Erleben wir es nicht jeden Tag? Wenn man nicht wachsam ist und sich im Alltag vor den vielen Gefahren in acht nimmt, entwöhnt man sich schnell des übernatürlichen Denkens und Urteilens. Da man der Welt der Gnade gewöhnlich nicht begegnet, ist sie doch unsichtbar, nistet man sich in der Welt der Natur ein. Dann ist aber auch der Schritt zu einem glaubenslosen, gottfernen Alltag nicht mehr weit.
Wie wichtig ist allein deswegen schon der Sonntag, dieser eine Tag in der Woche, an dem man sich wieder an die Welt Gottes und der Gnade ausdrücklich erinnert und sich wieder genügend Zeit nimmt (oder auch nehmen muß, weil uns die hl. Kirche verpflichtet, wenigstens einmal in der Woche am hl. Meßopfer teilzunehmen, was das absolute Minimum ist, um zu überleben), um in dieser Welt wieder heimisch zu werden. So ist es wenigstens zu wünschen, denn die Feier des hl. Meßopfers stellt uns ganz einfach mitten hinein in das „mysterium fidei“, das Geheimnis des Glaubens. Wer es nur will, dem wird es bei jedem hl. Meßopfer als Erfahrungstatsache erlebbar, was der hl. Petrus in seinem ersten Brief zu bedenken gibt: „Ihr wisset, daß ihr nicht mit vergänglichen Gütern, mit Silber und Gold, von eurem törichten, von den Ahnen überkommenen Wandel losgekauft wurdet, sondern durch das ,kostbare Blut‘ Christi, dieses makellosen und unbefleckten Lammes“ (1 Petr. 1, 18).
Wenn wir nicht geistig-geistlich so abgestumpft wären, würde uns jedesmal bei diesen Worten der Atem stocken vor Verwunderung und Staunen, denn ist das wirklich möglich, das kostbare Blut Christi ist tatsächlich der Kaufpreis für unsere Seelen? Ist es möglich, daß wir dem Sohn Gottes so viel wert sind? Ja, das ist deswegen möglich, weil Seine Erlöserliebe über alles menschliche Begreifen hinausgeht, wie der hl. Johannes in seinem ersten Brief schreibt: „Darin zeigt sich die Liebe, nicht daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Versöhnung für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4, 10).
Wir vergessen es so leicht, die Liebe des Menschen hatte versagt, mit der Sünde Adams und Evas ist der Mensch zum Feind Gottes geworden und zum Sklaven Satans. Nur dadurch, „daß er uns geliebt und seinen Sohn als Versöhnung für unsere Sünden gesandt hat“, konnte aus der ausweglosen Situation doch noch ein Ausweg gefunden werden. Wie wunderbar ist diese zuvorkommende Liebe Gottes. Allein aufgrund dieser zuvorkommenden Liebe kann der hl. Paulus die Thessalonicher mit den Worten ermuntern: „Er aber, unser Herr Jesus Christus, und Gott, unser Vater, der uns geliebt und uns in seiner Gnade immerwährenden Trost und gute Hoffnung verliehen hat, tröste eure Herzen und stärke sie zu jedem guten Wort und Werk“ (2 Thess 2, 16f).
Liebe ohne Opfer?
Man kann sicherlich sagen: An sich glaubt jeder gerne an die Liebe Gottes. Aber wenigen gelingt es noch, den Ernst dieser Liebe einzusehen und entsprechend ernst zu nehmen. Gerade der moderne Mensch hat in den letzten Jahrhunderten eine ganz falsche Vorstellung von dieser Liebe erdacht. Der Grund dafür ist wohl vor allem die Liebe des Menschen zur Sünde. Ein Mensch, der die Sünde nicht mehr lassen will, muß notwendigerweise das Wesen der Liebe Gottes verfälschen.
Ein Massenverführer hierin war Martin Luther, der den Leuten eingeredet hat, Gott würde die Sünden verzeihen, ohne sie aus der Seele auszulöschen, ohne die Seele wieder durch die heiligmachende Gnade zu heiligen. Die Folge davon – oder womöglich sogar psychologisch früher die Ursache – war sein Haß gegen das Opfer, fordert doch der Kampf gegen die Sünde ein lebenslanges, opfervolles Bemühen, und somit natürlich auch gegen das hl. Meßopfer. Luther möchte, genauso wie der moderne Mensch, gerettet werden, ohne von der Sünde (genauer gesagt, der schweren Sünde) lassen zu müssen. Das ist aber unmöglich und eine der gefährlichsten Selbsttäuschungen des Menschen! Wie aktuell dies ist, zeigt uns die derzeitige Diskussion in der Menschenmachwerkskirche über die Zulassung der Geschiedenen-Wiederverheirateten zur hl. Kommunion. Diese Diskussion belegt den Endzustand einer „Kirche“ mit modernistischem Menschenmachwerksglauben, einer Menschenmachwerkskirche ohne Opfer, ohne den blutigen Ernst der Erlösung.
Der Heilig-Blut-Gottesdienst Jesu am Kreuze
Wie anders ist dagegen die Wirklichkeit: „Die wichtigste Stunde der Weltgeschichte ist die Todesstunde Jesu. Von dieser Stunde hängt das Heil der Welt ab für Jahrtausende. Was machte Christus am Kreuze? Er hielt von 12 Uhr bis 3 Uhr Gottesdienst. Gottesdienst als Vertreter des gesamten Menschengeschlechtes. Gottesdienst der Anbetung und der Hingabe bis zum letzten Tropfen Blut. Bis zur letzten Faser Seiner Natur, bis zum letzten Atemzug. Anerkennung der allerhöchsten Herrschaftsrechte und Eigentumsrechte Gottes. Gottesdienst der Sühne und Genugtuung für alle Sünden der Welt. Er trug unsere Krankheiten. Er lud auf sich unsere Schmerzen. Er wurde verwundet um unserer Missetaten willen (Is. 53). Gottesdienst des Flehens und Aufschreiens um Erbarmung. Dieser dreistündige Heilig-Blut-Gottesdienst des gekreuzigten Opferpriesters Christus machte im Himmel einen solchen Eindruck, daß Gott beschloß, um dieses Opfers willen den Menschen ihre Sünden wieder zu vergeben und sie zur ewigen Seligkeit zuzulassen. Die Menschheit war erlöst.“
Das sind die ergreifenden Worte von Robert Mäder zur Verehrung des kostbarsten Blutes Jesu Christi. Wir Katholiken feiern einen Heilig-Blut-Gottesdienst – in jedem hl. Meßopfer feiern wir einen Heilig-Blut-Gottesdienst. Und jedes hl. Meßopfer, gefeiert mit dem Kelch Seines Blutes, dem Blut des neuen und ewigen Bundes, beschließt „Gott, um dieses Opfers willen den Menschen ihre Sünden wieder zu vergeben und sie zur ewigen Seligkeit zuzulassen“. Sind wir doch ehrlich, es fällt uns so schwer, dieses Geheimnis recht zu begreifen, zu fassen, daß unsere Erlösung ein überaus grausames, blutiges Leiden unseres Herrn war. Wie leichtfertig gehen wir deswegen mit den Gnaden um und viel zu wenig bemühen wir uns, die Sünden zu meiden, welche die Ursache dieses Leidens sind.
Eine Blutsbruderschaft
Viele wissen wohl von Karl May, was eine Blutsbruderschaft ist. In seinem Buch Winnetou I beschreibt er, wie Winnetou und Old Shatterhand Blutsbruderschaft schließen. Da heißt es:
Also eine Blutsbruderschaft, eine richtige, wirkliche Blutsbruderschaft, von der ich so oft gelesen hatte! Sie kommt bei vielen wilden oder halbwilden Völkerschaften vor und wird dadurch geschlossen, daß die beiden Betreffenden entweder Blut von sich mischen und dann trinken oder daß das Blut des Einen von dem Andern und so auch umgekehrt getrunken wird. Die Folge davon ist, daß diese Beiden dann fester, inniger und uneigennütziger zusammenhalten, als wenn sie von Geburt Brüder wären.
Hier war es so, daß ich Winnetous Blut und er das meinige trinken sollte. Wir stellten uns zu beiden Seiten des Sarges auf, und Intschu tschuna entblößte den Vorderarm seines Sohnes, um ihn mit dem Messer zu ritzen. Es quollen aus dem kleinen, unbedeutenden Schnitte einige Blutstropfen, welche der Häuptling in die eine Wasserschale fallen ließ. Dann nahm er mit mir dieselbe Prozedur vor, bei welcher einige Tropfen in die andere Schale fielen. Winnetou bekam die Schale mit meinem Blute und ich die mit dem seinigen in die Hand; dann sagte Intschu tschuna:
»Die Seele lebt im Blute. Die Seelen dieser beiden jungen Krieger mögen ineinander übergehen, daß sie eine einzige Seele bilden. Was Old Shatterhand dann denkt, das sei auch Winnetous Gedanke, und was Winnetou will, das sei auch der Wille Old Shatterhands. Trinkt!«
Ich leerte meine Schale und Winnetou die seinige. Es war Rio Pecos-Wasser mit einigen Blutstropfen, die man nicht schmeckte. Darauf reichte der Häuptling mir die Hand und sagte:
»Du bist nun grad wie Winnetou, der Sohn meines Leibes und ein Krieger unseres Volkes. Der Ruf deiner Taten wird schnell und überall bekannt werden, und kein anderer Krieger wird dich übertreffen. Du trittst als Häuptling der Apachen ein, und alle Stämme unseres Volkes werden dich als solchen ehren!«
Im Film wird es übrigens anders dargestellt, da werden die Arme geritzt und sodann die Wunden aneinandergepresst.
Das Geheimnis des Blutes
Wird in diesem von Karl May beschriebenen Zeremoniell des Schließens einer Blutsbruderschaft nicht etwas ganz Grundlegendes geahnt, bzw. ist in dieses nicht ein uraltes Wissen um das Geheimnis des Blutes eingeflossen? Ohne dieses Wissen können wir letztlich die Erlösungstat gar nicht recht begreifen, denn es ist wahr: „Die Seele lebt im Blute.“
Denken wir konkret überhaupt einmal daran, der Priester trinkt bei jeder hl. Messe das kostbarste Blut Jesu Christi und auch die Gläubigen empfangen in jeder hl. Kommunion mit dem Leib Christi zusammen immer auch das kostbare Blut Christi. Das Blut, durch das wir erkauft sind, in dem wir erlöst sind, wir trinken es – so als ob wir Blutsbruderschaft schließen würden mit unserem Herrn! Aber ist es nicht wirklich so? Unser göttlicher Herr sagt ganz klar und unmißverständlich im Abendmahlssaal: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blute, der für euch vergossen wird” (Lk. 22, 20). Das kostbare Blut Jesu Christi ist das Zeichen der Erlösung, offenbart es doch die Wirklichkeit gewordene Erlösung, indem es das Sühneleiden und makellose Opfer des ewigen Hohenpriester darstellt.
In der Seele des Erlösten aber wird durch die wiedergeschenkte heiligmachende Gnade die neu geschenkte Blutsbruderschaft Wirklichkeit, nimmt doch die Seele als im Wasser und Geist wiedergeborenes Kind Gottes teil am göttlichen Leben – denn: „Durch sie sind uns die wertvollen und überaus großen Verheißungen geschenkt worden, damit ihr durch diese der göttlichen Natur teilhaftig werdet und dem in der Welt durch die Begierde herrschenden Verderben entflieht“ (2 Petr 1, 4). Es ist somit in Winnetou I von Karl May eine ganz tiefe Realsymbolik benannt, wenn es heißt: „Die Seele lebt im Blute. Die Seelen dieser beiden jungen Krieger mögen ineinander übergehen, daß sie eine einzige Seele bilden.“
Im Reich der Gnade ist die hl. Kommunion die sakramentale Verwirklichung dieser gnadenhaften Blutsbruderschaft. Bei der Opferung betet der Priester zum Fest des kostbarsten Blutes: „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Teilnahme am Blute Christi? Und das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Teilnahme am Leibe des Herrn?“ Unser göttlicher Herr sagt während der Abschiedsreden zu seinen Aposteln das geheimnisvolle Wort: „An jenem Tag (wenn Er auferstanden sein wird und sie Ihn wiedersehen) werdet ihr erkennen, daß ich in meinem Vater bin und daß ihr in mir seid und ich in euch.“
Unser hl. Glaube läßt uns erkennen, daß wir durch die heiligmachende Gnade eingebunden werden in das geheimnisvolle Ineinander der drei göttlichen Personen. So wie die drei göttlichen Personen wesenhaft eins und darum nur ein Gott sind, dementsprechend sollen auch wir mit Gott eins werden durch eine gnadenhafte Blutsbruderschaft aufgrund des kostbarsten Blutes Jesu Christi. Die notwendige Folge dieser Blutsbruderschaft ist aber die vollkommene Einheit des Denkens und Wollens: „Was Old Shatterhand dann denkt, das sei auch Winnetous Gedanke, und was Winnetou will, das sei auch der Wille Old Shatterhands.“
Auch das hat Karl May ganz richtig erahnt – dasselbe gilt nämlich ebenfalls im Reich der Gnade! Durch den Empfang der hl. Opferfrucht aus dem Heilig-Blut-Gottesdienst des hl. Meßopfers verwirklicht sich diese Einheit unserer Seele mit der Seele unseres göttlichen Erlösers in einer ganz und gar geheimnisvollen Weise. Wir können darum den Wert einer einzigen hl. Kommunion in keiner Weise abschätzen, tauchen wir doch damit gleichsam in ein Meer von Gnaden ein, weil doch Er in Fleisch und Blut, mit Gottheit und Menschheit zu uns kommt. Der hl. Paulus läßt in seinem Brief an die Hebräer keinen Zweifel daran, daß wir nur aufgrund des Blutes Christi erneuten Zugang zur göttlichen Herrlichkeit erlangen: „Da wir also, Brüder, die Zuversicht haben, durch das Blut Jesu in das Allerheiligste einzutreten, - diesen neuen, lebendigen Weg durch den Vorhang, das ist durch sein Fleisch, hat er uns eröffnet -, und da wir einen Hohenpriester über das Haus Gottes haben, laßt uns mit aufrichtigem Herzen voll Glaubenszuversicht hinzutreten, die Herzen gereinigt vom bösen Gewissen, und den Leib gewaschen mit reinem Wasser“ (Hebr. 10, 19-22).
Das Opfer Christi und die Zeremonien des Alten Bundes
In der Lesung des Festes des kostbarsten Blutes unseres Herrn Jesus Christus aus dem Hebräerbrief erklärt der hl. Paulus zudem den geheimnisvollen Zusammenhang des Opfers Christi zu den Zeremonien des Alten Bundes: „Christus erschien als Hoherpriester der künftigen Güter. Er ging durch das erhabenere und vollkommenere Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht, das heißt, nicht von dieser Welt ist, auch nicht mit dem Blut von Böcken und Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut ein für allemal in das Allerheiligste, nachdem er ewige Erlösung bewirkt hatte. Denn wenn schon das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer Kuh bei der Besprengung die Unreinen heiligt, daß sie leiblich rein werden, um wieviel mehr wird dann das Blut Christi, der sich kraft des ewigen Geistes selbst als makelloses Opfer Gott dargebracht hat, unser Gewissen von toten Werken reinigen, auf daß wir dem lebendigen Gott dienen!“
Das ist somit die geoffenbarte göttliche Wahrheit: Nur derjenige, der auch gereinigt und geheiligt ist im Blute Jesu Christi, wird mit Ihm zusammen Einlaß finden ins Allerheiligste. Der hl. Caspar del Bufalo bemerkt: „Die Anbetung, o Gläubige, des unschätzbaren Preises unserer Erlösung ist der allerzärtlichste Gegenstand, dem wir uns zuwenden können! Von diesem gehen für uns die Schätze der Weisheit und der Heiligkeit aus; von diesem die Befreiung von den Höllenstrafen, wenn wir es aus Liebe zu Jesus tun, und die Möglichkeit, in der Kraft des Göttlichen Blutes die heilige Ehre des Himmels in Besitz zu nehmen! Empti enim estis pretio magno: glorificate, portate Deum in corpore vestro. – Ihr seid nämlich um einen teuren Preis erkauft; verherrlicht und tragt also Gott in eurem Leib! (1 Kor. 6, 20).“
Der Lobpreis und die Aufopferung des hochheiligen Blutes Jesu
Dieses kostbarste göttliche Gut ist uns also anvertraut, aber was ist uns dieses göttliche Geschenk wert? Verschwenden wir im alltäglichen Getriebe nicht viel zu sehr die himmlischen Schätze durch unsere Gleichgültigkeit und Lauheit? Wir sollten uns viel mehr bemühen, ständig vor Augen zu haben, was der hl. Caspar del Bufalo lehrt: „Von diesem gehen für uns die Schätze der Weisheit und der Heiligkeit aus; von diesem die Befreiung von den Höllenstrafen, wenn wir es aus Liebe zu Jesus tun, und die Möglichkeit, in der Kraft des Göttlichen Blutes die heilige Ehre des Himmels in Besitz zu nehmen!“
Wenn die heilige Katharina von Siena vor Könige, Bischöfe, Kardinäle und selbst Päpste trat, was war dann ihr erstes und größtes Anliegen? Sie rief sie zum Lobpreis und zur Aufopferung des hochheiligen Blutes auf: „Wenn wir Jesu Blut verehren, werden wir eingeschrieben in das Buch des Lebens und der Gesellschaft der bösen Geister entrissen. Keine Angst und kein teuflischer und menschlicher Kampf wird uns schaden können. — Wundert Euch nicht, wenn ich Euch um nichts anderes bitte, als daß ihr euch in das Blut und in das Feuer der Seite des Gottessohnes versenkt. Das Blut beginnt zu fließen und Leben zu empfangen.“
Spüren wir eigentlich in unserer Seele, wie das kostbarste Blut unseres Erlösers zu fließen beginnt, wie Sein göttliches Leben sich in uns entfalten möchte? Beim Schlußgebet des Festes vom kostbarsten Blut bittet die hl. Kirche: „Herr, zum heiligen Tische zugelassen, schöpften wir freudig Wasser aus den Quellen des Heilands; nun bitten wir: Sein Blut werde uns zum Quell, der fortströmt ins ewige Leben,...“ Ahnen wir bei diesen Worten etwas vom Gnadenreichtum in unserer Seele? Ahnen wir, was für ein wunderbares Leben sich in uns verbirgt, insofern wir von der göttlichen Gnade verwandelt werden? Man möchte fast noch konkreter sagen, spüren wir es in uns: „Das Blut beginnt zu fließen und Leben zu empfangen“ – göttliches Leben zu empfangen und fortzuströmen in alle Ewigkeit!
Die Gnadenfülle der Erlösung im kostbarsten Blut
Die hl. Magdalena von Pazzis ist vollkommen davon überzeugt: „Jedesmal, wenn ein Mensch dieses Blut, durch das er erkauft worden ist, aufopfert, bringt er eine Gabe von unendlichem Wert dar.“ Die Gnadenfülle der Erlösung im kostbarsten Blut wird zu einer Fürbittmacht ohne gleichen, wenn wir nur dieses kostbarste Blut dem himmlischen Vater aufopfern. Vereinen wir doch all unsere Sorgen, Nöte und Anliegen mit dem kostbarsten Blute Jesu Christi und bringen wir sie so Gott dar. Flehen wir zum himmlischen Vater: Um das kostbarste Blut Deines Sohnes, erhöre und rette uns!
Auch der heilige Pfarrer Johannes Vianney pries die Kraft des Blutes Christi: „Jedesmal, wenn ich eine Gnade erhielt, habe ich sie erhalten, indem ich das Kostbare Blut durch die allerseligste Jungfrau dem Vater aufopferte.“ Das ist womöglich noch ein wenig besser, noch inniger, noch vertrauenserweckender: „indem ich das Kostbare Blut durch die allerseligste Jungfrau dem Vater aufopferte“. Bitten wir die Mutter der Schmerzen, daß sie „das Blut Christi, der sich kraft des ewigen Geistes selbst als makelloses Opfer Gott dargebracht hat“, für uns und unsere Anliegen dem himmlischen Vater darbiete. Dient doch dieses Opfer allein Gott zum lieblichen Wohlgeruch. In der Geheimen Offenbarung sieht der Apostel Johannes „eine große Schar, die niemand zu zählen vermochte, aus allen Völkern, Stämmen, Geschlechtern und Sprachen. Sie stehen vor dem Thron und vor dem Lamm, angetan mit weißen Gewändern und mit Palmzweigen in ihren Händen“ (Offb. 7,9).
„Da fragte mich einer von den Ältesten: ‚Wer sind die mit den weißen Kleidern Bekleidete und woher sind sie gekommen?‘ Ich erwiderte ihm: ‚Mein Herr, du weißt es.‘ Und er sagte zu mir: ‚Das sind die, welche aus der großen Drangsal gekommen sind. Sie haben ihre Gewänder weiß gewaschen im Blut des Lammes. Darum stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel, und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen‘“ (Offb. 7, 13-15). Nur deswegen, weil sie „weiß gewaschen im Blut des Lammes sind, stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel, und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen wohnen“. Es ist uns sicherlich in den täglichen religiösen Übungen viel zu wenig gegenwärtig, alle Gnaden, um die wir flehen und die wir erhalten sind begründet und eingeschlossen im kostbaren Blut Jesu Christi. Je mehr wir uns und all unsere Nöte und Anliegen zusammen und vereint mit diesem Blut dem himmlischen Vater aufopfern, desto wertvoller ist unsere Bitte in dessen Augen.
Der heilige Gral
Der unschätzbare Wert des göttlichen Blutes und dessen geheimnisvolle Erlösungsmacht kommt in einer besonderen Weise zum Ausdruck in den vielen Legenden vom hl. Gral, dem Abendmahlskelch, mit dem der ewige Hohepriester am Abend vor Seinem bitteren Leiden Sein heiliges Meßopfer gefeiert hat. Unzählige Geschichten ranken sich um den hl. Gral.
Gemäß Chretien de Troyes und Wolfram von Eschenbach gilt der Gral als ein heiliges Gefäß, als Kelch, auf den die heilige Eucharistie einmal im Jahr, und zwar am Karfreitag, gelegt wurde, um von dem gelähmten, kranken König Anfortas empfangen zu werden. Offenbar war er aber nicht irgendein Messkelch, wurden ihm doch mystische Kräfte zugeschrieben. Nach Wolfram von Eschenbach war er der „Inbegriff paradiesischer Vollkommenheit, Anfang und Ende allen menschlichen Strebens: Dieser Gegenstand wurde der Gral genannt. Er übertraf alles, was man sich auf Erden wünschen könnte.“ Gefertigt war der Kelch aus einem „Stein von makelloser Reinheit ... den einst eine Gruppe von Engeln auf der Erde zurückgelassen hat“. Darum heißt das Gefäß auch „Lapsit exillis“ und eine wunderbare Inschrift erscheint auf seiner Oberfläche. Eine Gruppe edler Ritter mit dem Namen „Templeisen“ bewacht das Heiligtum. Robert de Boron, ebenfalls ein Dichter des 12. Jahrhunderts, sieht im Gral die Reliquie des Kelches, den Jesus Christus beim letzten Abendmahl verwendet hat.
Alle Gralserzählungen bringen irgendwie immer eines zum Ausdruck: Dieser Kelch hat dadurch, daß er das kostbare Blut Jesu in sich geborgen hat, einen unschätzbaren, mystischen Wert erhalten, weshalb er auch ein ganz und gar außerordentliches Heiligtum ist. Der heilige Gral soll Wunder- und Heilkräfte besitzen, sowie Macht, Reichtum Wissen und das ewige Leben demjenigen schenken, der reinen Herzens ist, sowie den Mut und die Kraft besitzt, den Gral zu finden. Eine der bekanntesten Gestalten dieser Sagen ist sicherlich Parzival.
Josef von Arimathäa und der heilige Meßkelch
Bezüglich der Herkunft des hl. Grals gibt es verschiedene Legenden. Eine Erzähltradition greift auf Josef von Arimathäa zurück. Dieser war bei der Kreuzigung gegenwärtig und hatte von Pilatus den Leichnam Jesu erbeten. Als ein römischer Soldat mit seiner Lanze Christus in die Seite stach und sogleich Blut und Wasser aus der Wunde floß, hielt Josef von Arimathäa eine Schale unter die Wunde, um das Blut Jesu aufzufangen. Dieselbe Schale soll Jesus Christus auch im Abendmahlsaal bei Seinem hl. Meßopfer benutzt haben.
Aus dem 5.Jh. gibt es in apokryphen Schriften Erzählungen, nach denen, nachdem der Leichnam Jesu nach Seiner Auferstehung aus dem Grab verschwunden war, Josef verhaftet und wegen Leichenraubs zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Während seiner Inhaftierung erschien ihm Jesus und übergab ihm den Abendmahlskelch. Auch bestimmte Er ihn als Hüter dieses Kelches. Daraufhin erschien jeden Tag eine Taube, die in den Kelch ein Stück Brot legte, wodurch er den Kerker überlebt hat. Bei der Zerstörung Jerusalems durch Kaiser Titus wurde sodann Josef anders als die jüdische Bevölkerung gerettet: Titus fiel bei der Eroberung eine dicke Mauer auf, ließ sie aufbrechen und sah einen alten Mann in weißem Haar, der sagte: „Ich bin Josef von Arimathaia, die Juden haben mich eingemauert, aber ich wurde bis zu dieser Stunde mit himmlischer Speise ernährt und im göttlichen Licht getröstet.“
Eine weitere Legende erzählt noch, daß der reiche Ratsherr Nikodemus diese kristallene Schale in seinem Gemach auf das Kapital einer weißen Marmorsäule stellte, und am Morgen nach dem Sabbat, welcher der Kreuzigung gefolgt war, sah er mit bebender Ehrfurcht, wie das Kostbare Blut Jesu purpurn in der Schale aufglühte und die ganze Umgebung wundersam erleuchtete.
All diese Gralslegenden haben als wahren Kern eine Wahrheit: Sie verweisen auf den allerkostbarsten Schatz, nämlich das kostbare Blut Jesu Christi. Durch dieses wurde der Gral geheiligt und zum Wunderkelch. Weil er verborgen unter des Gestalt des Weines das kostbarste Blut Jesu Christi und damit den Heiland der Welt in sich getragen hat, ist er ein Symbol für die überfließende Gnadenfülle der Erlösung, er ist „Inbegriff paradiesischer Vollkommenheit, Anfang und Ende allen menschlichen Strebens: Dieser Gegenstand wurde der Gral genannt. Er übertraf alles, was man sich auf Erden wünschen könnte.“
Blut um Blut
Wie wir nun ausführlich betrachtet haben, ist das kostbare Blut Jesu Christi der Kaufpreis und übernatürliche Gnadengabe an uns Menschen in der hl. Kommunion. Aus der Kraft des kostbaren Blutes unseres Herrn haben die christlichen Märtyrer aller Jahrhunderte ihr eigenes Blut und Leben hingegeben zum Zeugnis für ihren Glauben.
Um das Jahr 198 schreibt Tertullian eine Verteidigungsschrift des christlichen Glaubens, das „Apologeticum“. Darin gibt er den Heiden zu bedenken: „Aber fahrt nur so fort, treffliche Präsidenten, die ihr beim Pöbel viel beliebter werdet, wenn ihr ihm Christen opfert; quält, martert, verurteilt uns, reibt uns auf; eure Ungerechtigkeit ist der Beweis unserer Unschuld! Deswegen duldet Gott, daß wir solches dulden. Denn noch neulich, als ihr eine Christin zum Hurenhaus anstatt zur Löwengrube verurteiltet, habt ihr das Geständnis abgelegt, daß bei uns eine Verletzung der Schamhaftigkeit für schlimmer gelte als jede Strafe, als jede Todesart. Und doch, die ausgesuchteste Grausamkeit von eurer Seite nützt nichts; sie ist eher ein Verbreitungsmittel unserer Genossenschaft. Wir werden jedesmal zahlreicher, so oft wir von euch niedergemäht werden; ein Same ist das Blut der Christen“ (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 24, Kempten & München 1915, Tertullian, Apologetische, Dogmatische und Montanistische Schriften. Übersetzt von Heinrich Kellner. Apologeticum, Kapitel 50).
Auch heute leben wir wieder in einer Zeit der Christenverfolgung, wo doch weltweit 100 Millionen Christen um ihres Glaubens willen verfolgt werden. Vor allem in den muslimischen Ländern wird es für die Christen immer schwieriger zu überleben. Aber auch in China oder Japan, wo Christen in der Verfolgung und Verborgenheit z. T. jahrhundertelang überlebt haben, müssen sich diese in Untergrundkirchen organisieren. Die weltweite Situation der Christen erinnert immer mehr an die Zeit der Verfolgung im römischen Weltreich während der ersten drei Jahrhunderte. Scharenweise sind die Christen zum Tode verurteilt und unter grausamsten Foltern hingerichtet worden. Sie gaben alle Zeugnis für den Sohn Gottes Jesus Christus mit ihrem Blut. Sie haben die mit Jesus Christus geschossene Blutsbruderschaft ernstgenommen: Leben für Leben, Blut für Blut. Das war ihr Einsatz, um das ewige Leben zu gewinnen.
Das Martyrium der Apostelfürsten Petrus und Paulus
Es sei nur kurz ein Beispiel dafür angeführt, das Martyrium der heiligen Apostel Petrus und Paulus. Unter Kaiser Nero wurde der hl. Petrus zusammen mit dem hl. Paulus ergriffen und im Mamertinischen Kerker gefangen gehalten. Ins Verlies geworfen, soll der hl. Petrus mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen und eine heute noch sichtbare Delle hinterlassen haben. Der harte Stein war weicher als die Menschenherzen. Die heiligen Apostel blieben auch im Kerker nicht tatenlos. Durch ihr Beispiel und ihre Worte bekehrten sich im finsteren Tullianum zwei Wärter und 47 Mitgefangene zum Glauben an Jesus Christus, das wahre Licht der Welt. Weil im Kerker kein Wasser war, entsprang wundersam eine Quelle, um den Neubekehrten das Sakrament der hl. Taufe spenden zu können.
Nach 8 Monaten wurden beide zum Märtyrertode hinausgeführt. Der heilige Apostel Paulus wurde als römischer Bürger enthauptet. Petrus wurde zuvor gegeißelt und dann gekreuzigt und zwar auf seine Bitte mit dem Haupte unten und den Füßen oben, weil er nicht würdig sei, in der gleichen Lage wie Christus, der Herr, gekreuzigt zu werden. Das war am 29. Juni im Jahre 67 nach Christi Geburt.
Im Kirchengebet des Festes der Apostelfürsten heißt es: „O Gott, der du den heutigen Tag durch das Martyrium deiner Apostel Petrus und Paulus geheiligt hast: verleihe deiner Kirche, daß sie in allem deren Vorschriften befolge, durch welche die Religion die erste Verbreitung erhalten hat. Amen.“ Und in der ostkirchlichen Liturgie betet man: „Die starken und gotterfüllten Verkünder, die ersten der Apostel, hast Du, Herr, aufgenommen in die Wonne Deiner Güter und in Deine Ruhe. Denn ihre Leiden und ihren Tod hast Du mehr als jedes irdische Opfer angenommen, der Du allein die Herzen kennst.“
Gott hat jeden Menschen zur ewigen Herrlichkeit berufen, aber der Weg zum Himmel ist ein Weg des Opfers, ein Weg der Hingabe unseres eigenen Willens an den Willen Gottes, wie es bei den Märtyrern in hervorragender Weise zum Ausdruck kommt. Ihr Blutopfer ist Gott unendlich wohlgefällig, weil es aufgrund der Blutsbruderschaft in der Gnade im kostbaren Blut Jesu Christ geheiligt ist: Blut um Blut, Leben um Leben.
Zur heiligen Theresia von Avila sprach Unser Herr einmal: „Weil du nichts besitzest, um mir ein Geschenk zu machen, so schenke ich dir all mein Blut, damit du dem himmlischen Vater es aufopferst. Dies mein Blut ist für dich das sicherste Mittel, um von ihm die ausgezeichneten Gnaden und Wohltaten zu erlangen.“ Diesen Gedanken weiterführend lehrt Pater Faber: „Die Aufopferung des Kostbaren Blutes ist mehr als ein Gebet. Beim Gebet sind wir es, die empfangen, bei der Aufopferung aber läßt Gott sich zu uns herab, um von uns zu empfangen.“ Wir müssen als nur den gottgeschenkten Reichtum durch unsere Aufopferung wirksam machen.
Unvorstellbar wertvoll ist diese Aufopferung des kostbaren Blutes Jesu Christi. Versuchen wir wenigstens in diesem Monat des kostbarsten Blutes täglich zu beten: „Ewiger Vater, durch das schmerzhafte und Unbefleckte Herz Mariens opfere ich Dir immerwährend das Kostbare Blut Jesu Christi auf für die Rettung der Seelen!“