1. Wenn wir dieser Tage besonders der Toten gedenken, so dürfen wir nicht außer acht lassen, daß der Tod nicht das letzte Wort ist. Wir glauben gewiß an ihre Auferstehung, und das ist der Grund, warum Christen ihre Toten nicht einfach verbrennen, sondern sie gewissermaßen zur Ruhe betten, sie der Erde übergeben, von der sie genommen sind, damit sie dort der Auferstehung entgegenharren.
Der heilige Thomas von Aquin belehrt uns in seiner Erklärung des Glaubensbekenntnisses: „Der Heilige Geist heiligt die Kirche nicht nur der Seele nach, sondern durch Seine Kraft werden auch unsere Körper auferstehen. Deshalb glauben wir an die künftige Auferstehung der Toten.“ Dabei, so fährt er fort, seien „vier Dinge in Betracht zu ziehen: der Nutzen, der sich aus dem Glauben an die Auferstehung ergibt; die Beschaffenheit der Auferstandenen im allgemeinen; die Beschaffenheit der auferstandenen Guten und Bösen im besonderen“.
2. Zunächst also der „Nutzen, der uns aus dem Glauben an die Auferstehung und aus der Hoffnung auf sie erwächst“. Dieser ist wiederum vierfach. Erstens vertreibt dieser Glaube die „Traurigkeit, in die wir wegen des Todes uns Nahestehender verfallen“. Es wäre durchaus unnatürlich, wenn wir diese Trauer nicht empfinden würden. Der Aquinate: „Es ist nämlich unmöglich, daß der Mensch beim Tod seiner Lieben nicht traure; aber dieser Schmerz wird durch die Hoffnung auf ihre Auferstehung sehr gemildert.“ So tröstet auch der heilige Paulus die Thessalonicher: „Wir möchten euch, Brüder, über die Entschlafenen nicht im Ungewissen lassen. Ihr sollt ja nicht trauern wie die anderen, die keine Hoffnung haben“ (1 Thess 4,23).
Zweitens befreit uns die Hoffnung auf Auferstehung von der Todesfurcht. „Wenn der Mensch nicht auf ein anderes, besseres Leben nach dem Tode hoffen dürfte, wäre der Tod allerdings sehr zu fürchten, und es müßte der Mensch alles – sogar Übles – unternehmen, um dem Tod zu entgehen.“ Genau das ist leider heute weithin der Fall, weil die Menschen vielfach den Glauben an die Auferstehung nicht mehr haben. Weil wir Christen aber „an ein anderes, besseres Leben glauben, in das wir nach dem Tode gelangen, haben wir den Tod keineswegs zu fürchten und brauchen auch aus Furcht vor ihm nichts Übles zu tun“. So ist Unser Herr Jesus Christus nach dem heiligen Paulus deswegen Mensch geworden, „um durch den Tod den zu vernichten, der des Todes Gewalt innehatte, nämlich den Teufel, und alle zu erlösen, die in der Furcht des Todes das ganze Leben hindurch einer Versklavung verfallen waren“ (Hebr 2,14f).
Drittens werden wir dadurch angeeifert „in unserem Streben, Gutes zu tun“. „Wenn es nämlich für die Menschen nur das irdische Leben geben würde, so würden sie sich nicht sehr bemühen, Gutes zu tun; alles käme ihnen gering vor, denn das Sehnen des Menschen geht nicht nur auf ein zeitlich beschränktes Gut, sondern auf ein ewiges.“ Eben das können wir heute überall um uns herum beobachten, wie sich die Menschen nicht mehr sehr bemühen, Gutes zu tun, vielmehr allen irdischen Gütern hinterherjagen, die sie doch nie erfüllen und befriedigen können und daher nur zu immer weiterer Gier antreiben. „Weil wir aber glauben, daß wir durch unser irdisches Tun bei der Auferstehung ewige Güter erlangen, streben wir danach, Gutes zu tun.“ Daher kommt es, daß die Christen oft verlacht, verkannt und verspottet werden, wie der heilige Paulus sagt: „Wenn wir nur für dieses Leben auf Christus hoffen dürften, wären wir erbarmungswürdiger als alle Menschen“ (1 Kor 15,59).
Viertens ist der Glaube an die Auferstehung eine wirksame „Abschreckung von der Sünde“. Denn so „wie uns die Hoffnung auf den Lohn dazu antreibt, Gutes zu tun, so schreckt uns die Furcht vor der Strafe, die, wie wir glauben, den Bösen bevorsteht, von der Sünde ab“. Darum sündigen so viele Seelen heute leichtfertig, weil sie daran nicht mehr glauben. Und doch ist es so, wie der Heiland selbst sagt: „Es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung für das Leben, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung für das Gericht“ (Joh 5,29).
3. Das zweite, was wir in Betracht ziehen sollen, ist die „Beschaffenheit der Auferstandenen im allgemeinen“. Dazu ist nach dem heiligen Thomas wiederum „viererlei zu beachten“. Erstens ist zu beachten die „Gleichheit des auferstandenen Leibes mit dem im irdischen Leben getragenen“. Es ist ganz derselbe Leib, den wir jetzt haben, und der einst auferstehen wird. Das ist der Grund, warum wir Christen diesen Leib, der eines Tages auferstehen soll in Herrlichkeit, auch nach dem Tod nicht zerstören durch Verbrennung oder dergleichen, sondern ihn weiterhin ehrfurchtsvoll behandeln, und dies besonders bei den Leibern der Heiligen, denen wir eine ganz besondere Verehrung zuteil werden lassen. Zwar, so der Aquinate, hätten „einige behauptet, daß der Leib, der auf Erden verwest, nicht auferstehen werde“, diesem widersprächen aber die Worte des Apostels: „Denn dieses Verwesliche muß anziehen die Unverweslichkeit“ (1 Kor 15,53), sowie „die Worte der Heiligen Schrift, die besagen, daß durch die Kraft Gottes derselbe Leib zum Leben auferstehen wird“, wie etwa bei Job: „Und wieder werde ich umgeben werden mit meiner Haut und werde in meinem Fleische meinen Gott schauen“ (Job 19,26).
Zweitens ist zu beachten, daß sich die Leiber der Auferstandenen jedoch „von den irdischen Leibern durch ihre Unverweslichkeit unterscheiden, und zwar sowohl die Leiber der Seligen als auch die der Verdammten, die der Guten immer in der Herrlichkeit, die der Bösen immer in der Strafe“. Letzteres ist freilich eine schreckliche Vorstellung. Der heilige Thomas fährt fort: „Und weil die Leiber unverweslich und unsterblich sein werden, wird es dann auch keinen Gebrauch von Speisen und kein eheliches Leben mehr geben.“ „Denn bei der Auferstehung wird weder geheiratet noch verheiratet, sondern sie sind wie die Engel Gottes im Himmel“, sagt uns der Heiland selbst (Mt 22,30). Irdische Speisen sind auch nicht mehr nötig, es wird aber mit Sicherheit himmlische Speisen geben, denn nicht umsonst vergleicht der Heiland den Himmel stets mit einem Gast- oder Hochzeitsmahl.
Drittens wird der Leib der Auferstandenen, „sowohl der Guten wie der Bösen“, vollkommen sein, „das heißt, es wird unter den Auferstandenen keinen Blinden, keinen Lahmen und keinen mit irgendeinem anderen Gebrechen Behafteten geben“. Viertens schließlich wird das Alter „das vollkommene sein, das heißt zwei- oder dreiunddreißig Jahre; denn diejenigen, die noch nicht so alt sind, haben das vollkommene Alter noch nicht erreicht, und die Greise haben es schon überschritten“. „Daher wird den Jüngeren und den Kindern das ihnen Fehlende hinzugefügt, und die Greise werden wieder in das vollkommene Alter zurückversetzt, nach den Worten des Apostels: 'Wir alle gelangen zur vollen Mannesreife, dem Vollmaß der Lebenshöhe Christi' (Ehp 4,13).“ Letzteres sehen manche Ausleger freilich anders, die meinen, daß jeder sein eigenes vollkommenes Alter hat und dann sein „Vollmaß der Lebenshöhe Christi“ erlangt hat, wenn er das ihm zubestimmte Maß der Heiligkeit vollendet hat. Daher kann es im Himmel durchaus auch Greise und Kinder geben, allerdings ohne die auf Erden bei ihnen zu findenden Unvollkommenheiten, Gebrechen oder Schwachheiten.
4. An dritter Stelle ist die Beschaffenheit der auferstandenen Guten zu betrachten, und hier „ist zu bemerken, daß ihnen eine besondere Glorie zuteil werden wird, indem ihre verklärten Leiber vier Eigenschaften aufweisen werden“. Die erste dieser Eigenschaften ist die Strahlkraft („claritas“), gemäß den Worten der Heiligen Schrift: „Die Gerechten werden leuchten wie die Sonne im Reiche ihres Vaters“ (Mt, 13,43). So erschien auch der Heiland auf dem Berge Tabor im Vorgriff auf Seinen Auferstehungsleib Seinen Aposteln ganz strahlend und hell, „Sein Angesicht glänzte wie die Sonne, Seine Kleider aber wurden leuchtend hell wie das Licht“ (Mt 17,2).
Die zweite Eigenschaft ist die Leidensunfähigkeit („impassibilitas“), gemäß den Worten des heiligen Paulus: „Gesät wird der Leib in Unehre, auferstehen wird er in Herrlichkeit; gesät wird er in Schwachheit, auferstehen wird er in Kraft“ (1 Kor 15,43). Der heilige Johannes faßt es in seiner Offenbarung in die schönen und tröstlichen Worte: „Gott wird jede Träne von ihrem Auge trocknen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Jammer, noch Mühsal: denn das erste ist vergangen“ (Off 21,4). Hinzu kommt drittens die Leichtbeweglichkeit („agilitas“), „nach den Worten der Schrift: 'Die Gerechten werden wie Funken im Röhricht hin- und herblitzen' (Weish 3,7)“.
Die vierte Eigenschaft ist die Vergeistigung („subtilitas“), wie der heilige Paulus sagt: „Gesät wird ein sinnenhaft-irdischer Leib, auferstehen aber ein geistiger Leib“ (1 Kor 15,44). Dies ist nach dem heiligen Thomas so zu verstehen, „nicht als ob er ganz Geist würde, aber doch ganz dem Geiste unterworfen“. Auch dies hat der Heiland nach Seiner Auferstehung den Aposteln eindrucksvoll gezeigt, als Er etwa bei geschlossenen Türen mitten ins Zimmer trat, gleichzeitig Speise zu sich nehmen konnte und sich betasten ließ, um zu zeigen, daß Er kein Gespenst sei, sondern leibhaftig vor ihnen stehe.
5. Was nun schließlich viertens die Beschaffenheit der Bösen anbelangt, so ist „zu bemerken, daß ihr Zustand dem Zustand der Seligen gerade entgegengesetzt sein wird“. Erstens werden ihre Leiber „verfinstert sein, nach den Worten des Propheten: 'Verbrannt sind ihre Gesichter' (Is 13,8)“. Zweitens werden sie „leidensfähig sein und doch nicht sterben können, denn obwohl sie immer im Feuer brennen, werden sie nicht von ihm verzehrt, nach den Worten des Propheten: 'Ihr Wurm wird nicht sterben und ihr Feuer nicht erlöschen' (Is 66,24)“. Drittens werden sie beschwert oder „belastet sein, denn ihre Seele wird in ihnen gleichsam in Fesseln liegen“, und viertens werden sie „gleichsam tierisch sein an Seele und Leib“.
Wir sehen an diesen letzten Bemerkungen, was für ein gewaltiger Beweggrund zum Tun des Guten und Meiden des Bösen gerade in der Betrachtung der Auferstehung des Fleische für uns liegt.