Erfüllt vom Hl. Geist

Der Tag des hochheiligen Pfingstfestes ist der 50. Tag nach Ostern, wobei diese fünfzig heiligen Tage wie ein einziger Ostertag erscheinen, ein Tag, der immer heller wird, immer mehr vom göttlichen Licht des Auferstandenen durchlichtet wird, so daß man den ewigen Tag darin erahnen kann. Denn das ist schließlich mit der Auferstehung gemeint, übernatürliche Hoffnung auf das ewige Leben zu schenken. Die sieben Wochen nach Ostern stellen die Fülle des Ostergeheimnisses dar. Die Zahl 7 ist die Zahl der Vollkommenheit, 50 aber ist 7 x 7 + 1 oder 49 + 1. Die 7 x 7 bedeutet die Vollendung alles Irdischen, die Fülle der Gnadenmöglichkeiten, mit der 50 aber beginnt eine neue Zeit und eine neue Welt soll und muß Wirklichkeit werden, die Welt der hl. Kirche, die an Pfingsten ihren Anfang nimmt. Der kommende Heilige Geist vollendet das österliche Geheimnis, es bricht jener Tag an, von dem gesagt wird: „Der Pfingsttag kennt keinen Abend, denn die Sonne, die Liebe, kennt keinen Untergang.“ Dementsprechend fleht auch die hl. Liturgie inständig: „Vollende, o Herr, was Du begonnen hast.“ Die Vollendung ist unsere Teilnahme am Heiligen Geist, der mit Seiner unerschöpflichen göttlichen Fülle auf uns herabkommt.

In der morgenländischen Kirche ist während der ganzen Osterzeit die Kniebeuge untersagt. Erst am Abend des hochheiligen Pfingstfestes kniet man bei der Vesper und betet tief gebeugt die drei berühmten Kniebeuggebete, um das Kommen des Heiligen Geistes zu erflehen. Auch unsere römische Liturgie kennt etwas Vergleichbares. In jeder hl. Messe der ganzen Pfingstoktav, kniet der Priester bei den Worten des Allelujaverses nieder: „Komm Heiliger Geist, erfülle die Herzen Deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer Deiner Liebe.“ Nur kniend kann man wagen, dem Heiligen Geist zu begegnen, nur auf die Demütigen kommt ER mit Seinen Gaben herab.

Die Vorbereitung auf die Herabkunft des Heiligen Geistes

Bedenkt man dies und betrachtet die heutigen sog. modernen Menschen, so erscheint das Pfingstfest plötzlich in einem unheimlichen Licht, denn wie sollte der Heilige Geist noch zu diesen Menschen kommen, die in ihrem Stolz und ihrer Verblendung nicht einmal mehr glauben, daß es überhaupt eine Wahrheit gibt, eine erkennbare, den Geist durch und durch erleuchtende, eine faszinierende, über alles beglückende Wahrheit?

Viele Jahrhunderte ist der Heilige Geist im ungestümen Rauschen des Sturmes auf unsere Menschenwelt herabgekommen, denn die Christen waren Begeisterte, dem Heiligen Geist standen die Herzen offen. ER konnte auf sie herabsteigen mit den Flammen der göttlichen Liebe, waren sie doch bereit, sich von IHM entzünden zu lassen. Wie der hl. Johannes der Täufer es vorhersagte: „Ich taufe euch nur mit Wasser, damit ihr euch bekehrt. Der aber nach mir kommt, ist mächtiger als ich. Ich bin nicht wert, ihm die Schuhe zu tragen. Er wird euch mit Heiligem Geist und Feuer taufen“ (Mt. 3,11). Und unser göttlicher Erlöser äußert einmal seinen Herzenswunsch: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen, und wie wünschte ich, wenn es schon entzündet wäre!“ (Lk 12,49).

Jahrhunderte hindurch hat dieses Feuer der göttlichen Liebe gebrannt, doch: „Weil die Gesetzlosigkeit überhandnimmt, wird die Liebe der meisten erkalten“ (Mt 24,12). Das ist in den letzten Jahrhunderten mehr und mehr geschehen, weshalb der Sturm verstummt und nur noch das leise Säuseln des Windes zu hören ist. Wir müssen schon unsere inneren Ohren spitzen, wollen wir den Heiligen Geist inmitten des Lärmes der modernen Welt nicht überhören – und wenn wir IHN überhören, geht ER dann achtlos an uns vorüber! Das aber wäre unvorstellbar furchtbar, ein nicht wiedergutzumachender Schaden für unsere Seele!

Wie sollen wir uns also vorbereiten auf das Kommen des Heiligen Geistes am hochheiligen Pfingstfest? Wie sollen wir Sein Geheimnis verstehen lernen, damit wir auf IHN achten können und lernen, auf IHN zu hören? Wer kann uns das Geheimnis des Heiligen Geistes enthüllen, so daß wir es soweit verstehen können, daß unsere Herzen offen und bereit sind? Der hl. Evangelist Johannes wird von den Kirchenvätern „der Theologe“ genannt. Sein ganzes Evangelium ist nämlich ein wunderbares Zeugnis für unseren göttlichen Glauben. In seinem Prolog besingt er die Menschwerdung des göttlichen Wortes und endet mit der unfaßlichen Feststellung: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzigerzeugte, Gott, der im Schoß des Vaters ist, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18). Der hl. Apostel Johannes ist zudem der Theologe der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und damit besonders auch des Heiligen Geistes. Sobald man die Abschiedsreden einigermaßen aufmerksam und nachdenklich liest, spürt man das Wehen des Heiligen Geistes. Wenn unser göttlicher Herr den Aposteln etwa verspricht: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommt, wird er euch in alle Wahrheit einführen. Denn er wird nicht aus sich reden, sondern alles, was er hört, wird er reden, und was zukünftig ist, euch verkünden.“

Man kann sicher ohne Übertreibung sagen: Der heilige Johannes hat in seinem Evangelium, in seinen Briefen und in seiner Geheimen Offenbarung über den Heiligen Geist so tief und schön wie kein anderer Evangelist und Apostel geschrieben. Alles was die Kirchenväter, die Konzilien, die Päpste, die Theologen und Mystiker über den Heiligen Geist zu sagen wissen, ist keimhaft in den Schriften des heiligen Johannes enthalten. So wollen wir ein wenig bei ihm in die Schule gehen und uns den Glauben über den Heiligen Geist von ihm näher erklären lassen.

Der hl. Apostel und Evangelist Johannes – Der aufmerksame Lauscher am Herzen Jesu

Eine der verbeitesten Darstellungen des hl. Apostel Johannes zeigt ihn, wie er am Herzen Jesu ruht. Johannes hat am Herzen Jesu geruht und dort die Geheimnisse Gottes erlauscht, wie die Väter immer wieder betonen. Unter diesen Geheimnissen ist natürlich auch das Geheimnis der dritten göttlichen Person, der Heilige Geist. Man könnte sagen, Johannes hat nicht nur in das verborgene Antlitz Jesu, sondern auch in das verborgene Antlitz des Heiligen Geistes geschaut. Anders als den Vater und den Sohn, können wir uns den Heiligen Geist nicht vorstellen. Er ist die verborgenste der drei göttlichen Personen. Wie aber offenbarte sich der Heilige Geist dem hl. Johannes? Jesus sprach einst zu Philippus: „Wer mich sieht, der sieht auch den Vater“ (Joh 14, 9). Er hätte genauso gut sagen können: Wer mich sieht, der sieht auch den Heiligen Geist. Johannes hat im Angesicht Jesu wie in einem Spiegel das verborgene Angesicht des Heiligen Geistes erschaut. Moses hat einst Gott gebeten: „Laß mich deine Herrlichkeit schauen“ (Ex 33, 18). Ein wahrhaft himmelhohes und zugleich wagemutiges Wort! Aber Gott geht dennoch auf das Wort Moses ein und gibt ihm zu Antwort: „‘Du kannst mein Angesicht nicht schauen. Kein Mensch sieht mich und bleibt am Leben.‘ Weiter sagte der Herr: ‚Siehe, bei mir ist Platz! Da magst du dich auf den Felsen stellen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorüberzieht, werde ich dich in die Höhlung des Felsens stellen und meine Hand über dich decken, bis ich vorüber bin. Wenn ich dann meine Hand zurückziehe, wirst du mich von hinten schauen. Aber mein Angesicht darf niemand schauen!‘“

Solange wir in diesem Leben weilen, können wir die Herrlichkeit Gottes nicht direkt sehen, wir können IHN höchstens von hinten schauen. Der Schleier, der Sein Wesen verbirgt, bleibt trotz der Offenbarung bestehen. Das gilt besonders für die dritte göttliche Person, für den Heiligen Geist. Wir können ihn nicht von Angesicht zu Angesicht schauen, sondern nur wie im Spiegel. Ein Spiegel des Schöpfergeistes etwa ist die Schöpfung. Jeder Stern, jede Blume, jedes leuchtende Kinderauge ist wie eine Feuerflamme des Heiligen Geistes, ist wie ein Aufleuchten seines verhüllten Angesichtes. Sein reinster Spiegel aber ist das Angesicht Jesu, das Leben Jesu, das Johannes drei Jahre lang aus nächster Nähe betrachten konnte. Dabei durfte der hl. Johannes sowohl in das blutige Angesicht des Gekreuzigten, als auch in das verklärte Antlitz des Auferstandenen schauen. Darum bekannte er: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater voll der Gnade und Wahrheit“ (Joh. 1, 14). In der Herrlichkeit Jesu sah Johannes zugleich die Herrlichkeit des Vaters und des Heiligen Geistes, also das innerste Geheimnis des Dreifaltigen Gottes. Johannes sah vor allem und erkannte immer tiefer, wie das Angesicht Jesu immerfort voll Liebe dem Vater zugewandt war, wie er ganz für den Vater lebte und nicht Seine, sondern allein des Vaters Verherrlichung suchte. Johannes hörte auch, wie er zum Vater betete und im Heiligen Geist vor ihm frohlockte und sterbend Seinen Geist in die Hände des Vaters übergab.

Johannes sah zudem, wie das Angesicht Jesu auch voller Liebe den Menschen zugewandt war. In Jesus war die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Gottes sichtbar geworden. Jesus ging den Kranken nach und richtete die Niedergebeugten auf, ER nahm sich der Sünder an und er gab den Menschen Seinen Frieden. Mit jedem Tag, den der hl. Johannes mit unserem göttlichen Herrn zusammen war, erkannte er klarer: Ein tiefes Geheimnis, eine unendliche Liebe trug Jesus in sich, so daß Johannes nur staunend stammeln kann: „Und wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und an sie geglaubt. - Gott ist Liebe; wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm.“ Das ist die Erkenntnis aller Erkenntnisse, schließt sie doch wirklich alles ein. Damit wir dieses „alles“ etwas greifen können, lassen wir den hl. Thomas von Aquin im Prolog seines Sentenzenkommentars zu Wort kommen: „‘Ich, die Weisheit, habe ausgegossen die Ströme‘ [Sir 24, 40]. Diese Ströme verstehe ich als das Fluten des ewigen Hervorgehens, in welchem der Sohn vom Vater und der Heilige Geist von beiden auf unaussprechliche Weise ausgeht. Diese Ströme waren einst verborgen und in gewissem Sinn unklar, sowohl in den Gleichnissen der Schöpfung wie auch in den Rätselreden der Schriften, so daß kaum einzelne Weise das Geheimnis der Dreieinigkeit geglaubt haben. Dann ist der Sohn Gottes gekommen und hat die eingeschlossenen Ströme ausgegossen.“

Welch atemberaubendes Geschehen ist die Menschwerdung! Ein unauslotbares Wunder ist dieser Jesus von Nazareth: „Dann ist der Sohn Gottes gekommen und hat die eingeschlossenen Ströme ausgegossen.“ ER ist gekommen, um unendliche Schätze der Erkenntnis und der Gnade auszugießen in unsere, in Seine Menschenwelt, doch: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1,11). Die Seinen nahmen Ihn nicht auf – warum? „Das Licht ist in die Welt gekommen. Die Menschen aber hatten die Finsternis lieber als das Licht; denn ihre Werke waren böse“ (Joh 3,19). Seine Feinde gingen in ihrer Verblendung sogar so weit zu behaupten, er sei vom Teufel besessen. Seine Freunde hingegen erkannten in ihm das Geheimnis der göttlichen Liebe. Dieses aber ist der Heilige Geist, was der hl. Thomas von Aquin in seiner Summa in dem Sinne erklärt: „Im Bereich der göttlichen Dinge kann der Name ‚Liebe‘ bezogen werden auf die Wesenheit und auf die Person. Sofern er auf die Person bezogen wird, ist er der eigentümliche Name des Heiligen Geistes, wie ‚Wort‘ der eigentümliche Name des Sohnes ist.“ Die göttliche Liebe ist nicht einfach eine Eigenschaft Gottes, sondern eine eigene göttliche Person! Was für ein Geheimnis! Dringen wir mit Hilfe des hl. Thomas noch etwas tiefer, schwindelerregender in dieses Geheimnis ein: „Wie der Vater sich selbst und alle Kreatur aussagt in dem Worte, das er gezeugt, sofern das gezeugte Wort zulänglich abbildet den Vater und alle Kreatur, so liebt der Vater sich selbst und alle Kreatur im Heiligen Geiste, sofern der Heilige Geist hervorgeht als die Liebe der Ur-Gutheit, gemäß welcher der Vater sich selbst und alle Kreatur liebt.“

All das hat der hl. Johannes auf dem Antlitz Jesu erschaut und an dessen Herzen ruhend erlauscht. Es gibt nichts Schöneres auf der ganzen Erde, als das Angesicht des gekreuzigten und auferstandenen Herrn, aus dem uns das verschleierte Antlitz des Heiligen Geistes entgegenleuchtet und sich uns der Vater offenbart. Aber nur diejenigen Menschen mit reinen Augen und demütigem Herzen können den Heiligen Geist erkennen, heißt es doch in der sechsten Seligpreisung: „Selig, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen“ (Mt 5, 6). Deswegen hat auch Moses mit seiner Bitte auf dem Berge Sinai, Gott schauen zu dürfen, ein vierzigtägiges Fasten verbunden. Moses wußte noch: Erst durch die Buße gereinigt durfte er das Abenteuer der Gotteserkenntnis wagen – und nochmals sei es in Erinnerung gerufen: „Wenn ich dann meine Hand zurückziehe, wirst du mich von hinten schauen. Aber mein Angesicht darf niemand schauen!“

Das verborgene Antlitz des Heiligen Geistes

Wenn also auch wir das verborgene Antlitz des Heiligen Geistes in der Gestalt Jesu schauen wollen, müssen wir uns ebenfalls um die Reinigung des Herzens bemühen. Nur dann dürfen wir hoffen, daß der Heilige Geist unsere Bitte erfüllt: Laß mich dein Angesicht sehen, zeige mir deine Herrlichkeit! Schauen wir also noch ein wenig eingehender auf die Gestalt unseren Herrn Jesus Christus, um darin den Heiligen Geist zu erkennen.

Es war in der Synagoge von Nazareth. Jesus nimmt die Schriftrolle des Propheten Isaias und: „Er rollte die Schriftrolle auf und fand die Stelle, wo geschrieben steht: ‚Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn er hat mich gesalbt. Er sandte mich, den Armen die Frohbotschaft zu bringen, [zu heilen, die gebrochenen Herzens sind,] den Gefangenen die Befreiung zu künden, den Blinden das Augenlicht wiederzugeben, Bedrückte in Freiheit zu setzen, und auszurufen das Gnadenjahr des Herrn‘“ (Lk. 4,17-19). Als alle voller Spannung auf IHN blicken – „Er rollte die Schriftrolle zusammen, gab sie dem Diener zurück und setzte sich“ – und ungeduldig warten, „begann er zu ihnen zu sprechen: ‚Heute ist dieses Schriftwort in Erfüllung gegangen‘“ (Lk. 4,20f).

All die Worte, die Jesus bei der Bergpredigt und am See Genezareth, im Tempel oder in den Häusern unter vier Augen wie bei Nikodemus (Joh. 3), bei der Samariterin (Joh. 4) oder vor dem Volk im Tempel (Joh. 5, 7, 8) gesprochen hat, waren vom Heiligen Geist eingegeben. Es waren Worte des Vaters, die nur im Geist der Liebe verstanden werden konnten, denn: „Wer mich nicht liebt, bewahrt meine Worte nicht. Das Wort aber, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat“ (Joh. 14,24). Johannes weist zudem darauf hin: „…der Gottgesandte verkündet Gottes Worte; denn ohne Maß gibt er den Geist.“ (Joh 3, 34). Der Apostel Johannes hat in seinem Evangelium all das aufgeschrieben, was er mit seinen eigenen Ohren gehört hat und es weitergegeben als kostbaren Schatz, den es zu bewahren gilt. Wer diese Worte hört, hört nämlich die Worte des Heiligen Geistes.

Dabei hat der hl. Evangelist Johannes nicht nur die aus dem Heiligen Geist gesprochenen Worte Jesu überliefert, sondern auch die über den Heiligen Geist gesprochenen Worte Jesu gehört. Er saß so oft zu Füßen des Meisters oder stand an seiner Seite, wenn er in tiefer Ergriffenheit vom Heiligen Geist redete. Denken wir etwa an das nächtliche Gespräch mit Nikodemus oder mit der Samariterin am Jakobsbrunnen. Wie wunderbar wußte der göttliche Lehrmeister seine Zuhörer in die Tiefen des Geheimnisses Gottes hineinzuführen! Wie hebt ER z.B. den Nikodemus allmählich im Laufe des Gesprächs zur himmlischen Welt empor: „‘Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem, der aus dem Geist geboren ist.‘ Nikodemus entgegnete ihm: ‚Wie kann dies geschehen?‘ Jesus antwortete ihm: ‚Du bist der Lehrer von Israel und verstehst das nicht? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und wir bezeugen, was wir gesehen haben; aber ihr nehmt unser Zeugnis nicht an. Wenn ihr nicht glaubt, da ich von irdischen Dingen zu euch rede, wie werdet ihr glauben, wenn ich von himmlischen zu euch spreche? Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist, dem Menschensohn.‘“

Ein ganz außerordentlicher Moment göttlicher Offenbarungen war die Zeit des letzten Abendmahles. Damals saß der hl. Johannes unmittelbar neben dem göttlichen Herrn und erlauschte während der Abschiedsreden die Geheimnisse des Heiligen Geistes. Weil er als wahrer Freund Jesus so sehr liebte, hat er auch Seine Worte so gut verstanden, sie tief im Herzen bewahrt und den kommenden Zeiten wie ein überaus kostbares Kleinod weitergereicht. Beim Niederschreiben der Worte Jesu hat der Heilige Geist Johannes inspiriert, d.h. Er hat ihm die Feder geführt, so daß er alle Worte Jesu getreu wiedergeben konnte und alles genau so niederschrieb, wie es der Heilige Geist wollte.

Nach dem hl. Johannes nannte unser Herr den Geist Gottes: Beistand, Geist der Wahrheit und Heiliger Geist. Jesus, des ewigen Vaters ewiger Sohn, war bis jetzt der Beistand der Apostel. Jesus war ihr Mut, ihr Halt, ihre Stärke, ihre Sicherheit. Aber er wird bald die Welt verlassen, weshalb der Heilige Geist an Seine Stelle treten muß. Dieser ist der andere Beistand, der sie nicht wieder verlassen wird. Der Heilige Geist wird immer bei ihnen bleiben.

Dieser ist Gott gleich wie Jesus. Er ist der Geist, der lebendig macht. Er wird die Apostel leiten und in der Wahrheit festigen. Wenn er ihnen geschenkt wird, um sich aufs Innigste mit ihnen zu verbinden, so ist das nur möglich, weil er in innigster Verbindung mit Gott, dem Vater und dem Sohn steht und sein ewiges Dasein vom Vater und von ihm, dem Sohn hat: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommt, wird er euch in alle Wahrheit einführen. Denn er wird nicht aus sich reden, sondern alles, was er hört, wird er reden, und was zukünftig ist, euch verkünden. Er wird mich verherrlichen; denn er wird von Meinem nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein. Darum habe ich gesagt: Er nimmt von Meinem und wird es euch verkünden“ (Joh. 16,13-15).

Wenn der Heilige Geist vom Vater und Sohn gesendet wird, verläßt er den Schoß derer, die Ihn senden, nicht. Er hat keine von Ihnen verschiedene Natur. Er ist heilig, allmächtig, allwissend, gütig und barmherzig wie der Vater und der Sohn. Johannes hat uns die tiefste Offenbarung Jesu über den Heiligen Geist überliefert: Der Heilige Geist ist vom Vater und Sohn nicht gemacht, nicht geschaffen, nicht gezeugt, sondern aus beiden hervorgehend. „Bei seinem Ausgang von Vater und Sohn entfernt sich der Heilige Geist nicht von ihrem Wesen. Er bleibt dem Herzen beider verbunden, wie die Flamme mit der Glut, der sie entspringt, wie die Blüte mit der Pflanze, der sie entsprießt. Der Vater kann nicht ohne den Sohn sein und Vater und Sohn nicht ohne den Heiligen Geist. Jeder besitzt die göttliche Natur aus den andern und für die andern. Dieser unterschiedliche Besitz ist wesentlich für ihre Gemeinschaft. Der Heilige Geist verbindet Vater und Sohn als Ergebnis ihrer gegenseitigen Liebe. Er ist Krone und Siegel des Dreieinen“, so erklärt M. J. Scheeben das Geheimnis des Hervorgehens des Heiligen Geistes.

Die wortlose Sprache des Heiligen Geistes

An der Brust des Herrn ruhend hat Johannes nicht bloß die Worte Jesu über den Heiligen Geist gehört, er hat vielmehr die wortlose Sprache des Heiligen Geistes verstehen gelernt. Sie ist die Ursprache der Liebe, die von Ewigkeit an im Schoß der Dreifaltigkeit gesprochen wird und die nur der Mensch verstehen kann, der Gott liebt.

Wann aber spricht der Heilige Geist zu uns? Woran erkennen wir Seine Sprache? Sicher erkennen wir sie an den Wirkungen. Die inneren Einsprechungen, die zur Vermehrung des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe führen, kommen sicher vom Heiligen Geist. Selig, die des Heiligen Geistes Stimme hören und ihr allezeit freudig folgen!

Mit dem heiligen Johannes wollen wir ein wenig hinhören, was der Geist zu uns spricht. Die Voraussetzung des Hörens aber ist die Stille. Zunächst muß es also in und um uns herum still werden. Alle weltlichen Sorgen müssen verstummen, damit unser Herz bereit wird, den göttlichen Gast zu empfangen. M. J. Scheeben gibt zu bedenken:

„1. Irgendwie müssen wir vom Geiste Gottes ergriffen, erleuchtet und belebt werden, wenn wir die Lehre des Geistes über die Tiefen der Gottheit und die Gaben, welche aus diesen Tiefen geschöpft sind, lebendig auffassen sollen (vgl. 1 Kor 2,10). Der Heilige Geist strahlt uns sein Licht ein und macht uns die Übernatur anschaulich und deutlich; er beleuchtet die Wahrheit und erleuchtet unsern Verstand.
2. Damit ist naturgemäß die Glaubensgnade verbunden; denn der Heilige Geist öffnet das Ohr unseres Herzens und die Augen unserer Seele, damit wir willig und fest die Reichtümer der göttlichen Erbschaft richtig und klar erfassen (vgl. Eph 1,17). Die Begriffe unserer Vernunft werden verklärt; sie werden lebendig und anschaulich; sie entsprechen den übernatürlichen Wahrheiten, soweit diese sich überhaupt erklären lassen. Wenn wir uns demütig bewußt sind, von der Übernatur nichts aus uns selbst verstehen zu können, sind wir reif für die Erleuchtung des Heiligen Geistes. Wie vom Stolz, so muß auch das Auge des Herzens von allem Schmutz frei sein. Demut und Reinheit führen uns, obwohl auch sie schon vom Heiligen Geiste bewirkt werden, noch nicht über unsere Natur hinaus; sie entfernen nur die Hindernisse für den Glauben und machen uns empfänglich für die Einstrahlung und Lebenswärme des Heiligen Geistes.“

Johannes‘ Messias-Erwartung – Ein Beispiel des rechten Wartens

Blicken wir nun auf das Leben des hl. Apostels Johannes. Sein Beispiel kann uns ermuntern, uns auf das Kommen des Heiligen Geistes richtig vorzubereiten. Der hl. Evangelist Johannes hatte sich schon von Jugend auf nach dem Messias gesehnt und die Ankunft seines Reiches erwartet. Darum schloß er sich zunächst Johannes dem Täufer an, der sich als Wegbereiter des Messias bekannte. Da kam Jesus an den Jordan, um sich von Johannes taufen zu lassen. Als der göttliche Täufling aus dem Wasser gestiegen war, kam der Heilige Geist in Gestalt einer Taube auf ihn herab und eine Stimme erscholl aus der Wolke: „Dieser ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören!“ Hierauf bezeugt der Täufer: „Ich sah den Geist gleich einer Taube vom Himmel herabsteigen, und auf ihm bleiben. Ich kannte ihn nicht. Aber der mich sandte, mit Wasser zu taufen, sagte zu mir: Auf wen du den Geist herabsteigen und auf ihm bleiben siehst, der ist es, der mit Heiligem Geist tauft. Ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist der Sohn Gottes“ (Joh. 1,32-34).

Am anderen Tag ging Jesus an der Taufstelle vorüber. Der Täufer zeigte auf ihn und sprach zu seinen Schülern: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt!“ (Joh 1,29). Nach diesem Wort fühlte sich Johannes wie von einer geheimen Kraft gezogen. Er löste sich mit Andreas aus dem Kreis der Täuferschüler, ging auf Jesus zu und folgte ihm. Jesus schaute plötzlich zurück und fragte: „Was suchet ihr hier?“ Die beiden Jünger antworteten überrascht und wohl auch etwas verlegen: „Wo wohnst du, Rabbi?“ Jesus antwortete: „Kommt und seht!“ Sie gingen mit ihm, sahen wo er wohnte und verbrachten den Rest des Tages mit Ihm. Es war ungefähr um vier Uhr nachmittags (vgl. Joh 1, 35ff). Auch wenn Johannes in seinem Evangelium schon im hohen Alter diese erste Begegnung mit dem Herrn erzählt, hört man immer noch das Herzklopfen heraus. Er erinnerte sich nach Jahrzehnten noch genau an die Stunde, an der das geschah. Es war ja auch die Sternstunde seines Lebens.

Damals erging der erste Lockruf des göttlichen Geistes an ihn. Dieser wiederholte sich in den folgenden Tagen und wurde immer stärker. Einige Zeit später traf Jesus den Johannes wieder und zwar am See Genezareth. Er selber war mit seinem Vater Zebedäus und seinem Bruder Jakobus im Boot, um die Netze instand zu setzen. Jesus rief die beiden Brüder zu sich: „Folgt mir! Dann will ich euch zu Menschenfischern machen“ – „Auf der Stelle verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten ihm“ (vgl. Mt 4, 18ff).

Aus Liebe zu Jesus also verließ Johannes das Boot und seine Eltern. Fortan ging er mit Jesus und blieb bei ihm. Nie hat er seine erste Liebe verlassen. Seine Liebe zum Herrn wurde nur von der Liebe der Mutter des Herrn übertroffen. In seiner Liebe hat er dem Wunsch seines sterbenden Erlösers entsprechend, Maria zu sich genommen. Die Liebe des Johannes war eine jungfräulich-reine, vollkommen übernatürliche Liebe, denn er erkannte Jesus als seinen Herrn und Gott. Der Heilige Geist aber, der das Band der Liebe zwischen Vater und Sohn im Schoß der Heiligen Dreifaltigkeit ist, hat das Band der Liebe zwischen Jesus und Johannes geschlungen. In den drei Jahren, während Johannes an der Seite Jesu lebte und die Liebe seines göttlichen Freundes erfuhr, wurde seine Liebe immer mehr gereinigt. Der Geist des Herrn hat ihn verwandelt. Er hat das Band der Freundschaft mit Jesus übernatürlich gefestigt, so daß das Wort sich bewahrheitete: Das Gleiche wollen und das Gleiche nicht wollen, das ist wahre Freundschaft.

Die umwandelnde Wirkung des Heiligen Geistes

Trotzdem war Johannes immer noch der stürmische junge Mann. Jesus nannte ihn und seinen Bruder „Donnersöhne“. Als Jesus einst mit Seinen Aposteln unterwegs war nach Jerusalem, wollten sie in einem Dorf in Samaria halt machen, aber man nahm sie nicht auf. „Als die Jünger Jakobus und Johannes dies sahen, sagten sie: ‚Herr, willst du, daß wir befehlen, Feuer falle vom Himmel und verzehre sie?‘ Er aber wandte sich um und wies sie zurecht, mit den Worten: ‚Ihr wißt nicht, wes Geistes ihr seid. Der Menschensohn ist nicht gekommen, Seelen zu verderben, sondern zu retten.‘ - Und sie gingen in ein anderes Dorf.“

Immer noch hatten die Donnersöhne nicht begriffen, daß Jesus nicht das Feuer des göttlichen Zornes und der Vernichtung auf die Welt bringen wollte, sondern das heilige Feuer der Liebe des Heiligen Geistes. Das aufbrausende Temperament des Johannes und seines Bruders war wohl ein Erbstück seiner Mutter Salome, die in ihrem berechtigten Stolz auf ihre beiden Söhne für diese im Reiche Jesu um die Ehren und Vorzugsplätze zur Rechten und Linken des Messias bat. Johannes mußte sich vom Herrn deswegen die Belehrung anhören: „Ihr wißt, daß die Herrscher ihre Völker mit Gewalt regieren und daß die Großen sie unterdrücken. Bei euch soll es nicht so sein! Vielmehr - wer bei euch der Größte sein will, soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Knecht sein; wie auch der Menschensohn nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mt. 20, 25-28).

Der hl. Kirchenvater Johannes Chrysostomus kommentiert diese Schriftstelle: „Niemand beunruhige sich, wenn wir sagen, die Apostel seien noch so unvollkommen gewesen, denn noch war die Gnade des Heiligen Geistes nicht in ihre Herzen eingegossen. Wenn du aber ihre Tugenden kennenlernen willst, dann betrachte sie, wie sie nach Empfang der Gnade des Heiligen Geistes waren und du wirst sehen, daß sie jede verkehrte Neigung vergessen haben. Deshalb wird eben jetzt ihre Unvollkommenheit gezeigt, damit du deutlich sehen kannst, wie sie mit einem Male durch die Gnade geworden sind.“

Das Wirken des Heiligen Geistes im Abendmahlsaal

Am stärksten hörte Johannes den Lockruf des göttlichen Geistes an der Seite des leidenden und sterbenden Erlösers. Am Abend vor seinem Leiden ging Jesus nach Jerusalem, um mit seinen Jüngern ein letztes Mal das Osterlamm zu essen. Zur Vorbereitung schickte er Johannes mit Petrus voraus. Die Stunde des Abschieds war gekommen. Sie war für Johannes auch eine außergewöhnliche Stunde des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist war einst bei der Verkündigung durch den Erzengel Gabriel in der Kammer der Mutter Gottes zu Nazareth gegenwärtig, denn von Ihm hat Maria den Sohn Gottes empfangen. Durch Ihn begann Jesus sein menschliches Dasein. Nicht weniger als in Nazareth war der Heilige Geist auch im Abendmahlsaal gegenwärtig, da Jesus sein geheimnisvolles Dasein in der hl. Hostie beginnen wollte. Der Duft des Heiligen Geistes erfüllte den Saal. Dieser wunderbare Duft ging vom göttlichen Herrn aus, der durch eine geheimnisvolle Stiftung an diesem Abend sein Herz gleichsam öffnete, damit sein Geist, der Geist der Einheit und der Sühne, in die Welt ausströmen konnte.

Die Apostel saßen alle um den Tisch und waren eins wie Brüder, eins in der gemeinsamen Liebe zum Herrn. Der Heilige Geist, der Geist der Einheit, hat das einigende Band um sie geschlungen. Nur ein Apostel hat sich von dieser Einheit losgerissen, ihm hatte Satan ins Herz gegeben, seinen Meister zu verraten. Der Apostel Judas sündigte gegen den Heiligen Geist, indem er das Angebot der Liebe Gottes ablehnte. Seine Sünde fand keine Vergebung, weil er keine Vergebung mehr wollte. Judas spürte nur allzu deutlich, daß er nicht mehr hierher, nicht mehr dazu gehörte. Darum stand er auf und ging hinaus in die Nacht. Doch war es nicht bloß draußen Nacht, es war auch Nacht, finsterste Nacht in seiner Seele. Und die Finsternis der Sünde stürzte ihn in die Verzweiflung – „Da warf er die Silberlinge gegen den Tempel, lief weg und erhängte sich“ (Mt 27,5).

Im Abendmahlsaal machte Jesus eine geheimnisvolle Stiftung, Er brachte in sakramentaler Weise das Sühneopfer für die Sünden der Welt dar, als Er über Brot und Wein die Worte voll göttlicher Allmacht sprach: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird, das ist mein Blut, das für euch vergossen wird, zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19ff).

So feierte der einzig wahre, ewige Hohepriester das Opfer, das wir Tag für Tag unter Anrufung des Heiligen Geistes im hl. Meßopfer feiern, wodurch wir ständig an den göttlichen Abgrund erinnert werden, über dem die Gnade unserer Erlösung schwebt, wie der Geist über den Wassern der Urflut. Unser großer Dogmatiker, M. J. Scheeben läßt uns einen Blick in diesen Abgrund werfen:

„1. Die Idee des Opfers Christi treibt ihre tiefsten Wurzeln bis in die Abgründe der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Wie die Menschwerdung die ewige Zeugung nach außen fortsetzt und weiterführt und auch nur von daher verstanden werden kann, so sollte der Gottmensch sich opfern und hingeben, um jene göttliche Liebe auszudrücken, durch die er als Gottsohn den Heiligen Geist haucht und ausgießt. Durch sein Opfer stellt Christus die Liebe, die er als Sohn zum Vater trägt, aufs erhabenste dar: 'Damit die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe, — so kommt, laßt uns gehen' (Jo 14,31)!
Wie Vater und Sohn ihr ganzes Herzblut an den Heiligen Geist verströmen und sich ihm als Pfand ihrer unendlichen Liebe schenken, so wollte das Göttliche WORT in seiner Menschheit all sein Herzblut bis auf den letzten Tropfen vergießen, um seine vollkommene Hingabe an seinen Vater würdig darzustellen. Durch dieses Blut belebte der Heilige Geist den Menschen Christus, da das Blut der Lebensträger im Organismus ist. Von seiner Lieblichkeit war es durchweht, durchwürzt, geheiligt. So konnte es am Kreuz mit lieblichem Wohlgeruch zum Vater emporsteigen. Der Heilige Geist bringt es dar, vermittelt das Opfer: er ist die priesterliche Liebe in der Kreuzesliturgie; er ist der Engel, der das Opfer zum Altare Gottes hinaufträgt. Im Römischen Kanon beten wir nach der heiligen Wandlung: „In Demut flehen wir, allmächtiger Gott, dein heiliger Engel trage dieses Opfer auf deinen himmlischen Altar, vor deine göttliche Herrlichkeit.“ (Vgl. Hebr 9,14) Der Heilige Geist hat den Heiland zum Opfer getrieben und bringt selbst das geopferte Blut vor den Vater. Wort und Geist huldigen im Blut des Lammes dem Vater.
So wird das von Christus vergossene Blut zum wirklichen Pfand und heiligsten Sakrament für die Ausgießung des Heiligen Geistes: Vater und Sohn teilen uns im Geist gleichsam ihr innerstes Mark mit. Ist nicht das Herzblut Jesu mit seiner reinigenden, erwärmenden und belebenden Kraft das Sakrament der Gnaden, die der Geist Gottes in uns hervorbringt? Und wird nicht auch aus dem Herzblut des Erlösers durch die Kraft des in ihm wohnenden Geistes der Mystische Leib und die leibliche Braut des Gottmenschen, die Kirche, gebildet, ähnlich wie aus dem Herzen des Vaters und des Sohnes ihr Geist und bräutlicher Mitgenosse hervorsproßt?
Deswegen steht die Andacht zum heiligsten Herzen Jesu, dem Altar der göttlichen Liebe, in der innigsten Verbindung mit der Andacht zum Heiligen Geist als dem göttlichen Vertreter dieser Liebe. Versenken wir uns tief in das Geheimnis des göttlichen Herzens und des Heiligen Geistes, besonders in unserer kalten, frivolen Zeit!
So ist das Herzblut Christi das Band zwischen Gott und der Welt, in welchem Himmel und Erde zusammenfließen, wie in der Dreifaltigkeit der Heilige Geist als der Ausfluß der wechselseitigen Hingabe des Vaters und des Sohnes das ewige Band ist, welches Vater und Sohn untereinander und auch mit den Geschöpfen verbindet.“
(Matthias Josef Scheeben, Der Heilige Geist, Petrus Verlag – Kirchen/Sieg, 1973,S. 56ff).

Zeugnisgeben durch den Heiligen Geist

Am nächsten Tag sehen wir Johannes als einzigen Apostel mit Maria unterm Kreuz stehen. Er war hierhergekommen, nicht bloß um ein Bekenntnis für seinen gekreuzigten Freund und Herrn abzulegen, sondern auch, um ihm Sühne zu leisten für den Haß und Undank der Menschen und mit Jesus dem Vater das Opfer der Sühne darzubringen. Nach außen hin konnte er dem Heiland nicht helfen. Aber innerlich hat er ihm viel geholfen. Er hat Jesus getröstet und mit Maria ergänzt, was an dem Sühnopfer Jesu noch ausstand.

Es kostete Mut, Kraft und eine große Liebe, hier auszuharren. Wer hat ihn gestärkt, wenn nicht die „Kraft aus der Höhe“ (Apg 1,8). Der Geist der sühnenden Liebe des Johannes ist in die Kirche eingegangen, auf viele eifrige Seelen übergegangen und in ihnen lebendig geblieben.

In der Stunde, da der Herr am ohnmächtigsten schien, war Sein Geist am stärksten. Johannes hat uns das Wort Jesu an Nikodemus überliefert: „Ich aber werde, wenn ich von der Erde erhöht bin, alles an mich ziehen“ (Joh 12, 32). Während seines öffentlichen Lebens hat Jesus die Menschen durch Sein Wort und Seine Wunder an sich gezogen. Jetzt, da er am Kreuze gestorben war, hat er sie an sich gezogen durch seinen Geist. Nachdem Jesus durch den Tod in Seine Herrlichkeit eingegangen war, sind innerhalb weniger Wochen mehr Menschen zum Glauben an Christus gekommen, als während der dreijährigen öffentlichen Tätigkeit des Herrn. Nun begann auch die andere Verheißung sich zu erfüllen: „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, wird er Zeugnis von mir geben. Aber auch ihr sollt Zeugnis geben, weil ihr von Anfang an bei mir seid“ (Joh 15,26f).

Der Geist machte Johannes zum ersten und glaubwürdigsten Zeugen Jesu. Er konnte von sich schreiben: „Der dies gesehen hat, legt Zeugnis davon ab, und sein Zeugnis ist wahr. Und jener weiß, daß er die Wahrheit spricht, damit auch ihr glaubt“ (Joh 19,35). Mit der Öffnung der Seite Jesu hat die Ausgießung des Heiligen Geistes begonnen. Sie erreichte ihren sichtbaren Höhepunkt am ersten Pfingstfest. Sie geht weiter bis an das Ende der Zeiten. Der Vater sendet Seinen Geist durch das geöffnete Herz seines Sohnes – zunächst in seine Kirche und durch diese in die Welt. Die Seite Jesu schließt sich nicht mehr. Immer fließt aus dieser Quelle der Heilige Geist mit seinen Gaben und Früchten. Diese Quelle des Lebens und der Heiligkeit fließt für jeden Menschen, für den größten Sünder genauso wie für den größten Heiligen. Sie floß für den rechten Schächer wie auch für seine Feinde. Folgen wir nochmals den Erwägungen Scheebens, um diese Gedanken noch zu vertiefen. Im 1. Kapitel mit der Überschrift SEELE DER KIRCHE heißt es unter I. Geist und Glieder der Kirche:

„1. Der Geist des Bräutigams macht alle Glieder der Kirche zu seinen Tempeln, in denen er wohnt und seine göttliche und vergöttlichende Kraft offenbart. Er leitet die Kirche mit Weisheit und Ordnung; er heiligt die seelischen Krankheiten, indem er die Sünden nachläßt, ja, er wirkt in der Kirche ähnlich wie im Leibe Christi; er erfüllt sie mit der Gottheit. Er überschattet die Braut Christi. Durch seine Glut verklärt er sie in das Bild der göttlichen Natur. Er gestaltet ihr ganzes Sein um von Klarheit zu Klarheit. Er durchweht sie so tief und mächtig mit seinem göttlichen Leben, daß nicht mehr sie, sondern Gott in ihr lebt. Die Kirche wird durch den Heiligen Geist ihrem göttlichen Haupte und Bräutigam so gleichförmig, daß sie Christus selbst zu sein scheint.
Wenn bei menschlichen Gemeinschaften ihre Mitglieder ein Leib und eine Seele, oder wie Äste an einem Baum zu sein scheinen, so ist das nur ein Gleichnis. Als Glied der Kirche aber wird der Mensch wirklich in einen neuen, himmlischen Boden gepflanzt: er wird auf einen neuen Stamm, der Christus ist, aufgepfropft. Sein inneres Wesen, die Wurzel seines Lebens wird durch den Heiligen Geist umgestaltet; ein neues Leben wird ihm eingegossen, das vom Licht und Tau des neuen Himmels genährt und gepflegt wird.
Wie der Heilige Geist in der Menschheit Christi wohnt und wirkt, so wirkt er auch in der Kirche. In und durch Christus wohnt er mitten unter uns, gleichsam die Seele der Kirche.
2. Die Kirche ist nach dem Plan des Gottmenschen wahrhaft Mutter über ihre Kinder, da sie ja die Braut Christi ist. Deshalb vermählt sich Christus durch das unauslöschliche Merkmal des Sakramentes der Priesterweihe mit seinen Priestern, den Organen der Kirche; er legt die mystischen Gnaden seiner Kirche in ihre Hände und beschattet sie mit der besonderen Kraft des Heiligen Geistes, damit sie ihm im Namen der Kirche seine Kinder gebären und sie mit ihm vereinigen. Der Priester vermittelt zwischen Christus und seinen Kindern wie eine Mutter zwischen Vater und Kindern. Wie Maria vom Heiligen Geist überschattet wurde und der Welt den Sohn Gottes schenkte, so empfängt der Priester bei den Wandlungsworten durch die Kraft desselben Heiligen Geistes den eucharistischen Sohn Gottes, um ihn der Kirche zu schenken. Der Priester bildet die geheimnisvolle Mutterschaft Marias aus dem Heiligen Geiste nach und dehnt sie auf die Kirche aus“ (Ebd. S. 69ff).

Der Heilige Geist – Die Quelle des Heils

Die ersten, die zu dieser Quelle des Heils gekommen sind und an der Quelle des durchbohrten Herzen Jesu von dem Wasser, das Jesus versprochen hat und mit dem er den Heiligen Geist meinte, getrunken haben, waren Maria und Johannes. Wer vom Wasser des Heiligen Geistes getrunken hat, der will „nicht allein den Herrn verherrlichen, nicht allein ihn lieben, nicht allein ihn umfangen“ (Augustinus). Er will auch andere Menschen Jesus zuführen. Dies tut er, indem er für Jesus Zeugnis gibt. Seitdem Johannes bei der Durchbohrung des Herzen Jesu den Heiligen Geist aus der Seite Jesu empfangen hatte und ihn schließlich am Pfingstfest in seiner ganzen Fülle auf sich herabkommen sah, war das ganze Leben des Evangelisten ein Zeugnisgeben für Jesus geworden. Das war fortan der einzige und tiefste Sinn seines Lebens. Mit Petrus ging er in den Tempel, um von Jesus Christus zu predigen, nach Samaria, um den dortigen Christen das Sakrament der heiligen Firmung zu spenden und er stand vor dem Hohen Rate, um Zeugnis dafür abzulegen, daß Jesus der Sohn Gottes ist. Wegen seines Zeugnisses für diese Wahrheit wurde er auf die Insel Patmos verbannt.

Dort, in der Verbannung, gab ihm der Herr die Offenbarungen über die Zukunft der Kirche. Johannes schrieb diese Offenbarung im Auftrag des Herrn in ein Buch. „Diese Worte sind zuverlässig und wahr, und der Herr, der Gott der Geister der Propheten, hat seinen Engel gesandt, um seinen Knechten kundzutun, was bald geschehen muß. Siehe, ich komme bald. Selig, wer die Worte der Weissagung dieses Buches festhält!“ (Apk. 22,6f). „Denn das Zeugnis Jesu ist der Geist der Prophetie“ (Off 19, 10). Das Zeugnis jenes einen, der sprechen kann: „Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommen wird, der Allmächtige“ (Apk. 1,8).

ER führt uns durch die Dunkelheiten dieser Zeit ins ewige Licht des dreifaltigen Gottes. „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, um euch dies für die Gemeinden zu bezeugen. Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids, der glänzende Morgenstern. Und der Geist und die Braut sagen: Komm! - Wer es hört, sage: Komm! - Der Dürstende komme; wer Verlangen hat, empfange umsonst Wasser des Lebens“ (Apk. 22, 16f).

Der Geist und die Braut versprechen die ewige Sabbatruhe. Nach diesem Tag sehnt sich die Kirche, das ist die Braut Christi. Die Kirche fleht zusammen mit dem Heiligen Geist um das Kommen des himmlischen Bräutigams. Die Auserwählten dürfen zur Quelle des Lebens hintreten und das Wasser des Lebens und des ewigen Heiles schöpfen. „Niemand kann zum Erbe jenes Landes der Seligen gelangen, wenn er nicht vom Heiligen Geist bewegt wird“ (hl. Thomas von Aquin).

Wie Johannes dürfen auch wir die Kraft des Heiligen Geistes im Herzen Jesu tragen. Der Herr hat einst den Juden gesagt: „Mein Vater ist noch am Werk, und ich bin es auch“ (Joh 5, 17). Jesus ist auch heute noch am Werk. Aber er wirkt heute nicht mehr wie einst, da er im hl. Land sichtbar unter uns wandelte, sondern unsichtbar durch Seinen Geist. Durch ihn, den Finger an des Vaters Hand, wirkt er Seine Großtaten. Eine solche ist die seelische Verwandlung der Menschen, welche der Heilige Geist in uns wirken möchte. In dem oben schon erwähnten Buch, erklärt dazu M. J. Scheeben:

„Während Christus die sieben Gaben durch den Heiligen Geist, der ihn salbte, in unermeßlicher Fülle geschenkt sind, nehmen wir nur an seinen Gaben teil. 'Die Glieder am Leibe Christi sind mit Gaben ausgestattet, die sich unterscheiden je nach der Gnade, die uns verliehen ward' (Röm 12,6).
Da Christus aufs innigste mit Gott vereinigt ist und ihn deshalb auch so erkennt und liebt, daß sein geistliches Leben aufs höchste entfaltet ist, so lebt die Gabe in ihm nicht schlafend oder keimend, sondern höchst bewußt und seelengründig. Daher können die sieben Gaben das geistliche Leben in Christus weder fördern noch ergänzen: auch können sie selbst nicht wachsen oder zunehmen. Uns aber werden sie wie Keime geschenkt, die durch den Heiligen Geist innerlich gedeihen und äußerlich sich betätigen. Er schenkt der wachen und folgsamen Seele immer neues Licht und stärkere Kraft. Die Gaben führen uns der Fülle des Vollalters Christi entgegen. Sie erleuchten und ermuntern uns, dem Heiligen Geist so zu folgen, daß es auch unsere Speise wird, den Willen des himmlischen Vaters zu erfüllen. Glaube, Hoffnung und Liebe werden in uns wach und blühen auf durch jede dieser Gaben.
Die Gaben brauchten Christus nicht vor der Sünde zu schützen oder gegen Leidenschaften zu stärken; er war ja personhaft mit dem Göttlichen WORT verbunden und daher gegen Versuchung und Sünde gefeit. Uns aber sollen sie gegen jedwede Leidenschaft sicherstellen und im Guten fördern.
Die Furcht des Herrn war bei Christus nicht der Beginn der Weisheit noch schreckte sie ihn von der Sünde ab, sondern stellte die Frucht aller andern Gaben dar; sie durchdrang als Duft des Heiligen Geistes den ganzen Menschen Christus. Uns dagegen ist sie das Gegengift gegen jede Sünde. Mit ihr beginnt bei uns die Weisheit. Durch sie lernen wir einsehen, wie sehr wir durch die Sünde den Zorn und das Mißfallen Gottes hervorrufen und wie er uns dann seine Gnaden entziehen und in seinem Zorn bestrafen muß. Wir werden vorbereitet, ein gottähnliches Leben zu beginnen.
Die Furcht des Herrn schenkt uns nicht schon wie bei Christus den Gipfel der Gottesverehrung, die durch kindliche Liebe vollendet und getragen wird, sondern wir lernen zu streben und zu arbeiten, wie wir Gott ehren und lieben können, soweit er es von unsern schwachen Kräften verlangt. Er verheißt uns sogar Lohn, wenn wir diese Gabe recht benutzen und droht uns Strafe an, wenn wir sie bewußt und freiwillig zurückweisen.
So wird die Furcht des Herrn für uns eine kostbare und mächtige Gabe. Wie ein scharfes Schwert durchbohrt sie unser Herz; alle Bande, die uns durch sündhafte Liebe irgendwie fesseln, durchschneidet sie mit heiliger Gewalt und schwebt beständig über unserm Haupt, bis wir uns unter den Mantel der Gnade geflüchtet und uns im Schöße des Vaters geborgen haben. Wenn wir diese Gabe in uns nicht gebrauchen wollen, sondern verstockt und hartherzig in unsern Sünden dahinleben, so hören wir auch die Mahnrufe des Heiligen Geistes nicht und kümmern uns nicht um die entsetzlichen Strafen, welche Gott über die Verächter seiner Gnadengaben verhängen wird“ (Ebd. S. 138ff).

Unterscheidung der Geister

Gegen Ende des Lebens des Evangelisten traten in der Kirche Irrlehrer auf, die Spaltung unter den Christen hervorriefen. Es waren die Gnostiker, die eine Erkenntnis unter Angleichung an die Weisheit der Welt verkündigten, die Ebioniten und die Chiliasten, die mit ihren schwärmerischen Gedanken Verwirrung hervorriefen. Ja, es gab damals schon Christen, die wie später Arius die Gottheit Christi und auch die des Heiligen Geistes leugneten. Vor Ihnen warnte Johannes in seinem ersten Brief: „Geliebte, traut nicht jedem Geist! Prüft vielmehr die Geister, ob sie aus Gott sind! Denn viele falsche Propheten sind in die Welt ausgezogen. Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der bekennt, Jesus Christus ist im Fleisch gekommen, ist aus Gott. Und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott. Das ist der Geist des Antichristen, von dem ihr gehört habt, daß er kommt und der jetzt schon in der Welt ist“ (1 Joh 4, 1ff).

Bitten wir in dieser wahrhaft antichristlichen Zeit den Heiligen Geist ganz besonders um die Gabe der Unterscheidung der Geister und um wunderbare Stärkung unseres hl. Glaubens, denn beides ist uns notwendiger denn je! Wir wollen unsere Gedanken mit den ernsten Schlußworten Kardinal Mannings aus seiner Schrift „Der Antichrist“ aus dem Jahre 1861 enden: „Die täglichen Ereignisse führen die Menschen immer weiter und weiter auf der Laufbahn, die sie betreten haben. Jeden Tag werden sie mehr und mehr geteilt. Dies sind Zeiten der Prüfung. Unser Herr steht in der Kirche: ‚Er hat seine Wurfschaufel in seiner Hand, und wird seine Tenne reinigen; seinen Weizen wird er in seine Scheune sammeln, die Spreu aber mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.’ Es ist eine Zeit der Prüfung, wo ‚einige von den Erleuchteten’ fallen werden, und nur die werden gerettet werden, die standhaft sind bis ans Ende. Die zwei großen Widersacher sammeln ihre Kräfte zum letzten Streite. Derselbe mag vielleicht nicht in unsere Tage fallen, vielleicht auch nicht in die Zeit derer, die nach uns kommen; aber Eines ist gewiß, daß wir jetzt ebenso auf die Probe gestellt werden, wie es die sein werden, welche in der Zeit leben, wo es geschehen soll. Denn so sicher als der Sohn Gottes in der Höhe herrscht und herrschen wird, bis Er alle seine Feinde sich zu Füßen gelegt hat, ebenso sicher wird ein Jeder, der einen Fuß erhebt oder eine Waffe schwingt gegen seinen Glauben, gegen seine Kirche oder gegen seinen Statthalter auf Erden, Teil haben an dem Gerichte, das dem Antichrist aufbewahrt ist, welchem er dient!“