1. Am Samstag in der Osteroktav diesen Jahres wurde in mehreren großen Städten in Europa und Übersee ein „March for Science“ abgehalten, eine Demonstration zugunsten der Wissenschaft. „Weltweit verlieren Wissenschaftler an Autorität“, meldete der SPIEGEL auf seinen Internetseiten, „weil die Menschen sich zunehmend einfachen ‚Wahrheiten‘ zuwenden.“ Vor allem in den USA, so hieß es, wachse nach „dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump“ die „Angst vor einer neuen Ära der ‚alternativen Fakten‘“, doch auch in anderen Ländern wie der Türkei und Ungarn werde „die freie Wissenschaft immer stärker eingeschränkt“. „In diesen Tagen gibt es so viele ‚Fake News‘“, zitiert der Bericht eine Demonstrantin, und darum sei es „wichtig, daran zu erinnern, dass Wissenschaft die Gesellschaft aufgebaut hat, wie wir sie kennen“. „Ohne Wissenschaft ist alles nur Fiktion“, hieß es auf Spruchbändern, und: „Wir brauchen Denker, keine Leugner“.
2. Angesichts einer solchen Initiative, die übrigens von den Medien erstaunlicher Weise weitgehend unbeachtet blieb, gewinnt man den Eindruck, daß sich die moderne „Wissenschaft“ unter Druck geraten fühlt und um ihre Deutungshoheit in der modernen Gesellschaft bangt, die sie ja immerhin „aufgebaut hat“. Dominik Lusser von der schweizerischen „Stiftung Zukunft“ berichtete unter dem Titel „Im Jammertal der Feministinnen – Kritik ertragen sie kaum“ über seinen Besuch einer Veranstaltung von Feministinnen der „NGO-Koordination Post Beijing“ in der Schweiz zum Thema „Verweigerung von Frauenrechten aufgrund sogenannt christlicher Werte“, der am 25. März diesen Jahres stattfand. Gegenwärtig, schreibt der Autor, fühlten sich „die Feministinnen eben wieder mal gewaltig in der Opferrolle, an die Wand gedrängt durch den sogenannten christlichen ‚Anti-Genderismus‘, der in der Schweiz hauptsächlich vom Bistum Chur und von der Stiftung Zukunft CH vertreten werde“.
Seit der „UN-Frauenkonferenz von Peking“ im Jahr 1995, so hieß es im Eingangsreferat der „Theologin“ Doris Strahm zu der Veranstaltung, seien „fundamentalistische christliche Kreise unter der Federführung des Vatikans“ daran, „die sexuellen und reproduktiven Rechte der Frau zu bekämpfen“ - laut Lusser „Codeworte u.a. für ein angebliches Recht auf Abtreibung, das im internationalen Recht aber nirgends eine Grundlage findet“. „Das Schlimmste sei, so Strahm, dass die kirchlichen Gender-Gegner versuchten, die Deutungshoheit über Gender zu bekommen.“ Sie sieht eine „gefährliche Allianz von christlich-konservativen, fundamentalistischen und rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Kräften“ am Werk, welche versuchten, „eine konservative Geschlechterordnung politisch durchzusetzen“.
Bei der die Veranstaltung abschließenden Podiumsdiskussion ergab sich für Autor Lusser folgender Eindruck: „Der Widerstand gegen Gender aus christlichen und rechts-populistischen Kreisen wird als orchestriert wahrgenommen, sodann als systematischer Versuch, Gender niederzumachen und ein falsches Bild über Gender zu vermitteln. In diesem Widerstand gegen die Gender Studies orten ihre Foucault-geschulten Vertreterinnen natürlich nichts als das Motiv, Privilegien und Macht zu verteidigen. Auf einer anderen Ebene können sie sich, wie mir immer deutlicher wurde, kritischen Argumenten auch gar nicht nähern. Dieses Weltbild, in dem es nur den ständig tobenden Kampf um Deutungshoheit und Macht gibt, lässt es nicht zu.“
Die „Gender-Studies“ bilden einen nicht unbedeutenden Teil jener „Wissenschaft“, die unsere „Gesellschaft aufgebaut hat“ und sich nun durch das Erstarken „christlich-fundamentalistischer“ Kräfte, zu denen bemerkenswerter Weise auch Trump und Erdogan gezählt werden, in Bedrängnis wähnt. Dabei geht es, wie aus dem Bericht von Herrn Lusser deutlich wird, gar nicht um Wissenschaft, sondern um Macht, nicht um Wahrheit, sondern um Ideologie. Ideologie ist immer ein flüchtiges Schaumgebilde, das jeden Luftzug der Wahrheit fürchten muß. Ideologen fühlen dann ihr Werk sogleich bedroht.
Herrn Lusser fiel auf: „In Erinnerung bleiben wird mir besonders die Inszenierung der eigenen Ohnmacht, welche die Feministinnen bis zur Perfektion beherrschen: Sie stellten sich dar, als stünden sie mit dem Rücken zur Wand, total in der Defensive, abseits des Mainstreams, während ihre Gegner aus dem christlichen Lager angeblich die Diskurshoheit über Geschlecht und Sexualität innehaben. Eine noch stärker verzerrte Wahrnehmung der tatsächlichen Verhältnisse ist schwerlich denkbar.“ Zweifelsohne sind die Verhältnisse gerade anders herum. Und doch sind die Ängste durchaus berechtigt, denn die moderne „Wissenschaft“ mitsamt ihrem Feminismus und „Genderismus“ steht auf tönernen Füßen.
3. Seit Jahrhunderten überschwemmt uns die sog. moderne „Wissenschaft“ mit ihren „Fake News“ und ihren „Fiktionen“. Sie war es, die uns statt Denkern Leugner bescherte. Denn was ist diese moderne Wissenschaft anderes als Leugnung, Leugnung der Wahrheit, Leugnung der Wirklichkeit, Leugnung der Schöpfung, Leugnung der Erbsünde, Leugnung der Erlösung, Leugnung der Offenbarung, Leugnung Gottes? Die Heilige Schrift lehrt die „einfachen Wahrheiten“, die jedoch von unauslotbarer Tiefe und eherner Festigkeit sind: Der dreifaltige Gott, der ohne Anfang und ohne Ende ist, hat diese Welt aus nichts erschaffen, Er hat den Menschen erschaffen als Mann und Frau, hat ihm eine Geistseele und eine übernatürliche Bestimmung und Ausrüstung gegeben, Er hat sich den Menschen geoffenbart, und als der Mensch durch eigene Schuld und den Trug des Satans gefallen war, hat Er die Erlösung gewirkt durch Seinen eingeborenen Sohn, der Mensch geworden ist, am Kreuz für uns starb und am dritten Tage wieder auferstand, um uns von Sünde und Tod zu befreien, uns zu Kindern Gottes zu machen und den Himmel zu öffnen.
Leider haben die Theologen und Philosophen unter dem nachhaltigen Eindruck des „Falls Galilei“, der von den Kirchengegnern zum Fanal aufgebauscht wurde, mehr und mehr vor der modernen „Wissenschaft“ und ihren Leugnungen kapituliert. Heute diskutiert der Vatikan „mit Top-Wissenschaftlern über den Urknall und Schwarze Löcher“, wie es in einem Artikel von „N24“ heißt mit dem Titel: „Kirche trifft Wissenschaft: Bei diesen Thesen ziehen sie im Vatikan die rote Linie“. Wir lesen: „Galileo Galilei würde wohl seinen Augen nicht trauen. Vor rund 400 Jahren schickte der Vatikan den Astronomen in die Verbannung, weil er das katholische Weltbild (‚Alles dreht sich um die Erde‘) kippte. Mehr als 350 Jahre mussten vergehen, bis die Kirche mit Galilei ihren Frieden machte und die Verurteilung widerrief.“
Bei einer Konferenz, welche der Vatikan im Mai diesen Jahres in der Sternwarte in Castel Gandolfo veranstaltete, um „den belgischen Priester und Astrophysiker Georges Lemaître (1894–1966)“ zu würdigen, „der als Begründer der Urknall-Theorie gilt“, ging es darum, den „Mythos (zu) entzaubern, dass die Religion Angst vor der Wissenschaft hat“. Ein deutscher Physiker, der an der Veranstaltung teilnahm, bemerkte: „Seit Galilei hat sich die katholische Kirche doch sehr gewandelt und die vatikanische Sternwarte hat sich in der Moderne durch streng wissenschaftliche, astronomische und kosmologische Arbeit ausgezeichnet.“ „Nach jahrhundertelangen Kämpfen zwischen Kirche und Forschung bemühte sich der Vatikan in den letzten Jahrzehnten tatsächlich verstärkt um eine Annäherung“, anerkennt der Autor des Artikels und weist darauf hin, daß der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften „Top-Forscher wie der Astrophysiker Stephen Hawking (‚Gott ist überflüssig‘)“ angehören und „der Kirchenstaat“ die Darwinsche Evolutionstheorie „mittlerweile mit dem Glauben an die Schöpfungsgeschichte (für) vereinbar“ hält.
Er erinnert an die Rede Bergoglios „zur Vollversammlung der Päpstlichen Akademie“ im Jahr 2014, darin dieser die Worte fand: „Wenn wir im Buch Genesis den Schöpfungsbericht lesen, so riskieren wir, uns vorzustellen, Gott sei ein Magier gewesen mit einem Zauberstab, der alle Dinge verwirklichen kann. Dem ist nicht so“, und: „Der Urknall, den man heute an den Anfang der Welt setzt, steht nicht in Widerspruch zum göttlichen Schöpfungsplan, er verlangt nach ihm. Die Evolution in der Natur steht nicht im Kontrast zum Begriff Schöpfung, denn die Evolution setzt die Erschaffung der Wesen voraus, die sich entwickeln.“
Eine „rote Linie“ hingegen ziehe der Vatikan bei „Atheismus-Thesen“ wie der „des Biologen Richard Dawkins“, „der die Evolution für einen Beweis dafür hält, dass es Gott nicht geben kann“. Denn wenn auch „die Wissenschaft mittlerweile für den Vatikan mehr Partner als Gegner sein soll – Kampffelder wird es wohl immer geben“. „Zygon“, ein „Religions- und Wissenschaftsmagazin“, wird wie folgt zitiert: „Trotz aller Bemühungen und positiven Signale muss die Theologie noch einen langen Weg zurücklegen, um die Wissenschaft als eine wahre Herausforderung und Inspiration anzuerkennen und sie in den theologischen Lebenslauf zu integrieren.“ „Aber wie der damalige Papst Johannes Paul II. in seiner historischen Galilei-Wiedergutmachungsrede im Oktober 1992 sagte: ‚Nie wieder ein Fall Galilei.‘“ (Zu Galilei vgl. Die Starwissenschaftler)
Warum man einen Stephen Hawking (s. Die Starwissenschaftler II) mit seiner These „Gott ist überflüssig“ in die „Päpstliche Akademie der Wissenschaften“ aufnimmt und gleichzeitig eine „rote Linie“ gegen Richard Dawkins zieht, „der die Evolution für einen Beweis dafür hält, dass es Gott nicht geben kann“, bleibt schleierhaft. Der „Galilei-Schock“ sitzt jedenfalls tief und hat jeden Widerstand gegen den Evolutionismus und Darwinismus erlahmen lassen, der heute eigentlich nur noch von „evangelikalen Fundamentalisten“ geleistet wird. Es ist zu erwarten, daß sich die reichlich willkürlich gezogene „rote Linie“ immer weiter verschieben wird, bis auch millitanter Atheismus und Genderismus sich im Bereich der „Päpstlichen Akademie der Wissenschaften“ offen tummeln dürfen.
4. Was ist da geschehen? Gott hat unseren Stammeltern im Paradies offenbart, daß sie von dem Baum in der Mitte nicht essen dürften, da sie andernfalls sterben müßten. Die Schlange aber lehrte sie im Namen der „Wissenschaft“, daß es keineswegs so sei; vielmehr würden sie, wenn sie davon äßen, selber sein wie Götter, selber erkennend, was gut und böse ist. Ganz empirisch zeigte sich sodann, „daß der Baum gut davon zu essen und lieblich den Augen und angenehm anzuschauen sei“ (Gen 3,6); wo also sollten Gefahr und Gift stecken? Also nahm Eva „von seiner Frucht und aß und gab ihrem Manne, und er aß“ (ebd.). Sogleich hatten sie ihre ersten wissenschaftlichen Erkenntnisse und zogen die technischen Konsequenzen: „Da wurden ihre Augen aufgetan; und da sie erkannten, daß sie nackt seien, flochten sie Feigenblätter zusammen und machten sich Schürzen“ (Gen 3,7). Im Kommentar heißt es dazu: „Der böse Feind hatte versprochen, daß ihre Augen aufgetan werden, doch die einzige neue Erkenntnis der Stammeltern, nachdem diese Gott verachtet, ist, daß sie sich der Nacktheit bewußt werden. Da ihr Geist sich gegen Gott empört, empörte sich auch der Leib gegen den Geist und es regte sich die böse Begierlichkeit. Durch die Bedeckung der Leibesglieder suchten die ersten Eltern ihre geistige Blöße zu verhüllen.“
Ebenso lehrt uns die moderne „Wissenschaft“: Keineswegs ist die Welt von Gott geschaffen, sie ist vielmehr aus einem Urknall hervorgegangen. Keineswegs hat Gott die Menschen erschaffen. Das Leben hat sich von selber entwickelt und der Mensch entstammt der Tierwelt durch Evolution. Keineswegs besitzt er eine Geistseele. Sein Gehirn hat sich weiter entwickelt als das der anderen Tiere, darum vollbringt er Dinge, welche diese nicht können. Der Geist ist nichts als ein Produkt seines Gehirns. Keineswegs gab es einen Sündenfall und gibt es eine Erbsünde. Die Entwicklung des Menschen ist noch im Gange, er ist nicht vollkommen. Doch dank seiner Wissenschaft und Technik vervollkommnet er sich immer weiter. Er wird bald nicht nur die Erde, sondern auch den Himmel beherrschen. Er wird andere Welten entdecken und besiedeln, er wird andere Lebensformen finden oder erschaffen, er wird seine Fähigkeiten immer mehr vervollkommnen, namentlich sein Gehirn, mit dem er bald alles direkt steuern wird und direkt kommunizieren kann. Er wird die ganze Welt verbessern und vervollkommnen. Kurz, er wird sein wie die Götter, und niemand wird ihm mehr zu sagen haben, was er darf und was er nicht darf. Er entscheidet kraft der autonomen Moral selber, was gut und was böse ist.
Dieser ebenso hochmütige wie hochzivilisierte Mensch ist bei all seiner Wissenschaft und Technik sittlich auf ein Niveau gesunken, dessen sich die alte Heidenwelt schämen würde. Alle Bereiche seines Lebens werden von der dreifachen Begierlichkeit bestimmt, der Augenlust, der Fleischeslust und der Hoffart des Lebens. Aber er erkennt nicht einmal mehr, „daß er nackt ist“, oder er denkt sich jedenfalls nichts mehr dabei. Eben das ist so bedenklich. Der moderne, „wissenschaftlich aufgeklärte“ Mensch hat jedes Empfinden für seine eigene Blöße verloren. Und keiner wagt mehr, es ihm zu sagen, aus Angst für dumm gehalten zu werden wie in der Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern. Oder aus Angst vor Repressalien, denn gegen nichts wehrt sich der moderne Mensch mehr als gegen die Einsicht, nackt zu sein.
Nur die Kirche wäre noch fähig, den modernen Menschen seinem unaufhaltsamen Niedergang zu entreißen. Doch der Klerus der Kirche hat selber mit dieser Welt gebuhlt, und zur Strafe hat Gott sie der geistlichen Autorität beraubt. So scheint die Lage rettungslos. Das war sie nach dem Sündenfall allerdings auch, hätte Gott nicht sogleich die Erlösung beschlossen, angekündigt und ins Werk gesetzt. Wie sieht es heute aus?
5. Das Werk der Erlösung ist noch nicht abgeschlossen. Seine Vollendung steht noch aus. Der heilige Paulus schildert uns den Verlauf der Erlösung: „Und gleichwie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle zum Leben kommen. Ein jeder aber nach seiner Ordnung, als Erstling Christus; danach die welche Christus angehören und an seine Ankunft geglaubt haben. Hierauf ist das Ende, wenn er das Reich Gott und dem Vater übergeben und jede Herrschaft, jede Gewalt und Macht abgetan haben wird. Er muß aber herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße legt. Als letzter Feind aber wird der Tod vernichtet werden; denn alles hat er unter seine Füße unterworfen. Wenn ihm aber alles unterworfen sein wird, dann wird auch der Sohn selbst dem unterworfen sein, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott alles in allem sei“ (1 Kor 15, 22-26. 28).
Mit der Ankunft Christi, an welche jene geglaubt haben, die Christus angehören, ist laut dem Kommentar bei Arndt-Allioli die „zweite Ankunft“ gemeint, das „Ende“ bezeichnet nach dem heiligen Chrysostomus das „Ende dieser Welt und die Vollendung der Dinge“. „Zuerst wird Christus jede Herrschaft, Macht und Gewalt abtun, alsdann dem Vater das Reich übergeben“, heißt es im Kommentar. „Herrschaften, Mächte und Gewalten sind die bösen Geister, welche nach dem Chore der Engel, zu dem sie einst gehört haben, genannt werden.“ Bis dahin wird auch die „fälschlich so genannte Wissenschaft“ (1 Tit 6,20) auf ihren tönernen Füßen zusammengebrochen sein.