1. P. Anthony Cekada, laut „Wikipedia“ ein „bekannter und überzeugter Sedisvakantist“ in den USA, einer jener berühmten „Neun“, die dort 1983 aus der „Piusbruderschaft“ brachen, hat bereits vor 25 jahren eine kleine Studie verfaßt zum Thema „Russland und die Leoninischen Gebete“ (erschienen in Sacerdotium Nr. 5 vom Herbst 1992). Unsere Zeit ist bedauernswert kurzlebig und, allem „Globalismus“ zum Trotz, erstaunlich provinziell, was die Sprachbarrieren anbelangt. So kommt es, daß Texte allzu leicht vergessen oder übersehen werden, zumal wenn sie in anderen Sprachen als der eigenen erschienen sind. Auch wir sind jetzt erst auf die genannte Studie aufmerksam gemacht worden, nachdem wir selber zu diesem Thema geschrieben haben (Die Vision Papst Leos XIII., Nachtrag zum Sankt Michaelsgebet Leos XIII.), und wollen es nicht versäumen, im Nachhinein diesen Text zu berücksichtigen.
2. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1977, berichtet Father Cekada, habe er nach dem Vorbild anderer „traditioneller Priester in den USA“ stets verkündet, die Leoninischen Gebete würden verrichtet „für die Bekehrung Rußlands“. Ein Gläubiger habe ihn daraufhin einmal gefragt, warum man nicht lieber für die Bekehrung Amerikas bete. P. Cekada, überzeugt, die Sache gehe auf die Erscheinungen Unserer Lieben Frau von Fatima zurück, suchte daraufhin nach kirchlichen Dokumenten, um dies zu belegen. Zu seiner Verwunderung fand er nichts, was diese Gebete mit der Botschaft von Fatima in Zusammenhang gebracht hätte. Demnach hätten die traditionellen Priester in USA offensichtlich eine falsche Ansicht über diese Gebete gehabt. Jüngste Entwicklungen in Rußland – man befand sich erst wenige Jahre nach der „Öffnung des Eisernen Vorhangs“ und dem „Ende des Kalten Krieges“ – würden weitere Fragen aufwerfen, und so wolle er folgende Punkte behandeln: 1. den Ursprung der Leoninischen Gebete, 2. die Intention, welche Papst Pius XI. ihnen gab, 3. die „zweifelhaften Geschichten, welche über das Gebet zum heiligen Erzengel Michael kursieren“, 4. die rechtliche Lage bezüglich der Leonischen Gebete und ob diese im Lichte der neueren Entwicklungen in Rußland immer noch gesetzlich verpflichtend seien, sowie 5. ob es daher erlaubt sei, an ihrer Stelle andere Gebet in anderen Intentionen zu verrichten.
Entstehung der Leoninischen Gebete
3. Der erste Punkt über die Ursprünge dieser Gebete erscheint in unserem Zusammenhang besonders interessant, zeigt er doch einige zusätzliche Details und Aspekte auf, die unsere eigenen Abhandlungen ergänzen. Nach den Napoleonischen Kriegen, schreibt Cekada, war die Lage der Päpste als weltliche Herrscher über den Kirchenstaat mehr und mehr prekär geworden. Zwar hatte der Wiener Kongreß im Jahr 1815 die Souveränität des Papstes über seine zeitlichen Güter wiederhergestellt, doch verschworen sich die Freimaurerei und andere geheime Gesellschaften wie die Carbonari gegen ihn zu einer Revolution. Es kam in den Jahren 1830 und 1832 zu Aufständen in den päpstlichen Staaten, und im Jahr 1848 vertrieben die Revolutionäre Papst Pius IX. aus Rom.
Napoleon III. sandte im Jahr 1850 seine Truppen nach Italien zur Hilfe, verhalf Pius IX. wieder zu seinem Thron und schützte die Stadt Rom durch seine kaiserlichen Truppen. Freilich geschah dies weniger aus seiner Verehrung dem Heiligen Stuhl gegenüber als vielmehr aus der Absicht, den österreichischen Einfluß in Italien zu schwächen. Unterdessen hatten die Jünger der geheimen Gesellschaften mit ausländischer Unterstützung die Regierung der Stadtstaaten übernommen, die das päpstliche Gebiet umgaben. Von feindlichen Staaten umringt und nur von einem halbherzigen Verbündeten unterstützt, fürchtete Pius IX. den drohenden Sieg der Revolutionäre. Daher ordnete er zu Beginn des Jahres 1859 besondere öffentliche Gebete an, nämlich drei Ave Maria, das Salve Regina, einen Versikel und eine Oration, die in allen Kirchen im Kirchenstaat nach der Heiligen Messe gebetet werden sollten. In den übrigen Ländern waren sie nicht verpflichtend. Doch der Papst drängte die Katholiken überall, für die Erniedrigung der Feinde seiner zeitlichen Souveränität zu beten und gewährte Ablässe darauf.
1870 fiel Rom in die Hände der Revolutionäre und der Armee des königlichen Hauses von Savoyen. Pius IX. schloß sich daraufhin im Vatikan ein, exkommunizierte die Besetzer des päpstlichen Territoriums und weigerte sich, die Legitimität der Regierung anzuerkennen, welche die Usurpatoren errichtet hatten. Das war der Beginn der „römischen Frage“, welche Art von Übereinkommen, wenn überhaupt, zwischen dem legitimen Anspruch des Papstes als zeitlicher Souverän und dem neuen italienischen Staat erzielt werden könne, welcher de facto die Kontrolle über den Kirchenstaat ausübte. Beinahe sechzig Jahre lang wog diese Frage schwer in den Herzen der Päpste.
In den 1880er Jahren demonstrierte ein von freimaurerischen Logen aufgehetzter Mob gegen Papst Leo XIII. und versuchte sogar, die Überreste von Pius IX. in den Tiber zu werfen. Die Regierung erließ eine Reihe von Gesetzen, die sich gegen den katholischen Klerus richteten, und am Ende des Jahrzehnts wurden die Güter der katholischen karitativen Gesellschaften eingezogen. Am 6. Januar 1884 ordnete Leo XIII. daraufhin an, daß die Gebete, welche Pius IX. für die Kirchen des päpstlichen Staates vorgeschrieben hatte, nunmehr nach der Stillen Heiligen Messe in allen Kirchen der ganzen Welt verrichtet würden, „so daß das christliche Volk Gott im gemeinsamen Gebet um all das anfleht, was dem gesamten christlichen Gemeinwohl dient“. Der Text der Oration, den Leo XIII. dafür vorschrieb, ist etwas anders als der heute verwendete. Es handelte sich um eine ausgedehnte Version der Oration vom 22. Sonntag nach Pfingsten. 1886 wurde der Text geändert und sah nach zwei weiteren kleinen Änderungen, die später noch im lateinischen Text vorgenommen wurden, so aus wie der, den wir heute kennen:
Gott, unsere Zuflucht und Stärke, sieh gnädig an das Flehen Deines Volkes, und erhöre in Deiner Barmherzigkeit und Güte, auf die Fürbitte der glorreichen und unbefleckten Jungfrau und Gottesmutter Maria, ihres Bräutigams, des hl. Joseph, Deiner hll. Apostel Petrus und Paulus und aller Heiligen, die Gebete, die wir für die Bekehrung der Sünder, für die Freiheit und Erhöhung unsrer heiligen Mutter, der Kirche, flehentlich verrichten. Durch Ihn, Christus, unsern Herrn.
Zur selben Zeit wurde das St. Michaels-Gebet hinzugefügt, dessen einleitende Anrufung Anklänge an den Alleluja-Vers des St. Michael-Festes vom 8. Mai und 29. September hat. Die Änderungen von 1886 weisen jedoch eine seltsame „legale Anomalie“ auf. Es findet sich kein Dekret dazu in den Akten des Heiligen Stuhles, wie es normalerweise üblich und erforderlich wäre. Den Grund dafür vermutet P. Cekada in einer Unaufmerksamkeit des registrierenden kurialen Beamten. Im Jahr 1904 habe Papst Pius X. den Priestern gestattet, die dreifache Anrufung „Heiligstes Herz Jesu, erbarme dich unser“ an das Gebet zum heiligen Erzengel Michael anzufügen. Er machte dies nicht zur Vorschrift, doch wurde es bald Praxis aller Priester weltweit.
"Neue Intention" durch Pius XI.
4. Soviel zur Geschichte der Entstehung der Leoninischen Gebete. Wir kommen zum zweiten Punkt, der neuen Intention durch Pius XI. Während der Pontifikate von Leo XIII., hl. Pius X. und Benedikt XV. gab es in der „römischen Frage“ wenig Fortschritt, sagt Cekada. Erst nach der Wahl von Pius XI. im Jahr 1922 nahmen die Verhandlungen Fahrt auf, und am 12. Februar 1929 verkündete der Vatikan, daß der Heilige Stuhl und Italien ein Abkommen unterzeichnet hatten, welches die Beziehungen zwischen der Kirche und dem italienischen Staat regelte und die Entschädigung des Heiligen Stuhles für das verlorene Territorium festsetzte. Das Abkommen wurde am 9. Juni 1929 im Lateran unterzeichnet und führte zu einem freundlichen Austausch von Telegrammen zwischen dem Papst und dem König von Italien.
Im Artikel 26 der Lateranverträge erklärt der Heilige Stuhl „die römische Frage für endgültig und unwiderruflich geregelt und daher erledigt“. Somit war der Zweck erreicht, für welchen die Leoninischen Gebete eingeführt worden waren, meint P. Cekada. Doch habe der Papst damals ein anderes wichtiges Anliegen gehabt, welches er den Gebeten der Gläubigen empfehlen wollte. Die kommunistische Regierung in Rußland hatte eine systematische Verfolgung der Katholiken gestartet, und so bat Pius XI. die Katholiken in Russland und überall in der Welt, einen Gebetstag zum heiligen Joseph abzuhalten, um dessen Hilfe zu erflehen. Sogar die ostkirchlichen Schismatiker folgen diesem Anliegen des Papstes.
Bei einer Ansprache vor dem Kardinalskollegium im Jahr 1930 habe Papst Pius XI. sowohl die Lateranverträge als auch die Lage in Rußland angesprochen. In diesem Zusammenhang sagte er: „Wir wünschen, daß dieselben Gebete, welche unser Vorgänger seligen Angedenkens, Leo XIII., als von den Priestern mit dem Volk nach der Heiligen Messe zu verrichten vorschrieb, in dieser Intention gebetet werden sollen, d.h. für Rußland.“ Die neue Intention lautete nun, daß Christus „dem bedrängten Volk in Rußland Ruhe und Freiheit wiedergeben möge, um ihren Glauben zu bekennen“. Somit sei die „Freiheit der Kirche in Rußland“ die vorgeschriebene neue Intention, nicht die Bekehrung Rußlands zum katholischen Glauben im Sinne der Verheißungen von Fatima.
5. Wir halten an dieser Stelle ein wenig inne und fragen uns, wie die Ergebnisse Fr. Cekadas bis hierher mit unseren eigenen zusammenstimmen. Nach unserem Befund „wurde dem Heiligen Vater, Papst Leo XIII., durch eine Vision gezeigt, daß Satan zum Generalangriff gegen die Kirche Jesu Christi überzugehen plant“ mit dem Ziel der „Zerstörung der katholischen Kirche“. Diesem Generalangriff entgegenzutreten, war der Sinn der Leoninischen Gebete. Der Generalangriff war freilich zum damaligen Zeitpunkt bereits im Gange, denn wir wissen durch die Große Botschaft von La Salette: „Im Jahre 1864 wird Luzifer mit einer großen Menge von Teufeln aus der Hölle losgelassen. Sie werden den Glauben allmählich auslöschen, selbst in Menschen, die Gott geweiht sind.“ „Als Leo XIII. seine Vision hatte, war also der Teufel bereits losgelassen, er war schon 20 Jahre losgelassen“, d.h. schon seit dem Pontifikat von Pius IX. Darum konnte Leo XIII. auf die bereits von seinem Vorgänger eingeführten Gebete zurückgreifen und diese erweitern, wie P. Cekada dargelegt hat. Er trat in denselben Kampf ein und setzte ihn mit denselben Mitteln fort.
Als die Revolutionen im Kirchenstaat tobten und dieser schließlich verlorenging, war der Papst sich im klaren, was vor sich ging. Auch Leo XIII. konnte die „römische Frage“ ohne Zweifel in den Horizont der gesamten Ereignisse einordnen. In seiner Enzyklika „Humanum genus“ vom 20. April 1884 heißt es: „Neben dem Reich Gottes auf Erden, der wahren Kirche Christi, gibt es noch ein anderes Reich, das des Satans, unter dessen Herrschaft alle stehen, die dem ewigen göttlichen Gesetz den Gehorsam verweigern […]. In unseren Tagen scheinen alle diejenigen, die dieser zweiten Fahne folgen, miteinander verschworen zu sein in einem überaus erbitterten Kampf unter der Leitung und Hilfe des Bundes der sogenannten Freimaurer.“ Er wußte genau, worum es geht, nämlich den Generalangriff jener, „die dieser zweiten Fahne folgen“, gegen die Kirche, und zwar „unter der Leitung und Hilfe des Bundes der sogenannten Freimaurer“. Der führende Revolutionär bei der Eroberung Roms, Garibaldi, war bekanntermaßen ein bedeutender Freimaurer. „1844 wurde Garibaldi in der Loge Les Amis de la Patrie in Montevideo in den Freimaurerbund aufgenommen", lesen wir in „Wikipedia“, „und wechselte 1861 in die Loge Sebezia in Neapel, die sich daraufhin in Grande Oriente di Napoli umbenannte. 1864 wurde in Florenz ein Kongress einberufen, der die Vereinigung der Großlogen Italiens zum Ziel hatte. Sie bildeten einen Dachverband von Großlogen, den Vorläufer des Grande Oriente d’Italia, zu dessen Großmeister Garibaldi gewählt wurde. 1877 nahmen die Freimaurer von Italien mit Freimaurerbannern in einer Großveranstaltung an der Enthüllung des Garibaldi-Denkmals auf der Piazza Mentana in Florenz teil.“
Die Eroberung Roms und Kaperung der päpstlichen Länder war nur eine Schlacht in diesem langwährenden und erbitterten Kampf, die Lösung der „römischen Frage“ war eine weitere. Doch der Kampf dauerte an, auch wenn sich der Schauplatz verlegte und nunmehr eine Verfolgung in Rußland ausbrach. Es war ganz natürlich, daß der Papst den Schwerpunkt seiner Waffen des Gebets nun dorthin richtete. Ein Krieg geht weiter bis zum endgültigen Sieg, mag auch die eine Schlacht verloren, die andere gewonnen werden. Man kann sich fragen, ob die Lösung der „römischen Frage“, so wie sie durch die Lateranverträge erfolgte, oder die „Öffnung des Eisernen Vorhangs“, so wie er geschehen ist, wirklich Siege der Kirche waren. Eindeutig ist, daß der Kampf keineswegs beendet ist. Er tobt wütender denn je, und er wird noch ärger werden.
Darum ist und bleibt es unser Anliegen, durch die Macht des Gebetes den Himmel zu bestürmen, ihn unablässig „für die Bekehrung der Sünder, für die Freiheit und Erhöhung unsrer heiligen Mutter, der Kirche“ anzurufen, auch wenn die Bedrohungen heute ganz anderer, viel schlimmerer Art sind, und um den Sieg zu bitten. Der Sieg wird sein, wenn der große Heerführer, der heilige Erzengel Michael, „den Satan und die anderen bösen Geister, die in der Welt umhergehen, um die Seelen zu verderben, durch die Kraft Gottes in die Hölle“ gestoßen haben wird. „Und ich sah einen Engel vom Himmel niedersteigen, der den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette in seiner Hand hielt. Er packte den Drachen, die alte Schlange, die der Teufel, der Satan ist, fesselte ihn auf tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund. Dann verschloß er ihn und legte ein Siegel darauf. Nicht mehr sollte jener die Völker verführen, bis die tausend Jahre zu Ende wären. Danach muß er für kurze Zeit losgelassen werden“ (Offb 20, 1-3). Das ist der Triumph in dieser großen apokalyptischen Entscheidungsschlacht, den wir erwarten und um den wir in den Leoninischen Gebeten flehen. Solange wir nicht so weit sind, haben diese Gebete ihren Zweck noch nicht erreicht.
Im Jahr 1929 begannen nicht nur die grausamen Verfolgungen in Rußland, es war auch jenes Jahr, in welchem an Schwester Lucia von Fatima die Aufforderung erging: „Es ist der Augenblick gekommen, in dem Gott den Heiligen Vater auffordert, in Vereinigung mit allen Bischöfen der Welt die Weihe Rußlands an mein Unbeflecktes Herz zu vollziehen. Er verspricht, es durch dieses Mittel zu retten.“ Dieser Wunsch wurde vom Beichtvater der Schwester Lucia nach Rücksprache mit dem Bischof von Leiria sogleich nach Rom weitergeleitet. Papst Pius XI. war also im Bilde, und es scheint nicht ausgeschlossen, daß seine „neue Intention“ auch eine Reaktion auf diese Bitte der Gottesmutter war. Die Weihe selber wollte er offensichtlich nicht vornehmen, aber es wäre nachvollziehbar, daß er im Jahr 1934 die Intention mit der „Bekehrung Rußlands“ etwas Fatima-konformer gestalten wollte, wie dies unsere Quellen besagen, zumal damals auch außerhalb Rußlands die Freiheit der Kirche zunehmend in Gefahr geriet, etwa im nationalsozialistischen Deutschland.
Die Grundausrichtung der Gebete bleibt ohnehin die gleiche. Schwester Lucia sagte in einem Gespräch 1957 mit P. Fuentes, die allerseligste Jungfrau habe ihr mitgeteilt, „daß der Teufel einen Kampf gegen die Jungfrau führt, einen Entscheidungskampf“. Sie fuhr fort: „Es ist der letzte Kampf, wo eine Partei siegreich sein und die andere eine endgültige Niederlage erleiden wird.“ Sie sagte auch: „Pater, der Teufel führt die Entscheidungsschlacht gegen die Jungfrau, und Sie wissen, was Gott am meisten beleidigt und ihm in kürzester Zeit die meisten Seelen gewinnt, ist die Eroberung der gottgeweihten Seelen.“ Fatima fügt sich nahtlos in diesen großen Entscheidungskampf um „die Bekehrung der Sünder, für die Freiheit und Erhöhung unsrer heiligen Mutter, der Kirche“, wie ihn schon Pius IX., Leo XIII. und Pius X. geführt hatten. Mit den Schlußgebeten nach der Hl. Messe setzen wir diesen Kampf unbeirrt fort.
"Zweifelhafte Geschichten"
6. Im dritten Punkt behandelt P. Cekada „zwei zweifelhafte Geschichten“, welche mit den Leoninischen Gebeten verbunden werden. Die eine sei die „angebliche Vision“ Papst Leos. Nachdem er einige verschiedene im Umlauf befindliche Berichte über diese Vision und die dadurch veranlaßte Einführung des St. Michaelgebetes angeführt hat, faßt er die daraus sich ergebenden Probleme wie folgt zusammen: Es gebe in den Berichten keine Angabe von Quellen; die verschiedenen Behauptungen widersprächen einander darüber, wo die Vision stattgefunden habe, ob nach der Messe am Fuß des Altares oder in einer Besprechung mit den Kardinälen; sie seien nicht übereinstimmend in Zeitpunkt und Ablauf der Vision; die Daten, welche für die Vision angegeben werden (1880, 1884 und 1888) stimmten nicht mit dem Datum überein, zu welchem das St. Michaelsgebet tatsächlich eingeführt wurde, nämlich 1886; es scheine keine Bestätigung für diese Geschichte in zeitgenössischen Quellen zu geben, wie man es erwarten sollte, wenn sie wirklich stattgefunden hätte. Somit schließt sich der Autor der Schlußfolgerung eines P. Bers aus den 1930er Jahren an, „daß diese ‚Vision‘ erst in späterer Zeit aus gewissen Gründen erfunden“ worden sei.
Wir haben unsererseits auf die verschiedenen Versionen der Berichte über die Vision Leos XIII. hingewiesen und einige mit Quellenangaben wiedergegeben, die sich in vielem nicht decken und in manchem zu widersprechen scheinen. Unsere Schlußfolgerung war jedoch die: „Zusammenfassend kann man aber doch feststellen: Es ist geschichtlich sicher, daß Leo XIII. eine besondere übernatürliche Erleuchtung hatte, die ihn bewegte, die Gebete nach der stillen hl. Messe einzuführen. Auch kann man davon ausgehen, daß das Wesentliche dessen, was der Papst erlebt hat, in seinem Michaelsgebet zu Ausdruck kommt, das er daraufhin verfaßt hat.“ Es scheint uns klar, daß Leo XIII. die Sache nicht an die große Glocke hängen wollte und es keinen „offiziellen“ Text über diese Vision gibt. Aber wie das Sprichwort sagt: „Kein Rauch ohne Feuer.“ Daß die Berichte reine Erfindungen wären und nicht ein „fundamentum in re“ hätten, schiene uns überaus unwahrscheinlich. Selbst Sagen, Märchen und Legenden haben gewöhnlich einen wahren Kern.
Es ist eine beliebte Methode der rationalistischen Bibelkritik, aus den Unterschieden und scheinbaren Widersprüchen in den Berichten der Evangelien darauf zu schließen, daß es sich um viel später entstandene reine Erfindungen handle. Dagegen wird von katholischer Seite stets ins Feld geführt, daß Zeugenberichte in der Regel unterschiedlich ausfallen. Gerichtspsychologen bestätigen, daß eine zu genaue Übereinstimmung solcher Aussagen eher darauf schließen lasse, daß sie unecht sind und abgesprochen. Umso weniger dürfen wir eine solche Übereinstimmung in diesem Fall erwarten, da es sich nicht um das inspirierte Wort Gottes und auch nicht um autorisierte Zeugen handelt. Einige Widersprüche ließen sich gewiß erklären. Die Bibelkritik hat beispielsweise geltend gemacht, daß das Wunder der Brotvermehrung zweimal im Evangelium berichtet werde, jedoch jeweils mit ganz verschiedenen Angaben über den Ort des Geschehens und die Zahl der Brote und Fische, der gespeisten Menschen und der übriggebliebenen Stücklein. Daraus schlossen sie, daß es gar nicht stattgefunden habe. In Wahrheit waren es jedoch tatsächlich zwei verschiedene Gelegenheiten, bei welchen der Heiland dieses Wunder wirkte, was die Unterschiede erklärt. Was, wenn Leo XIII. nicht nur einmal eine solche Vision hatte, sondern zweimal, zu verschiedenen Daten und an verschiedenen Orten? Wir wissen es nicht, aber es wäre denkbar. Somit scheinen uns die angeführten Gründe kein Beweis, daß es gar keine Vision gegeben habe. Wir denken vielmehr, daß es alle diese Berichte nicht gäbe, wenn nicht etwas gewesen wäre. Im Kern stimmen sie ja überein: Papst Leo XIII. wurde eine Erleuchtung zuteil, die ihn auf den Generalangriff des Teufels ggegen die Kirche hinwies.
7. Die zweite „zweifelhafte Geschichte“, welche laut P. Cekada in Traditionalistenkreisen umgeht, ist die von der angeblichen „Fälschung“ des St. Michael-Gebetes gegenüber der ursprünglichen, längeren Version von Leo XIII. Das ursprüngliche Gebet, das vor einer Besetzung des päpstlichen Stuhls durch eine freimaurerische Infiltration der Kirche warnte, sei nach dem Tode Leos XIII. von „Verschwörern“ zensiert worden. Cekada gibt dazu die geschichtlichen Fakten. Am 25. September 1888 hat Papst Leo ein Gebet zum heiligen Erzengel Michael approbiert und einen Ablaß von 300 Tagen auf dessen Rezitation gewährt. Zum damaligen Zeitpunkt war das St. Michaelsgebet nach der Hl. Messe bereits zwei Jahre in Gebrauch, und es handelte sich um ein vollständig neues Gebet.
Ähnlich wie im Text von 1886 ruft auch das neue Gebet die Hilfe des heiligen Michael an in unserem Kampf gegen den Teufel. Es ist jedoch ein längerer Text, der ausführlich auf die Machenschaften des Satan eingeht. Nach seiner Approbation wurde der Text in die offizielle Sammlung der kirchlichen Gebete mit Ablässen aufgenommen, die „Raccolta“. Zwei Jahre später approbierte Leo XIII. einen neuen und ausführlichen „Exorzismus gegen Satan und die apostatischen Engel“ zum Gebrauch jener Bischöfe und Priester, welche eine besondere Erlaubnis haben. Dieser Exorzismus benutzte das Gebet von 1888 zum heiligen Erzengel Michael und wurde in den Anhang des Römischen Rituale aufgenommen.
Spätere Ausgaben der „Raccolta“ enthielten eine gekürzte Version des Gebetes von 1888, und spätere Ausgaben des Rituale Romanum gingen sogar noch weiter und ließen die „anstößigsten“ Passagen aus. Das war bereits im Jahr 1902, also noch vor dem Tod von Leo XIII., und die Neuausgabe geschah durch die Ritenkongregation zusammen mit der Kongregation für die Ablässe. Damit ist das bestätigt, was wir in unserem letzten Beitrag (Nachtrag...) geschrieben hatten: „Bereits 1902, also noch vor dem Tod Leos XIII., wurde es [das Gebet zum heiligen Erzengel Michael] durch eine gekürzte Version ersetzt!“ Und „die Veränderungen bezüglich des St. Michaelsgebet betreffen nur den kleinen Exorzismus, den Leo XIII. ins Rituale aufgenommen hat“, nicht aber das Gebet zum heiligen Erzengel Michael nach der Hl. Messe.
Außerdem sei zu beachten, sagt P. Cekada, daß die in Frage stehenden Stellen, die gekürzt wurden, nicht im Futur gehalten seien, wie man es von einer Prophetie erwarten sollte, sondern in der Vergangenheitsform, sich also auf Ereignisse beziehen müßten, welche 1888 bereits stattgefunden haben. Man müsse also die Situation in Italien zu Ende der 1880er Jahre in Betracht ziehen, um zu verstehen, wer oder was gemeint sei. Wir dürfen die in Rede stehende Passage noch einmal wiedergeben, damit wir wissen, wovon wir sprechen: „Die überaus durchtriebenen Feinde erfüllen die Kirche, die Braut des unbefleckten Lammes, mit Galle und Bitterkeit und berauschen sie mit Wermut. Ihre frevlerischen Hände haben sie an die heiligsten Schätze gelegt. Selbst am heiligen Ort, wo der Sitz des heiligen Petrus und der Lehrstuhl der Wahrheit zur Erleuchtung der Völker errichtet ist, haben sie den Thron ihrer abscheulichen Gottlosigkeit aufgestellt, voller Heimtücke, damit, nachdem der Hirt geschlagen ist, sie auch die Herde zerstreuen können.“
Fr. Cekada ist der Ansicht, mit den „durchtriebenen Feinden“ sei niemand anders gemeint als jene Revolutionäre, welche damals den Kirchenstaat überfielen und die kirchlichen Güter raubten. Mit dem „Thron der abscheulichen Gottlosigkeit“, welcher „am heiligen Ort“ aufgestellt wurde, „wo der Sitz des heiligen Petrus und der Lehrstuhl der Wahrheit zur Erleuchtung der Völker errichtet ist“, sei auf den Thron des italienischen Königs angespielt, welcher im Quirinalpalast aufgestellt wurde, der ursprünglich der bevorzugte Palast des Papstes war, wo die Päpste ihre Hofhaltung hatten und die Konklave stattzufinden pflegten. 1888 stand ebendort der Thron des räuberischen und exkommunizierten Königs. Im Jahr 1902 hatten sich die Verhältnisse gewandelt. Leo XIII. stand schon seit Jahren in geheimen Verhandlungen mit dem neuen König Umberto. Der König war bereit zu Zugeständnissen und erhoffte dafür die päpstliche Anerkennung. In dieser Situation war natürlich der inkriminierte Textabschnitt, der obendrein den König mit dem Teufel in Verbindung brachte, aus diplomatischen Gründen nicht mehr angängig und wurde daher entfernt.
Wir hatten dieselben Fakten in unserem Beitrag so zusammengefaßt: „1902 kam es zu einer Annäherung des Vatikans mit dem italienischen König. Da man aber die Stelle des Michaelsgebetes von den ‚gerissenen Feinden‘, die den ‚Thron des grauenvollen Frevels aufgestellt‘ haben, auch (bzw. irrtümlich muß man wohl sagen) auf den italienischen König, der im Quirinal seinen Thron aufgestellt hatte, bezogen hat, stand dieser Passus der Diplomatie sozusagen im Wege, weshalb man ihn gestrichen und das Michaelsgebet gekürzt hat.“ Wir sind nicht der Meinung, daß Papst Leo XIII. so kurzsichtig war, sein St. Michaelsgebet rein auf die damaligen politischen Verhältnisse zu münzen und daraus gleich noch einen offiziellen Exorzismus zu machen. Er hatte mit Sicherheit die Gesamtsituation vor Augen, jenen entscheidenden Endkampf des Satan gegen die Kirche, wovon die Besetzung Roms nur eine Episode war. Es schiene uns geradezu lächerlich, wenn mit dem „Thron der abscheulichen Gottlosigkeit“ lediglich der Thron des italienischen Königs gemeint gewesen sein sollte. Auch schiene es uns nicht zum Naturell dieses eher besonnenen und diplomatisch bemühten Papstes zu passen, in einer so heftigen und beinahe primitiven Weise auf ein politisches Ereignis zu reagieren. Allenfalls mag er befürchtet haben, man könne die bewußten Worte irrtümlich in der genannten Weise auffassen, und sie deshalb haben entfernen lassen.
Daß eine Prophetie in der Vergangenheitsform abgefaßt ist und nicht im Futur, ist keine Seltenheit. Wir finden das oft genug in der Heiligen Schrift. Beispielsweise der berühmte Psalm 22: „Sie haben meine Hände und meine Füße durchbohrt, gezählt all meine Gebeine und schauen mich nun an und betrachten mich. Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und das Los über mein Gewand geworfen“ (Ps. 22, 17-19). Als der König David diesen Psalm schrieb, standen diese Ereignisse noch in weiter Zukunft. Er schildert sie jedoch aus der Perspektive des gekreuzigten Heilands und sieht sie daher als bereits geschehen oder gerade geschehend. Wir hatten bereits Gelegenheit, auf die besondere Eigenart der Prophetie hinzuweisen, daß sie die Ereignisse im Gegensatz zur geschichtlichen Betrachtung gewissermaßen „von oben“ betrachtet. „Deshalb sagen die Theologen, die Prophetie sähe im Unterschied zur Geschichte die Ereignisse im Spiegel der Ewigkeit, d.h. in den Ideen, die diese ewige Dauer Gottes repräsentieren, in deren Sicht die längsten Zeiträume wie in einem Augenblick erscheinen; denn ‚tausend Jahre sind vor Gott wie ein einziger Tag‘“ (Wahre Prophetie).
Die Prophetie sieht oft für uns Zukünftiges als vergangen oder gegenwärtig, oder sie sieht zwei Ereignisse gleichzeitig, die zeitlich weit auseinanderliegen, aber vom Sinn her zusammengehören, besonders dann, wenn das eine Ereignis der „Typus“ oder Vorbild für das andere ist. Exemplarisch dafür gilt die Vorhersage des Heilands vom Ende der Welt, in welcher Er den Untergang Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. zusammen mit den Ereignissen in den Letzten Zeiten schaut, das eine als Vorbild für das andere. Ähnliches können wir auch für das prophetische Gebet Leos XIII. annehmen, zumal die Geschehnisse, auf welche es sich bezog, damals bereits ihren Anfang genommen hatten. Konnte da nicht die Eroberung und Besetzung des Kirchenstaates und des politischen Rom durch die freimaurerischen Revolutionäre im 19. Jahrhundert ein Vorbild sein für das, was im 20. Jahrhundert geschah durch die geistige Besetzung Roms durch die Menschenmachwerkskirche des „II. Vatikanum“? Wir bleiben dabei, daß es sich um ein prophetisches Gebet handelt, das heute noch mehr Aktualität besitzt als zur Zeit von Leo XIII. Mag auch der Anlaß zu seiner Abfassung ein sehr konkreter, geschichtlicher gewesen sein, so ist doch der Horizont dieses Gebetes sehr viel weiter.
Gebetsverpflichtung beendet?
8. Im vierten Punkt seiner Abhandlung korrigiert P. Cekada den bisweilen zu hörenden falschen Einwand, durch die Leoninischen Gebete sei die Messe verändert worden. In Wahrheit seien diese Gebete nicht Teil der Hl. Messe, sondern würden stets als „nach der Messe“ zu beten aufgeführt. Ursprünglich sei die Vorschrift gewesen, die Leoninischen Gebete nach jeder gesprochenen, also nicht gesungenen, Messe zu verrichten, spätere Dekrete sprechen nur von privaten Messen. Die Heilige Ritenkongregation hat einige Dekrete zu diesem Thema verfaßt, die nicht alle ganz klar sind, was zu verschiedenen Interpretation unter den Rubrizisten und Liturgieexperten führte. Später gab es einige Ausnahmen, in welchen die Leoninischen Gebete nach der gesprochenen Messe auszulassen sind. 1964, noch vor dem Ende des „II. Vatikanums“, erließ der Vatikan eine „Liturgische Instruktion“, in welcher es hieß: „Das Schlußevangelium wird ausgelassen, die Leoninischen Gebete werden unterdrückt.“ Nur die „traditionellen“ Priester behielten diese Gebete bei.
Die von Pius XI. im Jahr 1930 verfügte Intention für die Leoninischen Gebete, nämlich die Freiheit der Religionsausübung in Rußland, sei seit 1990 erreicht, sagt P. Cekada. Damals nämlich erließ die noch existierende Sowjet-Union bereits ein Gesetz, welches die Religionsfreiheit garantierte. Nach dem Fall der Sowjet-Union gilt erst recht, daß in Rußland die Religion wieder frei ausgeübt werden kann. Somit sei das Gebetsanliegen erfüllt. Sollten also die Leoninischen Gebete trotzdem weiterhin verrichtet werden? Nach den Prinzipien des Kirchenrechts eigentlich nicht, meint P. Cekada. Ein Gesetz würde normalerweise aufhören zu verpflichten, wenn sein Zweck obsolet geworden ist.
Dasselbe gelte für eine Gebetsverpflichtung, wenn das Ziel dieses Gebetes nicht erreichbar oder bereits erlangt worden sei. P. Cekada weiß für diese Aufstellung zahlreiche Kanonisten und Moraltheologen als Autoritäten anzugeben. Ein gewisser P. Bede Lebbe habe in einem Kommentar über die Messe im Jahr 1949 ausdrücklich geschrieben, daß die Rosenkranzandacht für den Monat Oktober ebenso wie die Leoninischen Gebete für die Lösung der „römischen Frage“ gedacht gewesen seien und daher im Jahr 1929 ihre Verpflichtung verloren hätten. Erst durch die Intentionsänderung durch Pius XI. hätten letztere wieder Verpflichtungskraft erlangt. Dieser Argumentation gemäß meint P. Cekada, daß es keine Verpflichtung mehr gebe zur Verrichtung der Leoninischen Gebete nach der Stillen Hl. Messe.
Wir sind der Ansicht, daß die Intention der Päpste sehr viel weiter gefaßt war, wie wir bereits dargelegt haben, und daß es angesichts der endzeitlichen Auseinandersetzungen, in denen wir uns befinden, nach wie vor und vielleicht mehr denn je notwendig ist, den Rosenkranz zu beten und den Himmel „für die Bekehrung der Sünder, für die Freiheit und Erhöhung unsrer heiligen Mutter, der Kirche“ zu bestürmen sowie den heiligen Erzengel Michael anzurufen, uns „im Kampfe“ zu verteidigen, unser Schutz „gegen die Bosheit und die Nachstellungen des Teufels“ zu sein und als „Fürst der himmlischen Heerscharen“ den „Satan und die anderen bösen Geister, die in der Welt umhergehen, um die Seelen zu verderben, durch die Kraft Gottes in die Hölle“ hinabzustürzen. Nein, für uns hat die Verpflichtung zum Verrichten dieser Gebete am Schluß der Heiligen Messe noch lange nicht geendet, und wir fassen sie im ursprünglich gegebenen Sinn auf, d.h. sie nach jeder gesprochenen, stillen Hl. Messe zu beten. Und auch wenn sie nicht selber Teil der Hl. Messe sind, so nehmen sie doch gewissermaßen einen natürlichen Platz dort ein, um dieselbe abzurunden. Denn die Hl. Messe beginnt mit dem Stufengebet vor den Stufen des Altars, und sie endet nun gewissermaßen mit den Schlußgebeten, wieder an den Stufen des Altars.
9. P. Cekada ist der Auffassung, wie er in seinem fünften Punkt darlegt, daß man nach Wegfall der Verpflichtung zum Beten der Leoninischen Gebete stattdessen auch andere Gebete an ihrer Stelle einsetzen könne. In einigen Ländern gebe es entsprechende Gebräuche. So sei es in England beispielsweise üblich, ein Gebet für den König zu verrichten, in Irland bete man vor den Schlußgebeten den Ps. 129 und eine Oration für die Verstorbenen. Zwar sei es nicht empfehlenswert, generell spezielle Gebete nach der Messe anzufügen, aber von Fall zu Fall bei besonderen Anliegen oder Gelegenheiten sei es durchaus zulässig. Die Gebete sollten jedoch einen öffentlichen oder allgemeinen Charakter haben und von der Kirche für den Gebrauch am Altar approbiert sein. Auch sollte der Priester dazu seinen Manipel und möglichst auch das Meßgewand ablegen und keine Texte verwenden, die länger als die Leoninischen Gebete sind.
Wir unsererseits belassen es bei den Leoninischen Gebeten und sind sicher, damit im Sinne und Auftrag der Kirche zu handeln. Auch wüßten wir keine dringlicheren und umfassenderen Gebetsanliegen als die himmlische Hilfe für die Gläubigen in diesen gegenwärtigen Stürmen zu erflehen und den endlichen Triumph der heiligen Kirche. Wenn diese Gebete einst ihr Ziel erlangt haben werden, wird uns die Kirche selber sagen, ob wir sie fortan unterlassen oder durch andere ersetzen sollen.