht; der Dritte endlich, der Pater Malagrida, hatte die Mutter des Marquis von Tavora zu den geistlichen Übungen, von denen überhaupt niemand ausgeschlossen wurde, der Teil daran nehmen wollte, zugelassen und einige Zeit vor dem Ereignis mit dem König es versucht, diesen vor einer ihm drohenden Gefahr warnen zu lassen. Den Schrecken, welchen jene ungerechte Verurteilung hervorbrachte, erhöhte Carvalho noch dadurch, daß er von Zeit zu Zeit einige Ordensmitglieder ergreifen und in so sicheren Gewahrsam bringen ließ, daß sie nie wieder zum Vorschein kamen“ (Ebd. S. 89). Im Jahr 1759 endlich gelang es Pombal, dem schwachen König den Brief abzuringen, durch welchen die Jesuiten auf ewige Zeiten aus Portugal verbannt und der Orden in allen portugiesischen Ländern und Provinzen aufgehoben wurde.
Das Los der Jesuiten nach der Aufhebung des Ordens
Hören wir hierzu noch den Bericht von Dr. Riffel, wie es den Jesuiten nach Aufhebung des Ordens in Portugal ergangen ist:
„Die Ausführung dieses Beschlusses ist mit wahrhaft Schauder erregenden Szenen umgeben, durch welche übrigens gleichzeitig die Unschuld der Jesuiten in dem herrlichsten Lichte hervorstrahlt. Dem Minister war es bei der Aufhebung des Ordens vorzugsweise um große Reichtümer gegangen; da nun seine Habgier durch das Vorgefundene nicht befriedigt wurde; da man in den Zimmern der Einzelnen nichts weiter denn ein dürftiges Bett, ein Kreuz, mehrere Bilder, Bücher zum Gebete sowohl als zum Studieren, einen hölzernen Stuhl und einen unansehnlichen Tisch, und in den Vorratskammern nur die notwendigen Lebensmittel und diese selbst in geringer Zahl entdeckte, - ließ Pombal durch seine Schergen die Gräber durchwühlen, in die Kirchen eindringen und mit gottesräuberischen Händen die heiligen Gefäße, die kostbaren Kirchengewänder und die Reliquienkästchen hinwegnehmen. In Porto befahl ein Verwandter des Ministers Pombal, den Tabernakel zu öffnen und den Speisekelch herauszunehmen, den er selbst vor dem Altare auf eine Goldwaage legte, um alsogleich dessen Wert bestimmen zu können. Sogar in Goa wurde das Grabmal des hl. Franz Xaver entweiht und geplündert. Noch während des wider Pombal eingeleiteten Prozesses langten aus Indien neun Kisten unter seiner Adresse an, welche das Silbergerät und die kostbaren Steine enthielten, deren man das Grab des Apostels von Indien beraubt hatte. Das Gerücht von den ungeheuren Reichtümern, welche die Jesuiten zusammengebracht haben sollten, war sonach tatsächlich auf das vollkommenste widerlegt. Wäre der Minister noch eines bessern Gefühls fähig gewesen, dieser Umstand hätte ihn mit Scham erfüllen und von weiterer Verfolgung abhalten müssen; allein im Gegenteil wurde seine Wut dadurch nur gesteigert, und den Schlachtopfern Gelegenheit gegeben, durch ihr heldenmütiges Leiden auch die übrigen Beschuldigungen zu Schanden zu machen. Am glimpflichsten verfuhr man Anfangs mit Jenen, die das vierte Gelübde des Ordens noch nicht abgelegt, in den Stand der Professi nicht eingetreten waren. Es wurde Alles angewendet, um sie zum Abfalle zu bringen. Zu diesem Ende trennte man sie zuerst von den Professen und bot ihnen Entbindungen von ihren Gelübden an. Aber nur sehr wenige ließen sich dadurch verführen; selbst Jünglinge von sechzehn bis achtzehn Jahren erklärten mit männlichem Mute, dass sie ihren Vätern folgen, die Gesellschaft Jesu nicht verlassen, in ihr bis zum Tode verbleiben wollten. Auch die Bitten und Tränen der Eltern und Verwandten, die man nun wider sie in Bewegung setzte, sowie die Aussichten auf Beförderung und endlich Drohungen waren gleich erfolglos; so daß zuletzt nichts anders übrig blieb, als sie unbarmherzig aus dem Lande zu verstoßen. Es dient zum schönsten Beweis der sittlichen Kraft des Ordens, einer Kraft, wie sie nur einer zu den edelsten Zwecken verbundenen Gesellschaft beiwohnen kann, wenn wir einzelne Vorfälle näher erzählen. Im Kollegium zu Coimbria besetzten die Koadjutoren und Scholastici alsogleich wieder die durch die gewaltsame Entfernung der Professen erledigten Stellen, um die Ordnung des Hauses ungestört aufrecht zu erhalten. Alle bereiteten sich zu dem bevorstehenden Kampfe durch gemeinsames Gebet und den Empfang der heiligen Kommunion vor. Auf diese Weise ausgerüstet widerstanden zuerst die Novizen, von denen keiner über sechzehn Jahre zählte, heldenmütig den verführerischen Anerbietungen des an sie abgesandten Senator; die jungen Priester und Professen, denen man einen Taggehalt von zwölf Sous anbot, erwiderten unter Lachen: ‚Dies sei doch ein gar geringer Preis, den man auf ein so ungeheures Verbrechen, wie das der Wortbrüchigkeit gegen Gott, setzte.‘ Darauf hin wurde ihnen befohlen, alle Besuche anzunehmen, die ihnen gemacht würden. So trat der Kampf in sein zweites Stadium. Es strömten die durch den Zorn und die Drohungen Pombal’s erschreckten oder um das Wohl ihrer Kinder, Brüder, Freunde besorgten Eltern, Geschwister und Verwandte herbei, um sie zur Nachgiebigkeit und Unterwerfung unter den Willen des Ministers zu bewegen. Allein aus dem ganzen Kollegium konnte auch nicht ein Einziger zum Abfalle verleitet werden. Da langten Briefe des Ministers und des Kardinals Saldanha (den, wie gezeigt wurde, Pombal bestochen hatte!) an, welche die Widerspenstigen mit Verbannung bedrohten. Dies schreckte sie so wenig, daß Einzelne nur fürchteten, aus Rücksichten auf ihre Gesundheit zurückgelassen zu werden. Fünf, durch langwierige Krankheit erschöpft, hegten besonders diese Besorgnis; aber die Sehnsucht, mit ihren Leidensbrüdern vereint zu bleiben, gab ihnen so übermenschliche Kräfte, daß sie die Ärzte täuschten und von ihnen ein Zeugnis erlangten, daß sie ohne Gefahr transportiert werden könnten. Einhundertfünfundvierzig traten in der Mitternachtsstunde des 24. Oktobers die Reise nach Porto an, wurden daselbst mit den aus den Kollegien von Braga und Braganza, die auch keinen Abtrünnigen zu beweinen hatten, vereint in die untersten Räume eines Schiffes verpackt und zweihundertfünfundzwanzig an Zahl, an den Ufern des Kirchenstaates ausgesetzt. Im Kollegium zu Evora dagegen gelang es, dreiundzwanzig zum Abfalle zu bereden; aber nur deshalb, weil man vier Monate hindurch alle Verführungskünste wider sie angewendet hatte. Die übrigen achtundneunzig blieben standhaft und wurden gleich den andern nach Italien verschifft.
Die Verbannung aus Portugal
Gleich von vornherein schon waren die Professen, d. h. die eigentlichen Jesuiten, welche das vierte Gelübde abgelegt hatten, zur Verbannung verurteilt. Aus allen Häusern des Königreiches trieb man sie an der Mündung des Tajo zusammen (hundertdreiunddreißig an Zahl), von wo sie in das Exil gebracht wurden. Obgleich von Allem, selbst dem Notwendigsten entblößt, dem Ungemach des Wetters, dem Regen, der Sonnenhitze, den Qualen des Hungers und des Durstes ausgesetzt, da man ihnen nur verdorbenes Wasser und Ekel erregende Speisen darreichte, - war doch ihr Los noch das erträglichste. In Civita-Bechia, in Tivoli und andern Landungsplätzen beeilten sich die Einwohner, die Geistlichen, viele Standespersonen, die Kardinäle Colonna und Albani, selbst die Fürsten Colonna und Borghese, den edlen Männern, welche nur als Opfer einer schlechten Staatspolitik und eines dem Christentum feindseligen Ministers gefallen waren, die rührendsten Beweise von Liebe und Hochachtung abzulegen. Auch der Papst, obgleich durch das Geschenk, das Carvalho dem heiligen Petrus gemacht, wie er die gewaltsame Vertreibung höhnisch bezeichnete, in nicht geringe Verlegenheit gesetzt, nahm sie liebevoll auf und sorgte väterlich für den Unterhalt der Vertriebenen, die nach und nach durch die Verbannung der Novizen, Koadjutoren, Scholastici usw. auf dreihundert wuchsen. –
Die Behandlung der „dritten Klasse“
Die Behandlung der dritten Klasse, d. h. der in den Gefängnissen von Portugal Zurückgehaltenen (und diese Strafe wurde über die Obern und die vornehmsten Glieder der Gesellschaft ausgesprochen) überstieg allen Begriff. Ganz hilflos, selbst ihres Breviers und des Kruzifixes beraubt, wurden zuerst hundert (nach und nach wuchs ihre Zahl bis auf zweihunderteinundzwanzig), darunter die Meisten, welche den Wilden das Evangelium verkündet hatten, ohne Anklage, ohne Untersuchung, ohne Prozeß in die schauerlichsten Kerker geworfen. Ein Teil derselben unterlag dem Elende, dem Hunger, der Entblößung und andern Folgen einer unmenschlichen Behandlung; andere hatten einen schnelleren Tod durch Henkershand; wiederum andere stärkte Gott wunderbar für jahrelange schmerzliche Leiden; sie schmachteten, mit so vielen andern Opfern des tödlichen Hasses Pombal’s, bis zum Tode des Königs, d. h. bis zum Jahre 1777 in den Gefängnissen. Am besten vernehmen wir die ergreifenden Schilderungen dessen, was sie darin zu erdulden hatten, aus der Feder eines dieser Helden. ‚Unsere Gefängnisse‘, so schreibt er in einem Briefe vom Jahre 1766, ‚sind eine Art tiefer Cassematten, dunkel und mit unreinem Dunst erfüllt. Die Luft dringt dahin nur kärglich durch einige drei Zoll weite Luftlöcher. Unsere Nahrung ist ekelhaft und wenig; dazu gibt man täglich ein Pfund Brot; als Getränk erhalten wir Wasser, das schon faul und voller Insekten ist. In unseren Kerkern herrscht ein unerträglicher Geruch, welcher durch den Mangel an frischer Luft, so wie durch das Meerwasser, das über die Wände herunterläuft, verursacht wird. Alles verdirbt hier sehr leicht, und das Wenige, was man uns zur Bedeckung gibt, verfault in kurzer Zeit. Eben dies ließ jüngst den Kommandanten, der unsere Gefängnisse besuchte, den Ausruf tun: ‚Sonderbar! Alles verdirbt, Alles verfault, nur die Gefangenen nicht!‘ Der Arzt auf der Festung, wo wir eingeschlossen sind, begreift nicht, wie wir unter solchen Qualen leben und aushalten können. Das größte Übel von allen und das empfindlichste für uns ist die Entbehrung der Sakramente; nur in Todesgefahr werden diese gespendet, und auch dann noch muß der Arzt eidlich bezeugen, daß die Krankheit höchst gefährlich sei. Da er, so wie der Priester, außerhalb der Festung wohnt, so sind wir die Nacht hindurch jeder Hilfe für Leib und Seele beraubt. Aber eine wirklich göttliche tritt da ergänzend ein. In der Tat sah man mehrere wieder gesund werden, nachdem sie sich in Gelübden an den Herrn gewendet hatten. Einer unter ihnen, im Begriffe zu sterben, nahm von dem wunderbar durch den heiligen Ludwig von Gonzaga vermehrten Mehl und ward auf der Stelle gesund. Ein anderer, an den Pforten der Ewigkeit, erhielt plötzlich seine Gesundheit wieder, sobald er das heilige Abendmahl empfangen hatte. Dieses Wunder wiederholt sich so oft, daß der Arzt, wenn man ihn zu einem Kranken ruft, zu sagen pflegt: Ich kenne das Mittel, dessen es bedarf, um ihm das Leben zu geben; man reiche ihm die letzte Wegzehrung. Im Hinblick auf diese Wunder und gestärkt durch die Gnade des Herrn freuen wir uns mit jenen, die im Begriffe sind, aus dieser Welt zu scheiden, und beneiden sie um ihr Los; nicht so fast, weil sie an den Grenzen ihrer Leiden stehen, als vielmehr, weil sie jetzt die ihrem Siege gebührende Krone erlangen sollen. Glauben sie es? Die meisten unter uns bitten Gott, hier ihre Tage enden zu können. Wir leiden immer und genießen doch beständige Freude; alles mangelt uns, und nichts trübt die Heiterkeit unserer Seele. Unsere Väter von Macao, deren mehrere schon unter den Ungläubigen Gefängnis, Geißeln und andere Martern erduldet, wurden aus ihren Missionen entboten und sind Gefährten unserer Ketten geworden. Es scheint, Gott werde mehr verherrlicht in den Qualen, die sie unverdienter Weise in diesem Kerker erdulden, als durch das Opfer ihres Lebens, das sie in den Ländern der Ungläubigen gebracht hätten.‘ – In der Tat, eine schönere Rechtfertigung der Jesuiten, als dieser Brief enthält, ist undenkbar; und wer gegenüber dieser himmlischen Geduld, diesem Seelenfrieden, dieser mehr als menschlichen Ergebung den Anklagen ihrer Feinde noch irgend ein Gewicht beilegen kann, dessen Stumpfsinn und Gefühllosigkeit gegen das wahrhaft Große und Edle hat wohl den höchsten Grad erreicht. Daß aber der Bekenner seine und seiner Genossen Leiden nicht übertrieben, dafür spricht der Umstand, daß von den Eingekerkerten nicht weniger als achtundachtzig vor Elend umkamen. Auf dringendes Bitten der Kronerbin von Portugal und der deutschen Kaiserin Maria Theresia wurden mehrere der Gefangenen entlassen und aus dem Reiche verbannt; die übrigen schmachteten im Kerker bis zur Thronbesteigung der Prinzessin Maria von Brasilien, d. h. bis zum Jahre 1777. Aus den geöffneten Gefängnissen traten bei achthundert Jammergestalten hervor – der Überrest von 9640 unschuldigen Opfern, die Pombal größtenteils ohne förmlichen Prozeß, allein aus Haß, Eifersucht und Grausamkeit in den Gefängnissen begraben hatte. Wie die andern, so erschienen auch die Jesuiten halb nackt, mit dem verfaulten Stroh umgeben, das ihnen als Lager gedient, mit bleich fahlem Gesichte, eingefallenen Wangen, aufgeblähtem Körper, größtenteils so schwach, daß sie sich nicht auf den Beinen halten konnten. Einige hatten durch die Finsternis, in der sie so lange Zeit begraben lagen, das Augenlicht, andere die Sprache verloren; wieder andern waren durch die Feuchtigkeit die Füße abgefault, oder von Ratten und Ungeziefer angefressen.“
(Ebd. S. 90ff)
Das sind also die Taten der Aufklärer des 18. Jahrhunderts, das sind die neuen Menschenfreunde, die jahrzehntelang aus Haß unschuldige Menschen quälen lassen – um der Humanität zum Sieg zu verhelfen! Das sind die dunklen Kerker des Jahrhunderts des Lichts, in dem man mit Vorliebe vom dunklen Mittelalter schwafelt. Der freimaurerischen Geschichtsfälschung gelang es jedoch, das politische und ideologische Ansehen dieses aufgeklärten Tyrannen völlig zu verändern. Die Brüder Freimaurer machten aus ihrem Bruder Freimaurer kurzerhand einen Baumeister für das moderne demokratische Portugal. In dieser Umschreibung der Geschichte wurden Pombals Massaker natürlich ganz einfach dem Vergessen anheimgegeben.