1. Nach Seinem Tod am Kreuz ist Unser Herr Jesus Christus mit Seiner heiligsten Seele in die Hölle hinabgestiegen, so sagt es unser Glaubensbekenntnis. Der heilige Thomas von Aquin erklärt uns dazu: „Wie gezeigt wurde, bestand der Tod Christi, wie der Tod der anderen Menschen, in der Trennung der Seele vom Körper. Aber die Gottheit war mit dem Menschen Christus so unlöslich verbunden, daß sie, trotz der Trennung von Seele und Körper, vollkommen mit Seele und Körper vereint blieb, so daß der Sohn Gottes mit dem Körper im Grabe gegenwärtig war und mit der Seele zu der Hölle abstieg.“ Es ist deswegen ein schöner Brauch in Süddeutschland, am Heiligen Grab zur Anbetung die verschleierte Monstranz mit dem Allerheiligsten auszusetzen. Es wird damit verdeutlicht, daß auch im toten Leib Christi im Grab Seine Gottheit nach wie vor anwesend ist.
2. Seine Seele, ebenfalls mit der Gottheit nach wie vor vereinigt, stieg jedoch zu der Hölle ab, und das aus vier Gründen: „1. Damit Er die ganze Strafe der Sünde erleide und so auch die ganze Schuld sühne. Denn die Strafe für die Sünde des Menschen war nicht nur der Tod des Körpers, sondern auch eine Strafe der Seele, indem dieser nämlich die Anschauung Gottes entzogen wurde, eine Strafe, für deren Aufhebung noch keine Genugtuung geleistet war. Daher stiegen vor der Ankunft Christi alle, auch die Erzväter, in die [Vor-]Hölle.“ Die Höllenstrafe besteht ja wesentlich im Entzug der beseligenden Anschauung Gottes. Hinzu treten weitere Strafen wie der Gewissenswurm oder das ewige Feuer. Diese Qualen leiden die Seelen in der Vorhölle nicht, sie sind jedoch ebenfalls der Anschauung Gottes beraubt, weshalb auch dieser Ort „Hölle“ genannt wird. „Damit also Christus die ganze den sündigen Menschen auferlegte Strafe erleide, wollte Er nicht nur sterben, sondern mit der Seele zur Hölle hinabsteigen.“
Der zweite Grund: „Damit Er allen Seinen Freunden vollkommene Hilfe bringen könne. Denn Er hatte Seine Freunde nicht nur auf Erden, sondern auch in der Hölle. Es sind nämlich alle diejenigen Freunde Christi, die die Liebe haben. In der Hölle waren aber viele, die in der Liebe und im Glauben an den kommenden Erlöser abgestiegen waren, wie Abraham, Isaak, Jakob, Moses, David und andere gerechte und vollkommene Männer.“ Abermals ist hier natürlich von der „Vorhölle“ die Rede. „Und wie Christus die Seinen auf Erden aufsuchte und ihnen durch Seinen Tod Hilfe brachte, wollte Er auch die Seinen in der Hölle aufsuchen und ihnen Hilfe bringen, indem Er zu ihnen hinabstieg.“ „Ich durchdringe alle Tiefen der Erde und suche heim alle, die entschlafen sind, und alle, die auf den Hern hoffen, will ich erleuchten“, heißt es schon bei Jesus Sirach (24,45).
Ein dritter Grund: „Damit Er vollkommen über den Teufel triumphiere. Jemand triumphiert vollkommen über einen anderen, wenn er ihn nicht nur in offener Feldschlacht besiegt, sondern ihn auch bis in sein eigenes Haus verfolgt und ihn seiner Herrschaft und seines Wohnsitzes beraubt.“ „Wenn ein Starker seinen Hof bewacht“, sagt Unser Herr Jesus Christus, „so ist sein Eigentum in Sicherheit. Kommt aber ein Stärkerer als er über ihn und überwältigt ihn, so nimmt er ihm seine ganze Rüstung, auf die er sich verlassen hatte, hinweg und verteilt seine Beute“ (Luk 11,21f). So hat Er es selbst gemacht. „Christus hat nun über den Teufel triumphiert und ihn am Kreuze besiegt.“ „Jetzt ist Gericht über diese Welt, jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden“ (Joh 12,31). „Um aber vollkommen zu triumphieren, wollte Er ihn seiner Herrschaft berauben und ihn in seinem Wohnsitz – der Hölle – fesseln. Und deshalb stieg Er dort hinab, raubte ihm all sein Gut, fesselte ihn und nahm ihm seine Beute ab.“
Darum schließlich der vierte Grund: „Damit Er die Heiligen, die in der Hölle waren, befreie“, und so den Teufel seiner schon sicher geglaubten Beute beraube. „So wie Christus den Tod erdulden wollte, um die Lebenden vom Tode zu befreien, so wollte Er auch zur Hölle hinabsteigen, um jene zu befreien, die dort weilten.“ „O Tod, ich will dein Tod sein, Hölle, ich will dein Biß sein“, heißt es beim Propheten Oseas (Os 13,14). Damit ist angedeutet: „Christus vernichtete den Tod zwar völlig, nicht aber die Hölle, sondern verwundete sie nur; Er befreite nämlich nicht alle aus ihr, sondern nur diejenigen, die ohne Todsünde waren und auch ohne Erbsünde, von welcher sie befreit worden waren durch die Beschneidung, oder auch vor der Beschneidung: die Kinder, die ihre Vernunft noch nicht gebrauchen konnten, durch den Glauben rechtgläubiger Eltern, und die Erwachsenen durch Opfer und durch den Glauben an den kommenden Erlöser. Alle diese waren in der Hölle wegen der Ursünde Adams, von der sie von Natur aus nicht befreit werden konnten außer durch Christus.“
3. Vier Dinge sind es, die wir daraus nach dem Aquinaten „zu unserer Belehrung entnehmen“ können. Erstens eine „feste Hoffnung auf Gott“, denn: „Wie sehr auch der Mensch in Bedrängnis sei, so darf er doch immer auf Gottes Hilfe hoffen und auf Ihn vertrauen. Es gibt nichts Ärgeres, als in der Hölle zu sein. Wenn nun Christus jene, die in der Hölle waren, befreite, so darf jeder, der ein Freund Gottes ist, noch viel mehr das Vertrauen haben, daß Er ihn aus jeder Bedrängnis befreien werde. Und weil Gott vor allem Seinen Dienern hilft, so darf derjenige besonders sicher sein, der Gott dient.“ „Und wenn ich auch wanderte im finsteren Todestal, so fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir“ (Ps 22,5). „Wer den Herrn fürchtet, zittert vor nichts und erschrickt nicht, denn Er ist seine Hoffnung“ (Sir 34,16).
Als zweites entnehmen wir daraus die „Bewahrung einer gewissen Furcht und Abkehr von der Vermessenheit“. Diese Furcht ist immer das notwendige Gegengewicht, um die Hoffnung nicht zur Vermessenheit werden zu lassen. „Denn wenn auch Christus für die Sünder gelitten hat und zur Hölle abgestiegen ist, so hat Er doch – wie schon gesagt wurde – nicht alle befreit, sondern nur diejenigen, die ohne Todsünde waren; diejenigen aber, die in schwerer Sünde waren, beließ Er dort. Deshalb hoffe keiner, der mit einer Todsünde zur Hölle hinabsteigt, auf Vergebung; er wird so lange in der Hölle bleiben wie die heiligen Väter im Paradiese, nämlich in Ewigkeit.“ „Diese werden eingehen in die ewige Pein, die Gerechten aber in das ewige Leben“ (Mt 25,46). Das soll uns eine heilsame Mahnung und ein Ansporn sein.
Dem dient auch die dritte Lehre, die wir ziehen sollen, nämlich eine „besorgte Voraussicht“. „Christus ist zu unserem Heile zur Hölle abgestiegen, und so müssen auch wir öfters besorgten Geistes dorthin hinabsteigen, indem wir nämlich die Höllenstrafen erwägen. Denn wer öfters im Leben dorthin durch Betrachtung hinabsteigt, wird es nicht leicht im Tode tun, weil ihn nämlich solche Betrachtung von der Sünde abhält.“ Bei den Exerzitien des heiligen Ignatius von Loyola stellen daher die Betrachtungen über die Hölle einen wichtigen und bedeutenden Abschnitt dar. Der heiligen Theresia von Avila war nach ihrer Aussage eine Vision über die Hölle und den ihr darin zugedachten Platz ein größerer Ansporn für ihr Heil als alle Schauungen des Heilands. Auch den Kindern in Fatima mutete Unsere Liebe Frau einen Blick in die Hölle zu, der diesen sehr heilsam wurde. „Wir sehen doch“, sagt der heilige Thomas, „daß die Menschen dieser Welt sich wegen der zeitlichen Strafen vor Verbrechen hüten; um wieviel mehr wird man sich vor Verbrechen hüten wegen der Höllenstrafe, die viel größer ist, sowohl in bezug auf die Dauer als auch in bezug auf die Bitterkeit und Vielfalt.“ „Bedenke deine letzten Dinge, dann wirst du in Ewigkeit nicht sündigen“, sagt der Weise (Sir 7,40). Der Heiland wußte wohl, warum er immer wieder vor der Hölle warnte. Erst unserer Zeit blieb es vorbehalten, die Seelen sehr zu ihrem Schaden mit solcher „Drohbotschaft“ nicht mehr zu beunruhigen. Aber ist es nicht besser, aus Furcht vor der Hölle vor dieser bewahrt zu bleiben, als sorglos und ohne Beunruhigung dahinzuleben und schließlich in diese hinabzustürzen?
Viertens entnehmen wir dem Geheimnis ein „Beispiel der Liebe“. „Christus stieg zur Hölle hinab, um die Seinen daraus zu befreien, und so müssen auch wir jenen zu Hilfe kommen, die im Reinigungsorte sind.“ Das Fegefeuer ist ja nach vielen Geisteslehrern von der Hölle nur dadurch verschieden, daß es statt der Verzweiflung die Hoffnung kennt und nur von vorübergehender Dauer ist. Aber immerhin bleibt es eine große Pein, größer als alles, was auf Erden vorstellbar ist. „Sehr hart wäre derjenige, der seinem in einem irdischen Kerker schmachtenden Freund nicht zu Hilfe käme; aber viel härter ist derjenige, der seinem Freunde im Reinigungsorte nicht zu Hilfe kommt, denn die Strafen dieser Welt sind mit jenen Strafen nicht zu vergleichen.“ Was aber sollen wir zur Hilfe der Armen Seelen im Fegefeuer tun? „Es kann den Verstorbenen vor allem durch drei Dinge Hilfe gebracht werden, wie der heilige Augustinus sagt: durch die heilige Messe, durch Gebete und Almosen; der heilige Gregor fügt als viertes noch das Fasten hinzu. Das ist nicht zu verwundern, denn auch in dieser Welt kann ein Freund für den andern Genugtuung leisten.“ Nützen wir also diese Gnadentage, um den Armen Seelen, unseren Freunden, nach Kräften zu Hilfe zu eilen.