1. Zum Fest der Geburt des göttlichen Kindes ist es sicher angebracht, den Glauben an den menschgewordenen Sohn Gottes, Unseren Herrn Jesus Christus, zu stärken. Was wäre dazu besser geeignet als die Erklärung des heiligen Thomas von Aquin zum Glaubensbekenntnis?
2. „Der Christ muß nicht nur an Einen Gott glauben, den Schöpfer des Himmels und der Erde und aller Dinge; er muß auch notwendig glauben, daß dieser Gott Vater, und Christus der wahre Sohn Gottes ist.“ Das eben unterscheidet den christlichen Glauben von anderen „monotheistischen Religionen“ ganz wesentlich. Es haben nicht „alle den gleichen Gott“. Unser Gott ist nicht nur der Schöpfer, sondern auch Vater, und Christus ist der wahre Sohn Gottes.
„Dies ist, wie der heilige Petrus sagt, nicht erdichtet, sondern gewiß und bezeugt durch das Wort Gottes auf dem Berg Tabor; denn es heißt: 'Wir folgten ja nicht künstlich ersonnenen Gedankenträumen, als wir euch von der Kraft unseres Herrn Jesus Christus in Seiner Erscheinung berichteten, sondern wir waren Augenzeugen Seiner Herrlichkeit. Denn Er empfing von Gott dem Vater Ehre und Verherrlichung, als aus erhabenem Gottesglanze die Stimme über Ihm erscholl: Dieser ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen habe. Und diese Stimme hörten wir vom Himmel ergehen, als wir mit Ihm auf dem heiligen Berge waren' (2 Petr 1,16-18).“ Der christliche Glaube ist ganz und gar kein Hirngespinst. „Auch Christus selbst nennt an mehreren Stellen Gott Seinen Vater und sich Gottes Sohn. Und die Apostel und Kirchenväter nahmen unter die Glaubensartikel den Satz auf: 'Ich glaube an Jesus Christus, Seinen – das heißt Gottes – Sohn.'“ Bei so vielen und gewichtigen Zeugen können und dürfen wir nicht zweifeln.
3. „Es gab aber einige Häretiker, die dies falsch auslegten“, so der Aquinate, und er nennt einige davon, zuerst Photinus. „Dieser sagte, Christus sei nicht anders Gottes Sohn als alle guten Menschen, die durch ein gutes Leben, indem sie den Willen Gottes tun, verdienen, Adoptivkinder Gottes genannt zu werden. Und da Christus gut gelebt und den Willen Gottes getan habe, verdiene Er, Sohn Gottes genannt zu werden. Photinus behauptet auch, Christus habe nicht vor der Heiligen Jungfrau existiert, sondern erst zu sein angefangen, als sie Ihn empfangen hatte. Photinus irrt da in zwei Punkten: erstens, indem er bestreitet, daß Christus der Natur nach der wahre Sohn Gottes ist; zweitens, indem er behauptet, Sein ganzes Sein habe erst in der Zeit begonnen.“ Solche Irrtümer sind auch heute weit verbreitet.
Hingegen hält unser Glaube fest, „daß Christus Sohn Gottes der Natur nach und von Ewigkeit ist“. Davon spricht der heilige Johannes in seinem berühmten Prolog: „Im Anfang war das Wort [der Sohn], und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort“ (Joh 1,1), und schließlich: „Niemand hat Gott je gesehen, der eingeborene Sohn, der an der Brust des Vaters ruht, Er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18). Der Heiland selbst bezeugt Seine ewige göttliche Existenz vor den Juden: „Ehe Abraham ward, bin Ich“ (Joh 8,58). „Deshalb fügten die Kirchenväter in dem Glaubensbekenntnis gegen den ersten Irrtum hinzu: 'Gottes eingeborener Sohn', und gegen den zweiten: 'Aus dem Vater geboren vor aller Zeit'.“
Der zweite Häretiker, den der heilige Thomas nennt, ist Sabellius. „Dieser gab zwar zu, daß Christus vor der Heiligen Jungfrau war, meinte aber, Er sei keine vom Vater verschiedene Person, sondern im Sohn sei der Vater selbst Mensch geworden, so daß also die Person des Vaters dieselbe wäre wie die des Sohnes.“ Auch diese Meinung ist ein Irrtum, „denn sie hebt die Dreiheit der Personen auf und verstößt somit gegen die Autorität der Heiligen Schrift: 'Ich bin nicht allein, sondern mit Mir ist der Vater, der Mich gesandt hat' (Joh 8,16). Da aber niemand sich selbst sendet, ist die Meinung des Sabellius falsch; und deshalb fügt das Glaubensbekenntnis hinzu: 'Gott von Gott, Licht vom Lichte', das heißt, wir müssen glauben, daß Gottes Sohn von Gott dem Vater und das Licht des Sohnes vom Lichte des Vaters ausgeht.“
Drittens folgt die Häresie des Arius. „Dieser gibt zwar zu, daß Christus vor der Heiligen Jungfrau war und daß der Vater und der Sohn verschiedene Personen sind; aber er schreibt Christus dreierlei zu: erstens, daß der Sohn Gottes ein Geschöpf sei; zweitens, daß Er nicht von Ewigkeit, sondern von Gott als das höchste Geschöpf in der Zeit geschaffen sei; drittens, daß Gott der Sohn nicht von gleicher Natur wie Gott der Vater und daher auch nicht wahrer Gott sei.“ Diese Irrlehre hatte deswegen besonderen Erfolg, weil sie von der Wahrheit nicht so weit entfernt ist wie die des Photinus und des Sabellius.
Dennoch: „Dies alles ist ebenfalls irrig und widerspricht der Lehre der Heiligen Schrift: 'Ich und der Vater sind Eins' (Joh 10,30), nämlich der Natur nach, und daher ist der Sohn ewig wie der Vater und wahrer Gott wie der Vater. Wenn also Arius sagt, Christus sei ein Geschöpf, so erklärt das Glaubensbekenntnis dagegen: 'Wahrer Gott vom wahren Gott', und wenn Arius sagt, Er sei nicht von Ewigkeit, sondern in der Zeit geschaffen, so lehrt das Glaubensbekenntnis dagegen: 'Gezeugt, nicht geschaffen'. Wenn Arius sagt, Christus sei nicht gleichen Wesens wie der Vater, so fügt das Glaubensbekenntnis hinzu: 'Eines Wesens mit dem Vater'.“ Das war die berühmte Auseinandersetzung, bei der es buchstäblich nur um ein kleines Iota ging: „homousios – wesensgleich“ gegen „homoiusios – wesensähnlich“. Wir sehen, wie die Häretiker letztlich nur dazu beitrugen, den christlichen Glauben klarer zu fassen und deutlicher zu formulieren. „Wir müssen also glauben, daß Christus der eingeborene und wahre Sohn Gottes ist, gleich ewig wie der Vater, von diesem in der Person verschieden und doch gleichen Wesens wie Er.“
4. Der engelgleiche Lehrer fährt fort: „All das wissen wir hier nur durch den Glauben, aber im ewigen Leben werden wir es in vollkommener Schau erkennen.“ Denken wir auch daran, wenn wir uns über die Geburt des Gottessohnes freuen, wie wir Seine göttliche Sohnschaft einst in seliger Schau sehen werden. „Zu unserer Tröstung hienieden“ will uns der heilige Thomas noch einiges dazu sagen. „Es gibt verschiedene Arten der Zeugung“, sagt er. „Die Zeugung in Gott ist eine andere als in den geschaffenen Dingen; von der Zeugung in Gott können wir daher nur einen Begriff erlangen durch Vergleich mit der Zeugung jener Geschöpfe, die Gott am ähnlichsten sind. Nichts ist aber hienieden Gott so ähnlich wie die Seele des Menschen. Auch in der Seele findet nun eine Art Zeugung statt, indem der Mensch in seiner Seele etwas denkt, und dies wird das Erzeugnis der Seele oder das geistige Wort des Menschen genannt. Die Seele zeugt also, indem sie denkt, ihr Wort.“
Ähnlich müssen wir es uns bei Gott denken. „So ist auch der Sohn Gottes nichts anderes als das Wort Gottes, und zwar nicht ein nach außen hin gesprochenes Wort – denn das vergeht –, sondern ein innerlich erzeugtes Wort. Und deshalb ist auch das Wort Gottes einer Natur mit Gott und Gott gleich.“ Und daher „hat bereits der heilige Johannes, als er vom Worte Gottes sprach, die drei Häresien widerlegt: erstens die des Photinus, indem er sagte: 'Im Anfang war das Wort'; zweitens die des Sabellius, indem er sagte: 'Und das Wort war bei Gott'; drittens die des Arius, indem er sagte: 'Und Gott war das Wort'.“ Dem Johannes-Prolog eignet somit eine besondere Kraft gegen die Häresie und damit auch eine exorzistische Wirkung, weshalb die heilige Kirche ihn in der Heiligen Messe stets als Schlußevangelium verlesen läßt.
Freilich ist zu beachten: „Das Wort ist aber in anderer Weise in uns als in Gott. Denn in uns ist das Wort etwas Zusätzliches [Akzidens], in Gott aber ist das Wort Gottes mit Gott wesensgleich, denn nichts ist in Gott, was nicht Seine Wesenheit ist. Niemand aber kann behaupten, daß Gott jemals ohne das Wort war, denn dies würde bedeuten, Gott sei ohne Verstand. Wie Gott immer war, so auch Sein Wort.“ Und: „Wie der Künstler alles schafft durch die Idee, die er in seinem Geiste vorausdenkt, als sein Wort, so hat Gott alles durch Sein Wort geschaffen, gleichsam als durch Seine künstlerische Idee: 'Alles ist durch dasselbe gemacht worden' (Joh 1,3).“ Auch dies bekräftigt die Kirche täglich im Schlußevangelium gegen den Wahnsinn von „Urknall“ und „Evolution“.
5. Der Doctor Universalis zieht nun die praktischen Folgerungen. „Da also das Wort Gottes Gottes Sohn ist und alle Worte Gottes eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem ersten Worte Gottes haben, so ergeben sich für uns die folgenden Verpflichtungen“, nämlich erstens: „Wir müssen das Wort Gottes gerne hören, denn dies ist ein Zeichen, daß wir Gott lieben.“ Es ist klar, wer das Wort Gottes nicht liebt, der liebt den Sohn nicht und damit auch nicht den Vater. Zweitens müssen wir „dem Worte Gottes glauben, damit das Wort Gottes, das Christus ist, in uns wohne; denn es heißt: 'Durch den Glauben wohnt Christus in euren Herzen' (Eph 3,17).“ Durch den Glauben nehmen wir das Wort Gottes und damit den Sohn und den Vater in uns auf.
Drittens müssen wir „das in uns aufgenommene Wort Gottes fortwährend erwägen“, wie es die allerseligste Jungfrau tat, von welcher es heißt: „Maria behielt alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen“ (Luk 2,18). „Denn es genügt nicht, daran zu glauben, wir müssen es auch betrachtend in uns bewahren. Nur so kann es nützen und vermag viel gegen die Sünde.“ So heißt es im Psalm: „In meinem Herzen berge ich Deine Worte, auf daß ich wider Dich nicht sündige“ (Ps 118,11). Viertens müssen wir „das Wort Gottes auch anderen mitteilen durch Ermahnung, Predigt und Anregung“, denn das Wort Gottes ist mitteilsam, schöpferisch und fruchtbar. Der Heiland vergleicht es nicht umsonst mit einem Samen, der ins Erdreich gesät wird. Der heilige Paulus mahnt darum: „Das Wort Christi wohne in euch in reichem Maße: in aller Weisheit lehret einander und haltet einander zum Rechten an“ (Kol 3,16). Und schließlich müssen wir das Wort Gottes auch befolgen: „Tun sollt ihr das Wort [Gottes], nicht nur hören; sonst würdet ihr euch selbst betrügen“, mahnt der heilige Jakobus (Jak 1,22), und der Heiland selbst sagt: „Selig, die das Wort Gottes hören und es befolgen“ (Luk 11,28).
Letzteres ist ein Lob des Heilands auf Seine allerseligste Mutter. Somit wundert es uns nicht, wenn der heilige Thomas feststellt: „Alle diese fünf Punkte hat der Reihe nach die allerseligste Jungfrau Maria bei der Empfängnis des göttlichen Wortes beobachtet. Zuerst hörte sie das Wort, als der Engel zu ihr sprach: 'Der Heilige Geist wird über dich kommen.' Dann stimmte sie dem Wort durch den Glauben zu: 'Siehe, ich bin eine Magd des Herrn:' Drittens empfing und trug sie das Wort in ihrem Schoße.“ Viertens trug sie es eilends zu Elisabeth und Johannes und sprach „das Wort aus in der Geburt“. „Und schließlich hegte und nährte sie das Wort, das ist Jesus Christus.“ Wir wollen die allerseligste Jungfrau bitten, daß sie unseren Glauben an Jesus Christus bewahre, stärke und vermehre.