1. Die Herren „Dominikaner“ aus Avrillé im Tradiland, die wir bereits als profunde Theologen und wackere Streiter wider die „Sedisvakantisten“ kennengelernt haben (vgl. Seliger Irrtum), beschäftigen sich in ihrer jüngsten Nummer von „Le Sel de la Terre“ (Nr. 93, Sommer 2015) mit den verschiedenen Notionen von „Konziliare Kirche“. Sie stellen nämlich fest, daß sich nach vierzig Jahren weitgehender Einigkeit in diesem Punkt nunmehr seit dem Jahr 2013 eine neue Sichtweise breitmache. Daher fühlen sie sich berufen, den Alt-Lefebvrismus gegen den Neo-Lefebvrismus zu verteidigen.
2. In einer kurzen Darstellung der beiden Positionen führen sie aus, daß man bis dato allgemein festgehalten habe, daß eine organisierte „Konziliare Kirche“ existiere, welche man wie folgt definieren könne: „Die konziliare Kirche ist die Gemeinschaft der Getauften, welche den Direktiven der aktuellen Päpste und Bischöfe folgen, indem sie sich mehr oder weniger bewußt die Absicht zu eigen machen, die Einheit des Menschengeschlechtes zu verwirklichen, und welche in der Praxis die Entscheidungen des Konzils annehmen, die neue Liturgie praktizieren und sich dem neuen Kirchenrecht unterwerfen.“ Diese Definition entnehmen die „Herrenhunde“ einer Arbeit des vorzüglichen Weihbischofs, Lefebvre-Jüngers und -Evangelisten Bernard Tissier de Mallerais, welche sie zwei Jahre zuvor, im Sommer 2013, in ihrer Revue veröffentlicht hatten (Nr. 85): „L'Église conciliaire existe-t-elle? - Existiert die konziliare Kirche?“. Wir werden auf diese Arbeit noch einzugehen haben.
Die „Domini canes“ vergessen nicht, sogleich hinzuzufügen, daß man „konziliar“ sein könne und gleichzeitig katholisch bleiben, „auch wenn man seinen Glauben in Gefahr bringt“. „Daher kann der Papst Haupt der katholischen Kirche bleiben, auch wenn er Teil der konziliaren Kirche ist“, sagen sie, und wir merken gleich, woher der Wind weht: Bloß kein „Sedisvakantismus“! Auch hierbei berufen sie sich per Anmerkung u.a. auf die Arbeit von Bischof Tissier de Mallerais und geben uns einen weiteren Grund, uns weiter unten näher mit dieser zu beschäftigen.
Dieser alt-lefebvristischen Position stellen sie also nun die neue der Neo-Lefebvristen gegenüber, wonach es heute ebenso wie gestern nur eine Kirche gebe, nämlich die katholische Kirche. Die Bezeichnung „konziliare Kirche“, welche in der Vergangenheit bisweilen, vor allem von Mgr. Lefebvre, gebraucht wurde, sei nur eine Metapher, um „einen neuen Geist“ zu bezeichnen, der sich seit dem Konzil in der Kirche ausgebreitet habe. Man habe diesen Ausdruck getrost benutzen können im Kontext einer erst kurz davor erfolgten und vor aller Augen evidenten Subversion, heute jedoch müsse man ihn meiden, da er eine „sedisvakantistische“ Mentalität befördere. In der Tat würde die Behauptung, der Papst stehe einer anderen Kirche als der katholischen vor, dahin führen zu denken, daß er nicht mehr das Haupt der katholischen Kirche sei. So meinen die Herren „Dominikaner“, die neo-lefebvristische Position korrekt wiedergegeben zu haben, wie sie diese etwa in dem Artikel „Peut-on parler d'une Èglise conciliaire? - Kann man von einer konziliaren Kirche sprechen?“ des vortrefflichen „Pius-Ekklesiologen“ Abbé Gleize im „Courrier de Rome“ Nr. 363 vom Februar 2013 gefunden haben. Wir sehen sofort die Gemeinsamkeit beider Positionen, denn auch hier schreit es uns förmlich entgegen: Bloß kein... nun ja, wir wissen schon. Somit stellen sich beide gleichermaßen dar als verschieden nuancierte Ausflüchte vor derselben Wahrheit.
3. Für die Predigerbrüder jedoch stützt sich die „neue Meinung“ auf einen „Sophismus“, einen Denkfehler, welcher in seiner Logik zu schwerwiegenden Konsequenzen führe. Das wollen sie uns als erstes darlegen. Danach wollen sie uns vor Augen führen, daß das Konzept der „konziliaren Kirche“ von solcher Notwendigkeit ist, daß man sich in der Praxis nicht davon lösen kann, wenn anders man die Positionen Mgr. Lefebvres bewahren will – und das will ja jeder Lefebvrist unbedingt! Schließlich wollen sie uns noch zeigen, daß die „alte“ Position weitestgehend die aller „der Tradition treugebliebenen Bischöfe“ sei. Da sind wir aber gespannt!
Doch zunächst zum „Sophismus der neuen Position“. „Das Argument der Neuerer läßt sich so zusammenfassen“, dozieren die Herren Mönche: „Wenn eine konziliare Kirche als eine Gesellschaft betrachtet existieren würde, wäre diese eine neue, von der katholischen Kirche verschiedene Kirche, deren Mitglieder (namentlich der Papst) notwendigerweise mit der katholischen Kirche gebrochen hätten. Nun ist aber der Papst der Papst (außer man würde die Hypothese des Sedisvakantismus zugeben, welche falsch ist), er bewahrt seine grundsätzliche Neigung zum Wohl der Kirche, auch wenn es Hindernisse gibt bei der Ausübung dieser Neigung. Somit ist der Papst nicht das Haupt einer anderen Kirche, und die konziliare Kirche existiert nicht als Gesellschaft.“
Diese Beweisführung nun sei falsch, so unsere Herrenhunde, und zwar nicht etwa deswegen, weil der Untersatz eine schlichte und unhaltbare Behauptung darstellt, deren einziger Beweis das „argumentum ad absurdum“ ist, daß man andernfalls „Sedisvakantist“ wäre – welch grauenhafte Vorstellung! -, sondern sie sei falsch in ihrem Obersatz, in ihrer ersten Behauptung: „Wenn man einer anderen Gesellschaft als der katholischen Kirche angehört, hat man nicht notwendigerweise mit der katholischen Kirche gebrochen.“ Man könne nämlich katholisch sein und dennoch vielen anderen Gesellschaften angehören: „einer Nation, einer Akademie, einer Vereinigung, sogar der Freimaurerei“. Letzteres begründen die gelehrten Herren damit, daß im alten Rechtskodex der Kirche zwar die Zugehörigkeit zur Freimaurerei mit einer „kleinen“ Exkommunikation belegt gewesen sei, welche allerdings nicht ausreiche, um von der Zugehörigkeit zur Kirche auszuschließen, wozu eine „große“ Exkommunikation nötig sei. Im neuen Kodex sei diese Exkommunikation ganz verschwunden, und die Zugehörigkeit zur Freimaurerei werde von der Glaubenskongregation lediglich als „schwere Sünde“ betrachtet.
4. Es ist vielleicht hier am Platze, eine kleine Klarstellung einzufügen, damit die Dinge nicht immer wieder durcheinandergeworfen werden. Eichmann-Mörsdorf schreiben in ihrem „Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici“ (Paderborn 1950), Bd. III, über den „Kirchenbann“ oder die Exkommunikation: „Der Kirchenbann (excommunicatio) ist die einstweilige Ausstoßung eines Kirchengliedes aus der Gemeinschaft der Gläubigen mit näher bestimmten Wirkungen, die gesetzlich festgelegt sind und nicht voneinander getrennt werden können. Der einstweilige Charakter des Kirchenbannes beruht darauf, daß der Bann seinem Wesen nach Beugestrafe ist; er kann daher nur auf unbestimmte Zeit ausgesprochen und muß nach Aufgabe der Verhärtung wieder aufgehoben werden. Der Bann ist nicht Ausschluß aus der Kirche, sondern Absonderung von der aktiven Kirchengemeinschaft. Der Gebannte wird vereinsamt, damit er in sich gehe und seine Verhärtung aufgebe; zugleich wird die kirchliche Gemeinschaft vor der Gefahr verderblicher Ansteckung geschützt. Die Wirkungen des Kirchenbannes liegen im wesentlichen auf rein kirchlichem Gebiet, und zwar nicht in dem Bereich der konstitutionellen, sondern der tätigen Gliedschaft. Der Bann nimmt nicht das Personsein in der Kirche, d.h. die kirchliche Rechtsfähigkeit bleibt in aktiver und in passiver Hinsicht als allgemeines Vermögen bestehen“ (S. 382).
Die Exkommunikation ist also eine Kirchenstrafe, die zwar vorübergehend von der Kirchengemeinschaft absondert, nicht aber notwendig den grundsätzlichen Ausschluß aus der Kirche bedeutet. Darum gilt auch: „Durch rechtserhebliches Handeln erworbene kirchliche Rechte werden grundsätzlich nicht entzogen, sondern bloß hinsichtlich ihrer Ausübung behindert. Es kann z.B. ein gebannter Amtsinhaber gewisse Hoheitsakte rechtswirksam setzen; ein gebannter Kardinal besitzt aktives und passives Wahlrecht bei der Papstwahl, könnte also rechtswirksam zum Papste gewählt werden und würde mit Annahme der Wahl rechtmäßiges Oberhaupt der Kirche sein“ (S. 383). Übrigens weiß das Lehrbuch: „Das geltende Kirchenrecht unterscheidet nicht mehr zwischen großem und kleinem Kirchenbann; es gibt nur einen Bann mit den gesetzlich festgelegten und untrennbaren Wirkungen“ (S. 384). „Der kleine Kirchenbann, den man sich nach früherem Recht durch den Verkehr mit einem Gebannten zuzog, war im wesentlichen Ausschluß von dem Sakramentenempfang und konnte von jedem Beichtvater behoben werden“, heißt es dazu in einer Fußnote (ebd.).
Wie also die Herren „Dominikaner“ zu ihrer sonderbaren Auffassung gelangt sind, es gebe eine kleine Exkommunikation, welche nicht von der Kirche ausschließt, und eine große, die das wohl tut, bleibt rätselhaft. Wie auch immer, nach can. 2335 zieht die Zugehörigkeit zur Freimaurerei „ohne weiteres den Kirchenbann“ nach sich, „dessen Lossprechung dem Heiligen Stuhl in einfacher Weise vorbehalten ist“. „Zur Vollendung des Tatbestandes genügt die bloße Zugehörigkeit zu einer solchen Gesellschaft; eine Lossprechung ist erst möglich, wenn der Austritt erfolgt ist“ (S. 435). Der Freimaurer ist also exkommuniziert. Aber ist er deswegen aus der katholischen Kirche ausgeschlossen?
Der (echte!) Dominikaner Dominicus M. Prümmer lehrt in seinem „Manuale Theologiae Moralis secundum principia S. Thomae Aquinatis“, Bd. I, über den Glaubensabfall, die Apostasie, diese könne definiert werden als „völliger Abfall vom einst willentlich empfangenen christlichen Glauben“. „Wir sprechen von völligem Abfall, denn wenn jemand den einen oder anderen Glaubensartikel leugnet, ist er eher ein Häretiker als ein Apostat. Dennoch wird ein Katholik, der auch nur einen Glaubensartikel leugnet, damit notwendig die Unfehlbarkeit der Kirche leugnen, fällt daher eo ipso völlig von der Kirche und dem katholischen Glauben ab und wird ein wahrer Apostat. Daher scheint das Wesen der Apostasie darin zu bestehen, daß jemand willentlich den katholischen Glauben zurückweist, den er zuvor hatte“ (S. 363).
Er fährt fort: „Darum ist einer, der von Kindheit an in der Häresie getauft und erzogen wurde, kein Apostat, sondern ein Häretiker. Zur Apostasie ist es jedoch nicht erforderlich, daß jemand irgendeiner bestimmten falschen Sekte angehört, also z.B. zum Judentum oder Islam übertritt, sondern es genügt, daß er nach der in der katholischen Kirche empfangenen Taufe völlig vom Glauben abfällt. Daher sind Rationalisten, Atheisten, Freidenker und Freimaurer (wenigstens die meisten von ihnen) in Wahrheit vom Glauben abgefallen.“
Die Exkommunikation ist also das eine, die Apostasie oder der Glaubensabfall das andere. Zwar steht auf Apostasie und Häresie ebenfalls die Kirchenstrafe der Exkommunikation, doch darüberhinaus trennt sich der Apostat auch ipso facto völlig von der Kirche (die freilich die Jurisdiktion über ihn wie alle anderen Getauften behält und daher auch eine Kirchenstrafe über ihn verhängen kann). Die Behauptung der Herren „Dominikaner“, man könne gleichzeitig Freimaurer sein und doch katholisch bleiben, ist somit zumindest sehr gewagt. Sie könnte allenfalls auf solche Katholiken zutreffen, die guten Glaubens der Freimaurerei anhangen, weil sie in ihr tatsächlich einen Philanthropen-Verein erblicken, ohne hinter ihre Fassade zu schauen oder ihre rationalistischen und naturalistischen Grundsätze anzunehmen. Das dürften freilich nicht allzu viele sein.
5. Warum die Predigerbrüder neben die sicher legitime Zugehörigkeit eines Katholiken zu einem Staat oder einer erlaubten Vereinigung ausgerechnet die illegitime und unerlaubte Zugehörigkeit zur Freimaurerei rücken wollten, wird aus folgendem klar: „Nehmen wir genau dies letzte Beispiel. Ein Freimaurer könnte gleichzeitig Mitglied der katholischen Kirche sein (wenn er nicht formell abgefallen ist) und Mitglied der Gegen-Kirche. Es gibt da keine Unvereinbarkeit (Inkompatibilität). A fortiori gibt es keine Unvereinbarkeit (Inkompatibilität), wenn man gleichzeitig Mitglied der katholischen Kirche und der konziliaren Kirche ist, welche man trotz allem von der Gegen-Kirche unterscheiden muß.“
Oho, da sind wir aber perplex! Es gibt also keine Unvereinbarkeit der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und zur Freimaurerei (weil letzteres maximal eine „kleine Exkommunikation“ bedeutet) und noch weniger zwischen der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und der zur „konziliaren Kirche“, zumal diese im Gegensatz zur Freimaurerei keine „Gegen-Kirche“ darstellt. Eine solche Auffassung erschiene unseren gemäßigten Herren nämlich „übertrieben“, wie sie in ihrer Fußnote dazu bemerken. Daß die Zugehörigkeit zur Freimaurerei mit der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche tatsächlich sehr wohl unvereinbar ist, haben wir schon gesehen. Wie ist es nun mit der „übertriebenen“ Auffassung von der „Konziliaren Kirche“ als „Gegen-Kirche“?
Die „Konziliare Kirche“ ist wesentlich apostatisch. Ihre Grundsätze sind die des Modernismus, welchen der heilige Pius X. nennt das „Sammelbecken aller Häresien“. Auch der große Meister der Alt- wie der Neo-Lefebvristen, Erzbischof Lefebvre höchstselbst, sprach von dieser Apostasie. In der Einleitung zu seinem Buch „Sie haben Ihn entthront“ (Stuttgart 1988) schreibt er: „Es handelt sich nicht so sehr um Kriege, um atomare oder ökologische Katastrophen, sondern vor allem um die Revolution außerhalb und innerhalb der Kirche und schließlich um die Apostasie, den Abfall vom Glauben, der ganze einst katholische Völker, ja sogar die Hierarchie der Kirche bis zu ihrer Spitze erfaßt“ (S. III). Das ganze Buch, sagt er, hat den Zweck zu zeigen, „daß das Gift des Liberalismus, wenn es einmal in die Kirche eingedrungen ist, sie in einer natürlichen Konsequenz zur Apostasie, zum Abfall vom Glauben führt“. „'Vom Liberalismus zur Apostasie' lautet deshalb das Thema dieses Buches“ (S. V). Wenn also die Lefebvristen ihren Meister nur einigermaßen ernst nehmen – auch wenn er selbst seine Worte oft nicht so ernst genommen hat –, dann werden sie uns zugeben müssen, daß es eben das ist, was die „Konziliare Kirche“ ausmacht und sie wesentlich von der katholischen Kirche unterscheidet: die Apostasie.
Nun kann man freilich nicht gleichzeitig katholisch sein und Apostat. Die Apostasie trennt von der katholischen Kirche. Somit kann man auch nicht gleichzeitig der katholischen Kirche und der „Konziliaren Kirche“ angehören, von den Einzelfällen einer rein äußerlichen Zugehörigkeit in „gutem Glauben“ einmal abgesehen. Wie gerade die Verhandlungen der „Piusbruderschaft“ mit dem „konziliaren Rom“ in den letzten Jahren und Jahrzehnten gezeigt haben, fordert die „Konziliare Kirche“ die Apostasie als conditio sine qua non für die Zugehörigkeit zu ihr auch unerbittlich ein. Nach wie vor beharrt der „Glaubenspräfekt“ Müller darauf, daß die „Piusbruderschaft“ die „lehrmäßige Präambel“ zu unterfertigen habe, in welcher sie sich zu den apostatischen Lehren des „II. Vatikanums“ und den Einrichtungen der „Konziliaren Kirche“ zu bekennen habe, namentlich dem „Novus Ordo Missae“ und dem „neuen Kirchenrecht“, ehe man sie zur „vollen Gemeinschaft“ mit Neurom zulassen kann. Damit wird nebenbei auch eindeutig klar, daß es sich bei der „Konziliaren Kirche“ sehr wohl um eine real existierende eigene Gesellschaft handelt, die von der katholischen Kirche verschieden ist.
Doch welcher Natur ist diese „Konziliare Kirche“ nun genau? Wir haben soeben gesehen, daß ihr Wesen die Apostasie ist. Wie wir bereits in unserem Beitrag „Siamesische Kirchen“ dargelegt haben, ist ihr Prinzip die Negation, die Leugnung und Tilgung all dessen, was die katholische Kirche ausmacht. „Das 'Vatikanum II' mit seinen Lehren der Religionsfreiheit und des Ökumenismus ist wesentlich Leugnung der wahren Kirche Christi“, schrieben wir damals, „der 'Novus Ordo' ist wesentlich Leugnung der göttlichen Liturgie und die konziliaren Päpste mit ihren Privat-Theologien sind wesentlich Leugnung des unfehlbaren Lehramtes.“ Wie also könnte man eine wahre „Gegen-Kirche“ noch besser beschreiben?
6. Wir wissen aus der Heiligen Schrift, daß auch der Teufel seine Kirche hat, die „Synagoge Satans“, die er gegen die Kirche Gottes stellt. Als „Affe Gottes“ ahmt er Gott nach und verkehrt als „Diabolos“ gleichzeitig alles ins Gegenteil. Während die Kirche Gottes eine ist und auf der einen Wahrheit des Glaubens beruht, welche durch ihr eines Lehramt verkündet wird, herrscht in der „Synagoge Satans“ der Pluralismus, die „Vielfalt in der Einheit“. Dabei besteht die Einheit vor allem darin, gegen Gott und Seine heilige Kirche zu kämpfen. Abgesehen davon aber gibt es eine Vielzahl von „Kirchen“, Sekten, Gemeinschaften, die sich teils sogar gegenseitig bekämpfen, die zwar oft Gegner sind, aber keine Feinde. Der eigentliche Feind ist nach wie vor die makellose Braut Christi, die Kirche. Es handelt sich um eine wahre „Gegen-Kirche“, weil sie gegen die Kirche Gottes kämpft. Ihre Lehren sind Irrtümer aller Art – und davon gibt es eben im Gegensatz zur Wahrheit, die nur eine sein kann, sehr viele –, ihr „Lehramt“ sind die „falschen Propheten“.
„Durch die falschen Propheten sucht der Satan das Reich Christi auf Erden zu zertrümmern“, schreibt Spirago in seinem „Volkskatechismus“. Er nennt drei Arten von falschen Propheten: „1) Falsche Propheten, die im Namen Christi kommen, als wären sie von Christus gesandt. Solche waren die Irrlehrer, wie Arius, Luther u.a. 2) Solche, die nicht im Namen Christi auftreten, sondern nur ihre eigenen Ansichten an die Stelle der Heilslehre Christi und der Offenbarung zu setzen suchen. Zu diesen Männern gehören die verschiedenen christentumsfeindlichen Philosophen, wie z.B. Voltaire, Rousseau u.a.“ Wir können hierher sicherlich auch Leute rechnen wie Charles Darwin, Karl Marx oder die modernen Atheisten wie den „Evolutionsbiologen“ Richard Dawkins oder den „Astrophysiker“ Stephen Hawking. „3) Falsche Propheten, die sich für Christus ausgeben, also falsche Christus, welche große Zeichen tun und viele verführen (s. Matth 24,24). Diese Art der Propheten wird am Ende der Welt auftreten.“
Gemäß diesen drei Arten von falschen Propheten können wir auch die drei großen Abteilungen der „Gegen-Kirche“ unterscheiden. Da sind einmal jene Gemeinschaften, die aus der Häresie und dem Schisma stammen, sich jedoch als christlich bezeichnen, ja sogar vorgeben, das eigentliche Christentum zu verwirklichen, wie Christus es gewollt habe, und nicht, wie die katholische Kirche es entstellt und mißbraucht hat. Zum anderen haben wir jene Gesellschaften, die sich nicht als christliche Gemeinschaften sehen, sondern auf anderen Heilslehren beruhen. Hierher gehört sicherlich die Freimaurerei. Und schließlich haben wir da jene apostatische Sekte, die sich selbst für die Kirche Christi, die katholische Kirche, ausgibt: die „Konziliare Kirche“. Diese setzt sich nicht einfach neben die Kirche oder gegen sie, sondern an ihre Stelle! Darin zeigt sich ihr perfider, im wahrsten Sinne des Wortes antichristlicher Charakter und zugleich der apokalyptische Charakter unserer Zeit, denn diese Art „wird am Ende der Welt auftreten“. Damit erweist sich die „Konziliare Kirche“ aber als die eigentliche „Gegen-Kirche“ par excellence, geradezu als ihr Inbegriff!
Anders als unsere braven Herren „Dominikaner“ meinen, ist es also keineswegs „übertrieben“, von der „Konziliaren Kirche“ als „Gegen-Kirche“ zu sprechen, im Gegenteil. Daß man nicht gleichzeitig der Kirche und ihrem kontradiktorischen Gegenteil, der „Anti-Kirche“, angehören kann, liegt auf der Hand. Freilich ist hier die Konfusion zu beachten, die dadurch entsteht, daß diese „Anti-Kirche“ sich als die katholische Kirche ausgibt und von aller Welt auch als solche angesehen wird. Daher kann man sicherlich bei vielen Katholiken voraussetzen, daß sie schuldlos irrend oder guten Glaubens dieser falschen „Kirche“ anhangen. Sie besuchen beispielsweise einfach weiter ihre Pfarrkirche, wie sie und ihre Vorfahren es immer schon getan haben, und realisieren nicht oder zu wenig, daß sich dort längst eine akatholische Sekte breitgemacht hat, zumal diese Sekte von allen „römisch-katholisch“ genannt wird. Dies ändert jedoch nichts daran, daß es objektiv Abfall vom Glauben und Abfall von der Kirche bedeutet, wenn man der „Konziliaren Kirche“ zugehört.
7. Damit zurück zu unseren Predigerbrüdern, welche zusammenfassend meinen: „Die Zugehörigkeit zur konziliaren Kirche ist kein Akt der Apostasie, wie es die Zugehörigkeit zur lutherischen Kirche wäre. Man kann sicherlich nicht gleichzeitig katholisch und lutherisch sein, aber man kann gleichzeitig katholisch und konziliar sein, leider!“ Wie wir gesehen haben, liegen sie hierin vollkommen falsch, und somit ist ihnen die Widerlegung des neo-lefebvristischen „Sophismus“ nicht gelungen. In der Tat ist nämlich gerade der „Obersatz“ der Neo-Lefebvristen, in welchem die Alt-Lefebvristen deren Fehler erblicken wollen, der richtige Teil ihrer Argumentation. Falsch ist vielmehr ihr Untersatz, wonach die „konziliaren Päpste“ zweifelsfrei die Päpste der katholischen Kirche sind. Doch dazu später.
Nach den alt-lefebvristischen „Dominikanern“ kann man also ohne weiteres gleichzeitig katholisch sein und der „Konziliaren Kirche“ angehören, wobei es sich bei letzterer freilich um eine „Sekte“ handle, „eine Gesellschaft, einen Clan“, welche die katholische Kirche besetzt hält. Deshalb müsse man besonders klug sein in den Beziehungen zur „konziliaren Hierarchie“ und dürfe sich namentlich nicht direkt unter deren Jurisdiktion stellen. „Denn wenn man sich unter ihre Jurisdiktion stellt, tritt man, ob man es will oder nicht, in diese Kirche ein, wie es bei allen der Fall ist, die sich seit dem Konzil ihr angeschlossen haben.“ Das verstehen wir ehrlich gesagt nicht ganz, denn wenn diese „konziliare Hierarchie“ doch zugleich die der katholischen Kirche ist, so kann man sich wohl auch ohne weiteres ihr unterstellen, oder nicht?
Da führen unsere „Herrenhunde“ nun eine sehr subtile Unterscheidung an, die dem spitzfindigsten Neo-Scholastiker alle Ehre gemacht hätte. Sie unterscheiden nämlich zwischen „Rom“ und dem „Vatikan“, und leiten dies sogar noch empirisch von dem Besuch der „Dominikanerinnen“ von Fanjeaux aus Tradiland ab, den diese mit ihren Schülerinnen der Ewigen Stadt abgestattet hatten. Diese nämlich hatten sich an den „Heiligen Vater“ in seiner Eigenschaft als Bischof von Rom gewandt, ihnen dort eine Kirche für ihre Hl. Messe zur Verfügung zu stellen, doch dieser habe sich in dieser Angelegenheit „als Chef des Vatikan“ betragen „statt als Bischof von Rom“. „Findet man in dieser Analyse nicht die Unterscheidung von zwei Kirchen: Rom (die katholische Kirche) und der Vatikan (die konziliare Kirche)?“ So fragen rhetorisch die Herren „Dominikaner“. „Und, bis zum Beweis des Gegenteils, ist nicht der Vatikan mit dem Papst an seiner Spitze zugleich die Hierarchie der katholischen Kirche? Findet man hier nicht die Idee, daß es eine Hierarchie für zwei Kirchen gibt?“ In der Tat, die findet man. Aber abgesehen davon, daß das Gegenteil längst bewiesen ist, erklärt es uns immer noch nicht, warum man sich dann dieser Hierarchie nicht unterstellen darf, wenn sie doch zugleich die der katholischen Kirche ist.
Der Nachweis, daß man nur mit ihrem Konzept von „Konziliarer Kirche“ der Linie des verehrten Mgr. Lefebvre folgen könne, ist ihnen somit ebenfalls nicht gelungen. Zumal sich fragen läßt, ob das, was sie als dessen „Linie“ betrachten, wirklich seine Linie war. Bekanntlich hatte „der Erzbischof“ grundsätzlich kein Problem, sich der „konziliaren Hierarchie“ zu unterstellen, wenn sie ihm nur sein „Schutzschild“ in Form von wenigstens einem „traditionellen“ Bischof und einer römischen „Tradi“-Kommission gewährt hätte. So bleibt den „Herrenhunden“ nur der Rückgriff auf „alle“ der „Tradition treugebliebenen Bischöfe“, die sie allerdings auf sechs reduzieren: Erzbischof Lefebvre und Bischof de Castro Mayer sowie die vier Weihbischöfe der „Piusbruderschaft“ (von denen wenigstens einer inzwischen Neo-Lefebvrist ist). Es stünde sehr traurig um uns, wenn dies wirklich „alle“ Bischöfe wären und es nicht noch andere gäbe, die wirklich „der Tradition treugeblieben“ sind.
8. Damit sind wir bei dem Referenz-Bischof, welchen die Herren Dominikaner exemplarisch für die wahre, die alt-lefebvristische Position heranziehen zu können meinen: Weihbischof Bernard Tissier de Mallerais. Als „Pius-Mann der ersten Stunde“ und Lefebvre-Biograph ist er ihnen Garant für die authentische und reine lefebvristische Lehre. In seiner oben schon zitierten und von den „Herrenhunden“ publizierten Arbeit versucht sich der Herr Bischof, um die Frage zu lösen, ob es eine „Konziliare Kirche“ gebe oder vielmehr nicht, an einer gut scholastischen Definition durch „die vier Ursachen gemäß Aristoteles“.
Demnach könne man unterscheiden zunächst die „Materialursache“. Dies seien die „in der Gesellschaft geeinten Personen“. „Wir können sagen, daß dies, sowohl im Falle der katholischen Kirche als auch in dem der konziliaren Kirche, die Getauften sind.“ Das scheint uns so schon nicht ganz richtig. Denn jeder Getaufte wird durch die Taufe selbst zu einem Mitglied der katholischen Kirche, und zwar nicht nur materiell, sondern formell, indem er durch die heiligmachende Gnade und den Glauben dem mystischen Leib Christi eingegliedert wird wie eine Rebe dem Weinstock. Wer sich durch Schisma, Häresie oder Apostasie von diesem Weinstock trennt, gehört nicht mehr zur Kirche, auch nicht als „Materialursache“ - höchstens in einem weiteren und entfernten Sinn, insofern er ihr, solange er lebt, wieder eingegliedert werden kann und weiterhin grundsätzlich ihrer Jurisdiktion unterliegt. Wenn schon, dann hätte man doch präziser sagen müssen, daß „Materialursache“ der Kirche all jene Getauften sind, die sich nicht durch Schisma, Häresie oder Apostasie von ihr getrennt haben, was sie hier schon sehr eindeutig von der „Konziliaren Kirche“ unterscheidet.
Die „Wirkursache“ sei das Haupt der Gesellschaft, „für die katholische Kirche Unser Herr Jesus Christus, ihr Gründer, und die Päpste, welche seine Stellvertreter sind; und für die konziliare Kirche die Päpste des Konzils, also dieselben Päpste; somit scheint dieselbe Hierarchie die beiden Kirchen zu regieren“. Abermals falsch, denn der Papst als Stellvertreter Christi kann selbstverständlich nur die Kirche Christi, die katholische Kirche, regieren und nicht die „konziliare“. Denn Christus ist ja nicht einfach nur der Gründer der Kirche, sodaß Er sie fortan sich selbst bzw. der Regierung durch Seinen Stellvertreter überlassen hätte, sondern Er ist ihr unsichtbares Haupt im Himmel, von wo aus Er sie weiterhin regiert durch Seinen Stellvertreter, den Papst. Ein „Papst“, der sich durch Apostasie von Christus trennt, kann somit nicht Stellvertreter Christi und der Papst der katholischen Kirche sein.
Als „Zweckursache“ nennt der Herr Bischof das von den Mitgliedern verfolgte Gemeinwohl. Dies sei im Falle der katholischen Kirche das ewige Heil der Seelen, bei der konziliaren Kirche mehr oder weniger vor allem die „Einheit des Menschengeschlechtes“. Wiederum scheint uns dies nicht ganz zutreffend, verfolgt doch die „Konziliare Kirche“ vor allem das Ziel, die katholische Kirche zu beseitigen und zu ersetzen. Die „Formalursache“ sei die „Einheit der Geister und Willen der Mitglieder in der Verfolgung des Allgemeinwohls“. „In der katholischen Kirche durch das Bekenntnis desselben Glaubens, die Übung desselben göttlichen Kultes und die Unterwerfung unter dieselben Hirten und somit die von ihnen gegebenen Gesetze, nämlich das kanonische Recht. In der konziliaren Kirche durch die Annahme der Lehre des Konzils und des Lehramtes, das sich auf dieses beruft, und durch die Übung der neuen Liturgie und den Gehorsam gegenüber dem neuen Rechtsbuch.“ Auch das ist wieder nicht ganz richtig. „Formalursache“ der katholischen Kirche ist nämlich der Heilige Geist selbst. Er ist ihre Seele und damit ihre Form, Er erhält sie in der Einheit und verleiht ihr beständig ihre Heiligkeit. Die „Formalursache“ der „Konziliaren Kirche“ kann demgegenüber nur eine rein äußerliche sein. Sie besteht darin, die Apostasie des „II. Vatikanums“, ihre Folgen und deren Verbreitung durch das „konziliare Lehramt“ wenigstens im Prinzip zu akzeptieren, zu billigen oder zu dulden und sich dabei weiterhin „katholisch“ zu nennen oder so zu betrachten.
Der hochwürdigste Herr Weihbischof gibt nun auf der Grundlage der von ihm herausgearbeiteten „vier Ursachen“ folgende „approximative“ Definitionen der „beiden Kirchen“: „Die katholische Kirche ist die Gemeinschaft der Getauften, die ihre Seele retten wollen, indem sie den katholischen Glauben bekennen, denselben katholischen Kult feiern und denselben Hirten folgen, den Nachfolgern der Apostel.“ Die konziliare Kirche hingegen „ist die Gemeinschaft der Getauften, welche den Direktiven der aktuellen Päpste und Bischöfe folgen, indem sie sich mehr oder weniger bewußt die Absicht zu eigen machen, die Einheit des Menschengeschlechtes zu verwirklichen, und welche in der Praxis die Entscheidungen des Konzils annehmen, die neue Liturgie praktizieren und sich dem neuen Kirchenrecht unterwerfen“.
Letztere Definition haben wir oben schon gesehen. Der ersteren Definition haben wir bereits in unserem Artikel „Siamesische Kirchen“ diejenige gegenübergestellt, welche uns der Katechismus des hl. Pius X. gibt: „Die katholische Kirche ist die Gemeinschaft oder Sammlung all der Getauften, die auf der Erde leben, denselben Glauben und dasselbe Gesetz Jesu Christi bekennen, an denselben Sakramenten teilhaben und den legitimen Hirten gehorchen, vor allem dem Römischen Pontifex.“ Diese Definition ist wesentlich genauer und besser, da sie nicht so sehr den Willen der Gläubigen betont, ihre Seelen zu retten, als vielmehr die von oben, von Christus gegebene Einheit im Glauben, in Seinem Gesetz, den von Ihm eingesetzten Sakramenten und dem Gehorsam der von Ihm bestellten legitimen (!) Hirten und namentlich Seines Stellvertreters auf Erden, in welche die Gläubigen durch die Taufe eintreten und in welcher sie ihre Seelen retten, wenn sie darin verharren. Außerhalb dieser Kirche befinden sich daher notwendig „die Ungläubigen, die Juden, die Häretiker, die Apostaten, die Schismatiker und die Exkommunizierten [letztere jedenfalls außerhalb „der tätigen Gliedschaft“, s.o.]“, wie uns derselbe Katechismus des hl. Pius X. belehrt. Abermals stellen wir fest, daß man nicht gleichzeitig zur katholischen Kirche und zur apostatischen, häretischen und schismatischen „Konziliaren Kirche“ gehören kann.
9. Seine Exzellenz, der Herr Weihbischof, hingegen behauptet: „Wenn es sich so verhält, so haben wir zwei Kirchen, welche die selben Oberen haben und zumeist die selben Mitglieder, jedoch diametral verschiedene Formen und Ziele“, nämlich das eine Mal das soziale Königtum Christi, das andere Mal die Einheit des Menschengeschlechtes durch den liberalen Ökumenismus. Das sei ein wenig „schnell gesagt“, doch das folgende werde dies belegen. Daher stellt sich der Bischof nun die Frage, ob eine einzige Hierarchie für zwei Kirchen überhaupt möglich sei. „Daß die katholische Hierarchie zugleich die katholische Kirche und eine Gesellschaft regiert, welche das Gebaren einer Fälschung der Kirche hat, scheint dem Beistand zu widersprechen, welchen Christus dem Petrus und seinen Nachfolgern verheißen hat, indem er die Irrtumslosigkeit des Lehramts und die Unvergänglichkeit (Indefektibilität) der Kirche garantierte (Mt 16,17-19; 28,20). Wenn der Papst eine andere Kirche leitet, ist er Apostat, er ist nicht mehr Papst und die Hypothese der Sedisvakantisten hat sich bewahrheitet.“ In der Tat!
Da dies jedoch nicht sein kann, weil es nicht sein darf, fegt der Herr Weihbischof nun mit ein paar dürren Floskeln den „Sedisvakantismus“ vom Tisch. Es genüge nämlich zu entgegnen, sagt er, daß „Prima sedes a nemine judicatur“, der Heilige Stuhl von niemandem gerichtet werde, und daher keine Autorität das Beharren und die Hartnäckigkeit des obersten Pontifex im Irrtum oder der Abweichung feststellen oder erklären könne. Und daß andererseits im Falle eines Zweifels die Kirche gemäß can. 209 des Kirchenrechts zumindest die exekutive Gewalt des scheinbaren Oberhirten ersetzen würde. Was das Lehramt betreffe, so sei diesem die unfehlbare Assistenz nur zugesichert, wenn es die Absicht habe, die Glaubenshinterlage weiterzugeben und nicht irgendwelche profanen Neuigkeiten. Und was schließlich die Indefektibilität der Kirche anbelange, so hindere diese nicht, daß die Kirche infolge eines großen Abfalls, wie er vom hl. Paulus angekündigt sei (2 Thess 2,3) auf eine sehr bescheidene Zahl von Katholiken zusammenschrumpfen könne. Somit gebe es keine maßgeblichen Schwierigkeiten, die gegen die Existenz einer wahren Gesellschaft, welche man konziliare Kirche nennt, und die von dem katholischen Papst und der katholischen Hierarchie geleitet werde, sprechen würden.
Ja, so schnell und vernichtend ist der leidige „Sedisvakantismus“ beiseite gewischt, wenn man es mit einem „Theologen“ vom Format unseres alt-lefebvristischen Weihbischofs zu tun hat! Uns hingegen ist es schon geradezu peinlich, daß wir immer wieder dieselben Dinge wiederholen müssen, welche die Lefebvristen längst wissen müßten, würden sie sie nicht hartnäckig verdrängen oder ignorieren. So zitiert auch der Herr Weihbischof den Satz „Prima sedes a nemine judicatur“ wiederum unvollständig und verkürzt und unterschlägt seine Fortsetzung: „nisi deprehendatur a fide devius“, außer er würde vom Glauben abweichen. Dann nämlich ist er schon gerichtet, wie Innozenz III. lehrt, und zwar durch Christus, welcher sagt: „Wer nicht glaubt, ist schon gerichtet.“ Er ist dann nicht mehr Papst und kann auch von der Kirche gerichtet werden.
Der Kanon 209 des Kirchenrechts bezieht sich ganz sicher nicht auf einen vom Glauben abgefallenen Pontifex. Laut Eichmann-Mörsdorf besagt dieser Kanon folgendes: „Wenn jemand hoheitliche Hirtengewalt ausgeübt hat, ohne sie in Wirklichkeit zu besitzen (z.B. Beichthören ohne Beichtvollmacht, Dispenserteilung ohne Dispensbefugnis, Ämterverleihung ohne Kollationsrecht), wird der Mangel mit Rücksicht auf das Gemeinwohl in zwei Fällen mit Wirkung für den inneren und äußeren Bereich dadurch geheilt, daß die Kirche die fehlende Gewalt durch gesetzliche Delegation ersetzt (Ecclesia supplet).“ Die genannten „zwei Fälle“ sind einmal „allgemeiner Irrtum“ und zum anderen „guter Glaube“. Eine solche gesetzliche Delegation an den Papst ist aber gar nicht möglich, selbst wenn man allgemeinen Irrtum oder guten Glauben annehmen wollte, da dieser über dem Kirchenrecht steht und nicht unter ihm. Eine Delegation geht immer von oben nach unten, nie von unten nach oben. Und eine gesetzliche Delegation an einen Apostaten wird man in diesem Fall erst recht ausschließen müssen.
Gewiß wurde der unfehlbare Beistand des Heiligen Geistes, wie das Vatikanische Konzil lehrt, dem Papst nicht zugesagt, um uns neue Lehren zu verkünden, sondern das Offenbarungsgut getreu zu bewahren und auszulegen. „Den Nachfolgern des Petrus wurde der Heilige Geist nämlich nicht verheißen, damit sie durch seine Offenbarung eine neue Lehre ans Licht brächten, sondern damit sie mit seinem Beistand die durch die Apostel überlieferte Offenbarung bzw. die Hinterlassenschaft des Glaubens heilig bewahrten und getreu auslegten“ (DH 3070). Daß dies jedoch nicht als eine Art Bedingung oder Kennzeichen gemeint ist, wann denn der Papst unfehlbar spreche und wann nicht, ergibt sich aus dem gleich darauf folgenden Satz: „Ihre apostolische Lehre haben ja alle ehrwürdigen Väter angenommen und die heiligen rechtgläubigen Lehrer verehrt und befolgt; denn sie wußten voll und ganz, daß dieser Stuhl des heiligen Petrus von jedem Irrtum immer unberührt bleibt, gemäß dem an den Fürsten seiner Jünger ergangenen göttlichen Versprechen unseres Herrn und Erlösers: 'Ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht versagt: und du, wenn du einmal bekehrt bist, stärke deine Brüder' (Lk 22,32)“ (ebd.). Die Unfehlbarkeit der cathedra Petri ist uns also gerade der Garant dafür, daß uns von ihr keine neuen Lehren oder „profane Neuigkeiten“ verkündet werden, sondern nichts anderes als die überlieferte Offenbarung oder Hinterlassenschaft des Glaubens. Müßten wir jedesmal erst erforschen und prüfen, wann uns das päpstliche Lehramt das überlieferte Glaubensgut lehrt und wann nicht, wäre es wertlos. Wir müßten dann selbst mit Unfehlbarkeit ausgestattet sein, um jeweils richtig zu entscheiden, wann das eine oder das andere der Fall ist. Das entspricht sicher nicht der katholischen Lehre, wohl aber der lefebvristischen Sonderlehre vom „Filter“ oder „Sieb“, den wir jeweils auf die Aussagen des Lehramtes anzuwenden haben.
Natürlich ist es mit der Indefektibilität der Kirche keineswegs unvereinbar, daß sie infolge eines großen Abfalls auf eine sehr bescheidene Zahl von Katholiken zusammenschrumpfen kann, wie dies heute zweifellos der Fall ist. Wohl aber ist es unvereinbar mit der Unvergänglichkeit und Indefektibilität der Kirche, daß ihr Lehramt zu einer Schleuder des Irrtums werden kann, daß aus der „cathedra veritatis“ die „cathedra pestilentiae“ wird. In diesem Fall hätten tatsächlich die Pforten der Hölle, nämlich Häresie und Irrtum, sie überwältigt. Im Kommentar von Arndt-Allioli zur Stelle Mt 16,18: „Und ich sage dir: Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“, lesen wir: „Der Kirche steht eine andere Feste entgegen, der Teufel mit allen denen, die seine Macht bilden (Orig.), ganz besonders die Häresien (Origenes, Hieronymus). Aus dieser Verheißung folgt die Unfehlbarkeit der Kirche, mithin des Papstes, der ihr Fundament ist, ein Felsen.“ Ferner: „In den Worten des Herrn ist zugleich die Verheißung enthalten, daß er Sorge tragen werde, damit Petrus wirklich die Festigkeit und Einheit erhalte und seine Aufgabe als Fundament erfülle. Wodurch? Durch den Glauben, den er bekennt. Da nun die von Christus gegründete Kirche durch alle Zeiten bestehen soll: Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen, so muß dies Fundament ebenso beständig sein wie die Kirche.“ Würde dieses Fundament durch die Häresie oder Apostasie zerstört, so wäre die Verheißung Christi hinfällig. Das sei auch den Herren Neo-Lefebvristen gesagt, die da meinen, die häretischen und apostatischen „konziliaren Päpste“ seien zweifelsfrei die Nachfolger Petri.
Für unseren alt-lefebvristischen Weihbischof sind dies jedoch „extreme Antworten“, die man zu „meiden“ habe. Ein Problem der Alt- wie der Neo-Lefebvristen scheint uns zu sein, daß sie selten einmal ein Buch zu Rate ziehen, eine gut kommentierte Bibel etwa, einen guten Katechismus oder gar eine Dogmatik oder einen Kirchenrechtskommentar. Zumeist schmoren sie nur im eigenen Saft und zitieren bevorzugt ihren Meister Lefebvre oder ihre eigenen Werke, wenn sie nicht ohnehin nur freie und improvisierte Gedankengänge aus ihren Hirnwindungen extrahieren. Wenn sie sich hie und da auf andere Quellen wie die Bibel oder die „Summa“ des heiligen Thomas berufen, so kann man sicher sein, daß es sich erstens nur um gewisse ausgewählte Stellen handelt, die zweitens grundsätzlich falsch interpretiert oder angewendet werden. Sie gleichen damit ein wenig den Modernisten, welchen sie zurecht stets vorwerfen, sich in ihren Referenzen zumeist auf „das Konzil“ oder das „konziliare Lehramt“ zu beschränken und andere Quellen nur sehr selektiv und obendrein entstellend zu verwenden.
10. Ein weiterer Grundfehler der Lefebvristen, gleich ob alter oder neuer Observanz, wird in der Arbeit des hochwürdigsten Herrn Weihbischof und seiner versuchten Definition von Kirche deutlich sichtbar. Wir meinen das Verkennen oder Nichtbeachten des übernatürlichen Charakters der wahren Kirche Christi. Der große Dogmatiker Matthias Joseph Scheeben schreibt in seinem Buch „Die Mysterien des Christentums“ (Gesammelte Schriften Bd. II, Freiburg i.Br. 1941): „Das innere Wesen der Kirche ist eben ein absolut übernatürliches wie das des Gottmenschen; das ist der Grund, weshalb es so verborgen und geheimnisvoll ist, weshalb die Kirche, obgleich in ihrer äußeren Einrichtung mit anderen menschlichen Gesellschaften übereinkommend, doch in ihrem Innern einen wesentlich anderen Charakter hat als diese, weshalb ihre Einheit, ihre Kraft und ihre Einrichtung eine so eigentümliche, erhabene, unbegreifliche ist“ (S. 444).
Er fährt fort: „Man könnte versucht sein, das Wesen der Kirche zu äußerlich nach Analogie anderer Gesellschaften unter den Menschen aufzufassen und den wesentlichen Unterschied von diesen nur darein zu setzen, daß sie eine religiöse und von Gott gestiftete Gemeinschaft sei. Beides ist sie ohne Zweifel, aber damit allein wäre sie nichts besonders Erhabenes und für die Vernunft Unbegreifliches. Wie sich die Menschen zu andern Zwecken zusammentun, so können sie sich auch zur gemeinschaftlichen Religionsübung miteinander vereinigen; darin liegt nichts Übernatürliches. Ja Gott selbst kann durch eine positive Einrichtung die Bildung einer solchen Gesellschaft anordnen, ihr Gesetze geben, ihr besondere Rechte und Privilegien verleihen, die Menschen andererseits auf dieselben verpflichten und in Bezug auf die Erfüllung ihrer religiösen Bedürfnisse an dieselbe anweisen, wie dies im Alten Bund durch die mosaischen Institutionen geschehen ist. Ohne eine übernatürliche, außerordentliche Einwirkung Gottes wird eine solche Gesellschaft nicht zustande kommen; aber in ihrem Wesen wird sie darum noch immer nicht übernatürlich und geheimnisvoll sein. Die Gottesverehrung wäre ja immer eine bloß natürliche, nur durch bestimmte Normen geregelte und geleitete; und wenn Gott an die priesterlichen und regierenden Funktionen der Gesellschaft eine besondere Wirksamkeit knüpfte, so nämlich, daß durch jene die Sündenvergebung und andere Gnaden verliehen, durch diese die Untergebenen mit voller Sicherheit in der Ausübung ihres religiösen Lebens geleitet würden: so wäre auch das zwar etwas Außerordentliches, die Wirkung einer speziellen gnädigen Vorsehung, aber keineswegs etwas wahrhaft Mystisches, Übernatürliches. Das ganze Institut der Kirche reduzierte sich auf eine von Gott geregelte Erziehung und Leitung der Menschen und eine rechtmäßige Vermittlung ihres Verkehrs mit Gott; ihre ganze Einheit, ihre ganze Wirksamkeit wäre eine bloß moralische, nach Analogie der übrigen menschlichen Gesellschaften“ (ebd.). Zweifellos ist dies die Sichtweise der Lefebvristen. (Wie sonst käme der Herr alt-lefebvristische Weihbischof auf die Idee, die Kirche „nach Analogie anderer Gesellschaften unter den Menschen“ nach ihren „vier Ursachen“ zu definieren, um so zu dem Fehlschluß zu gelangen, sie werde von derselben Hierarchie geleitet wie die „Konziliare Kirche“ und teile sich mit dieser zumeist dieselben Mitglieder?)
Hingegen: „Der Glaube zeigt uns in ihr unendlich mehr. Im Glauben erkennen wir die Kirche als eine Anstalt, die nicht bloß zur Erziehung und Leitung des natürlichen Menschen bestimmt ist, sondern dem Menschen ein neues Sein und Leben, eine ganz neue, übernatürliche Stellung und Bestimmung gibt und ihn im Streben nach dieser Bestimmung tragen, stärken und leiten soll. Dem Glauben ist die Kirche nicht bloß von Gott oder von einem göttlichen Gesandten gestiftet und legitimiert, sondern auf den Gottmenschen gebaut, ihm eingegliedert, zu seiner Höhe emporgehoben, von seiner göttlichen Würde und Kraft getragen und erfüllt; sie ist der Leib des Gottmenschen, in welchem alle, die in ihn eintreten, zu Gliedern des Gottmenschen werden, um, in ihm und durch ihn aneinandergekettet, an dem göttlichen Leben, der göttlichen Herrlichkeit ihres Hauptes Anteil zu haben. Dem Glauben ist endlich die Kirche nicht bloß eine Dienerin Gottes oder des Gottmenschen, die bloß einen gewissen Verkehr Gottes mit den Menschen vermitteln soll: sie ist als der mystische Leib Christi zugleich seine wahre Braut, die, von seiner göttlichen Kraft befruchtet, ihm und seinem himmlischen Vater himmlische Kinder gebären, diese Kinder mit der Substanz und dem Lichte ihres Bräutigams nähren und sie über die ganze geschaffene Natur hinaus in den Schoß seines himmlischen Vaters hinaufführen soll“ (S. 445).
11. Sehr schöne Worte findet der „Fürst der Neuscholastik“ auch über die päpstliche Hirtengewalt: „Diese Einheit der Hirtengewalt der Kirche finden wir darin, daß die ganze Fülle der kirchlichen Hirtengewalt nach der Glaubenslehre in einem Hohenpriester dergestalt niedergelegt ist, daß ihm die ganze Herde der Kirche und selbst die Priester und Hohenpriester derselben angehören und unterworfen sind, alle übrigen Hohenpriester und Priester hingegen nur in Abhängigkeit von ihm und in Verbindung mit ihm Hirtengewalt in der Kirche erlangen und ausüben können. Durch ihn, als sein Fundament, wird das ganze soziale Gebäude der Kirche getragen; von ihm geht die Hirtengewalt in den übrigen Hirten der Kirche aus wie die Strahlen aus der Sonne, die Bäche aus der Quelle, die Äste aus dem Baum. Dadurch, daß in ihm die Fülle der Hirtengewalt ruht und keine andere in der Kirche von der seinigen unabhängig gedacht werden kann, wird die Kirche wahrhaft und vollkommen eins, nicht bloß in ihrer Spitze, sondern in ihrem tiefsten Grunde – und von Grund aus – nicht bloß in ihrem Gipfel, sondern in ihrer Wurzel – und von der Wurzel heraus. Eine andere, geringere Einheit in der Kirche ist nicht denkbar, wenn nicht die Art ihrer sozialen Organisation in vollen Widerspruch mit ihrem innern Wesen treten soll“ (S. 454 f). Petrus ist eben der Fels, das Fundament, auf dem die Kirche ruht.
„Wenn vor dem Vatikanum manche Theologen sich zu dieser erhabenen Idee von der Stellung des Papsttums in der Kirche nicht erschwingen konnten, so lag nicht der letzte Grund darin, daß sie die Kirche nicht genug von ihrem übernatürlichen, geheimnisvollen Wesen aus kannten oder betrachteten, welches sich gerade im Papsttum reflektiert und ausspricht. Man faßt die Kirche, obwohl von Gott gestiftet, zu sehr nach dem Schema der natürlichen Gesellschaften auf; in diesen letzteren ist die einheitliche Regierungsgewalt, selbst wenn die Verfassung eine monarchische, immer nur die Vertreterin des Gesamtinteresses; die Vereinigung desselben in einer Hand gehört gar nicht zum Wesen dieser Gesellschaften, sie bildet bloß einen besonderen Modus ihrer faktischen Existenz und Durchbildung. Der Monarch bildet daher hier mehr die Spitze der Gesellschaft als ihr Fundament oder eine wesentliche Bedingung ihrer Existenz. Die Kirche hingegen bildet sich erst um einen schon gegebenen, übernatürlichen Mittelpunkt, um Christus und seinen Heiligen Geist, der naturgemäß auch im sozialen Organismus durch einen Stellvertreter, ein Organ sich geltend machen muß. Nicht die Kirche setzt diesen Mittelpunkt aus sich heraus; er ist auch von Gott nicht bloß dazu gesetzt, um die Kirche als ein einheitliches Ganzes abzuschließen; er soll vielmehr die Kirche tragen als deren Grundfeste, auf der sie sich aufbaut, durch den sie auf dem Gottmenschen und dem Heiligen Geiste ruht, durch den ihre Einheit nicht bloß irgendwie vermittelt oder gekrönt, sondern wesentlich bedingt wird. Die Kirche als Gesellschaft ist in ihm, wie sie in Christus ist; sie ist durch ihn in Christus, weil auch Christus als ihr regierendes Haupt mit seiner Hirtengewalt nur durch ihn in der Kirche ist“ (S. 455).
Daraus ergibt sich notwendig die übernatürliche „Unfehlbarkeit der Hirtengewalt im Papste“, die, „wie die wurzelhafte Einheit derselben in seiner Person, der Reflex es inneren, geheimnisvollen Wesens der Kirche und darum auch in sich selbst ein übernatürliches Mysterium“ ist, „welches die Kirche in ihrer göttlichen Größe zur Anschauung bringt“. „Eine bloße Unfehlbarkeit des Ganzen – der ganzen Kirche oder auch des ganzen Episkopates – resultierend aus der Übereinstimmung Einzelner – wäre einerseits nur ein unvollkommener künstlicher Notbehelf, unwürdig der erhabenen, wunderbaren Wirksamkeit, welche der Heilige Geist in der Kirche entfaltet; andererseits würde dadurch der Schwerpunkt derselben dem direkten Einflusse des Heiligen Geistes entzogen und mehr auf eine natürliche Grundlage verlegt“ (S. 456).
Nein, zu solch einer erhabenen Sicht des Glaubens haben sich die Alt- wie die Neo-Lefebvristen nie aufgeschwungen. Wie sonst wäre ihr Geschwätz möglich vom einen Papst für zwei Kirchen (Kirche und Anti-Kirche), welches uns die alt-lefebvristischen „Dominikaner“ im Gefolge ihres Lefebvre-Weihbischofs und -Evangelisten auftischen; von der päpstlichen Unfehlbarkeit, die nicht mehr ist als das Sahnehäubchen auf dem Kuchen oder der Schnee auf dem Gipfel des Berges, wie sie ein anderer alt-lefebvristischer Weihbischof sieht; oder von der „Karikatur“, die darin bestünde, die Kirche als die makellose Braut Christi ohne Makel und Runzel zu denken, wie dies ein neo-lefebvristischer Weihbischof unlängst äußerte; oder die des neo-lefebvristischen „Ekklesiologen“ von dem apostatischen Papst, der gleichwohl „seine grundsätzliche Neigung zum Wohl der Kirche“ bewahrt, „auch wenn es Hindernisse gibt bei der Ausübung dieser Neigung“.
12. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Alt-Lefebvristen darin recht haben, daß die „Konziliare Kirche“ als eine Realität existiert, und daß sie darin unrecht haben, daß ein und derselbe Papst das Haupt der katholischen Kirche wie der „Konziliaren Kirche“ sein kann. Darin nämlich haben die Neo-Lefebvristen recht, daß sie sagen, ein Papst, der zugleich das Haupt einer real existierenden „Konziliaren Kirche“ wäre, hätte aufgehört, Papst zu sein. Ihr Fehler liegt wiederum darin, daß sie daraufhin die Wirklichkeit der „Konziliaren Kirche“ leugnen und sie zu einem reinen Gedankending verflüchtigen (was freilich nur die logische Fortführung und Konsequenz aus dem Alt-Lefebvrismus ist; denn wenn ein Papst zwei „Kirchen“ regieren soll, muß man notwendigerweise eine von beiden auflösen). Würden sich beide zusammentun, anstatt sich zu bekämpfen, und jeder das Richtige vom anderen übernehmen, so kämen sie der Wahrheit bedeutend näher. Doch gerade diese Wahrheit wollen beide nicht, und darin liegt trotz allem ihre tiefe Gemeinsamkeit. Denn diese Wahrheit wäre ja – um Himmels willen! – „Sedisvakantismus“! Und davor bewahre uns Gott!