Aufgefahren in den Himmel

Vierzig Tage nach Seiner Auferstehung ist Unser Herr Jesus Christus zum Himmel aufgefahren. Das lehrt uns mit göttlicher Sicherheit unser Glaube. Darum feiert die Kirche vierzig Tage nach Ostern das Fest Christi Himmelfahrt. Der heilige Thomas von Aquin erklärt uns, daß die Auffahrt des Heilands in den Himmel „erhaben, wohlbegründet und nützlich“ war. Inwiefern?

I.

„Die Auffahrt war erhaben, weil Christus sich zum Himmel erhob“, und zwar in einem dreifachen Sinn. Erstens erhob Er sich „über alle körperlichen Himmel“. „Er stieg empor über alle Himmel“, schreibt der heilige Paulus in seinem Brief an die Epheser (Eph 4,10). Christus ist also nicht nach Art der Raumfahrer einfach irgendwo ins Weltall gereist. Der Himmel, in den Er auffuhr, liegt weit jenseits aller „Himmelskörper“. „Und zwar“, sagt der heilige Thomas, „war Christus der erste, der dies tat; denn vorher war ein irdischer Körper nur auf der Erde – selbst Adam war nur in einem irdischen Paradies.“ Bis dahin war der Himmel verschlossen und noch von keines Menschen Fuß betreten worden.

Zweitens jedoch erhob sich Christus auch „über alle geistigen Himmel, das heißt, über alle Geistwesen“. Die modernen Menschen können sich das Weltall nur noch als den Weltraum vorstellen mit all seiner Materie. Daß der Kosmos in Wirklichkeit auch eine geistige Dimension umfaßt, die viel bedeutender, größer, ja wirklicher ist als die körperliche, können sie nicht mehr begreifen. Doch der heilige Paulus schreibt ganz klar: „Er hat Jesus gesetzt zu Seiner Rechten im Himmel über die Herrschaften, Mächte, Kräfte und Gewalten, oder wie sie sonst heißen mögen, nicht nur in dieser, sondern auch in der künftigen Welt“ (Eph 1,21). Der Kosmos der Schöpfung erstreckt sich von der niederen Körperwelt hinauf über die Stufenleiter der Geistwesen, der Engel, bis zu deren höchsten Vertretern, den Seraphim, die direkt vor Gott stehen, und doch ist Christus noch höher hinaufgefahren. Er sitzt auf dem Thron Gottes selbst!

„Er erhob sich bis zum Sitze des Vaters“, stellt darum der heilige Thomas als dritten und Höhepunkt der Erhabenheit der Himmelfahrt heraus. „Nachdem der Herr Jesus zu ihnen geredet hatte“, heißt es im Evangelium, „wurde Er in den Himmel erhoben und sitzt zur Rechten Gottes“ (Mk 16,19). Der Aquinate erklärt: „Die 'Rechte Gottes' ist aber nicht körperlich gemeint, sondern gleichnishaft: als Gott wird von Ihm gesagt, Er sitze zur Rechten des Vaters, das heißt, Er ist dem Vater gleich; als Mensch sitzt Er zur Rechten des Vaters, das bedeutet, daß Er an dessen Gütern den besten Anteil hat.“ Es bedeutet vor allem auch, daß Er der Christkönig ist und mit Gott dem Vater als Gott und Mensch die Welt regiert. „Das hat auch der Teufel angestrebt“, bemerkt der heilige Thomas, „aber nur Christus gelangte dahin.“ Tatsächlich lesen wir bei Isaias: „Wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzstern! … Du freilich hast bei dir gedacht: 'Aufsteige ich zum Himmel und stelle über Gottes Sterne meinen Thron, und setze mich auf den Berg des Bundes im hohen Norden. Zu Wolkenhöhen steige ich empor und mache mich dem Höchsten gleich'“ (Is 14,12-14). Der Teufel empfing die Strafe für seinen Stolz und wurde zur Hölle hinabgestoßen. Der Heiland hingegen empfing den Lohn für Sein Erlöserleiden und Seine Demut: „Es sprach der Herr zu meinem Herrn: setze Dich zu Meiner Rechten“ (Ps 109,1). Seither wird Luzifer von Haß und Neid getrieben, Unseren Herrn Jesus Christus zu bekämpfen und zu verfolgen, wo er nur kann, und Ihn auf seine diabolische Weise nachzuäffen, bis ihm am Ende der Welt alle Möglichkeiten dazu genommen werden.

II.

Die Auffahrt Christi in den Himmel war nicht nur erhaben, sie war auch wohlbegründet, „und zwar aus drei Ursachen“. Denn erstens gebührte der Himmel „Christus auf Grund seiner Natur“. „Es ist naturgemäß, daß jedes Wesen dorthin zurückkehrt, von wo es seinen Ursprung hat“, erläutert der engelgleiche Lehrer. Das ist der Grund, warum unser Körper nach dem Tod zu Erde und Staub zerfällt (und nicht zu einem Affen wird), denn von der Erde ist er genommen. „Der Ursprung Christi liegt aber in Gott, der über allem ist.“ „Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen – nun lasse ich die Welt wieder und gehe zum Vater“ (Jo 16,28). Auch unsere Seele hat ihren Ursprung bei Gott, aber nicht in gleicher Weise. Sie ist nicht vom Vater gezeugt wie der Sohn, sondern lediglich erschaffen. Darum strebt unsere Seele auch zu ihrem Ursprung zurück, kann aber aus eigener Kraft nicht zu Ihm gelangen. Der heilige Thomas: „Obwohl auch die Heiligen zum Himmel aufsteigen, tun sie es doch nicht so wie Christus; denn dieser tat es aus eigener Kraft, während die Heiligen von Christus nachgezogen werden.“ Darum seufzt die Seele im Hohenlied: „Ziehe mich nach Dir!“ (Hl 1,3). „Oder man kann auch sagen, daß außer Christus niemand tatsächlich in den Himmel aufsteigt“, fährt der heilige Lehrer fort, „denn die Heiligen steigen nur in den Himmel auf, insofern sie Glieder Christi sind, der das Haupt der Kirche ist.“ Nur wer ein Glied Christi und das heißt der Kirche ist, kann in den Himmel gelangen.

Der Himmel gebührte also Christus erstens wegen Seiner göttlichen Natur. Er gebührte Ihm zweitens „wegen Seines Sieges“. „Denn Christus war in die Welt gesandt worden, um gegen den Teufel zu kämpfen; Er besiegte ihn, und daher verdiente Er, über alles erhoben zu werden.“ „Ich habe gesiegt und sitze bei Meinem Vater auf Seinem Thron“, spricht der Heiland in der Apokalypse des heiligen Johannes (Apk 3,21). Daher verspricht Er auch nur den Siegern, einst bei Ihm im Himmel zu sein und den ewigen Lohn zu empfangen. Wer nicht mit Christus gekämpft hat, wird auch nicht mit Ihm belohnt werden.

Drittens gebührte der Himmel Christus „auch wegen Seiner Demut“. „Denn keine Demut ist so groß wie die Demut Christi, da Er, obwohl Gott, Mensch werden wollte und, obwohl Er der Herr war, Knechtsgestalt annahm, gehorsam wurde bis zum Tode, wie der Apostel sagt, und zur Hölle hinabstieg.“ Er tat also das gerade Gegenteil des stolzen Luzifer, der sich bis zum Himmel und über Gott erheben wollte. „Daher verdiente Er, in den Himmel zum Throne Gottes erhoben zu werden, denn die Demut ist der Weg zur Erhöhung.“ Es ist das Gesetz des Himmelreiches, das der Heiland uns selbst gelehrt hat: „Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11). „Er hat Gewaltige vom Throne gestürzt, und Niedrige hat er erhöhet“, betet die allerseligste Jungfrau voll jubelnder Ehrfurcht in ihrem „Magnificat“ (Lk 1,52). Eben darum wurde Luzifer hinabgestürzt und der Heiland erhoben. „Derselbe, der niederstieg, ist auch aufgestiegen über alle Himmel“ (Eph 4,10). Damit hat der Heiland vor allem auch uns den Weg gewiesen, den wir zu beschreiten haben, um in den Himmel zu gelangen, den Weg der Demut.

III.

Die Himmelfahrt Unseres Herrn Jesus Christus war schließlich auch nützlich für uns, „und zwar aus drei Gründen“. Erstens um „uns zu führen“. „Denn Er stieg zu diesem Zwecke auf, so wie Er auferstand unserer Auferstehung wegen. Denn wir würden den Weg nicht wissen, wenn Er ihn uns nicht zeigte.“ „Er wird emporsteigen, um ihnen den Weg zu bahnen“, prophezeit schon Michäas (Mich 2,13). Nun also kennen wir den Weg in den Himmel: Wir müssen mit Christus, dem Haupt, als Glieder verbunden sein durch den Glauben und die Liebe in der wahren Kirche, wir müssen mit Ihm gekämpft und gelitten haben, und wir müssen nach Seinem Vorbild die Demut üben. „Lernet von mir, denn Ich bin sanft und demütig von Herzen“ (Mt 11,29).

Zweitens war Christi Himmelfahrt nützlich, „um uns Sicherheit über die Erlangung des himmlischen Reiches zu geben“. „Denn Er stieg dorthin auf um für uns Fürbitte einzulegen“, sagt der heilige Thomas. Der Heiland selbst hat uns durch Seine Apostel versichert: „Ich gehe, euch eine Stätte zu bereiten“ (Jo 14,2). Wie also könnten wir noch zweifeln, dorthin zu gelangen, wo uns der Heiland schon eine Wohnung einrichtet? Zumal wir nun einen unfehlbaren Fürsprecher haben im Himmel, der zur Rechten Gottes, des Vaters sitzt! „Wir dürfen hintreten zu Gott durch Ihn, der allzeit lebt, um für uns Fürbitte einzulegen“, bestätigt uns der heilige Paulus (Hebr 7,25), und der heilige Johannes bekräftigt: „Wir haben einen Fürsprecher beim Vater: Jesus Christus“ (1 Jo 2,1).

Drittens endlich ist uns die Himmelfahrt so nützlich, um „unsere Herzen an sich zu ziehen“, denn „wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Mt 6,21), „und damit wir das Irdische verachten“ lernen: „Amare caelestia et despicere terrestria“, wie die Liturgie betet, das Himmlische lieben und das Irdische verachten. Die Liebe hat ja die Eigenschaft, uns zu dem zu ziehen, was wir lieben, während alles andere für uns unwichtig wird und bedeutungslos. Wenn wir also Christus lieben, so wirkt das wie ein Magnet, der uns himmelwärts zieht und von der Erde und ihren Gegenständen emporhebt, gerade wir es bei der Himmelfahrt Christi geschehen ist. Die Liebe zu Christus ist somit unsere eigene Himmelfahrt, und auf diese Weise ist uns durch ihre übergroße Liebe die allerseligste Jungfrau mit Leib und Seele auf diesem Weg vorausgegangen. Halten wir also unseren Blick stets nach oben gerichtet, wie die Apostel nach der Himmelfahrt. „Wenn ihr mit Christus auferweckt seid, so suchet, was oben ist, wo Christus zur Rechten des Vater thront! An das, was oben ist, denket, nicht an das Irdische!“ (Kol 3,1).