Kunst – Kitsch – Krempel?

Es ist eine prophetenlose Zeit, die wir durchleben müssen, und eine solche prophetenlose Zeit ist letztlich immer eine Strafe Gottes dafür, daß die Menschen meinen, auch ohne Gott und Seine Weisungen ganz gut zurechtkommen zu können. Die Strafe besteht also vor allem darin, daß Gott die Menschen sich selber überläßt, was gewöhnlich in einer Katastrophe endet. Dagegen haben die Propheten die Aufgabe, das Volk im Namen Gottes zu mahnen, zu belehren, zu ermuntern oder auch zurechtzuweisen. Fehlen die Propheten, so verfängt sich die Masse immer mehr im Irrtum, und schließlich folgt die Verblendung – denn die falschen Propheten nehmen überhand.

Wenn es heutzutage auch keine echten Propheten mehr gibt, so gibt es dennoch Prophetisches. Dazu zählt die Kunst, denn die Kunst gewährt einen Einblick in den Geisteszustand der Gesellschaft. In der Kunst offenbart sich nämlich der vorherrschende Geist, man kann an ihr ablesen, wie und was die Gesellschaft denkt, wessen Geistes Kind sie ist. Es kommt noch hinzu, daß der Künstler meist auch etwas Prophetenhaftes an sich hat. Aufgrund seines künstlerischen Genies ahnt nämlich der Künstler oft im Voraus schon neue geistige Strömungen und bringt sie vorzeitig und vorausschauend ins Werk, er macht sie darin anschaubar und damit verstehbar. Darum sollte man die Kunst auch ernst nehmen und ihre An- und Absichten richtig deuten. Ein echtes Kunstwerk ist wie ein Zeitspiegel. Man muß nur lernen, richtig in diesen Spiegel zu schauen, dann wird man die Zeichen der Zeit deuten können.

Hans Sedlmayr beschreibt in seinem Werk „Kunst und Wahrheit“ das Entstehen eines Kunstwerkes skizzenhaft folgendermaßen: „Ein kurzer Blick auf die Genese des einzelnen Kunstwerks läßt einige Hauptgruppen von ‚Faktoren‘ erkennen. Das Kunstwerk entsteht gleichsam im Lichtbogen zwischen den ‚Anschauungen‘ eines Künstlers (in diesen Augenblicken seines Schaffens) und der Aufgabe, die ihm aus der Gemeinschaft gestellt ist, in deren Rahmen er schafft; was nicht in Form eines Auftrags zu geschehen braucht. Denn der Fall, daß der Künstler selbst sich die Aufgabe stellt, ist eine späte Ausnahme. An beiden Polen dieses Lichtbogens wirken nun außer individuellen Faktoren auch generelle. Sie gehören — wenn man in erster Näherung nur auf das Gröbste blickt — im wesentlichen, wie der Mensch selbst, drei Seinsbereichen an: dem biologischen, dem soziologischen und dem geistigen. Ihre Beschaffenheit und Art und Weise ihres Zusammenwirkens festzustellen, ist in jedem einzelnen Fall Aufgabe der empirischen Kunstgeschichtsforschung“ (Hans Sedlmayr, Kunst und Wahrheit, Rowohlt Hamburg 1959, S. 76).

Das echte Kunstwerk ist wie der Mensch selbst verleiblichter Geist, ein zur Gestalt und damit zur Anschauung gebrachter Geist. Je nach Qualität des Werkes wird es diesem Anspruch zwar nur mehr oder weniger gerecht werden, aber im Grunde, von der Aufgabe und dem Auftrag her bleibt es doch wahr. Der Künstler bringt den gesellschaftlichen Anspruch zur individuellen, künstlerischen Darstellung. Damit ihm das gelingen kann, muß er den an ihn gestellten Anspruch entsprechend verinnerlicht und künstlerisch bewältigt haben. Ist das der Fall, dann spricht man von einem wahren Kunstwerk – und von Schönheit. Denn dem wahren Künstler geht es immer um die Schönheit des Dargestellten. Dabei ist hier mit Schönheit mehr gemeint als in der alltäglichen Sprache.

Der hl. Bonaventura definiert die Schönheit eines Bildes in seinem Sentenzenkommentar folgendermaßen: „Zweifach ist die Schönheit eines Bildes begründet, wenn auch in dem, dessen Bild es ist, immer nur ein Grund zu finden ist. Das erhellt daraus, daß man ein Bild schön nennt, wenn es 1. wohl gelungen (gut gemacht) ist und 2. den, den es meint, auch gut darstellt. Daß dieses zweite auch ein Grund der Schönheit ist, ergibt sich daraus, daß dieser Grund allein ohne den ersten vorhanden sein kann. So nennt man ein Bild des Teufels schön, wenn es die Abscheulichkeit des Teufels gut zur Darstellung bringt“ (Ebd. S. 128).

Schönheit bedeutet hier also mehr als nur schön anzusehen zu sein. Schönheit wird als Transzendentale gesehen, welche dem Sein als solchem zukommt. Etwas wird darum nur dann schön genannt, wenn es das Wesen, das Sosein und Eigensein des Dargestellten gültig, gelungen und wahr darstellt. Darum ist auch das Bild des Teufels nicht häßlich, weil man den Teufel notwendigerweise häßlich darstellen muß. Trotz der Häßlichkeit des Teufels wird das Bild schön genannt, weil es die Abscheulichkeit des Teufels gut und wahrheitsgemäß zur Darstellung bringt.

Hierzu bemerkt Hans Sedlmayr weiter: „Diese Forderung hat aber einen Sinn nur, wenn es Bildzeichen und im weiteren Verstand Bildmittel überhaupt gibt, die dem gemeinten Bildgehalt angemessen (adäquat), und andere, die es nicht sind. Die Forderung nach Adäquatheit hätte keinen Sinn, wenn den Bildmitteln selbst nicht ein bestimmter ‚sinnlich-sittlicher‘ Charakter zu eigen wäre. Freilich nicht so, daß zum Beispiel einer bestimmten Farbe ein fixer ‚Ausdruckswert‘ ein für allemal zukäme — das war das klassizistische Mißverständnis Goethes —, aber doch auch nicht so, daß der Künstler einer bestimmten Farbe jeden beliebigen Charakter verleihen könnte. Hier walten sublime, aber erforschbare Wechselbeziehungen und Gesetzlichkeiten“ (Ebd. S. 129).

Schönheit ist nicht einfach subjektiv, sie unterliegt durchaus gewissen objektiven Kriterien, so daß es „erforschbare Wechselbeziehungen und Gesetzlichkeiten“ zwischen dem, was dargestellt werden soll und dem, wie es sodann dargestellt wird, geben muß. Hans Sedlmayr bringt hierzu ein Beispiel: „Am gröbsten deutlich wird das am Beispiel des Symbols. Gewiß gibt es eine ganze Menge ambivalenter und polyvalenter Symbole. Der Löwe kann sowohl Christus als auch den Teufel (oder auch den Fürsten) symbolisieren, aber gewiß nicht die Sanftmut, die Feigheit (oder den Bettler). Und ebenso gewiß gibt es — geradezu im mengentheoretischen Verstand — ganze ‚Mengen‘ von Symbolen, die ungeeignet sind, sowohl Christus als auch den Teufel, andere Mengen, die ungeeignet sind, einen von beiden zu symbolisieren. Was für das Symbol gilt, gilt mutatis mutandis (= mit den nötigen Abänderungen) für die Allegorie (man kann die Reinheit nicht durch eine Hure oder einen Misthaufen allegorisieren), in etwas anderer Weise für die Metapher und schließlich für alle Bildzeichen und Bildmittel: Formen, Farben, Rhythmen, Kompositionsschemata, Formate, Materialien, Techniken usw. Das Angemessene oder Nicht-Angemessene eines Bildmittels ist also in der Sache selbst begründet und der Willkür einer bloßen Setzung durch den Künstler entzogen“ (Ebd.).

Der Künstler kann durchaus nicht vollkommen willkürlich irgendwelche Gestaltungsmittel wählen, um ein Kunstwerk zu schaffen. Er ist in vielerlei Hinsicht gebunden und seine künstlerische Freiheit bewegt sich innerhalb eines festen, durch die Wirklichkeit vorgegebenen Rahmens. Will er ein wahres Kunstwerk schaffen, muß er diese Seinsvorgaben kennen und verstehen und künstlerisch bewältigen, ehe er ans Werk gehen kann. Echte Kunst verlangt deswegen auch vom Künstler wahres, ja meisterliches Können. Die großen Künstler nennt man nicht umsonst „Meister“, denn nur ihnen gelingt es, so seltsam das zunächst klingen mag, das Wesen eines Dinges so darzustellen, daß es im Kunstwerk besser verstehbar wird als in der Wirklichkeit. Ist doch ein Kunstwerk nicht einfach nur eine Photographie dessen, was es darstellt, es ist auch immer eine das Wesen erhellende Interpretation. Es ist also unbedingt festzuhalten: „Das Angemessene oder Nicht-Angemessene eines Bildmittels ist also in der Sache selbst begründet und der Willkür einer bloßen Setzung durch den Künstler entzogen.“

Kommen wir nun mit Hans Sedlmayr nochmals zur Definition des hl. Bonaventura zurück, um den Sachverhalt noch etwas genauer zu erörtern: „Ob ein Bild im Sinne des zweiten Grundes der Schönheit nach Bonaventura schön ist oder nicht, kann man nur dann sagen, wenn man weiß, was mit dem Bilde gemeint ist (wenn man das, was es meint, kennt). Was als Bild des Teufels schön ist, kann als Bild des Menschen häßlich sein. Um zu sagen, ob das Bild des Teufels schön ist, muß man a) wissen, was ein Teufel ist, b) wissen, ob mit dem Bild ein Teufel gemeint ist“ (Ebd.).

Diese Bemerkung mag vielleicht fast banal und beinahe überflüssig erscheinen, sie ist es aber durchaus nicht, wie wir noch sehen werden, wenn wir von der modernen Kunst sprechen. Es ist jedenfalls notwendig, daran zu erinnern, jede Schönheit ist an Wirklichkeit gebunden, und nur wenn man die Bestimmtheiten der Wirklichkeit kennt, kann man auch begründet von der Schönheit der Dinge und damit auch von der Schönheit eines Kunstwerkes sprechen. Denn das Kunstwerk muß diese Bestimmheiten des konkreten Seins nicht nur richtig, wahrheits- und wirklichkeitsgemäß darstellten, sondern sogar kunstvoll. Wie gesagt, ist jedes Kunstwerk nicht nur einfach Reproduktion der Wirklichkeit, es ist immer auch gekonnte, kunstvolle, auf Schönheit zielende Interpretation. Eine solche gültige, das Sein aufhellende Interpretation im Kunstwerk geben zu können, das ist die außerordentliche Leistung eines echten Meisters.

Dem Schönen ist das Häßliche entgegengesetzt, wie Hans Sedlmayr weiter zeigt: „Aus der einfachen logischen Transformation jener Definition des schönen folgt die des häßlichen Bildes: ‚Man nennt ein Bild dann häßlich (gemäß der anderen Begründung der Schönheit), wenn es das, was es meint, schlecht zum Ausdruck bringt; so nennt man das Bild des Teufels häßlich, wenn es die Abscheulichkeit des Teufels schlecht darstellt.‘ Dieses häßliche Bild, z.B. des Teufels, ist jedenfalls in anderem Sinne häßlich als das ungekonnte oder mißlungene (quae male protracta est). Und es ist etwas ganz anderes als z.B. das diabolische Bild des Teufels (darüber unten)“ (Ebd. S. 130).

Es gibt nicht nur Schönes in unserer Welt, es gibt auch Häßliches. Aber zwischen dem Häßlichen, das wir in der Welt sehen und einem häßlichen Bild ist ein wesentlicher Unterschied. Ein häßliches Bild wird letztlich durch den Mangel an Wahrheit häßlich. Es verfälscht das, was dargestellt werden soll, und zwar nicht wegen der Unfähigkeit des Künstlers, sondern willentlich. Da diese Absicht der Verfälschung mehr und mehr die Kunst vereinnahmt hat, ist es notwendig, diese Entwicklung nachzuzeichnen. Nur dadurch wird es möglich, das zu verstehen, was man gemeinhin „moderne Kunst“ nennt.

Wie in vielen anderen Bereichen unseres Lebens hat auch in der Kunst die Moderne eine Revolution vollzogen. In seinem Werk „Die Revolution der modernen Kunst“ zeigt Hans Sedlmayr die revolutionären Veränderungen auf und versucht, sie zu werten. Genauso wie in den anderen Lebensbereichen die Moderne sich als Antithese zur Vergangenheit, zum „Alten“, „ewig Gestrigen“ sieht, so auch im Bereich der Kunst, wie Sedlmayr einleitend darlegt: „Mit dem Wort ‚moderne Kunst‘ wird — ob man es nun rühmend oder ablehnend gebraucht — die Vorstellung heraufgerufen, irgendwann in ‚unserer Zeit‘ sei in der Kunst und durch sie etwas ‚ganz Neues‘ entstanden, etwas, was diese ‚moderne Kunst‘ und nur sie gründlich von aller ‚alten Kunst‘ unterscheidet. Dieses in seinem Wesen mehr gefühlte als wirklich erkannte Neue wird leidenschaftlich verherrlicht und leidenschaftlich verdammt, es wird verstanden und mißverstanden. Dabei sind es durchaus nicht immer die Anhänger der modernen Kunst, die sie am besten verstehen. Ein Werk, das Entsetzliches aussagt, wird besser von denen verstanden, denen das Entsetzen in die Glieder fährt, auch wenn sie dagegen wüten, als von denen, die nichts von sich geben als Ausbrüche des Entzückens über die Kunstleistung“ (Hans Sedlmayr, Die Revolution der modernen Kunst, Rowohlt Hamburg 1955, S. 9).

Wie fast in allen Bereichen des heutigen Lebens wirken auch in der Kunst die Zauberworte „neu“ und „modern“ elektrisierend. Wie von einem Rausch ergriffen, mußte plötzlich alles neu und modern sein, sollte es noch Anerkennung finden. Dabei war es aber, genau genommen, nur eine kleine Elite, die der Allgemeinheit dieses neue Lebensgefühl einredete, mit erstaunlichem Erfolg einredete! Anfangs wurde dieses „in seinem Wesen mehr gefühlte als wirklich erkannte Neue leidenschaftlich verherrlicht und leidenschaftlich verdammt, es wird verstanden und mißverstanden“.

Es würde hier viel zu weit führen, die vielen Erkenntnisse des Autors diesbezüglich nachzuzeichnen, wir müssen uns auf einen einzigen Aspekt beschränken. Jedes Kunstwerk, so meint man wenigstens, hat einen kunstvollen Aufbau, es entspricht den Gesetzen der Proportion, der Farben- und Formenharmonie. In der modernen Kunst wird dies verneint. Das moderne „Kunstwerk“ hat nicht nur einen anderen Aufbau als die alten Kunstwerke, es bemüht sich, überhaupt keinen festen Aufbau mehr zu zeigen. Hören wir dazu die erhellenden Ausführungen von Hans Sedlmayr: „Nun wird das tektonische (nach griechisch tektonikós „die Baukunst betreffend“, also das Bau-) Element des Bildes nicht nur erschüttert, sondern es wird aufgegeben. Dieser Aufstand gegen das Tektonische (das Bild soll keinen klaren, festen, gegliederten Aufbau mehr haben) ist ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung. Daß nach Epochen, in denen das plastische Element einen besonderen Rang hatte und alle Künste mehr oder minder bestimmte, dieses plastische Element wieder ausgestoßen wurde, ist in der Weltgeschichte der Kunst schon mehrmals dagewesen (Umschwung vom Paläolithikum zum Neolithikum, von der minoischen Kunst zur geometrischem, von der Antike zur Spätantike). Das gleiche gilt für das Aufgeben eines rationalen perspektivischen Systems (einerlei welcher Bauart). Niemals aber ist das tektonische Element in diesem Maße aus der Malerei und — wie wir gleich sehen werden — auch aus der Plastik ausgestoßen oder doch so tief in Frage gestellt worden wie jetzt am Beginn des 20. Jahrhunderts“ (Ebd. S. 26).

Es stellt sich jedem, der sich mit der modernen Kunst beschäftigt, sofort die Frage: Warum ist das so? Was motiviert die modernen Künstler, das tektonische Element in diesem Maße, ganz und gar radikal aus der Malerei und Plastik auszustoßen? Dahinter stehen letztlich zwei geistesgeschichtliche Veränderungen (Revolutionen): Die moderne, sich absolut gebende Freiheit und damit dialektisch verbunden der Nihilismus. Die moderne Freiheit möchte alle Grenzen überwinden und alle gesetzlichen Bindungen abschütteln. Das gilt nicht nur gegenüber der Gesellschaft, das gilt vor allem und zunächst auch gegenüber Gott. Diese Loslösung von allem führt aber nicht zur erträumten Freiheit, sondern notwendigerweise zum Nihilismus. Wenn man sich nämlich von allem befreit hat, dann bleibt nichts mehr übrig! Die absolute Bindungslosigkeit des Lebens hat zur Voraussetzung die absolute Sinnlosigkeit des ganzen Daseins. Denn jeder Sinn bedeutet Bestimmtheit und jede Bestimmtheit bedeutet Bindung. Denn, wenn etwas bestimmt ist, eines zu sein, kann es nicht zugleich etwas anderes sein. Angewandt auf die Malerei heißt das: An und für sich gibt es kein Bild ohne Farbe und ohne Formen – aber genau auf das zielt die moderne Malerei in ihrem Freiheits-, ihrem Autonomiewahn.

Wie sieht jedoch ein Bild konkret aus, das von allen Farben und Formen befreit ist? Hans Sedlmayr erläutert das anhand eines Beispiels: „Den schärfsten Ausdruck des Atektonischen zeigen jene Bilder, in denen Oben und Unten praktisch ununterscheidbar geworden ist. Das hat sich zuerst nur ganz leise und sozusagen verhüllt angekündigt. Solange das Bild noch Dinge der realen Welt darstellt, tritt dieser Fall nur ausnahmsweise und nur näherungsweise ein, im allgemeinen nur dort, wo den dargestellten Phänomenen selbst etwas Labiles anhaftet, wie zum Beispiel in Turners Bild des Schneesturmes auf bewegter See, wo im Aufruhr der Elemente der Schornstein des winzigen Dampfers noch die schwankende Orientierung gibt. Bilder dieser Art waren denn auch die ersten, bei denen es vorkommen konnte, daß man beim Hängen Oben und Unten vertauschte. Was in den Tagen der abstrakten Kunst sehr leicht geschehen kann, nicht selten geschehen ist und noch öfter geschehen würde, wenn man inzwischen nicht die Notwendigkeit erkannt hätte, auf diskrete Weise kenntlich zu machen, wo nach den Intentionen des Künstlers ‚Oben‘ sein soll“ (Ebd.).

Um das Wahnwitzige dieses Unternehmens richtig einordnen und begreifen zu können, wäre es nun notwendig, einen Ausflug in die philosophische Erkenntnislehre zu machen. Es geht nämlich letztlich darum, ein Bild zu malen, in dem es keinerlei Bestimmtheiten mehr gibt, das also im letzten unerkennbar ist. Erkennbar ist nämlich immer nur Bestimmtes, denn nur durch eine Bestimmung unterscheidet sich ein Etwas von einem anderen. Wenn alle Dinge vollkommen gleich wären, also alle dieselben Bestimmungen verwirklichen würden, könnte man sie genausowenig unterscheiden, wie wenn sie vollkommen unbestimmt wären. Wobei man aber bei den Dingen, die alle gleich sind, das Gleichsein anhand von gleichen Bestimmtheiten einsehen kann, wohingegen man über etwas vollkommen Unbestimmtes letztlich gar nichts aussagen könnte. Nur weil es dieses vollkommen Unbestimmte in der Wirklichkeit gar nicht gibt, ja, es in der Wirklichkeit gar nicht existieren kann, sondern im wirklichen Ding immer auch gewisse Bestimmungen sich finden, selbst in dem Unbestimmtesten, kann man darüber auch etwas aussagen.

Nun sind aber diejenigen Bestimmungen, die in der modernen Kunst noch übrig bleiben, weil sie dem Wunsch entspringen, möglichst unbestimmt, frei zu bleiben, vollkommen willkürlich. Darum, darauf verweist Hans Sedlmayr ebenfalls, verändert sich das Bild auch wesentlich „Bildbau aber heißt jetzt nur mehr eine ‚autonome‘, eigenen, vom Künstler frei gesetzten Spielregeln folgende Ordnung von Teilflächen in der vorgesetzten Gesamtfläche. Es ist klar, daß sich diese Tendenz zum Atektonischen, die sich aus der übergreifenden Tendenz der Malerei, ganz ‚rein‘, ganz autonom zu werden, ergibt, und die sich zunächst an unscheinbaren Symptomen verraten hatte, erst ganz durchsetzen kann, wenn das Bild auf die Darstellung der ‚wirklichen‘ Welt verzichtet. Das eine bedingt das andere“ (Ebd. S. 27).

Eine Kunst, die meint, sie könne ganz auf objektive Regeln verzichten, dafür eigenen, vom Künstler frei gesetzten Spielregeln folgt, wird notwendigerweise gegenstandslos, also abstrakt und unverständlich. Darum ist es nötig, um etwa dem Rätselraten des Betrachters und der daraus folgenden Ratlosigkeit entgegenzusteuern, „auf diskrete Weise kenntlich zu machen, wo nach den Intentionen des Künstlers ‚Oben‘ sein soll“. Es ist vergleichbar mit der Sprache: Würde jemand jeweils wieder eine ganz eigene, also damit nur ihm verständliche Sprache erfinden, so dürfte er sich natürlich nicht darüber wundern, daß ihn niemand verstehen kann. Seltsamerweise wundern sich aber die modernen Künstler durchaus darüber, daß sie niemand versteht, obwohl sie, wenn sie ihre eigenen Ideen ernst nähmen, zugeben müßten, daß sie gar nicht verstanden werden können – und wollen. Denn gerade das Unverständliche an ihren Kunstwerken macht den modernen Künstler interessant – was sollte auch sonst daran noch interessant sein? So gesehen muß man feststellen: Den modernen Künstlern fehlt es offensichtlich an dem nötigen philosophischen Wissen und an Wahrhaftigkeit.

Da es, wie schon kurz dargelegt, unmöglich ist, vollkommen Unbestimmtes zur Darstellung zu bringen, die modernen Künstler aber gerade dies im Grunde oder besser irrsinnigerweise wollen, weichen sie gerne ins Irrationale der Traumwelt aus, wie Hans Sedlmayr hervorhebt: „Die Vorliebe der modernen Malerei für die unfeste Welt des Traumes und die Bevorzugung der Vorstellung gegenüber der Wahrnehmung ist mitbedingt durch diese Abneigung gegen das Tektonische. Sie ist sozusagen die gegenständliche Entsprechung zu dem formalen Vorgang der Enttektonisierung. Zwar wird gerade in der modernen Malerei viel vom Bildbau gesprochen, aber das Wort meint nun etwas ganz anderes als bisher. Die antitektonischen Richtungen der modernen Malerei erkennen nicht mehr an, was Grundlage alles wirklichen Bauens wie — in die Fläche transponiert — des alten ‚gebauten‘ Bildes gewesen ist, das auf die Baukunst — oder auf die gleichfalls ‚gebaute‘ Schrift — direkt oder indirekt bezogen war: die faktische Erdbasis oder ihr bildliches Symbol, die horizontale Standfläche oder Standlinie. Durch die Bejahung des Atektonischen löst die Malerei ihre Bindung an die Architektur. Umso merkwürdiger ist es jedoch, daß bei diesen untektonischen Bildern die Negierung des Tektonischen das starre Gerüst des Rahmens nicht ergreift. Sie halten vielmehr an den geraden Horizontalen und Vertikalen des Rahmens fest; sie können daran festhalten, weil ein rechteckiger Rahmen Oben und Unten nicht mehr erkennen läßt. An diesem Festhalten verrät sich jedoch, daß diese Malerei nicht atektonisch, sondern antitektonisch, daß sie aus dem Widerspruch gegen eine vorausgesetzte Tektonik hervorgewachsen ist“ (Ebd. S. 26-27).

Dieses Festhalten an einem festen Rahmen ist wirklich recht merkwürdig und kann keineswegs von der Theorie her erklärt werden. Es entspricht wohl eher einer uneingestandenen rein praktischen Notwendigkeit. Der Künstler muß sein Kunstwerk – jedenfalls wenn er es auch verkaufen will – an eine gewisse überschaubare Form und Größe binden. Aber im Grunde, würde er sich ganz ernst nehmen, müßte er die ganze Welt mit vollkommener Unbestimmtheit übermalen – aber wo sollte der Künstler dann noch leben?

Damit sollte eines klar geworden sein, jeder moderne Künstler steht vor einem unlösbaren Problem: In der Praxis ist seine theoretische Vorgabe niemals zu verwirklichen. Sein „künstlerisches“ Ideal ist niemals darstellbar, es ist nicht ins Bild oder ins Werk zu bringen. Der Künstler könnte höchstens versuchen, einen weißen Fleck auf weißem Hintergrund zu gestalten, wobei er peinlich darauf achten müßte, daß der Fleck und der Hintergrund ununterscheidbar blieben und daß beide sich ins Unendliche ausweiten und verlieren. Eine sicherlich interessante Lebensaufgabe, die aber vermutlich in der Psychiatrie enden würde, wo das Leben so manchen modernen Genies auch wirklich endete.

In der Tat ist es deswegen auch anders, als die theoretische Vorgabe verlangen würde, auch abstrakte Gemälde stellen noch „Gegenstände“ dar. Dabei ist jedoch eines besonders zu beachten: In der wirklichen Welt gibt es keine geistigen Freizonen, keine neutralen Gebiete. D.h. wer sich, was in der modernen Malerei de facto geschieht, von der Welt Gottes loslöst, der stellt sich damit nicht einfach nur außer Gott, sondern er stellt sich letztlich gegen Gott. Dies zeigt sich auch in der Entwicklung der modernen Kunst jedem, der es sehen will. Die anfänglich ausgegebenen Parole von der „reinen“ Kunst kann selbstverständlich nicht eingelöst werden, das „Reine“ der modernen Kunst ist nicht mehr das Schöne, es ist das Gestaltlose, Gespenstische, das Häßliche, das sich schließlich zum Dämonischen wandelt.

Doch verfolgen wir diese Entwicklung noch ein wenig weiter. In seinem Werk „Die Revolution der modernen Kunst“ behandelt Hans Sedlmayr „Die Dialektik des Ästhetischen“. Zunächst stellt er fest: „Das Streben nach Reinheit, welches die Gattungen der absoluten Künste hervorbringt und sich in jeder Gattung wiederum als das Streben nach reinen Elementen äußert, offenbart sich auch auf einer höheren Ebene. Auch die Kunst als solche strebt danach, ganz nur reine Kunst zu werden. Dies ist ein Phänomen von wahrhaft ungeheurer Bedeutung, welches man nicht genug beachtet hat. Die Kunst löst ihre Verbindung zur Seinsordnung und Wertordnung, sie möchte Kunst ‚machen‘ unter ‚Absehen von allen ethischen und religiösen Rücksichten‘. Sie möchte völlig autonome Kunst sein. Abstrakt ist die Kunst, die von allem absieht, was nicht Kunst ist (Weidle)“ (Ebd. S. 58f).

Wie wir sehen, übernimmt die moderne Kunst ganz selbstverständlich den Grundzug der Moderne, die radikale Abwendung vom Althergebrachten, d.h. das „Absehen von allen ethischen und religiösen Rücksichten“, was nichts anderes ist als die Verleugnung der christlichen Wurzeln der ganzen abendländischen Kunst. Diese Loslösung von der „Seinsordnung und Wertordnung“ wird sodann euphemistisch Autonomie genannt, obwohl sie reinste Willkür ist. Diese Loslösung „ist ein Phänomen von wahrhaft ungeheurer Bedeutung, welches man nicht genug beachtet hat“, denn sie zerstört den „alten“ theologischen bzw. transzendentalen Begriff des Schönen und ersetzt ihn durch einen primitiven Ästhetizismus. In der mittelalterlichen Philosophie und Theologie war das Wissen noch präsent, Schönheit ohne Bezug auf Gott als Schöpfer allen irdischen Seins ist unmöglich.

In seinem Aufsatz über „Das ‚Schöne‘ im Denken des Thomas von Aquin“ verweist Ludger Müller auf die persönliche Leistung des Aquinaten bei der Durchdringung des Begriffs des Schönen, was uns hier besonders interessiert: „Als eigene Leistung des Thomas ist aber auch die eigentümliche Interpretation des Begriffs-Elementes der Proportion anzusehen. Thomas meint damit mehr als nur das richtige Verhältnis von Teilen eines einzelnen Schönen zueinander: ‚Es gibt nämlich eine doppelte Übereinstimmung (consonantia) bei den Dingen: erstens gemäß der Hinordnung des Geschaffenen auf Gott...; die zweite Übereinstimmung aber ist in den Dingen gemäß ihrer Hinordnung zueinander.‘ Die ‚zweite Übereinstimmung‘ steht bei den Interpreten der Aussagen des Thomas über das Schöne im Vordergrund, sie muß jedoch zusammen gesehen werden mit der ‚ersten Übereinstimmung‘, der Hinordnung auf Gott, welcher Ursache und Ziel alles Schönen ist. Die Beziehung der Teile eines Schönen zueinander verweist auf die größere Beziehung aller Dinge zu Gott. Daß die einzelnen Dinge auf Gott hin ausgerichtet sind, wodurch auch die Ordnung ihrer Teile bedingt ist, ist von Gott selbst bewirkt, und so stammt auch ihre Schönheit von Gott. Aber auch die Klarheit des Schönen stammt von der göttlichen Klarheit ab und partizipiert an dieser. So partizipiert alle geschöpfliche Schönheit an der göttlichen Schönheit, hat also mit dieser ein Gemeinsames und vermag auf diese zu verweisen, denn: ‚Wie das endliche Seiende nur der Abglanz des unendlichen Seins ist, so ist die Schönheit des endlichen Seienden nur der Abglanz der unendlichen Schönheit Gottes.‘ Zugleich ist aber auch eine gewisse Verschiedenheit von göttlicher und geschöpflicher Schönheit ausgesagt, ‚denn es ist nicht alles auf eine Weise in allem, sondern die Höherrangigen in den Niederen in der Weise der Partizipation, die Niederen aber übersteigernd in den Höheren, und dennoch hat alles mit allem ein Gemeinsames‘. Hier zeigt sich aber der theologische Charakter der Gedanken des Thomas über das Schöne“ (ThPh 57 (1982) S. 422).

Ohne Gottesbezug gibt es überhaupt keine Schönheit, denn: „Wie das endliche Seiende nur der Abglanz des unendlichen Seins ist, so ist die Schönheit des endlichen Seienden nur der Abglanz der unendlichen Schönheit Gottes.“ Nur als Abglanz der göttlichen Schönheit wird geschöpfliche Schönheit begreifbar und bestimmbar. Wer diesen Zusammenhang leugnet, wie es in der Moderne geschieht, der leugnet damit die Schönheit selbst, denn er löst sie von ihrem tragenden, rationalen Grund. Lassen wir uns diesen tragenden Grund von demjenigen erklären, von dem Gerd-Klaus Kaltenbrunner bewundernd sagt: „Dionysius schaut das Universum, wie es vor aller Zeit in Gottes Gemüt leuchtend und klingend sich regte: als Kosmos, als Ausgeburt der Urschönheit selbst. Dieser Pater aestheticissimus in aeternum kann das Gute vom Schönen und dieses vom Heiligen unmöglich trennen.“

Lassen wir also diesen Pater aestheticissimus in aeternum, den hl. Dionysius vom Areopag selbst zu Wort kommen:

„Das - über allem irdischen Licht befindliche - Gute wird von den ehrwürdigen biblischen Schriftstellern auch als das Schöne gepriesen und zugleich als die Schönheit, als die Liebe und als das Liebenswerteste, und was es sonst noch an Namen Gottes gibt, die seiner Schönes bewirkenden und Anmut spendenden Urschönheit geziemen.
Das Schöne und die Schönheit sind bei dem alles in seiner Einsheit zusammenfassenden All-Ursprung zwar unterscheidbar, jedoch nicht voneinander zu trennen. Bei allen anderen Wesen machen wir die Unterscheidung zwischen Teilnahme und Teilnehmendem, zwischen dem, woran sie teilhaben, und dem, das dessen teilhaftig ist. Wir nennen also schön, was an der Schönheit Anteil hat, und wir nennen Schönheit die Teilnahme an jenem Ursprung, der alles Schöne schön macht, also die Teilhaftigkeit an der schönheitspendenden Ursache aller schönen Dinge und Wesen. Dieses überwesenhafte Urschöne aber nennen wir zum einen eben Schönheit, weil es allem Seienden auf eine je gebührende Weise das Schönsein mitteilt, da es ja die Ursache aller Wohlgestalt und allen Glanzes ist und wie das Licht die schönheitbewirkenden Gaben seines quellenhaften Strahles in alles Seiende hineinstrahlt und alles zu sich zusammenruft (kalein, kaleo: ‚ich rufe‘), weshalb es auch Schönheit (kalós) genannt wird, und weil es alle Wesen in sich versammelt und ganz zusammenführt; zum andern nennen wir das überwesenhafte Urschöne schön, weil es durchaus und überaus schön und überschön ist, in jeder Hinsicht und auf jede Weise schön, immer gleichbleibend und unwandelbar schön, weder werdend noch vergehend, weder sich vermehrend noch sich vermindernd, nicht in einer Beziehung zwar schön, jedoch in anderer häßlich, nicht zu einer Zeit schön und zu anderer Zeit unschön, nicht hier, an einem Ort schön und dort, an anderem Ort unschön, nicht für diese schön und für jene häßlich, sondern an und für sich und in sich und immerdar und einzig-einfach schön, die urquellhafte Schönheit von allem, was schön ist, auf überragende Weise in sich selbst vorausbesitzend.
Denn in der einfachen, überwesentlichen und über der Natur der einzelnen schönen Dinge stehenden Übernatur des Urschönen urständet alle Schönheit und alles Schöne einförmig und ursprünglich zuvor, und von diesem Überschönen wird allen Wesen zuteil, daß sie auf die ihnen jeweils geziemende Weise und Art schön sind. Durch dieses Urschöne bestehen alle Einklänge, Freundschaften und Gemeinschaften. Durch es wird alles geeint, und außerdem ist es Urgrund von allem als die allschöpferische, allbewegende und durch die Liebe zu seiner eigenen Schönheit allzusammenhaltende Ursache, und schießlich ist es aller Dinge und Wesen Ende wie Ziel allen Liebesstrebens, denn des Schönen wegen entsteht und geschieht alles, und überdies ist es ur-bildliche Ursache von allem und für alles mustergültig, weil alles nach ihm geformt und bestimmt wird. Aus diesem Grunde ist das höchste Schöne dasselbe wie das höchste Gute, weil alles auf alle Weisen des Verursachtwerdens nach dem Schönen und Guten strebt und es kein Wesen gibt, das nicht am Schönen und Guten teilhat.

Dieses einzig-eine Gute und Schöne ist in seiner Einsheit und Einfalt und Einartigkeit die Ursache des vielen, was schön und gut ist. Aus ihm entstammen alle wesenhaften Gestalten des Seins, kommen ihre Einungen und Unterschiedenheiten, ihre Gleichheiten und Ungleichheiten, ihre Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten, die Gegensätze und die Gemeinschaft der Gegensätze, die Unvermischtheiten des Geeinten, die fürsorgliche Vorsehung der höheren Wesen gegenüber den tieferstehenden, der wechselseitige Zusammenhang zwischen den gleichrangigen, die rückkehrende Hinwendung der niedrigeren zu den höheren Wesen und ihr unverändertes, wohlbewahrtes Verbleiben und Verankertsein in ihrer Eigenart; aus ihm haben schließlich alle ihre angemessene Gemeinschaft miteinander, ihren harmonischen Einklang, ihre unverwirrbaren Freundschaften zueinander, die gleichwohl nicht ihre Wesenheiten auflösend vermischen, aus ihm sind die Übereinstimmungen der Teile zum Ganzen, die unauflöslichen Vereinigungen der Wesen, die unaufhörliche Kette des Entstehens und Vergehens, aller Bestand und alle Bewegtheit des Geistes, der Seelen und der Körper; denn Bestand (stasis) und Bewegtheit (kinesis) zugleich ist für sie alle das jenseits aller Bewegtheit und jenseits jeglichen Stillstands waltende Urgute und Überschöne, das einem jeglichen Ding sowohl die ihm eigentümliche Beständigkeit spendet als auch zu der ihm gemäßen Bewegungsfähigkeit verhilft“ (DN 4,7, 701 c-704 d).
(Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Dionysius vom Areopag, Die Graue Edition 1996, S. 422ff)

Dieser kurze Ausflug in die wunderbare Schönheitslehre des hl. Dionysius vom Areopag war notwendig, um den Kontrast umso größer erscheinen zu lassen, der zwischen dieser himmlischen Lehre und den irrigen Ansichten der modernen, sich autonom wähnenden Kunst besteht.

Eine solche Selbsttäuschung einer vermeintlichen Autonomie muß natürlich weitreichende Folgen haben, die auch Hans Sedlmayr aufzeigt:

Diese autonome Kunst ist aber nichts anderes als der Ästhetizismus, der Kult des Kunstschönen an sich, nicht einer Schönheit, die der ‚Glanz des Wahrem‘, des Guten und des Einen ist, sondern einer ganz losgelösten, absoluten Schönheit.“
Ästhet ist nicht nur — wie es eine oberflächliche Meinung annimmt — der Mensch, der sich mit schönen, geschmackvollen Dingen umgibt und sein Leben geschmackvoll ‚in Schönheit‘ lebt. Dies ist nur die erste, unterste Stufe des Ästhetizismus. Sondern der Ästhet ist — tiefer begriffen — der Mensch, dem die Kunst, aufgefaßt als ‚das rein Ästhetische‘, zu einem alle anderen Werte übersteigenden höchsten und selbstgenügenden Wert geworden ist.
In dem so aufgefaßten Ästhetizismus ist aber eine merkwürdige Dialektik angelegt, die von nun an das Schicksal der autonom gewordenen Kunst bestimmt. Das hat Friedrich Schlegel — aus einer existentiellen Erfahrung des ästhetischen Geistes, von dem er sich erkennend distanziert — schon 1799 vollkommen klar durchschaut (Friedrich Schlegel, Prosaische Jugendschriften I (hrg. von Minor, Wien 1906), Seite 79,165.). In einer nur auf das Ästhetische gerichteten Kunst wird, ja muß ‚der Geschmack, der alten Reize mehr und mehr gewohnt — deshalb ist in der modernistischen Kunstapologie so viel von ‚neuen Reizen‘, vom ‚frisson nouveau‘ die Rede — nur immer heftigere und schärfere begehren. Er wird schnell genug zum Pikanten und Frappanten übergehen. Das Pikante ist, was eine stumpf gewordene Empfindung krampfhaft reizt, das Frappante ist ein ähnlicher Stachel für die Einbildungskraft. Dies sind die Vorboten des nahen Todes. Das Ende ist die dünne Nahrung des Ohnmächtigen, und das Chokante (das Schockierende, v. franz. choquer = stoßen, anstoßen, beleidigen, mißfallen), ..., sei es abenteuerlich, ekelhaft oder gräßlich, die letzte Konvulsion des sterbenden Geschmacks‘ — das Ende und der dialektische Umschlag des Ästhetizismus. Die Kunst des 20. Jahrhunderts, vor allem die Malerei, hat diesen prophetischen Sätzen eine Wahrheit verliehen, deren besondere Gestalt Schlegel freilich bei weitem nicht ahnen konnte.
(Hans Sedlmayr, Die Revolution der modernen Kunst, Rowohlt Hamburg 1955, S. 59)

Der Ästhetizismus, „der Kult des Kunstschönen an sich, nicht einer Schönheit, die der ‚Glanz des Wahren‘, des Guten und des Einen ist, sondern einer ganz losgelösten, absoluten Schönheit“, ist ein Widerspruch in sich, denn es gibt kein absolutes endliches Sein. Das endliche, irdische, geschöpfliche Sein ist immer relativ, nämlich auf Gott bezogen, wie es der hl. Dionysius vorhin wunderbar gezeigt hat. Ein Ästhetizismus, der sich vom „‚Glanz des Wahren‘, des Guten und des Einen“ loslöst, sich also von der Wirklichkeit abtrennt, wird notwendigerweise zu einem Spiel mit den Reizen. Denn während die Schönheit, „die der ‚Glanz des Wahren‘, des Guten und des Einen ist“, nur dem Geist zugänglich ist, ist die rein ästhetische Schönheit bloßer Sinnenreiz. Jeder Sinnenreiz hat aber an sich, daß er sich bei grobem Gebrauch abstumpft, weshalb er nach immer mehr und immer neuen Reizen schreit – „‚Das Ende ist die dünne Nahrung des Ohnmächtigen, und das Chokante (das Schockierende, v. franz. choquer = stoßen, anstoßen, beleidigen, mißfallen), ..., sei es abenteuerlich, ekelhaft oder gräßlich, die letzte Konvulsion des sterbenden Geschmacks‘ — das Ende und der dialektische Umschlag des Ästhetizismus.“

Da wahre Schönheit darzustellen immer ein umfangreiches Wissen und zudem großes Können voraussetzt, dieses aber gar nicht mehr vorhanden ist und auch gar nicht mehr gewollt wird, sucht der Ästhet nur noch nach Befriedigung seiner Lust. Diese Befriedigung findet er letztlich nur noch im Pompösen oder im Ekelhaften oder Grauenhaften oder Häßlichen. Der wahren Schönheit gegenüber aber wird diese Art von Ästhet blind.

Es ist somit ganz richtig, wenn Hans Sedlmayr festhält: „Diese Prophezeiung Schlegels ist weit mehr als ein geistvoller Einfall. Wer sich, sei es auch nur versuchsweise, das ästhetische Dogma zu eigen macht, wird die Notwendigkeit dieser Entwicklung und des dialektischen Umschlages ohne weiteres selbst erkennen. Daß eine aufs nur Ästhetische gerichtete Kunst zum Schluß beim Abenteuerlichen, Ekelhaften und Gräßlichen enden muß, ist ebenso gewiß und evident, wie daß eine auf das ‚rein‘ Erotische gerichtete Erotik zum Schluß beim Marquis de Sade (Der berüchtigte Marquis de Sade gilt als Inbegriff des Perversen; von seinem Namen leitet sich das Wort Sadismus ab) endet. Das von Schlegel angebahnte Verständnis des Ästhetizismus erklärt nicht nur gewisse formale ‚Neuerungen‘ der modernen Kunst, sondern auch bestimmte von ihr bevorzugte Inhalte, Motive und Themen, die der Sphäre des Pikanten, des Frappanten und Chokanten angehören. Und was wäre ohne das Frappante und Chokante eine moderne Kunstausstellung? Vor allem aber erklärt es die traurige Sucht nach Neuerungen, die wahre Neu-Gier der modernen Kunst“ (Ebd. S. 59f).

Es ist schon auffallend, eine moderne Kunstausstellung wirbt oft mit dem Schockierenden, Skandalösen, denn damit kann man heutzutage mehr Aufmerksamkeit erwecken als mit wahrer Kunst. Es geht vorwiegend darum, die Neu-Gier zu befriedigen, mit immer wieder noch neueren Neuerungen zu kokettieren, was natürlich nur wertfrei möglich ist. Was aber ist eine wertfreie Kunst?

Hans Sedlmayr erklärt es uns: „Übrigens wird Schlegels Einsicht bestätigt durch Wladimir Ssolowjow, der einen ganz ähnlichen dialektischen Umschlag gesehen hat. ‚Wo nun an diese Dreieinigkeit des Guten, Wahren und Schönen nicht mehr geglaubt wird, da wird die ewige Schönheit zur alten Schönheit erklärt, und auf ihren Ruinen wird das Banner der neuen Schönheit aufgepflanzt — nämlich das Banner des Ästhetizismus. Zwischen der alten und der neuen Schönheit besteht der Unterschied, daß die erstere in engem und natürlichem Bündnis mit dem Guten und Wahren lebte, die zweite aber ein solches Bündnis nicht nur für überflüssig, sondern direkt unpassend und unerwünscht fand. Am interessantesten ist aber: Zuerst wird erklärt, die Schönheit sei frei vom Gegensatz zwischen Gut und Böse, zwischen Wahrheit und Lüge, sie stehe höher als der Dualismus und sei gleichgültig ihm gegenüber; zum Schluss aber erweist es sich plötzlich, daß diese Freiheit und Schönheit, so wie ihre angebliche göttliche Unparteilichkeit gegenüber beiden Seiten unmerklich in eine gewisse Feindseligkeit gegen eine Seite (und zwar gegen die rechte: das Wahre und das Gute) und in einen gewissen, unüberwindlichen Hang, der einer Art Krankheit gleicht, zur anderen Seite (zur linken: dem Bösen und der Lüge) übergegangen sei, in einen gewissen Pythismus, Dämonismus, Satanismus und die übrigen neuen Schönheiten, die im Grunde ebenso alt sind wie der Teufel und seine Großmutter‘ (Wladimir Ssolowjow, Deutsche Gesamtausgabe Bd. VII (1953), S. 397.)“ (Ebd. S. 60).

Am Ende der Revolution der Moderne steht das „Ihr werdet sein wie Gott“, also die Auflehnung Luzifers gegen Gott und daraus folgend der Satanismus. Die Loslösung von allen Bindungen hat zum Ziel die schrankenlose Allmacht des vermeintlich autonomen Künstlers. Es ist schon eigenartig, daß die meisten Zeitgenossen nicht mehr sehen und verstehen wollen, daß dieses Ziel niemals erreichbar ist, weil es selbstverständlich nicht in der vollkommenen Autonomie endet, die ein bloßes Wahngebilde ist, sondern im Wahnsinn.

Diese Art des Wahnsinns aber ist ein Wesenszug des Dämonischen. Der Teufel bemüht sich mit aller Macht, den Menschen ins Irrationale abzudrängen, damit er ihn umso leichter manipulieren und verführen kann. Weil das Dämonische inzwischen das Vorherrschende in der Welt ist, ist es nun noch notwendig, uns mit dem diabolischen Bild zu beschäftigen. Auch hierzu wollen wir uns auf die Ausführungen von Hans Sedlmayr stützen, die das Wesentliche klar darlegen.

Das diabolische Bild

Es ist sicherlich auffallend, daß in einer Zeit, in der man die Existenz des Teufels leugnet, die Kunst so voller teuflischer Fratzen ist wie nie zuvor. Wenn man die Kunst hierin als Prophetin ernst nimmt, so kann man die Leugnung der Existenz des Teufels nicht gar so ernst gemeint sein, manifestiert er sich doch in so vielfältiger Weise und in so vielen Bereichen unseres Lebens. Es ist nun zu fragen, was ein Bild genau zu einem diabolischen Bild macht?

Unser Autor greift in seinen Ausführungen auf Gedanken Franz von Baaders zurück: „In der bildenden Kunst ist die religiöse Epoche derselben nicht diejenige, welche nur religiöse Gegenstände bildet, so wie jene Philosophie nicht religiös ist, welche über Religion und Gott irreligiös und gottlos räsoniert — sondern diejenige, in welcher der Künstler, seines hohen Berufs als sprechendes und bildendes Gottesbild eingedenk, alle Gegenstände religiös behandelt und gleich einem Orpheus das höhere Licht und die Glut seines Gemüts auf jene verbreitet. Die zweite Epoche (als die erste Stufe der irreligiösen) ist die naturservile, wo der Künstler zum bloßen Kopisten der taubstummen Natur sich herabsetzt. Die dritte endlich ist die egoistische oder hoffärtige, wo er, von Gott und der Natur verlassen, über beide Herr geworden zu sein wähnt, in der Tat aber nur als ein unheimliches Gespenst unter den Gräbern und Reliquien der Natur sich herumtreibt. So gibt es denn auch eine dreifache Weise, nach welcher Menschen Poesie und Bildnerei [ ... ] betreiben. Die einen nämlich als bloßen Zeitvertreib oder, wenn sie schon vorgeben, zu ihrer Bildung und Erbauung, doch nur zu ihrer Ergötzlichkeit, gleichviel, ob sie zu dieser Absicht in die Kirche, ins Theater“ — und, fügen wir hinzu, in die Ausstellung — „gehen. Die anderen (wenigen) im oben angedeuteten ernsten, wahrhaft religiösen Sinn, nämlich um — ohne Geburtswehen — das Brautkleid der himmlischen Sophia ihrerseits auszuwirken. Wieder andere (und gleichfalls wenige), um den schwarzen Schleier der Hekate auszuwirken. Denn nicht die bloß frivole Poesie und Bildnerei steht der religiösen direkt entgegen, sondern eine wahrhaft infernale oder dämonische“ (Hans Sedlmayr, Kunst und Wahrheit, Rowohlt Hamburg 1959, S. 136f).

Eine echte religiöse Kunst setzt immer einen echten lebendigen Glauben voraus. Nur wer die Welt Gottes im Glauben erfaßt hat und in dieser Welt soweit möglich heimisch geworden ist, kann auch eine gültige Darstellung des unsichtbaren Reiches Gottes geben. Die wahre religiöse Kunst muß vom Heiligen durchdrungen sein, damit sie auch das Heilige heilig darstellen kann. Geht der Blick auf Gott verloren, so bleibt zunächst nur der Blick auf die Natur als Natur. Damit ist aber die Natur schon wesentlich entzaubert, denn der Künstler setzt sich so zum bloßen Kopisten der taubstummen Natur herab. Die Natur verliert durch die Leugnung des Schöpfers ihren eigenartigen Glanz, der von Gott kündet, jenen Glanz, der es im Grunde ist, der den Künstler herausfordert. Verliert der Künstler mit Gott auch noch die Natur aus dem Blick, weil er egoistisch oder hoffärtig über Gott und Natur meint Herr geworden zu sein meint, so schleicht er nur noch als ein unheimliches Gespenst unter den Gräbern und Reliquien der Natur herum. In dem Maße, wie er für sich willentlich den Himmel verschlossen hat, öffnet sich unter seinen Füßen die Hölle – ob er das will oder nicht.

Werfen wir mit Hans Sedlmayr noch einen tieferen Blick auf diese unheimliche Art von Kunst. „Eigentlich, das heißt im strengeren Wortsinn, diabolisch müßte eine bildende Kunst heißen, die im Bilde ontologisch unwahre (unadäquate) Darstellungen Gottes, der Engel, der Menschen, der Welt bildlich bejaht, das heißt, sie mit solchen künstlerischen Zügen gestaltet, die den Betrachter auffordern, das unwahre Bild anzunehmen, in sich einzulassen (ja, geradezu einzuverleiben) und seinen ‚assent‘ dazuzugeben. Diese Definition entspräche dem doppelten Wortsinn des Wortes diaboles, diabolisch. Denn ein solches Bild ist objektiv, bezogen auf das Sein, Verkehrung der Seinsordnung, Lüge — wie denn der diaboles (der Durcheinanderwerfer) ‚Vater der Lüge‘ ist. Und es ist subjektiv, bezogen auf den Betrachter (und auf den Urheber, der zum Instrument der Diabolie wurde), Verführung — wie denn der diabolos ‚Verführer von Anbeginn‘ ist“ (Ebd. S. 137).

Eine Kunst, die sich losgelöst hat vom Guten und Wahren und sich dafür dem reinen Ästhetizismus hingibt, ist für jegliche Art von Manipulation offen, denn sie hat keinen rationalen Unterscheidungsgrund mehr. Sie ist darum auch nicht einfach formlos und abstrakt, wie man sich einbildet, vielmehr wird sie diabolisch, weil sie in sich ontologisch unwahr ist und somit bestens geeignet „im Bilde ontologisch unwahre (unadäquate) Darstellungen Gottes, der Engel, der Menschen, der Welt bildlich“ zu bejahen, ja sinnlich an- und aufreizend darzustellen, also dazu zu verführen, dem Diabolischen zuzustimmen. Diese Kunst dient letztlich dem Teufel zur Nachäffung der Sakramentale der Kirche. Der Teufel macht mir ihr seine Welt präsent.

Hierzu macht Hans Sedlmayr eine durchaus erwähnenswerte Nebenbemerkung: „Es muß auffallen, wie wenig reale Wirkkraft gerade die modernistische Kunstkritik den Bildern zutraut — oder ihnen zuzutrauen vorgibt; wir halten sie, die Bilder, in dieser Hinsicht für bedeutender und nehmen sie ernster als ihre eigenen Apologeten!“ Eine dämonische Kunst ist durchaus nicht harmlos. Immerhin bringt sie dem Menschen den Teufel nahe und es ist gefährlich, den Teufel zu nahe zu kommen. So gesehen ist es kaum zu glauben, wie wenig ernst man den Teufel heutzutage noch nimmt, wie wenig man ihm und seiner Kunst zutraut. Überall sehen wir eine völlige Verharmlosung des Okkulten, das sich unter dem Gewand des Esoterischen wie eine Flut sich über das ehemals christliche Abendland ergießt. Das ist nur deshalb so einfach möglich, weil dem Teufel durch die modernen Medien Wirkmöglichkeiten zur Verfügung stehen, von denen er früher nur träumen konnte. Dabei hat der Teufel viele Gesichter. Hans Sedlmayr gibt zu bedenken: „Diese Definition dürfte einerseits zu eng, anderseits zu weit sein, denn man darf von vornherein vermuten, daß das Diabolische in überaus mannigfaltigen Verhüllungen wirkt; auch dürfte sich das diabolische Bild nicht scharf gegen das ironische abgrenzen lassen“ (Ebd. S. 137f).

Natürlich gibt es in der modernen Kunst auch Grenzbereiche, die nicht direkt diabolisch sind. Aber dennoch bleibt in allem die Zielrichtung die Errichtung des Reiches des Antichristen. Insofern hat die moderne Kunst sicherlich eine wichtige Aufgabe für diesen, sie gewöhnt den modernen Menschen zunächst an das Formlose, dann an das Skurrile, Widersinnige, dann an das Häßliche und schließlich an das Diabolische.

Hans Sedlmayr gibt zu bedenken: „Daß es solche ‚hekateische‘ Bilder mindestens der Absicht nach gibt, kann man nicht mehr bestreiten, seit jene Kunstrichtung, die sich nicht ohne Ironie ‚Surrealismus‘ nennt, sich zu ihnen ausdrücklich bekannt hat: ‚Nous vivons avec le monstre.‘ Die modernistische Kunstkritik möchte das freilich nicht wahrhaben. ‚Die moderne Flachheit in der Doctrin des Bösen, welche gründlich über die Tiefe, d.h. die Geistigkeit der Bosheit (mysterium iniquitatis) weggeht, kann nur letzterer selbst zustatten kommen, denn dem Geist der Finsternis kann nichts erwünschter sein, als daß man über ihn in der Finsternis oder stupide bleibt.‘ ‚Eine Theorie der Lüge und des Dämonischen‘ — ich füge hinzu: auch und gerade in seinen bildlichen Manifestationen — scheint mir gerade das Erste zu sein, mit dem wir den Glauben an die Wahrheit (das Leben in und außer uns) zu befestigen und gleichsam zu verschanzen anheben müssen. Um sie zu gewinnen, ist es günstig, ‚das Böse aus dem Zustand der Verhüllung und Verteilung heraustreten zu lassen, damit es sich sammeln und unverhüllten Hauptes zeigen kann, um es unverhüllt fassen zu können‘. Gerade das aber ist in der neuesten Geschichte geschehen“ (Ebd. S. 138).

Wer die Häßlichkeit des Teufels nicht mehr als hassenswert und als Ausdruck der abgrundtiefen Bosheit begreift, dem wird auch das Geheimnis der Schönheit verborgen bleiben. „Die moderne Flachheit in der Doctrin des Bösen“ beweist die geistige Verblendung, die sich hinter dieser Doktrin verbirgt. Eine solche Verblendung kann nur dem Bösen „selbst zustatten kommen, denn dem Geist der Finsternis kann nichts erwünschter sein, als daß man über ihn in der Finsternis oder stupide bleibt“. Darum wäre eine Erhellung dieses Sachverhalts überaus notwendig gewesen, wie unser Autor schon vor über einem halben Jahrhundert schrieb: „‚Eine Theorie der Lüge und des Dämonischen‘ — ich füge hinzu: auch und gerade in seinen bildlichen Manifestationen — scheint mir gerade das Erste zu sein, mit dem wir den Glauben an die Wahrheit (das Leben in und außer uns) zu befestigen und gleichsam zu verschanzen anheben müssen.“

Diese Arbeit ist aber nicht geleistet worden oder wenn sie noch geleistet wurde, wurde sie von der Masse nicht mehr wahrgenommen. Darum erlag die Masse den Versuchungen Teufel immer mehr. Die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, war nicht mehr vorhanden. Durch den Ästhetizismus der modernen Kunst hatte man sich so an die Lüge gewöhnt, daß man sie für Wahrheit hielt, obwohl man an keine Wahrheit mehr glaubte. Man muß schon sagen, alles spielte dem Vater der Lüge in die Hände.

Abschließend sei noch eine Unterscheidung angeführt, die es bezüglich des diabolischen Bildes zu machen gilt: „Das diabolische Bild ist etwas anderes als das häßliche. Wenn — am Beispiel des Teufelsbildes — das häßliche Bild jenes ist, welches ‚die Häßlichkeit des Teufels schlecht widergibt‘, so ist das diabolische jenes, welches ‚die Häßlichkeit des Teufels als schön darstellt‘ oder geradezu: ‚die Schönheit des Teufels darstellen will‘ —, das also dem Teufel Schönheit anlügt (nicht etwa nur einzelne Züge diabolischer Schönheit), das lügend die Schönheit des Teufels behauptet, indem es ihm erborgten Glanz echter Schönheit verführerisch leiht“ (Ebd. S. 138).

Ein häßliches Bild hat für den Betrachter noch etwas Abstoßendes, weil dieser im Häßlichen noch das Hassenswerte erkennt und es aufgrund dessen ablehnt. Das diabolische Bild geht weiter, es lügt dem Teufel Schönheit an. Damit wird der Teufel faszinierend, er erhält eine verführerische Gestalt. Unter dem „erborgten Glanz echter Schönheit“ tritt der Teufel dem modernen Menschen entgegen und reißt diesen, völlig unfähig, Wahres von Falschem zu unterscheiden, mit sich hinab in sein Reich der Hölle.

Wie wir eingangs sagten, hat die Kunst etwas Prophetisches an sich. Man hätte erwarten müssen, daß dieses Prophetische von den Zeitgenossen auch noch wahrgenommen würde, bringt doch die Kunst ihre Prophezeiungen zur Darstellung, sie mach sie direkt anschaubar. Nun ist man ganz sprachlos, wenn man feststellt, daß fast niemand die offensichtliche Botschaft verstand – wo man doch eigentlich nur hätte hinschauen müssen. Der moderne Mensch scheint nicht einmal mehr dazu fähig zu sein, einfach hinzuschauen. Anstatt das zu tun, einfach hinzuschauen, zieht er es vor, sich etwa in einem Katalog über eine moderne Kunstaustellung die Kunstwerke künstlich und möglichst umständlich oder auch unverständlich erklären zu lassen, damit er sich daraufhin einbilden kann, er verstehe etwas von moderner Kunst, obwohl er nicht einmal fähig ist, diese einfach anzuschauen. Wenn das kein Wahnsinn ist!