Prototyp der Neuen Messe

Wenn man die Arbeit der Modernisten mit derjenigen der sog. Traditionalisten vergleicht, so muß man leider weitestgehend feststellen, die Modernisten arbeiten vorausschauender, geordneter, zielstrebiger, gekonnter und viel effektiver als diese. Dazu kommt noch, nur ganz wenige Traditionalisten sind noch fähig, die ganze Tragweite der modernistischen Irrlehre richtig einzuschätzen, weshalb sie fast immer weit hinter der modernistischen Fehlentwicklung hinterherhinken. Ein Paradebeispiel dafür ist die hl. Liturgie und ihre modernistische Reform. Wir haben in der Artikelreihe „Liturgische Metamorphose“ schon ausführlich dargestellt, mit welchem über Jahrzehnte währenden Bemühen die Modernisten daran gegangen sind, die hl. Liturgie so grundlegend zu verändern, daß sie als Kult des Menschen auch zur neuen Menschenmachwerkskirche paßt.

Der hauptsächliche Macher der Neuen Messe, Annibale Bugnini, war ein Meister der liturgischen Verwandlungen, oder besser gesagt Fälschungen. Wahrlich meisterhaft verstand er es, den Katholiken einzureden, seine neuen Riten seien im Grunde nichts Neues, sondern nur die alten Riten in einer ursprünglicheren Form. Bugnini hatte schon unter Pius XII. die Möglichkeit, seine Meisterschaft unter Beweis zu stellen. Im Kielwasser der sog. Liturgischen Bewegung ging man damals schon daran, die Liturgie der Karwoche einfacher zu gestalten und damit vermeintlich der Liturgie des Urchristentums wieder besser anzugleichen. Das „2. Vatikanum“ wird in der Konstitution über die heilige Liturgie den ungeheuerlichen Satz sich zueigen machen: „Deshalb sollen die Riten unter treulicher Wahrung ihrer Substanz einfacher werden. Was im Lauf der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt wurde, soll wegfallen. Einiges dagegen, was durch die Ungunst der Zeit verlorengegangen ist, soll, soweit es angebracht oder nötig erscheint, nach der altehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden.“ Die überwältigende Mehrheit der katholischen Bischöfe übernimmt mit diesem Text den von Pius XII. noch verurteilten Irrtum des Archäologismus, „jene übertriebene und ungesunde Altertumssucht“, welche behauptet, das Alte sei immer besser als das Neue und damit zudem das unfehlbare Wirken des Heiligen Geistes bei der Gestaltung der kirchlichen Riten leugnet.

Bei der Neugestaltung der Karwoche hatte Bugnini freilich erhebliche Mühe, diese auch nur einigermaßen durch dieses Argument glaubhaft zu machen, handelte es sich bei den meisten Riten um die ältesten des römischen Meßbuches überhaupt. Es war deswegen natürlich gar nichts Älteres oder Ursprünglicheres zu finden, wodurch aber ganz klar gezeigt wird, daß es im Grunde auch gar nicht darum ging. Dementsprechend gibt Aemiliana Löhr OSB in ihrem Buch „Die heilige Woche“ zu bedenken: „Die Frage ist: Wie kann eine Einrichtung, die so völlig göttlichen Ursprungs ist und der die Form jeder künftigen Gegenwärtigsetzung von göttlicher Hand vorgezeichnet ist, irgendwelcher Fehlentwicklung unterliegen, Wandlungen und Verzeichnungen erleiden, die ihre reine ursprüngliche Form verändern und darum späteren Geschlechtern Erneuerung, Wiederherstellung des Anfänglichen zur Pflicht machen?“ Die Antwort auf diese Frage klingt sodann recht ausweichend: „Nun, gewiß ist, daß der Kern einer so göttlichen Überlieferung niemals von dem Wandel und Wechsel angegriffen werden kann, der das Los aller bloß menschlichen Einrichtungen ist. Nie wird die Kirche in ihrer eigentlichen offiziellen Liturgie etwas anderes vergegenwärtigen und feiern als das Pascha Christi, wie jenes erste und einzige Opfer ‚auf dem Berge‘ genannt wurde, weil es sich zu der Zeit vollzog, als die Juden in Jerusalem die Passahlämmer schlachteten, um das jährliche Gedächtnis ihrer Herausführung aus Ägypten, ihres Durchzuges durch das Rote Meer und ihres Bundes mit Jahwe zu begehen.“

Ist es aber wahr, ist „der Kern einer so göttlichen Überlieferung“ durch die Liturgiereform wirklich nicht „von dem Wandel und Wechsel angegriffen, ja uminterpretiert und schließlich zerstört“ worden?

Der Karfreitag als Mitte der Karliturgie

Die Mitte der Karwochenliturgie ist „Der heilige Karfreitag“. Bugnini hatte offensichtlich ein ganz besonderes Augenmerk auf diesen Ritus geworfen. Da es sich beim Karfreitag nicht um eine hl. Messe im eigentlichen Sinne handelte, mußte er bei seiner Reform nicht so vorsichtig sein wie bei den anderen Riten, war doch der Ritus der hl. Messe zur damaligen Zeit immer noch weitestgehend unantastbar. Dennoch griff Bugnini bei seiner Karwochenreform auch schon in den Ritus der hl. Messe ein – und zwar immer da, wo er eine Akzeptanz erwarten konnte, nämlich bei den veränderlichen Teilen. So ließ er z.B. an manchen Tagen einfach das Stufengebet wegfallen. Da die Karfreitagsliturgie bekanntlich keine eigentliche Messfeier (wohl aber eine „Missa praesanctificatorum“) enthielt, war sie der ideale Rahmen für eine Neugestaltung des Ritus. Bugnini wird darum, ohne daß es irgendjemand gemerkt hat, diese Liturgie zum Prototyp seiner „Neuen Messe“ machen.

Die Neue Messe war, wie der Name ganz offen und unzweifelhaft zum Ausdruck bringt, eine Neuerfindung, eine Neuschaffung am grünen Brett. Sie hat keinerlei Vorbild in irgendeiner Liturgie der Vergangenheit. Das Konzil skizziert diese Neue Messe in der Liturgiekonstitution, an deren Ausarbeitung Bugnini bekanntlich ebenfalls mitgewirkt hatte, war er doch von 1959 bis 1962 Sekretär der Liturgischen Vorbereitungskommission des „2. Vatikanums“, folgendermaßen: Im Gegensatz zur alten Messe soll „den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werden“ (SC 51). Zudem wird die Predigt „als Teil der Liturgie selbst sehr empfohlen“ (SC 52) und es soll nach dem Evangelium und der Predigt „das ‘Allgemeine Gebet’ oder ‘Gebet der Gläubigen’ wiedereingeführt werden, damit unter Teilnahme des Volkes Fürbitten gehalten werden“ (SC 53). Endlich wird „mit Nachdruck“ jene „vollkommenere Teilnahme an der Messe empfohlen, bei der die Gläubigen nach der Kommunion des Priesters aus derselben Opferfeier den Herrenleib entgegennehmen“. Bedeutsam ist auch noch die Nr. 56 der Liturgiekonstitution, in der von „beiden Teilen“ die Rede ist, „aus denen die Messe gewissermaßen besteht, nämlich Wortgottesdienst und Eucharistiefeier“. Diese seien „so eng miteinander verbunden, daß sie einen einzigen Kultakt ausmachen“.

Zur Erinnerung: Nach „alter“ Anschauung bestand die hl. Messe aus drei Hauptteilen, nämlich der Vormesse („Wortgottesdienst“), der Hauptmesse („Opfergottesdienst“) und der Nachmesse („Schlußgottesdienst“). Durch den dreiteiligen Aufbau zeigte sich als klares Zentrum der Opfergottesdienst, auf den die beiden anderen Teile wesentlich hingeordnet waren.

Im Folgenden wollen wir nun zeigen, wie es Bugnini meisterhaft verstand, diese Vorgaben schon im Voraus bei der Gestaltung des Ritus für den Karfreitag umzusetzen. Wir werden jeweils den ursprünglichen Ritus mit dem neu geschaffenen Ritus vergleichen und die verschiedenen Veränderungen herausarbeiten und kommentieren. Als Vorlage dient uns dabei der „Schott“ und ergänzend der „Bomm“.

Im „Schott“ wird „Der heilige Karfreitag (Feria VI in Parasceve)“ einleitend erklärt: „Der heutige Tag trug in der frühesten Zeit den Namen 'Freitag der Todesfeier des Herrn'; heute heißt er Parasceve, d.h. Rüsttag (vor Ostern). Dieser Tag ist einer jener Tage des Kirchenjahres, deren Begehung in die Urzeit der Kirche hinaufreicht. …“

Die Neuerer übernehmen wieder den in den frühesten Zeiten üblichen Namen und nennen ihn „Freitag des Leidens und Sterbens unseres Herrn“. Damit wollen sie wohl suggerieren, daß sie mit dem Namen auch den früheren Ritus wieder herstellen wollen, obwohl dieser „Tag einer jener Tage des Kirchenjahres ist, deren Begehung in die Urzeit der Kirche hinaufreicht“ – und das nicht nur geschichtlich, sondern auch durch die uralten Riten!

Der Karfreitag und die hl. Messe

Der Ritus des Karfreitags ist seinem Aufbau nach einer hl. Messe nachempfunden. Dementsprechend hatte auch er drei Teile: „1. Lesungen mit Fürbittgebeten, 2. die Enthüllung und Verehrung des heiligen Kreuzes, 3. die sog. Missa praesancitificatorum, d.h. die Messe der vorherverwandelten Gabe, weil in ihr nicht konsekriert, sondern die am Tage vorher verwandelte Hostie genossen wird“, so der Schott.

Bugnini macht aus den drei Teilen deren vier – nach dem „Bomm“: „Der erste ist eine Art Vormesse mit Gebeten, Lesungen und Gesängen und dem Evangelium vom Leiden und Sterben des Herrn (Johannespassion). Den zweiten Teil bilden die Allgemeinen Fürbitten. Als dritter folgt die Enthüllung und Verehrung des heiligen Kreuzes und als vierter eine Kommunionfeier, in der nach einem alten, jetzt erneuerten Brauch auch die Gläubigen den Leib des Herrn empfangen sollen.“

In der Umgestaltung der Teile und die Erweiterung auf deren vier ist nicht unschwer die Vorstellung von den „beiden Teilen“ zu erkennen, „aus denen die Messe gewissermaßen besteht, nämlich Wortgottesdienst und Eucharistiefeier“. Die beiden ersten Teile bilden dann den Wortgottesdienst, die beiden letzten die Eucharistiefeier, wobei beide „so eng miteinander verbunden sind, daß sie einen einzigen Kultakt ausmachen“. Es ist wichtig zu begreifen, wie gezielt und konsequent die Reformatoren (so muß man sie wohl am besten nennen) vorgegangen sind.

Erster Teil: Lesungen und Fürbitten

Kommen wir nun zum ersten Teil: Lesungen mit Fürbittgebeten nach der „alten“ Ordnung, erster und zweiter Teil nach der reformierten Ordnung.

Im ursprünglichen Ritus kommt der Priester in schwarzen Gewändern (also mit Meßgewand) zum Altar, er wirft sich vor diesem aufs Angesicht nieder und verharrt eine Zeit lang im stillen Gebet. Nach diesem erhebt er sich, geht an den Altar, küßt den Altar und beginnt auf der Epistelseite für die Lesungen.

Im reformierten Ritus zieht der Zelebrant schweigend durch die Kirche zum Altar, ohne Meßgewand, nur in Albe und mit schwarzer Stola, er wirft sich nieder in Prostratio, dann erhebt der sich, betet eine Oration, worauf er sich auf die Seite zu den Sedilien begibt. Der Zelebrant geht also nicht mehr an den Altar, sondern er feiert den Wortgottesdienst an der Seite an den Sedilien, genauso wie es in der Neuen Messe üblich sein wird.

Bugnini hat in seinen reformatorischen Ritus auch schon viele Nuancen eingearbeitet, die wegweisend sein werden. Der Priester trägt nicht mehr das traditionelle Meßgewand, sondern nur noch die Albe. Es war Anfang und Mitte der 50er Jahre noch nicht möglich, sofort die modernen „Meßgewänder“ einzuführen, die immer bunter werdenden Kartoffelsäcke, aber es war schon möglich, auf das Meßgewand zu verzichten – oder es, wie wir noch sehen werden gegen den Rauchmantel auszutauschen.

Es soll noch auf eine weitere Nuance hingewiesen werden, welche Bugnini diesmal weggelassen hat. Im ursprünglichen Ritus wurde der letzte Teil der Passion vom Priester als Evangelium gelesen. Im reformierten Ritus wird die ganze Passion zum Evangelium und sie wird am Pult, „dem Volk zugewandt“ gesungen. Der Priester hört nur noch zu, d.h. er liest das Evangelium nicht mehr selber am Altar, wie früher üblich.

Im ursprünglichen Ritus gehen die Lesungen einfach in die Fürbitten über, es ist ein einziger, zusammengehöriger Teil. Der Priester liest, bzw. singt deswegen die Fürbitten einfach auf der Epistelseite am Altar.

Dies ändert Bugnini: „Nun legt der Zelebrant das schwarze Pluviale an… Unterdessen breiten zwei Akolythen ein Altartuch auf dem Altar aus und legen darauf in die Mitte des Altares das Buch“, so der Schott. Bugnini läßt also das Buch in die Mitte des Altars stellen, vor den (leeren) Tabernakel! Es war niemals üblich, etwas vor den Tabernakel zu stellen – außer den Kelch beim hl. Meßopfer. Wie ist dies also zu deuten? Nun, im Gedanken hatte Bugnini den Tabernakel wohl schon beseitigt und an einen Volksaltar gedacht. Der Priester steht also im reformatorischen Ritus bei den Fürbitten in der Mitte des Altars und er hat vor sich das Buch und zumindest schon im Gedanken (oder auch schon in Wirklichkeit, denn der Volksaltar existierte in manchen Gegenden schon) auch die Gläubigen. Zudem tritt der Priester mit einem schwarzen Chormantel gekleidet an den Altar, wohl nochmals in Ermangelung eines modernen „Meß“-gewandes, denn auch hier ist der gedankliche Zusammenhang zu diesem naheliegend.

Und noch eines wird ganz ohne jegliches Aufsehen erreicht, man erfüllt die Forderung der Liturgiekonstitution, nach der „das ‘Allgemeine Gebet’ oder ‘Gebet der Gläubigen’ wiedereingeführt werden“ soll, „damit unter Teilnahme des Volkes Fürbitten gehalten werden“. Hierzu ist der Karfreitagsritus natürlich mehr als geeignet, sind in ihm allein im römischen Ritus die allgemeinen Fürbitten noch erhalten geblieben. Später wird man sie bei jeder Feier einer Neuen Messe wiederfinden, wo sie oft aufgrund ihrer Oberflächlichkeit und Banalität einer der peinlichsten Teile dieser Volksunterhaltungsfeier sind.

Zweiter Teil: Kreuzverehrung

Kommen wir zum nächsten Teil der Karfreitagsliturgie, die Kreuzverehrung.

In der ursprünglichen Liturgie legte der Priester das Meßgewand ab, das er die ganze Zeit trug, und er nimmt sodann das verhüllte Kreuz, das schon auf dem oder beim Altar steht. Sodann beginnt er auf der Epistelseite das Kreuz zu enthüllen. Im reformierten Ritus legt der Zelebrant das Pluviale ab, das er bei den Fürbitten trug, sodann wird das verhüllte Kreuz aus der Sakristei geholt, und der Diakon oder der Priester bringt es, von Lichtträgern begleitet, an den Altar. Hierzu eine Bemerkung: Der reformierte Ritus – der doch ein vereinfachter Ritus sein will – macht einen viel unruhigeren und unharmonischeren Eindruck als der ursprüngliche Ritus. Gerade am Karfreitag fällt auf, wie die ursprüngliche Einheit des Ritus zerstückelt wird, um diesen uralten, bis in die apostolische Zeit zurückreichenden Ritus durch ein selbstgemachtes Surrogat zu ersetzen – wie es alle Häretiker und Sektierer machten. An manchen Stellen der reformierten Karliturgie hat man unwillkürlich den unangenehmen Eindruck, es handle sich um neu geschaffene Showeinlagen, welche das Volk besser unterhalten sollen.

Die Missa Praesanctificatorum

Kommen wir zum letzten Teil der Karfreitagsliturgie.

Im „Schott“ liest man: „Nun folgt die Missa Praesanctificatorum, d.i. die Messe der vorherverwandelten Opfergaben. Im römischen Ritus kommt sie nur an diesem Tage vor; im Morgenlande dagegen ist sie in der Fastenzeit häufig. Sie bildet den erhabensten Teil des heutigen Gottesdienstes; freilich ist sie, weil das Wesentliche, die Wandlung, fehlt, keine eigentliche Meßopferfeier, aber doch eine wahre Eucharistiefeier, besser gesagt, eine Kommunionfeier. Der zelebrierende Priester genießt unter uralten und feierlichen Gebräuchen die am Vortrag konsekrierte Hostie. In der heutigen Kommunionfeier wird er gleichsam vom Kreuze aus genährt. ‚Wir werden vom Kreuze Christi herab gespeist, weil wir seinen Leib essen‘ (hl. Augustinus). Heute, da die Kirche ganz vom Andenken an das blutige Kreuzesopfer erfüllt ist, wagt sie es gleichsam nicht, dessen unblutige Erneuerung zu feiern.“

Von der Zeremonie her erinnert diese Missa Praesanctificatorum durchgehend an die Zeremonien beim hl. Meßopfer: die Beräucherung des Altars, der Kelch mit Wasser und Wein, das Lavabo, die Erhebung der Hostie, das „Vater unser“. Wenn es auch kein eigenes und eigentliches Opfer ist, das hier gefeiert ist, so verweist doch alles darauf, daß diese hl. Hostie Opferfrucht ist, Frucht des furchtbaren Leidens und Sterbens des göttlichen Erlösers am Kreuz. Darum, bildet die „Missa Praesanctificatorum den erhabensten Teil des heutigen Gottesdienstes“. Im Morgenland war diese Art der liturgischen Feier besonders während der Fastenzeit üblich, weil sie mehr den Bußcharakter zum Ausdruck bringt und der dieser Zeit eigenen Trauer besser entspricht als das hl. Meßopfer, bei der die Freude im Vordergrund steht.

Bedenkt man zudem, am Karfreitag geht der Missa Praesanctificatorum unmittelbar die Kreuzverehrung voran, während der dem an diesem Tage wirklich geschehenen Opfertod unseres göttlichen Erlösers gedacht wird – die Karfreitagsliturgie ist sozusagen das Requiem für den soeben am Kreuz gestorbenen Erlöser – so wird aus dem Gesamt des Ritus die Nähe zum hl. Meßopfer noch deutlicher. Es wird auch sofort verständlich, daß sich der Brauch durchgesetzt hat, am diesen Tag nicht zu kommunizieren. Die Gläubigen sind so vom Leiden und Sterben ihres göttlichen Erlösers ergriffen, so von einem abgrundtiefen Schmerz erfüllt, daß sie sich darin ihrem göttlichen Vorbild angleichen wollen und auf die Freude der hl. Kommunion verzichten. Aus diesem Grund fand schon zur Zeit des Papstes Innozenz I., also zu Beginn des 5. Jahrhunderts, in der römischen Kirche weder ein Opfer noch ein Opfermahl statt. Genauso war es in der Kirche zu Jerusalem, berichtet doch die Pilgerin Aetheria nichts von einem Kommunionempfang am Karfreitag. Erst im 8. Jahrhundert kam ein solcher Brauch auf, wurde jedoch im 12. Jahrhundert in der römischen Kirche abgeschafft, was sogar im Kirchenrecht seinen Niederschlag fand. Darum war es nur noch üblich, daß allein der Priester kommunizierte und das wohl nur deshalb, damit das Opfer wie bei der hl. Messe vervollständigt wird.

Die modernen Reformatoren machen aus der „Messe der vorhergewandelten Opfergabe“ eine „Kommunionfeier“. Im Bomm heißt es dazu: „Diese Kommunionfeier wird so gehalten, wie sie in der alten Zeit an Tagen üblich war, an denen man kein eigentliches Opfer hielt, und wie sie heute noch im Morgenlande während der Fastenzeit häufig vorkommt. Während lange Zeit hindurch am Karfreitag nur der Priester den Leib des Herrn empfing, ist seit 1956 wieder die allgemeine Kommunion vorgesehen. Für die Nüchternheit gelten die für die Abendmesse gegebenen Vorschriften.“

Das ist freilich nicht den Tatsachen entsprechend, die Kommunionfeier wird keineswegs „so gehalten, wie sie in der alten Zeit an Tagen üblich war“, sondern in einem neuerfundenen Ritus, wodurch die ganze Karfreitagsliturgie einen anderen Sinn erhält. Bugnini läßt ganz bewußt entgegen der ältesten Tradition an diesem Tag die ganze Gemeinde kommunizieren – wobei er sich zwar auf örtliche Gebräuche beruft, die jedoch gerade nicht bis zur Zeit des Urchristentums zurückgehen, wie wir schon gesehen haben. Das Ziel dieser Umformung ist auch viel weitgehender als es auf den ersten Blick scheint. Das wird ersichtlich, sobald man bedenkt, daß die Missa Praesanctificatorum vollkommen verändert wird. Warum übernimmt Bugnini nicht einfach die Missa Praesanctificatorum und verbindet sie mit einer allgemeinen Kommunionausspendung? Warum formt er besonders bei diesem Ritus alles um und erfindet ihn neu? Weil er mit seiner Art der Kommunionfeier den ganzen Ritus uminterpretieren möchte. Mit anderen Worten: Er macht mit seiner Kommunionfeier aus dem Opfer ein Mahl!

Nach der Kreuzverehrung zieht sich im reformierten Ritus der Zelebrant um und legt keine schwarzen, sondern violette Meßgewänder an. Man beachte: In der Neuen Messe wird die Farbe Schwarz ganz verschwinden, was hier schon angedeutet wird. Der Priester kommt also mit dem violetten Meßgewand am Altar an, und im Schott heißt es sodann: „Der Zelebrant spricht laut und deutlich: 'Oremus, Preceptis salutaribus… dicere', und alle Anwesenden sprechen gemeinsam mit dem Priester, sozusagen als eucharistisches Tischgebet, das Vaterunser.“

Hier ist eindeutig der Brauch der Neuen Messe vorgebildet, das „Vater unser“ mit dem Volk zusammen zu beten, „sozusagen als eucharistisches Tischgebet“ (!) – denn die Neue Messe ist ihrem Wesen nach eine Mahlversammlung unter dem Vorsitz des Priesters. Die Wandlung wird folgerichtig zum bloßen Einsetzungsbericht umfunktioniert – am Karfreitag der Kreuzverehrung entsprechend. Sowohl Opfer (Kreuzverehrung) als auch Mahl (neugestaltete Kommunionfeier) sind somit nur noch Erinnerungsfeiern, das Opfer ist kein wahres, wirkliches Opfer mehr und die Hostie nicht mehr der wahre Opferleib Jesu Christi. Mit anderen Worten: Die Kommunionfeier Bugninis ist nur noch das Austeilen des hl. Brotes zur Erinnerung an den Tod Jesu am Kreuz.

Zusammenfassung

Wie wir gesehen haben, ist die Reform der Karfreitagsliturgie genau gemäß den Grundsätzen der zur Neuen Messe führenden Liturgiekonstitution ins Werk gesetzt worden. Die späteren Macher der Neuen Messe haben im neugeschaffenen Ritus des Karfreitags einen Prototyp für die folgenden Veränderungen geschaffen. Nachdem der Test erfolgreich verlaufen ist – es gab kaum Widerstand gegen diese Reform – war der Weg zur Neuen Messe frei!

Schluß

Lassen wir zum Abschluß noch einmal einen Zeitzeugen zu Wort kommen. In dem schon erwähnten Buch „Die heilige Woche“ schrieb Aemiliana Löhr OSB im Jahre 1958: „Es ist eines der Grundanliegen der gegenwärtigen »Instauration« der Paschaliturgie, den Gläubigen wieder die Einheit des österlichen Geschehens im Vielerlei der Riten und Feiern, wie sie sich im Laufe der Zeit herausgebildet haben, begreiflich zu machen. Die Heilige Woche soll wieder zu einer einheitlichen Feier werden, in der das Einzelne, an seinen richtigen Platz gerückt, das Ganze in allen seinen Teilen ebenso wie in seiner Einheit sichtbar macht und jedem Gläubigen, der ganzen Kirchengemeinde den lebendigen Mitvollzug des Pascha Domini sichert. Darin zumeist liegt auch das, was man das pastorale Anliegen der jüngsten liturgischen Neuordnung genannt hat. Wenn man dabei, um dem Volke eine lebendige und verständnisvolle Teilnahme an dem einen und ganzen Pascha weitgehend zu ermöglichen und zu erleichtern, zu einigen Kürzungen, Auslassungen und Umgestaltungen altehrwürdiger Texte und umgekehrt zur Neueinführung des einen oder anderen Ritus gegriffen hat, so können darüber die Ansichten natürlich geteilt sein. Die Zeit wird erweisen, ob in jedem Fall das Richtige getroffen wurde. Wo nicht, wird die kluge und liebevolle Mutter Kirche nicht zögern, einen Mißgriff zu berichtigen.“

Offensichtlich wurde mit der Neuordnung der Karliturgie noch kein endgültiges Ergebnis geliefert, sondern nur der vorläufige Stand des liturgischen Experiments dokumentiert. Wobei man dazu doch die entscheidende Frage stellen müßte, die die ganze Zeit schon untergründig im Raum stand: Kann die hl. Liturgie überhaupt Experiment sein? Jedenfalls kam es entgegen der Hoffnung von damals zu keinerlei Einsicht mehr, daß damit ein Irrweg beschritten worden war, denn die Feinde hatten die Reform der Liturgie in die Hand genommen – schon von 1948 bis 1960 war Annibale Bugnini Sekretär der von Papst Pius XII. eingesetzten Kommission zur Generalreform der Liturgie. Mit dem Tod von Pius XII. und vollends dem „2. Vatikanum“ haben sie dann endgültig das Zepter in die Hand genommen – die Bahn war nun endgültig frei und man mußte sich nicht mehr mit dem Karfreitag begnügen.