1. Den Höhepunkt unseres Glaubens bildet die Auferstehung des Heilands von den Toten. Sein Tod allein hätte uns nichts genützt. „Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist euer Glaube eitel; ihr seid noch in euren Sünden“ (1 Kor 15,17). Darum glauben und bekennen wir fest, Jesus Christus sei am dritten Tag nach Seinem Tod wieder auferstanden von den Toten.
Der heilige Thomas von Aquin erklärt dazu: „Zweierlei muß der Mensch notwendig erkennen: die Herrlichkeit Gottes und die Strafen der Hölle. Denn durch die Herrlichkeit angezogen und durch die Strafen abgeschreckt, hüten sich die Menschen vor den Sünden und meiden sie.“ Beides ist für uns notwendig. Die Furcht vor der Hölle allein könnte uns zur Verzweiflung bringen, doch der Blick auf Gottes Herrlichkeit ohne sie könnte uns zur Sorglosigkeit oder gar Vermessenheit verleiten. „Aber jene Herrlichkeit ist für den Menschen sehr schwer zu erkennen. Für die irdisch Gesinnten ist es deshalb schwer, weil 'wer von der Erde ist, von der Erde redet' (Joh 3,31). Nicht schwer hingegen ist es für die geistig Gesinnten, denn 'wer vom Himmel kommt, steht höher als alle' (Joh 3,31). Deshalb ist Gott vom Himmel herabgestiegen und Mensch geworden, um uns das Himmlische zu lehren.“ Andererseits: „Ebenso schwer war es aber auch, die Strafen der Hölle zu begreifen; denn 'noch von keinem wissen wir, daß er aus der Hölle zurückgekehrt wäre', läßt die Schrift die Gottlosen sprechen (Sap 2,1). Aber das kann jetzt nicht mehr mit Fug gesagt werden: denn wie Er vom Himmel herabgestiegen ist, um uns das Himmlische zu lehren, so ist Er auch aus der Hölle wieder erstanden, um uns aus der Hölle herauszuführen. Und deshalb müssen wir nicht nur notwendig glauben, daß Er Mensch geworden und gestorben ist, sondern auch, daß Er von den Toten wieder auferstand. Darum heißt es: 'Am dritten Tag auferstand Er von den Toten.'“
2. Was war das Einzigartige und Besondere an der Auferstehung Christi? „Es gibt zwar noch andere, die von den Toten wieder auferstanden sind, wie etwa Lazarus, der Sohn der Witwe und die Tochter des Jairus; die Auferstehung Christi unterscheidet sich jedoch von der Auferstehung jener und aller anderen in vier Punkten.“ Der erste Punkt betrifft die „Ursache der Auferstehung“. „Die anderen nämlich, die auferstanden, taten das nicht aus eigener Kraft, sondern durch die Kraft Christi oder dank dem Gebet eines Heiligen; Christus aber erstand aus eigener Kraft, denn Er war nicht nur Mensch, sondern auch Gott, und das göttliche Wort war niemals weder vom Leibe noch von der Seele getrennt, und deshalb konnte der Leib die Seele oder die Seele den Leib nach Belieben wieder annehmen.“ „Ich habe die Gewalt, Mein Leben hinzugeben, und es wieder an Mich zu nehmen“ (Joh 10,18). „Und wenn Er den Tod erlitt, so geschah dies nicht aus Schwachheit oder aus Notwendigkeit, sondern aus eigener Kraft und aus freiem Willen; dies zeigt sich auch darin, daß Er, als Er den Geist aufgab, mit lauter Stimme rief, was andere Sterbende nicht vermögen, da sie aus Schwachheit sterben.“ Das bewegte den römischen Hauptmann zu dem Bekenntnis: „Wahrlich, dieser war Gottes Sohn“ (Mt 27,54). „Wie Er aber aus eigener Kraft Seine Seele hingab, so nahm Er sie auch aus eigener Kraft wieder an, und deshalb heißt es: 'Er ist auferstanden', und nicht 'Er wurde auferweckt' – gleichsam von einem anderen. Dies widerspricht nicht den Worten des Petrus: 'Diesen Jesus hat Gott wieder auferweckt' (Apg 2,32); denn sowohl der Vater wie der Sohn erwecken Ihn wieder, weil die Macht des Vaters und des Sohnes ein und dieselbe ist.“ So wurde die Auferstehung Christi aus eigener Kraft zum machtvollsten Beweis Seiner Gottheit.
Ein zweiter Unterschied besteht in „bezug auf das Leben, zu dem Er auferstand“. Denn „Christus erstand zu einem glorreichen und unvergänglichen Leben, die anderen aber zu demselben Leben, das sie vorher hatten, wie wir von Lazarus und den anderen wissen“. So hatte Christus wirklich den Tod besiegt, denn dieser hatte fürderhin keine Macht mehr über ihn. Die anderen wie Lazarus mußten nach ihrer Auferweckung trotzdem wiederum sterben. Eine dritte Besonderheit betrifft „die Wirkkraft und die Früchte der Auferstehung Christi, durch welche alle Menschen auferstehen werden“. Der Heiland ist ja nicht nur für sich allein auferstanden, sondern als Haupt der Menschheit. „Christus ist von den Toten auferstanden, als Erstling der Entschlafenen“ (1 Kor 15,20). „Doch ist zu beachten, daß Christus durch das Leiden zur Herrlichkeit Gottes gelangte und uns so lehrte, wie auch wir zur Herrlichkeit Gottes gelangen können.“ „… auf daß wir … durch Sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangen“, beten wir darum im „Engel des Herrn“. „Mußte nicht Christus dies leiden, um so in Seine Herrlichkeit einzugehen?“ (Lk 24,26). „Durch viele Trübsal müssen wir in das Gottesreich eingehen“ (Apg 14,22).
Viertens endlich sticht die Auferstehung Christi hervor in „bezug auf die Zeit“. „Die Auferstehung der anderen Menschen wird bis zum Ende der Welt aufgeschoben, abgesehen von einigen, denen sie durch eine besondere Gnade schon vorher gewährt wurde: wie der allerseligsten Jungfrau und, nach frommem Glauben, dem heiligen Evangelisten Johannes.“ Letzteres wird heute ehr nicht mehr vertreten. „Christus aber ist am dritten Tage wieder erstanden; und zwar deshalb, weil die Geburt, der Tod und die Auferstehung Christi sich unseres Heiles wegen ereigneten und Er daher auferstehen wollte, als es unser Heil erforderte.“ Auch hier zeigt sich wieder die weise Ordnung Gottes: „Wäre Er sogleich auferstanden, dann hätte man nicht geglaubt, daß Er gestorben war...“ Tatsächlich wurde und wird das von Ketzern gerne behauptet, heutzutage vor allem von modernen bzw. modernistischen „Theologen“. „... hätte Er aber lange gezögert, so wären die Jünger nicht im Glauben verharrt, und Sein Leiden wäre ohne Nutzen gewesen. Daher ist Er am dritten Tage auferstanden, damit man Seinen Tod glaube und die Jünger der Glauben nicht verlören.“
3. Vier Lehren können wir nach dem heiligen Thomas aus dem Gesagten ziehen. Erstens sollen wir uns „bemühen, geistigerweise vom Tod der Seele, den wir uns durch die Sünde zugezogen haben, aufzuerstehen zum Leben der Gerechtigkeit, das wir durch die Buße gewinnen“. „Wache auf, der du schläfst, steh auf von den Toten, und Christus wird dich erleuchten“ (Eph 5,14). Der Aquinate fährt fort: „Dies ist die erste Auferstehung, von der es heißt: 'Selig, wer teilhat an der ersten Auferstehung' (Apk 20,6).“ Vollständig lautet die Stelle in der Offenbarung des heiligen Johannes: „Selig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung. Über sie hat der zweite Tod keine Gewalt, sondern Priester Gottes und Christi werden sie sein und mit ihm herrschen tausend Jahre.“ Es gibt also eine erste Auferstehung und eine zweite, einen ersten und einen zweiten Tod. Die erste Auferstehung ist die von der Sünde zur Gnade, und diese zieht als zweite Auferstehung nach sich die Auferstehung zum ewigen Leben. Der erste Tod ist der des Leibes, der zweite Tod ist der der Seele, wenn diese in die ewige Verdammnis stürzt. Über jene, die der Sünde gestorben und von ihr zur Gnade auferstanden sind, hat dieser zweite Tod keine Gewalt, vielmehr harren sie der zweiten Auferstehung am Ende der Tage.
Die zweite Lehre: „Wir sollen diese Auferstehung nicht bis zum Tode aufschieben, sondern sie bald vollziehen, wie auch Christus schon am dritten Tage auferstanden ist.“ Dazu mahnt schon der Weise: „Zögere nicht, zum Herrn dich zu bekehren, und verschiebe es nicht von Tag zu Tag“ (Sir 5,8). Wer weiß, ob man die Gnade zur Bekehrung noch bekommt, wenn man sie aufschiebt. Zudem wird eine Umkehr immer schwieriger und unwahrscheinlicher. Der engelgleiche Lehrer: „Denn man kann nicht über das zum Heil Notwendige nachdenken, wenn Krankheit auf einem lastet, und man verliert durch das Zögern den Anteil an all dem Guten, das in der Kirche geschieht, und stürzt sich durch das Beharren in der Sünde in viel Böses. Auch läßt der Teufel, wie der heilige Beda sagt, einen Menschen umso schwerer los, je länger er ihn besessen hat.“ Der heilige Benedikt ermahnt im Prolog seiner Regel: „Stehen wir also endlich einmal auf! Die Schrift rüttelt uns wach und ruft: 'Die Stunde ist da, vom Schlaf aufzustehen.' Öffnen wir unsere Augen dem göttlichen Licht und hören wir mit aufgeschrecktem Ohr, wozu uns die Stimme Gottes täglich mahnt und aufruft: 'Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!' Und wiederum: 'Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!' Und was sagt er? 'Kommt, ihr Söhne, hört auf mich! Die Furcht des Herrn will ich euch lehren. Lauft, solange ihr das Licht des Lebens habt, damit die Schatten des Todes euch nicht überwältigen.'“
Als dritte Lehre sollen wir „zu einem unvergänglichen Leben auferstehen, so daß wir nicht wieder sterben; das heißt mit dem festen Vorsatz, fernerhin nicht mehr zu sündigen“. Der heilige Paulus ermahnt die bekehrten Christen: „Christus, einmal vom Tode erweckt, stirbt nicht wieder … Ebenso müßt auch ihr von euch denken: in Christus Jesus seid ihr tot für die Sünde und lebt für Gott. Darum soll die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe: ihr sollte nicht seinen Begehrlichkeiten gehorchen. Gebet nicht eure Glieder der Sünde hin als Werkzeug der Ungerechtigkeit, sondern vom Tode zum Leben auferstanden, gebt euch Gott hin“ (Röm 6,9.11-13).
Wir sollen daher viertens „zu einem neuen und glorreichen Leben auferstehen, indem wir alles meiden, was uns früher Ursache und Gelegenheit zum Sündentode war“, wie ebenfalls der heilige Paulus schreibt: „Wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt ward, so lasset auch uns in einem neuen Leben wandeln“ (Röm 6,4). Dann sind wir wahrhaft österliche Menschen, wahre Katholiken, wenn wir in diesem neuen Leben wandeln und nicht wieder zurückfallen in die alten Fehler, Sünden, Laster und Gebrechen. „Dieses neue Leben ist das Leben der Gerechtigkeit, das die Seele erneuert und zum Leben der Herrlichkeit führt. Amen.“