Im Oktober dieses Jahres beginnt das große Gedenkjahr, mit dem die Protestanten und Ökumeniker 500 Jahre Reformation feiern wollen. Dieses Jubiläum allein ist schon Anlaß genug, sich mit der Hauptperson der sog. Reformation eingehender zu beschäftigen, mit Doktor Martin Luther.
Luther hat nicht nur selbst sehr viel geredet und geschrieben, geschwätzt und geschimpft, gepoltert und gedonnert, über ihn wurde eine ganz ansehnliche Reihe Bücher geschrieben, die sein unruhiges Leben nachzeichnen oder seine Lehre darlegen wollen. Dabei kann man zuweilen etwas recht Seltsames feststellen: Während die Protestanten gewöhnlich die Heiligenverehrung ablehnen, haben sie Luther gerade zu einem solchen hochstilisiert, obwohl dessen Leben eher für das Gegenteil Zeugnis gibt. Deswegen war eine Legendenbildung unumgänglich, denn in einem gewissen Sinne mußte der große „Reformator“ doch wenigstens ein Vorbild für die anderen sein. Was wäre das für eine Reformation, wenn ihr Reformator, das auserwählte Rüstzeug Gottes, der Gottesmann und Konfessionsgründer, ein liederlicher Lump gewesen wäre?
Darum ist es Luther, der die Legenden so gründlich wie nur möglich verabscheute – „Im Papsttum gibt es ein Buch der Legenden; dieses hasse ich gründlich, weil es so übertriebenen Kult und so falsche Wunder enthält. Diese Fabeln muß man fliehen und austreiben.“ – ironischerweise so ergangen, daß er selbst zur Legende, sogar zu einer recht abenteuerlichen Legende wurde. Es entstand der Luther des Glaubens, der mit dem wahren, wirklichen, leibhaftigen Luther, dem Luther der Geschichte, nichts gemein hatte. Luther hätte sich sicherlich nicht wenig darüber gewundert, wenn man ihm gesagt hätte, daß 100 bis 200 Jahre nach seinem Tod es Bücher über ihn geben werde, in denen er als Märtyrer dargestellt wird, in denen von seinen Wundern und Prophezeiungen berichtet wird, von schwitzenden und unverbrannten Bildern von ihm, oder in denen er als engelgleicher Lehrer erscheint, dessen Reliquien mehr oder weniger fromm verehrt werden. Wenn das auch Auswüchse sein mögen, so passen sie doch ins Gesamtbild, das man heute von diesem Reformator zeichnet. Mit dem wirklichen Luther hat das jedenfalls genauso wenig zu tun.
Diese legendäre Ausschmückung des Lebens Luthers verweist auf ein grundlegendes Bedürfnis des Menschen, nämlich zu großen Persönlichkeiten aufschauen zu können. Diesem Bedürfnis entsprechend gestaltete man den Luther des Glaubens, das religiöse Genie, das die Kirche reformiert und zur Reinheit ihrer Lehren zurückgeführt hat. Daß man aber so etwas glauben kann, daß die Massen bereit sind, dies anzunehmen, gibt Zeugnis von der Möglichkeit, Heilige zu machen, auch wenn es gar keine Heiligen sind, was wiederum äußerst aktuell ist. Werden doch in der modernen Menschenmachwerkskirche massenweise Leute heiliggesprochen, und wenn ein Roncalli alias Johannes XXIII. und ein Wojtyla alias Johannes Paul II. Heilige sein sollen, warum nicht auch ein Martin Luther? Es gibt auch schon einige Würdenträger in Rom, die laut über eine Heiligsprechung Luthers nachgedacht haben, und Bergoglio alias Franziskus ist sicher der letzte, der einen Einwand gegen eine derartige ökumenische Geste im großen Jubiläumsjahr hätte.
Wir aber wollen uns fragen: Was ist denn eigentlich geschehen, daß man einem Menschen, der sich katholisch nennt, einen Wojtyla oder Roncalli als Heiligen verkaufen kann? Die Antwort ist im Grunde ganz einfach: Der moderne Mensch weiß gar nicht mehr, was ein Heiliger ist. Er kann einen guten Menschen nicht mehr von einem Heiligen unterscheiden, weshalb er jeden Gutmenschen als einen Heiligen ansieht. Dieses Fehlurteil aber hat wiederum eine tiefere Ursache. Das Wissen um den sittlichen Ernst eines Lebens in und aus der Gnade hat sich verloren. Die Ansicht, daß (fast) jeder in den Himmel kommt, weil Gott jeden Menschen retten will, hat letztlich verheerende Auswirkung auf das notwendige Tugendstreben, auf den Willen, sich selbst zu überwinden, um dem Ideal der Heiligkeit nachzustreben.
Heiligkeit ohne Tugend und Abtötung?
Schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es eine breite Strömung innerhalb der Kirche, die den Modernismus ins Leben umsetzte. Es kann ja auch gar nicht anderes sein, ein Irrtum in der Lehre hat auch immer einen Irrtum im Leben zur Folge. Denken wir nur an Luther. Die Irrlehre des Protestantismus zieht einen ganzen Rattenschwanz von irrigen Lebenslehren nach sich, interpretiert doch jeder Protestant sein Leben wieder anders aus seinem Glauben.
Glauben als Gefühlssache – Das Charismatikertum
Genauso ist es mit dem Modernismus. Dieser läßt natürlich nicht das Leben unangetastet. Wenn der Glaube nur ein Gefühl ist, dann muß er auch dementsprechend gefühlsmäßig gelebt und erlebt werden, womit man inmitten des modernen Charismatikertums ist. Im Mittelpunkt steht plötzlich nicht mehr der hl. Glaube und das sittliche Streben nach Vollkommenheit, sondern das eigne Erlebnis des Glaubens oder gar Gottes.
Aber nicht ganz so schnell. Spüren wir erst einmal den Anfängen des Charismatikertums nach, der sog. Liturgischen Bewegung. Auch wenn diese sicher nicht in allen ihren Anliegen zu verwerfen ist, so war sie dennoch im Grunde eine Folge des Modernismus, also einer falschen Auffassung des Glaubens als solchen. Sie war einerseits von einem schwärmerischen „Zurück zur Urkirche“ getragen und andererseits vom Wunsch, alles neu und natürlich besser zu machen als in der Vergangenheit. Wie so oft bei solchen Strömungen sah man nicht den Widerspruch, der darin lag.
Es ging natürlich auch gar nicht um ein Zurück zur wahren Urkirche, sondern um ein Zurück zu einer aus modernem Blickwinkel rekonstruierten Urkirche, welche letztlich eine bloße Phantasiekirche ist. Diese phantastische Urkirche hat natürlich einen Vorteil: Sie liegt zeitlich schon so weit zurück, daß man mit der wahren Situation der damaligen Christen nicht mehr konfrontiert werden kann, weil die detaillierten Quellen meist fehlen. In dieses nebulöse Etwas „Ideal der Urkirche“ kann man sodann alle eigenen Vorstellungen und Wüsche hineininterpretieren und all das sodann den ahnungslosen Katholiken als Urkirche verkaufen. Einem wachsamen Katholiken hätte freilich auffallen müssen, daß von jeher die Häretiker aller Art, wie etwa die Protestanten, Jansenisten und Altkatholiken, das Schlagwort „Zurück zur Urkirche“ als Deckmantel über ihre irrigen Ansichten gehängt haben.
Um was geht es im Grunde den Modernisten? Man muß die Frage etwas zugespitzter formulieren, damit man zu einer klaren Antwort kommt, denn die Modernisten haben eindeutig ihre „Hintermänner“: Worum geht es dem Teufel, wenn er eine Neuerung einführen möchte? Der Teufel will dem Menschen wenn irgend möglich einreden, daß das Leben mit Gott auch viel einfacher und leichter sein kann, als man in der Vergangenheit gemeint hat. Also möglichst einfacher und leichter in den Himmel kommen als vor 100, 200, 500, 1000 Jahren? Haben sich denn die Bedingungen verändert? Oder noch etwas provozierender gefragt: Hat Gott denn im 20. Jahrhundert plötzlich die Bedingungen verändert, um in den Himmel kommen zu können? Hat er etwa gesagt: Jetzt nehme ich es nicht mehr so genau mit dem Glauben und den Geboten? Davon ist jedenfalls nichts bekannt geworden und wir wissen als Katholiken natürlich ganz sicher, daß es hierin auch niemals eine Änderung geben wird und geben kann. Die Bedingungen werden immer gleich bleiben, es wird nur derjenige in den Himmel kommen, der in dem wahren Glauben und ohne schwere Sünde stirbt.
SOLA FIDES – Allein der Glaube
Solche Glaubenssicherheit kümmert freilich die modernen Irrlehrer genauso wenig wie die alten Irrlehrer. Schon Luther hatte seine liebe Mühe mit den sittlichen Forderungen des hl. Evangeliums und war allmählich resignierend zur Überzeugung gekommen, es sei unmöglich, die Gebote Gottes zu halten. Er gesteht: „Obwohl ich als Mönch ein untadeliges Leben führte, fühlte ich mich vor Gott als Sünder mit ganz unruhigem Gewissen. Ich fühlte, daß ich nicht darauf vertrauen konnte, ihn durch mein genugtuendes Werk zu versöhnen. Ich liebte diesen gerechten Gott, der die Sünder straft, nicht, ich haßte ihn vielmehr. Mit einem unterdrückten, wenn nicht schon blasphemischen, so doch ungeheuren Murren, das mich gegen Gott aufbrachte, sagte ich: Ist es nicht genug, daß die armen Sünder bedrückt sind... und daß er uns noch durch das Evangelium seine Gerechtigkeit und seinen Zorn auflädt? So raste ich mit wildem und verstörten Gewissen. Aber ich pochte doch in meiner Not weiter an jener Stelle bei Paulus an, in heißer Begierde zu wissen wünschend, was doch St. Paulus meine. Bis ich, grübelnd die Tage und Nächte, durch Gottes Barmherzigkeit auf den Zusammenhang jener Stelle achtete, nämlich: Die Gerechtigkeit Gottes wird ihm enthüllt wie geschrieben steht: der Gerechte lebt aus Glauben... Da fühlte ich mich wie neugeboren und wie durch offene Pforten in den höchsten Himmel eingegangen“ (WA 54,185,14-186,21 Vorrede zu Band I der lateinischen Schriften der Wittenberger Luther-Ausgabe 1545).
SOLA GRATIA – Allein die Gnade
Dieser höchste Himmel, den Luther meinte gefunden zu haben, war aber nicht der echte, wahre Himmel, sondern ein bloßes Hirngespinst. Dieses Hirngespinst war jedoch sehr gefährlich, denn aufgrund dessen versuchte Luther sich nunmehr sein ganzes weiteres Leben einzureden, er müsse gar keine Tugenden üben, keine Abtötung, keine Selbstüberwindung – er müsse nur tapfer glauben, daß er gerechtfertigt sei. Dementsprechend schrieb Luther an Melanchthon: „Sei ein Sünder und sündige nur tapfer darauf los, aber glaube noch tapferer und freue dich in Christus, welcher der Sieger ist über Sünde, Tod und Welt. Man muß (!) sündigen, so lange man lebt; es genügt aber, daß wir den Reichtum der Gnade und das Lamm erkennen (im Glauben), welches die Sünden der Welt trägt, von diesem kann man keine Seele trennen, wenn wir auch an einem Tage hunderttausendmal Unzucht treiben oder töten“ (De Wette, Luthers Briefe II. 37). So lautete also das von Luther neu erfundene Evangelium, das sicherlich noch kein Sünder vor ihm gekannt hatte. Luther wollte ganz einfach beides haben: Die Sünde und die Gerechtigkeit, er wollte in den Himmel kommen, ohne sich zu bekehren und ohne die Sünde meiden zu müssen!
SOLA MISERICORDIA – Allein die Barmherzigkeit
Dieser Wunsch ist seltsamerweise immer noch ganz modern, obwohl er schon uralt ist! Der derzeitige Usurpator auf dem Stuhl Petri – wobei das schon wieder übertrieben ist, da Bergoglio sich weigerte, den Stuhl Petri zu besteigen – eifert Luther nach, indem er die Barmherzigkeit Gottes neu, d.h. blasphemisch, bzw. ganz im Sinne Luthers interpretiert. Sein Vorgänger, Josef Ratzinger, verwies auch kürzlich auf diesen Zusammenhang zwischen Martin Luthers und Bergoglios Phantastereien. Ratzinger meinte: Bergoglios Kurs der Barmherzigkeit sei nichts anderes als die Rechtfertigungslehre des Reformators in modernem Gewand. Nur hätten sich für den heutigen Menschen die Dinge gegenüber der Zeit Luthers in gewisser Hinsicht umgekehrt. Was früher die Rechtfertigung durch den Glauben genannt worden sei, das heiße heute Barmherzigkeit Gottes. So lasse sich der Kern der Rechtfertigungslehre heute „neu verstehen und erscheint wieder in seiner ganzen Bedeutung“, so Ratzingers Resümee.
Diese Bemerkung scheint uns doch recht zielsicher zu sein und des Pudels Kern zu treffen. Sie hilft uns zudem zum besseren Verständnis des „geistlichen“ Lebens des modernen Menschen und natürlich auch der Menschenmachwerkskirche, deren Grundlage die Sünde gegen den Heiligen Geist ist, nämlich das vermessentliche Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, genauso wie bei Luther.
Der autonome Mensch der Moderne – „die Häresie des tätigen Lebens“
„Die Häresie des Lebensstils“
Doch kehren wir zurück zum eigentlichen Thema. Wie leben die Modernisten ihren Glauben oder besser Unglauben? In seinem umfangreichen Werk „Sentire cum Ecclesia“ bemerkt August Doerner dasselbe, worauf auch wir schon oft hingewiesen haben: „Die modernen Menschen sind autonom, sie haben es verlernt, übernatürlich zu denken und übernatürlich zu leben.“ Wie aber wirkt sich dieser Mangel aus? „Die alten, in langer Erfahrung herausgebildeten Formen des kirchlichen und priesterlichen Lebens werden vielfach abgelehnt, weil sie nicht mehr den Bedürfnissen unserer Zeit gerecht würden und den modernen Menschen nicht mehr ansprächen. Auf der ganzen Linie, im priesterlichen Leben und Wirken, in der Aszese, in der geistlichen Kleidung, in der Lebenshaltung des Priesters, in der Seelsorge, in der liturgischen Sprache, in der kirchlichen Kunst usw. will man umwälzen und neue Formen finden und schaffen. Man will vielfach unter allen Umständen ‚modern‘ sein, und diesem Zuge zum Modernen wird dann nicht selten der kirchliche Geist zum Opfer gebracht. Was nicht ‚modern‘ ist, was nicht ‚neu‘ ist, das hat in ihren Augen keinen Wert, das ist veraltet und überlebt. Man geht auf in äußerer Tätigkeit; Kardinal Mermillod hat dieses Aufgehen in äußerer Tätigkeit mit treffenden Worten als ‚die Häresie des tätigen Lebens‘ gekennzeichnet“ (S. 146).
Der Modernist möchte den Anschluß an die moderne Welt auf keinem Fall verpassen. Darum läuft er dieser ständig hinterher. Man könne noch etwas treffender formulieren: er hechelt der modernen Welt hinterher. Für ihn stellt sich die Frage gar nicht mehr: Wie viel moderne Welt verträgt der wahre Glaube? Er bildet sich vielmehr ein, es gebe keinen Widerspruch zwischen der neuen Welt und dem alten Glauben, was schon von einer erschreckenden Verblendung zeugt.
Die neue Generation des Postmodernismus
Genau das stellt August Doerner auch fest: „Diese moderne Geisteshaltung, die das Alte und Überkommene in der Kirche ablehnt und, wie sie sagen, mit dem Denken der Vergangenheit bricht, die nur die selbst entdeckten Wege als die einzig richtigen gelten lassen will — diese moderne Geisteshaltung ist nichts anderes als eine neue Form des Modernismus. Der Modernismus ist zwar von der Kirche verurteilt, aber er erhebt in verschiedener neuer Prägung immer wieder sein Haupt“ (Ebd.).
Das war im Jahre 1941! Heute, 75 Jahre später, ist fast alles restlos vom modernen Geist verseucht, und der Modernismus hat sich inzwischen zum Postmodernismus gewandelt. Im Postmodernismus ist alles möglich! Das ist die Grundhaltung dieser neuen Generation: Es gibt keine Tabus mehr, es gibt keine Grenzen mehr, es gibt keine Gebote mehr, jeder kann machen, was ihm beliebt – aber er kommt dennoch in den Himmel, solange er ein guter Kerl bleibt, die Umwelt schont und nett zu allen anderen ist. So wie Luther ein Anrecht auf seine Sünde zu haben vermeinte, so meint es auch der postmoderne Mensch. Nur eines hat sich geändert: Es gibt gar keine Sünde mehr, es gibt nur noch Intoleranz!
In einer solchen Welt hat der Katholik selbstverständlich einen schweren Stand. Nicht nur seine Festigkeit im Glauben wird vielfach erprobt, auch seine sittliche Festigkeit ist einer ständigen Prüfung ausgesetzt. Darum müßte man eigentlich meinen, jeder Katholik würde leicht einsehen, er brauche umso mehr Selbstüberwindung, Tugend und Abtötung. Aber weit gefehlt. Bereits im Jahre 1922 nahm P. Pius XI. in seiner ersten Enzyklika „Ubi arcano“ zu diesen Formen des Modernismus Stellung: „Wie viele gibt es, welche die katholische Lehre bekennen... bezüglich der Rechte des Hl. Stuhles und des Papstes, der Rechte der Bischöfe und selbst der Rechte Christi unseres Schöpfers und Erlösers und Herrn über die einzelnen und über ganze Völker! Und dennoch benehmen sie sich in ihren Schriften und Reden und in ihrer ganzen Lebensweise nicht anders, als ob die von den Päpsten, insbesondere von Leo XIII., Pius X. und Benedikt XV. so oft verkündeten Lehren und Vorschriften ihre ursprüngliche Kraft eingebüßt hätten oder gänzlich veraltet wären. Darin ist eine Art moralischer, juridischer und sozialer Modernismus zu erkennen, den wir gleich dem dogmatischen entschieden verurteilen. Es sind also jene Vorschriften wieder zur Geltung zu bringen, bei allen muß der gleiche Eifer im Glauben und in der göttlichen Liebe entfacht werden, der allein den Sinn der Lehre erschließen und zur Befolgung der Vorschriften antreiben kann. Das verlangen wir vor allem in der Erziehung der Jugend und insbesondere des priesterlichen Nachwuchses, damit sie nicht auf dem Wege der allgemeinen Umwälzung und Verwirrung der Meinungen nach den Worten des Apostels ‚vom Winde jeder Lehre, die von boshaften Menschen ersonnen sind zu ihrer Irreführung, hin- und hergetrieben werden.‘“
Der Modernist möchte jeder Anstrengung aus dem Wege gehen. Er will letztlich ein schönes Leben haben und meint deswegen, alle Lehren und Vorschriften hätten ihre ursprüngliche Kraft eingebüßt …oder wären gänzlich veraltet. August Doerner bemerkt zu diesen Worten des Papstes: „Die Säkularisation des Klerus in seiner Gesinnung und Denkart ist für die Kirche eine größere Gefahr als die Säkularisation ihrer Güter. Darum haben ja auch die Feinde der Kirche stets offen oder versteckt auf die Verweltlichung des Priesterstandes ihr Ziel gerichtet. Jeder, der solchen ‚übermodernen‘ Ideen huldigt, arbeitet darum den Feinden der Kirche in die Hände“ (S. 147).
Es war schließlich eine ganze Armee, die solchen ‚übermodernen‘ Ideen huldigte und zielsicher den Feinden der Kirche in die Hände arbeitete, wohingegen die Verteidiger der Wahrheit immer mehr zu einem mehr oder weniger verängstigten Haufen zusammenschrumpften. Die Folge davon war katastrophal, hunderte Millionen von Katholiken verloren ihren Glauben und gingen im moralischen Sumpf zugrunde. Man hatte diese Menschen schamlos betrogen. Anstatt sie auf die erschwerten Umstände einer immer gottloser werdenden Welt vorzubereiten und sie entsprechend zu stärken, hat man sie in einer illusionären Scheinsicherheit belassen, ja sie in diese hineingetrieben. Das hl. Evangelium ist nämlich durchaus keine Drohbotschaft, sondern eine Frohbotschaft, so sagte man. Man sagte aber nicht, daß keiner froh werden könne, der die Gebote Gottes nicht achte und halte und der nicht Gott mehr liebt als die Geschöpfe. Um das aber fertigzubringen, ist eine gewisse Selbstüberwindung unumgänglich, man spricht deswegen von der christlichen Aszese.
Die christliche Aszese
Die tatsächliche Grundsituation unseres Menschenlebens bringt der hl. Petrus in seinem ersten Brief zum Ausdruck, indem er uns ernstlich mahnt: „Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Widersteht ihm fest im Glauben, im Wissen, daß dieselben Leiden eurer Bruderschaft in der Welt auferlegt werden. Der Gott aller Gnade selbst aber, der euch durch Christus Jesus zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, wird euch, die ihr kurze Zeit zu leiden habt, vollenden, stärken, kräftigen und befestigen. Sein ist die Macht in alle Ewigkeit. Amen“ (1 Petr. 5,8-11).
Wir sollen also beharrlich nüchtern und wachsam sein und in aller inneren Gefaßtheit den Angriffen des Teufels aus der Kraft unseres Glaubens heraus widerstehen. Einer kurzen Zeit der Prüfung aber folgt die ewige Herrlichkeit, zu der wir durch Christus Jesus berufen worden sind. Auf die kurze Anstrengung folgt ein herrlicher, ewiger Lohn!
Das Wesen der christlichen Aszese besteht nun allgemein in diesem beharrlichen Streben nach christlicher Vollkommenheit. Die christliche Vollkommenheit ist nichts anderes als die heilige Gottesliebe – und zwar in solcher Stärke, daß die Seele Gott über alles Geschaffene nur um Gottes willen liebt. Diese Vollkommenheit weist im Menschen verschiedene Grade auf, je nach den Mitteln, die er gebraucht, um sie zu erreichen.
Das Streben nach Vollkommenheit erfordert erfahrungsgemäß vom Menschen ein Zweifaches:
- erstens die tatkräftige Überwindung aller Hindernisse und Schwierigkeiten, die sich seinem Streben nach Vollkommenheit entgegenstellen;
- zweitens die beharrliche und konsequente Anwendung aller Mittel, die ihm die Kirche zur Erlangung dieser Vollkommenheit an die Hand gibt.
Folgen wir hierzu nochmals den Ausführungen August Doerners:
Die Notwendigkeit der Aszese ergibt sich aus dem Begriff der Vollkommenheit und aus den Folgen der Erbsünde. Die christliche Vollkommenheit bzw. die Gottes- und Nächstenliebe läßt sich nicht mit einem Male, nicht mit einer einmaligen Kraftanstrengung erreichen, sondern erfordert fortgesetzte ‚Übung‘ – Aszese –, erfordert beharrliches Tugendstreben, verlangt beständige Kleinarbeit an sich selber und beharrlichen Kampf gegen alle Hindernisse, die sich dem Streben nach Vollkommenheit entgegenstellen.
Die Folgen der Erbsünde nun bereiten dem Streben nach Vollkommenheit die größten Hindernisse, denn „Sinn und Gedanken des menschlichen Herzens sind zum Bösen geneigt von Jugend auf“ (1 Mos. 8,21). Der Mensch hat beständig mit der dreifachen bösen Lust zu kämpfen, mit der Augenlust, mit der Fleischeslust und mit der Hoffart des Lebens. Diese Folgen der Erbsünde können aber wiederum nicht mit einem Male, nicht in einem einzigen Großkampf überwunden werden, sondern auch dieser Kampf gegen die Begierlichkeit, gegen das „Gesetz der Sünde in unsern Gliedern“ erfordert beharrlichen Kleinkrieg, fortgesetzte Angriffe, fortgesetzte „Übung“ — Aszese. Der Kampf gegen die Begierlichkeit verlangt von jedem Menschen, von Laien und Priestern, ständige Übung in der Abtötung und Selbstverleugnung. Solange der Mensch lebt, wird sich immer wieder in ihm die Begierlichkeit regen, bald in dieser, bald in jener Form, und darum muß der Mensch auch immerfort mit der bösen Begierlichkeit kämpfen, wenn er zur Vollkommenheit gelangen will.
Die Aufgabe der Aszese ist nach dem Gesagten wesentlich eine positive und eine negative.
Die negative besteht in dem ständigen Kampf gegen die Folgen der Erbsünde, in der fortgesetzten, zielbewußten und mühevollen Ausrottung aller Fehler und Unvollkommenheiten unter dem Beistand der göttlichen Gnade.
Die positive Aufgabe der Aszese besteht in der fortwährenden Übung und Erwerbung der einzelnen Tugenden, um so mit Hilfe der Gnade die christliche Vollkommenheit zu erlangen.
Der hl. Paulus kennzeichnet diese doppelte Aufgabe der Aszese mit dem Ausziehen des alten und mit dem Anziehen des neuen Menschen: „Ihr sollt euren früheren Wandel aufgeben und den alten Menschen ausziehen, der durch seine fleischlichen Gelüste dem Verderben anheimfällt. Erneuert euch in eurem Sinne durch den Geist und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ (Eph. 4,22ff) Im Grunde genommen ist also der beharrliche Kampf gegen die böse Begierlichkeit, die dem Streben nach der christlichen Vollkommenheit die größten Hindernisse bereitet, die Wurzel der Aszese. „In der Tat liegt hier, in der durch die Erbsünde verursachten Zwiespältigkeit, ja Zerrissenheit der menschlichen Natur der Urquell aller Aszese.(Doerner S. 148f)
Paradise Lost – Das verlorene Paradies
Der moderne Mensch möchte jede Anstrengung soweit möglich vermeiden. Durch die Hilfe der Maschinen und der Technik hofft er, sich das verlorene Paradies zurückerobern zu können und dem Fluch, den Gott nach dem Sündenfall über ihn verhängt hat, zu entkommen: „Weil du auf die Stimme deiner Frau gehört hast und von dem Baum gegessen hast, von dem ich dir geboten habe: Du darfst nicht von ihm essen!: soll um deinetwillen der Ackerboden verflucht sein. Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren alle Tage deines Lebens! Dornen und Disteln wird er dir tragen, und doch mußt du das Gewächs des Feldes essen. Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zur Erde zurückkehrst, von der du genommen bist. Denn Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück“ (Gen. 3,17ff).
Aber nicht nur dies, er möchte nun auch noch jeglicher sittlichen Anstrengung entkommen, was aber unmöglich ist. Denn diese Folgen der Erbsünde können nicht aufgehoben werden – außer durch Hilfe der Gnade, welche aber immer auch den beharrlichen Einsatz des Menschen fordert. Das wollen aber die Modernisten nicht mehr wahr haben, wie ebenfalls August Doerner zeigt:
„Die moderne Aszese bzw. der modernistische Zug der aszetischen Neuerer will mit der traditionellen Aszese brechen, will das Ziel der Aszese (Liebe Gottes) ohne die Mittel der Aszese (Selbstverleugnung). Man müsse auch im geistlichen Leben die alten Pfade verlassen und neue, selbständige und selbstgewählte Wege gehen. Sie will unter allen Umständen Neues und Modernes bieten. Das charakteristische Merkmal bzw. das spezifisch ‚Neue‘ dieser aszetischen Richtung besteht letzten Endes in einer Hinneigung zum Quietismus. Die eigne Tätigkeit soll auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Demzufolge erstrebt man unter nichtigen Vorwänden die Abschaffung der bisherigen Formen und religiösen Übungen in der Aszese, die die Kirche seit Jahrhunderten für die Pflege des geistlichen Lebens und für das Streben nach der christlichen Vollkommenheit empfohlen und vorgeschrieben hat.
So wollen die modernen Aszeten nichts mehr wissen von der Übung des Partikularexamens (Gewissenserforschung über einen bestimmten Fehler). Einen besonderen Fehler durch diese ständige und beharrliche Übung zu bekämpfen, eine besondere Tugend durch das Partikularexamen in zielbewußter und konsequenter Arbeit zu üben und zu erwerben, verwerfen sie als kleinlich und lächerlich. Den Rosenkranz lehnen sie als ‚unliturgisch‘ ab; den Kreuzweg lehnen sie als einen ‚Torso‘ ab, weil ihm die Auferstehung fehle (wer denkt da nicht sofort an die modernen Kreuzwege mit der 15. Station: Der von den Toten auferstanden ist!). Die methodische Betrachtung sei veraltet und zu kompliziert für das geistliche Leben. Ja sogar die ernste Selbstprüfung in der Gewissenserforschung und die öftere Andachtsbeichte wird von dieser neuen Richtung in der Aszese theoretisch und praktisch vielfach abgelehnt (auch hierin zeigte sich schon die Abneigung der Modernisten gegen die hl. Beichte). Daß man nicht zuletzt auch das Fasten- und Abstinenzgebot als für die nordischen Länder zu strenge und die Erfüllung desselben in unserer ‚nervenschwachen und magenkranken Zeit‘ als unmöglich hinstellt, liegt auf der Hand“ (S. 149f).
Das „freie Christentum“
Hier kommt schon das freie Christentum zum Vorschein mit seiner freien Gottesverehrung, seiner freien Moral usw. Die Ursache für diese verkehrten Ansichten ist die Verkennung der menschlichen Natur und ihrer Erbsündlichkeit. Die Modernisten können die erbsündlichen Folgen nicht mehr ernst nehmen, weil sie letztlich nicht mehr an die Erbsünde glauben. Darum wird die Notwendigkeit des eigenen persönlichen Einsatzes nicht mehr gesehen und ein eher schon magisch zu nennendes Vertrauen auf die Wirksamkeit der Sakramente vorgeschoben. So ist das modernistische Geistesleben ohne jeglichen sittlichen Ernst und damit ohne Wirkung. Auf dieser Basis kann es natürlich keine Heiligen mehr geben. Dieses religiöse Leben reicht höchstens noch dazu hin, einen modernen Gutmenschen hervorzubringen.
P. Mesch1er S.J. hat diese moderne Richtung der Aszese in seinem Buch, „Zum Charakterbild Jesu“, mit den trefflichen Worten charakterisiert: „Ganz bedauerlich und mitleidswürdig, aber doch ganz im Geiste unserer Zeit ist eine gewisse entnervte Aszese. Unsere nervenschwache Zeit nämlich will die starken, aber gedeihlichen Mittel der alten Aszese nicht mehr vertragen. Kräftige Betrachtungen über die Todsünde, über den Tod und die Hölle, feste, klare Grundsätze und nennenswerte Proben in der Armut und Demut sind zu starke Zumutungen. Alles muß leicht, angenehm, spielend und von selbst gehen. Nicht Mittel, sondern Mittelchen, nicht Kuren, sondern Beruhigungsmittel will man; kleine, süße Andachten und anderer geistlicher Firlefanz sollen es tun. Es ist in der geistlichen Mode vielfach wie in der heutigen Kleidermode viel Schein und wenig Sein. Wir müssen durchaus, wie in der kirchlichen Wissenschaft und in der kirchlichen Kunst, so auch in der Aszese zu den Alten zurückkehren, wenn etwas Gedeihliches gefördert werden soll.“
Damit stimmt überein, was Stockums in „Priestertum und Aszese“ schreibt: „Es ist nicht ohne Grund zu befürchten, daß sich hinter dieser Richtung zuletzt eine gewisse Scheu vor ernster und herber religiöser Kost und eine gewisse Angst vor Bußen und Selbstverleugnung verbirgt... Man scheut, mit einem Wort, den Angriff gegen die eigene Natur, man hat nicht den Mut und die Kraft, sich selber auch einmal wehe zu tun.“
Es fällt dem modernen Menschen unglaublich schwer, Gott ernst zu nehmen, weil er selber keinen sittlichen Ernst mehr erlernt hat. Wenn schon die Kinder fast immer nur das machen müssen und dürfen, was ihnen beliebt, wie sollten sie dann noch einsehen, daß dies im religiösen Leben nicht auch so ist? Wie sollten sie fähig werden, die sittliche Forderung des hl. Evangeliums zu erfüllen, von der unser göttlicher Lehrmeister unmißverständlich sagt: „Tretet ein durch die enge Pforte! Denn weit ist die Pforte und breit ist der Weg, der ins Verderben führt, und viele gehen auf ihm. Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und nur wenige finden ihn“ (Mt 7,13f).
Von den Aposteln angefangen über allen Heiligen war es ein immer bewahrtes Wissen in der Kirche Jesu Christi: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst, er nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Lk. 9,23). Der Weg zum Himmel ist zuweilen steil und schwierig und oft voller Gefahren, warum es heißt: „Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet“ (Mt. 26,41). In allem aber sollen wir auf unseren göttlichen Herrn schauen, der uns einlädt: „Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen“ (Mt. 11,29).
Die wahre Frömmigkeit
Ganz von diesem Geist des hl. Evangeliums waren die wahren Päpste der hl. Kirche erfüllt, wenn sie zu den Gläubigen und besonders den Bischöfen und Priestern gesprochen haben. Diese sollen schließlich das Vorbild sein für ihre Herde. Der hl. Pius X. sagt in seiner „Ermahnung an den katholischen Klerus“: „Möchten diese Tugenden (Sanftmut, Demut, Gehorsam, Abtötung) auch in der Gegenwart von viel mehr Christen so gepflegt werden, wie sie die Heiligen der vergangenen Jahrhunderte geübt haben. Diese sind gerade durch herzliche Demut, durch Gehorsam und Enthaltsamkeit Männer geworden, mächtig in Tat und Wort (Lk. 24, 19), zum größten Nutzen nicht nur der Religion, sondern auch der staatlichen und bürgerlichen Gesellschaft. Man beachte, daß der kluge Papst (Leo XIII.) mit vollem Recht besonders auf die Enthaltsamkeit aufmerksam gemacht hat, die wir mit einem dem Evangelium entlehnten Ausdruck gewöhnlich „Selbstverleugnung“ nennen. Gerade in diesem Punkt, geliebte Söhne, liegt die ganze Kraft und Wirksamkeit der priesterlichen Arbeit. Aus der Vernachlässigung der Selbstverleugnung aber kommt schließlich all das, was das Volk am Priester stößt und ärgert.“
Genauso wie Pius X. fordert auch Papst Pius XI. zu derselben strengen Aszese auf. Auch er verlangt Losschälung von irdischen Gütern, strengen Gehorsam und strenge Disziplin, eine gediegene Frömmigkeit, die gegen die Versuchungen stark macht; er lehnt ausdrücklich die leichte und oberflächliche Frömmigkeit der modernen Aszese ab: „Die Frömmigkeit jedoch, ehrwürdige Brüder, von der wir hier sprechen, ist nicht jene leichtfertige und oberflächliche Frömmigkeit, die gefällt, aber nicht stark macht, die angenehme Gefühle weckt, aber nicht heiligt; wir meinen jene gediegene Frömmigkeit, die nicht den unbeständigen Schwankungen des Gefühls unterworfen ist, sondern sich stützt auf die Grundsätze ganz sicherer Doktrin; die Frömmigkeit, die somit entstanden ist aus festen Überzeugungen heraus, die auch den Angriffen und Schmeicheleien der Versuchung Widerstand leistet.“
Darum geht es in diesen gefährlichen papstlosen Zeiten ganz besonders, wir brauchen „jene gediegene Frömmigkeit, die nicht den unbeständigen Schwankungen des Gefühls unterworfen ist, sondern sich stützt auf die Grundsätze ganz sicherer Doktrin; die Frömmigkeit, die somit entstanden ist aus festen Überzeugungen heraus, die auch den Angriffen und Schmeicheleien der Versuchung Widerstand leistet.“ Die wahre Frömmigkeit setzt die Grundsätze einer sicheren Lehre voraus. Nur wenn der Glaube im Herzen gefestigt ist, ist auch das Glaubensleben gegen die Angriffe und Schmeicheleien der Versuchung gesichert.
Die 11 guten Vorsätze des heiligen Bruder Konrad
Abschließend wollen wir die 11 guten Vorsätze des hl. Bruder Konrad anführen, in denen wohl am greifbarsten zum Ausdruck kommt, was christliche Askese letztlich meint:
„Vorsätze, gefaßt mit Überlegung und voll Vertrauen auf den Beistand Jesu und Marias, es zu vollziehen:
1. Will ich es mir recht angewöhnen, mich allezeit in die Gegenwart Gottes zu stellen und mich öfters zu fragen, würde ich dieses oder jenes tun, wenn mich mein Beichtvater oder mein Oberer sähe, um wieviel mehr in der Gegenwart Gottes und meines Schutzengels.
2. Will ich mich recht oft fragen, wenn Kreuz und Leid kommen, Konrad, wozu bist du da?
3. Will ich das Ausgehen aus dem Kloster meiden, soviel ich kann, wenn nicht die Liebe des Nächsten oder der Gehorsam oder Gesundheit wegen oder auf Wallfahrten oder so in guter Absicht.
4. Will ich mich recht bestreben, die Bruderliebe in mir und in anderen zu bewahren. Da will ich mich recht hüten, daß ich nie ein Wort rede, das wider die Liebe wäre. Die Fehler, Mängel und Schwachheiten will ich recht geduldig ertragen und will es, soviel es sein kann, mit dem Mantel der Liebe zudecken, wenn es anders nicht Pflicht ist, demjenigen es zu entdecken, der dies abstellen kann.
5. Will ich das Stillschweigen genau beobachten, soviel es nur immer sein kann. Im Reden will ich immer sehr sparsam sein und mich hierin vor vielen Fehlern bewahren, um mit Gott desto besser reden zu können.
6. Bei Tisch will ich mich immer, soviel es sein kann, in die Gegenwart Gottes stellen und mich immer recht eingezogen verhalten und diejenigen Speisen mir versagen, wo ich am meisten Lust hätte, und mich besonders in jenen Abtötungen üben, die am wenigsten gemerkt werden. Und das Essen außer der Tischzeit will ich immer meiden, ausgenommen es befiehlt der heilige Gehorsam.
7. In den Chor will ich immer gleich gehen, sobald mich das Glöcklein ruft, wenn ich anders nicht gehindert bin.
8. Will ich den Umgang mit dem anderen Geschlechte, soviel ich kann, vermeiden, ausgenommen, wenn der Gehorsam ein Amt auferlegt, wo ich mit ihnen umgehen muß. Da will ich aber recht ernst sein und meine Augen recht im Zaume halten.
9. Dem Gehorsam will ich immer genau und pünktlich nachkommen und besonders will ich mir alle mögliche Mühe geben, in allen Sachen meinen eigenen Willen zu bekämpfen.
10. Will ich mich recht bestreben, auch die Kleinigkeiten recht zu beobachten, auch jede freiwillige Unvollkommenheit so viel (als möglich) zu verabscheuen. An die heilige Regel will ich mich immer festhalten und niemals auch (nur) fingerbreit davon abweichen, mag kommen, was da will.
11. Ich will immer mich bestreben, eine innige Andacht zu Maria, der seligen Jungfrau (zu haben) und mich recht bestreben, ihren Tugenden nachzufolgen.“