1. Revolution bedeutet im eigentlichen und tiefsten Erhebung gegen Gott und manifestiert sich im Aufstand gegen Seine Gebote. Dabei werden die Gebote Gottes nicht einfach nur gebrochen wie bei jeder Sünde, sondern es sollen die Gebote selbst aufgelöst und beseitigt werden. Die Sünde wird nicht mehr verboten, sondern erlaubt, ja bisweilen gar glorifiziert, sie wird zum „Menschenrecht“.
2. Am wirkungsvollsten läßt sich dieser Aufstand proben im 6. Gebot, welches die Ehe heilig halten und schützen soll. Wir befinden uns hier in jenem Bereich, welcher durch die Erbsünde am nachhaltigsten und zutiefst geschädigt ist. Denn da die Erbsünde durch die Geschlechtlichkeit fortgepflanzt wird, liegt in dieser sozusagen ihr Krankheitsherd, wie der heilige Thomas sagt. Nirgendwo ist die verwundete menschliche Natur anfälliger, weshalb nach Aussage vieler Heiliger und Geisteslehrer die meisten Seelen der Verworfenen wegen Sünden auf diesem Gebiet das ewige Leben verloren haben. Zwar gibt es andere Sünden, die schwerer und gewichtiger sind, wie etwa Mord, Sakrileg oder Blasphemie. Auch die heute weithin üblich gewordene Mißachtung des Sonntagsgebots, beispielsweise in der Landwirtschaft, wiegt weitaus schwerer als Ehebruch. Deshalb nennt Unsere Liebe Frau von La Salette die Verachtung der Sonntagsheiligung als einen der ersten Gründe, die den Zorn Gottes herabrufen und den Arm ihres göttlichen Sohnes „so schwer werden“ lassen. Dennoch sind die Sünden gegen das 6. Gebot meist schwere Sünden, und es gibt kaum Sünden, die den Menschen so blind für das Geistige machen und ihn so sehr an das Niedere und den Schmutz binden. Der heilige Paulus warnt: „Flieht die Unzucht! Jede Sünde, die ein Mensch begeht, ist außerhalb des Leibes. Wer aber Unzucht treibt, sündigt gegen seinen eigenen Leib“ (1 Kor 6,18).
Da also die Sünden gegen das 6. Gebot die „populärsten“ und verbreitetsten sind, andererseits diejenigen, die den Menschen am meisten von Gott entfernen und dem Sinnlichen versklaven, werden wir kaum eine Revolution finden, die diesen Punkt ausläßt. Im Gegenteil wird er immer ein besonderer Schwerpunkt ihrer subversiven Bestrebungen sein. Die kommunistische Revolution beispielsweise ließ es sich besonders angelegen sein, die geltende Ehemoral zu beseitigen und in diesem Zusammenhang ein Recht auf Abtreibung zu proklamieren. Die berühmte 1968er Bewegung setzte gleich alle anderen Zwecke und Vorwände beiseite und erklärte sich ganz zur „sexuellen Revolution“. In ihr stecken wir noch mittendrin, wenngleich sie bereits weit fortgeschritten ist.
3. Etwa zur gleichen Zeit, in den 1960er Jahren, fand bekanntlich auch eine kirchliche Revolution statt: das „II. Vatikanische Konzil“. Aus ihr ging eine neue Sekte, die „konziliare Kirche“ hervor. Noch bei keiner schismatischen oder häretischen Gemeinschaft, die sich von der Kirche abgespalten hat, ist dies ohne Schaden für deren Ehe- und Geschlechtsmoral vor sich gegangen. Ehescheidung war das mindeste, was in der Regel über kurz oder lang zugestanden wurde (wenn es nicht gleich am Anfang stand wie bei Heinrich VIII. und seinen „Anglikanern“), und im Lauf der Jahrzehnte oder Jahrhunderte währenden Trennung von der Kirche kam es zu immer größeren und verheerenderen Zerstörungen auf diesem Gebiet. Der desolate Zustand so mancher protestantischer Gemeinschaft unserer Tage in dieser Hinsicht war oft genug der Grund, der ernsthaft Gläubige oder Suchende aus ihnen vertrieb und deren Konversion zur katholischen Kirche beförderte.
Darin fand sich eine besondere Schwierigkeit, denn nun sollte auch den Katholiken, die bisher die Reinheit der Lehre und der Sitten, insbesondere der ehelichen Moral, gewöhnt waren und es sich von ihrer Kirche auch gar nicht anders vorstellen konnten, ein neues und revolutionäres Verständnis beigebracht werden; denn sie waren ja die Klientel, die man für die neue „konziliare Kirche“ zu gewinnen hatte. Dank der seit Jahrhunderten und in den Jahrzehnten des ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders intensiv betriebenen Unterwanderung der Kirche war es gelungen, auf dem „II. Vatikanum“ neue und umstürzlerische Lehren unterzubringen, die zwar einigen Widerstand hervorriefen, aber von den meisten Katholiken letztlich brav geschluckt wurden, kamen sie doch vom Papst und den Bischöfen. Selbst eine neue und revolutionäre Liturgie wurde vom größten Teil noch gehorsam hingenommen. Im sensiblen Bereich der Moral und namentlich des Geschlechtlichen lag das Problem wesentlich diffiziler. Hier revolutionäre Änderungen durchzuführen und die Katholiken in ihrer Mehrheit mitzunehmen, war eine heikle Angelegenheit.
4. Zwar hatte man schon auf dem „II. Vatikanum“ vorsichtig die Ehezwecke vertauscht, doch da dies in der Praxis vorderhand kaum Auswirkungen zeigte, verursachte es keinen Aufruhr. Wohl wurden in der Zeit nach dem „Konzil“ vielfach die Dinge sehr viel lockerer gehandhabt und etwa die Annullierungen von Ehen durch die diözesanen Gerichte oft recht schnell und leichtfertig durchgeführt. Das erregte freilich manchen Unmut, konnte aber als Einzelfälle abgetan werden. Der erste große Sturm gegen die kirchliche Ehelehre tobte bei Beginn der 1968er Revolution mit der Forderung auf Freigabe der künstlichen Verhütung. Eine Kommission, die Paul VI. zur Prüfung dieser Frage eingesetzt hatte, votierte mehrheitlich dafür. In einem geradezu heroischen Akt entschied sich der „selige“ Montini dagegen und veröffentlichte seine Enzyklika „Humanae Vitae“, die den „konservativen“ bis heute als „Magna Charta“ der katholischen Ehelehre gilt, während sie den „progressiven“ ein ständiger Stein des Anstoßes blieb und bei den Liberalen den ihm nach wie vor anhaftenden Ruf Pauls VI. als eines starrsinnigen leibfeindlichen Kirchenpotentaten begründete. Dabei war ihnen allen entgangen, daß in Wahrheit die Revolution, wenn auch vorsichtig und zögernd, bereits Eingang in dieses Dokument gefunden hatte.
„Wikipedia“ bemerkt richtig zur Begründung, die Paul VI. in seiner Enzyklika für das Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung gibt: „Neu an der Begründung war, dass nunmehr nicht wie bislang das Verbot der Empfängnisverhütung aus einem Widerspruch im menschlichen Handeln hergeleitet wird, sondern seine Rechtfertigung im Eingriff in die biologische Gesetzmäßigkeit findet. Die biologischen Gesetze sind dabei Ausdruck des göttlichen Schöpfungsplans und verwirklichen eine personale Begegnung zwischen Mann und Frau als ganzheitliches Miteinander. Damit wird die bisherige Theorie, der primäre Zweck der Ehe sei die Fortpflanzung, relativiert. Vielmehr wird die eheliche Liebesgemeinschaft als sinnlich-geistige Lebenseinheit gesehen, die den durch die biologischen Gesetze vorgegebenen Fruchtbarkeitsauftrag erfüllen soll.“ Das ist in der Tat neu und eine Abweichung von der kirchlichen Lehre, die hier zur „bisherigen Theorie“ degradiert wird.
Der revolutionäre Impetus war jedoch allzu zaghaft. Entsprechend kühl und „relativierend“ fiel die Aufnahme der Enzyklika bei den „Auchkatholiken“ vor allem Europas und Nordamerikas aus. Die deutschen Bischöfe distanzierten sich in ihrer „Königsteiner Erklärung“, ebenso die österreichischen in ihrer „Mariatroster Erklärung“ und die schweizerischen in der „Solothurner Erklärung“. Das über weite Strecken liberal gewordene Kirchenvolk lachte ohnehin nur noch über den alten Mann in Rom und seine verschrobenen Ansichten. Doch den „Konservativen“ schien damit die eheliche Moral gerettet.
Unter Wojtyla alias Johannes Paul II. schritt die „Revolution der Sinnlichkeit“ vorwärts, wiederum von allen fast unbemerkt. Abermals waren es insbesondere die „Konservativen“, die sich von seiner „Theologie des Leibes“ angesprochen fühlten und diese bis heute in den höchsten Tönen loben, nicht ahnend, welche Sprengkraft in Wahrheit darin lag (vgl. Revolution der Sinnlichkeit). Es folgte der ohnehin als „erzkonservativ“ verschrieene Ratzinger mit seiner „Eros-Theologie“, von der seine erste Enzyklika „Deus caritas est“ ganz durchdrungen ist. Und wieder merkte niemand, wie tief die Ehemoral damit in ihren Grundlagen bereits getroffen war, denn nach wie vor schien man ja offiziell am Verbot von Ehescheidung, künstlichen Verhütungsmitteln etc. festzuhalten.
5. Nun war Bergoglio an der Reihe, die Revolution weiter voranzubringen und endlich die veränderte Ehelehre und -moral im Bewußtsein der „Konziliaren Kirche“ zu verankern. Er wählte dazu den „synodalen“ Weg (wobei "Synode" ohnehin soviel wie "gemeinsamer Weg" heißt). Dieser folgt bewährten „demokratischen“ Mustern. Revolutionäre benutzen ja gerne das Deckmäntelchen der „Demokratie“, um ihre Ziele durchzusetzen, während sie sich, ist der Umsturz erst gelungen, stets als Diktatoren reinsten Wassers entpuppen. Die Methode, „demokratisch“ die Gebote Gottes aufzulösen, umfaßt drei Schritte und sieht so aus: Zunächst wird frech und laut durch irgendeine prominente Stimme das Gebot in Frage gestellt und eine Änderung gefordert. Das löst natürlich zunächst Entrüstung und empörte Zurückweisung aus, aber auch Zustimmung und Resonanz. Die Sache ist damit bereits zur Sprache gebracht und das Gebot in Frage gestellt worden. Es entwickelt sich nun eine Debatte „pro und kontra“, die nicht zuletzt durch die Medien und weitere prominente Wortmelder angeheizt wird. Im wesentlichen schälen sich zwei Parteien heraus, die sich bekämpfen: „Rechte“ und „Linke“, „Konservative“ und „Progressive“ oder „Liberale“. Und meist merkt keiner mehr, daß man hier den entscheidenden Schritt schon längst getan hat, denn über Gottes Gebote gibt es nichts zu debattieren. Doch mit dem verpflichtenden Charakter dieser Gebote ist es in diesem Stadium längst vorbei, es gilt nun nur noch den demokratischen Konsens zu finden in Form einer Mehrheit. Das ist nun der letzte Schritt: das göttliche Gebot wird Gegenstand einer parlamentarischen Abstimmung. Nun braucht es nur noch eine Majorität, die meist leicht herzustellen ist, zumindest wenn man skrupellos genug ist, auch zu allen Mitteln der Demagogie und Manipulation zu greifen. Und damit ist Gott ganz demokratisch von seinem Thron gestürzt – zumindest in der Meinung der dummen Revolutionäre, denn tatsächlich kann niemand Gott vom Thron stoßen, aber das ist eine andere Sache.
Ebendies läßt sich im „synodalen“ Vorgang beobachten, den Bergoglio betrieb. Zunächst holte er, nachdem er selbst bereits mit der Presse plaudernd einschlägige Andeutungen gemacht hatte („Wer bin ich, um zu richten?“), den alten „Kardinal“ Kasper aus der Kiste, der lautstark freche Thesen aufstellte, die der „Heilige Vater“ auch noch lobte und bewunderte, was seine Wirkung gleichfalls nicht verfehlte und andere gewichtige Redner auf den Plan rief, die ihrerseits mit ähnlichen Forderungen auftraten. Ein paar andere Eminenzen, unter ihnen der „Glaubenspräfekt“ Müller, hielten dagegen, flankiert von einigen „konservativen“ Gruppierungen und Organen, und so entspann sich die öffentliche Debatte, die von den „linksliberalen“ Medien eifrig und in höchst einseitiger Weise geschürt wurde. Man verstand es schließlich, sie auf zwei sehr griffige Punkte zuzuspitzen: den Umgang mit den „wiederverheirateten Geschiedenen“ und den „Homosexuellen“, die beide bislang von der Kirche höchst unbarmherzig behandelt und ausgeschlossen worden seien. Durch die Verlagerung der Debatte von moralischen Prinzipien auf konkrete Personengruppen wurde sie geschickt mit Emotionen geladen, um so unsachlich wie nur möglich geführt zu werden, zumal man sich dabei zweier ohnehin bereits seit vielen Jahren in der Öffentlichkeit als „heiße Eisen“ geschmiedeter Hebel bedienen konnte.
6. Nun folgte der Akt der parlamentarischen Abstimmung. Bergoglio berief eine „Familiensynode“ ein bzw. den zweiten Teil einer solchen, denn bereits im Jahr 2013 hatte der erste Teil stattgefunden. Nun gäbe es sicher genug von kirchlicher Seite zum Thema Familie zu sagen. „Die klassische Familie wird zum Auslaufmodell“, titelte etwa „WELT online“ am 20. Oktober 2014. Die „klassische Familie mit Ehepaaren“ verliere „an Bedeutung“. „Viele Kinder leben nur noch allein mit Mutter oder Vater.“ Zwar dominiere „immer noch das klassische Modell“, so seien nach statistischen Erkenntnissen im Jahr 2013 immerhin noch „70 Prozent der insgesamt knapp 8,1 Millionen Familien mit mindestens einem minderjährigen Kind Ehepaare“, jedoch sei „der Anteil der Ehepaare mit Kind unter den Familien“ 1996 noch bei 81 Prozent gelegen. Bei 20 Prozent handelte es sich um alleinerziehende Väter oder Mütter, die „restlichen zehn Prozent entfielen auf nicht eheliche oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften“. „Nur noch weniger als die Hälfte der Menschen leben überhaupt noch in einer Familie.“ Das sind überaus beunruhigende Zahlen, wenn man bedenkt, daß der Schöpfer Ehe und Familie zur Grundlage der ganzen menschlichen Gesellschaft bestimmt hat.
Doch die „Familiensynode“ hatte Wichtigeres zu tun. Sie sollte ja gerade die Revolution auf diesem Gebiet weiter fördern, nicht ihr entgegentreten. So wählte „Franziskus“ schlau seine Protagonisten aus. Zum Generalsekretär der Synode machte er „Kardinal“ Lorenzo Baldisseri, einen Neuling mit keinerlei Erfahrung oder speziellen Kenntnissen in Fragen von Ehe und Familie, dafür aber ein enger Vertrauter Bergoglios. Der Bischof und Theologe Bruno Forte wurde Sondersekretär. Über ihn wußte der Vatikanist Andro Magister zu berichten, daß er bereits bekannt sei als Repräsentant einer theologischen und pastoralen Linie, die als Galionsfigur den bekannten Erzmodernisten und Jesuiten „Kardinal“ Carlo Maria Martini und als große Gegner zuerst Johannes Paul II. und dann Benedikt XVI. betrachteten, „eine Linie, deren Befürworter sich offen für eine Änderung der Lehre der Kirche auf dem Gebiet der Geschlechtlichkeit aussprechen“. Eine weltweit vom Vatikan zur Vorbereitung der Synode durchgeführte Fragebogenaktion hatte den Eindruck verstärkt, daß hier die kirchliche Morallehre zur Disposition gestellt wurde, ein übriges tat die Aufforderung des „Heiligen Vaters“, ohne Scheu und Hemmungen alles zu diskutieren. Was in der Synodenaula be- und gesprochen wurde, wurde nicht veröffentlicht, hingegen konnte jeder Synodenteilnehmer sich frei in Interviews äußern, was denn auch lebhaft genutzt wurde.
Die als Zwischenbericht am 13. Oktober vom ungarischen Kardinal Péter Erdö vorgelegte „Relatio“ stammte, so weiß der Vatikanist, aus der Feder von Baldisseri und Forte, die beide der „'Partei' der Änderung“ angehörten, an deren Spitze sich der „Ghostwriter“ und Vertraute des „Papstes“, Víctor Manuel Fernández befinde, seines Zeichens Erzbischof und Rektor der Katholischen Universität von Buenos Aires, sowie als drittem im Bunde dem Jesuiten Antonio Spadaro, Leiter der „Civiltà Cattolica“, der von „Franziskus“ persönlich als Synodenmitglied ernannt worden war. Erwartungsgemäß erregte diese „Relatio“ große Aufregung und Proteste seitens der „konservativen“ Synodenteilnehmer, deren Zorn sich zunehmend auch gegen Bergoglio selbst richtete, den ein Kardinal gar der „Manipulation“ beschuldigt haben soll. Es kam zu weiteren heftigen Diskussionen in den zehn „Sprachgruppen“ der Synode, bis nach einigem Hin und Her für den Abschlußbericht auch einige „konservative“ Teilnehmer hinzugezogen wurden, unter ihnen der südafrikanische „Kardinal“ Napier. Letzterer hatte freilich laut Magister „richtig gesehen“, daß, „was immer das Resultat dieser Synode sein würde, deren Programm nicht vorsah, zu einem Beschluß zu kommen, die Wirkung, welche diejenigen zu erzielen suchten, die sie in Szene setzten, zum größten Teil erreicht wurde“.
7. Bergoglio bestand darauf, daß das Schlußdokument veröffentlicht würde, auch jene Abschnitte, die nicht die an sich erforderliche Zweidrittelmehrheit erlangt hatten, samt den jeweiligen Abstimmungsergebnissen. Diese Ergebnisse sind in der Tat sehr aufschlußreich, denn sie zeigen, wie weit die Revolution in der „konziliaren Kirche“ bereits vorangeschritten ist. Selbst die umstrittensten Paragraphen, in welchen es um die oben genannten „heißen Eisen“ ging, erlangten immer noch eine absolute Mehrheit bei den Synodenteilnehmern. Bei den beiden Fragen der Zulassung von „wiederverheirateten Geschiedenen“ zur Kommunion fand diese einmal mit 104 zu 74 und das andere Mal mit 112 zu 64 Gegenstimmen eine klare Zustimmung. Im Abschnitt über die „Homosexuellen“ lag die Zustimmung bei 118 zu 62 Stimmen. Dabei wurde von der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ kolportiert, daß es sich bei den ablehnenden Stimmen keineswegs nur um solche „konservativer“ Synodenteilnehmer gehandelt habe, sondern auch um die derjenigen, denen der Textentwurf nicht weit genug ging.
„Kardinal“ Schönborn von Wien beispielsweise zeigte sich enttäuscht, daß man seine Idee von der Anwendung des „Subsistit in“ nicht aufgenommen hatte. Analog zur Lehre des „II. Vatikanums“, wonach man auch in anderen Religionen Spuren „des Wahren und Guten“ finden könne, nur eben nicht deren Fülle, meinte er, könne man auch in anderen Lebensformen als dem „Ideal“ der Ehe „Spuren Christi“ entdecken. Andere bedauerten, daß man den schönen Gedanken der „Gradualität“ beiseitegelassen habe, der ganz ähnlich verschiedene Stufen der Vollkommenheit in den verschiedenen Lebensformen findet. Auf „konservativer“ Seite war die Beurteilung ebenfalls recht zwiespältig. Einerseits freute man sich in völliger Verkennung der Sachlage, daß Rom den revolutionären Bestrebungen ein klares „Nein“ entgegengeschleudert habe. So titelte etwa eine „konservative“ Seite im Internet „Roma locuta - Die Synode sagt Nein!“ Auf dem Blog „Rorate Caeli“ war gar zu lesen, daß es sich um ein „Wunder“ handle, das dem „heiligen Johannes Paul II.“ zu verdanken sei. Der „Pius-Distriktobere“ von Österreich, P. Stephan Frey, äußerte sich in einem Interview mit religion.ORF.at erfreut, „dass ein beträchtlicher Teil der Bischöfe sich energisch gegen die von Papst Franziskus begünstigte ‚pastorale Öffnung‘ stemmte, die nichts anderes als eine echte Revolution innerhalb der Kirche lostreten wollte“. Und gleich sieht er auch wieder einen Hoffnungsstrahl für die eigene Gemeinschaft: „Wenn nun zahlreiche hochrangige Prälaten ebenfalls dem Kurs einer exzessiven Liberalisierung die Stirn bieten, finden wir uns natürlich in guter Gesellschaft. Das wird unserer Argumentation in den Gesprächen mit dem Vatikan gewiss mehr Kraft verleihen.“
In Wahrheit verhält sich die Sache ganz anders, worauf „Radio Vatikan“ aufmerksam macht. Nicht umsonst, heißt es dort, habe „Papst Franziskus“ in seiner Schlußansprache das Wort „Lineamenta“ eingearbeitet, womit er deutlich gemacht habe, „dass auch dies ein Arbeitsdokument ist, in Vorbereitung auf die Debatte in den Ortskirchen und Bischofskonferenzen und besonders auch in Vorbereitung auf die nächste Synode im Oktober 2015“. Auch vielen anderen Beobachtern ist aufgefallen, daß Bergoglio die ganze Synode über schwieg. Er redete am Anfang und am Schluß, wo er von den fünf „Versuchungen“ sprach, denen die Synode ausgesetzt gewesen sei. Deren erste sah er darin, „sich feindselig zu versteifen, das heißt, sich in der Schrift (dem Buchstaben) zu verschließen und sich nicht von Gott, vom Gott der Überraschungen (dem Geist), überraschen lassen zu wollen; sich im Gesetz zu verschließen, in der Gewissheit dessen, was wir kennen und nicht dessen, was wir noch lernen und erreichen müssen“; dies sei seit der Zeit Jesu „die Versuchung der Eiferer, der Bedenkenträger, der Besorgten und der – heute – sogenannten 'Traditionalisten' und auch der Intellektualisten“. Die zweite Versuchung sei die „eines zerstörerischen Gutmenschentums, das im Namen einer falschen Barmherzigkeit die Wunden verbindet, ohne sie vorher zu heilen und zu verarzten; das die Symptome und nicht die Gründe und die Ursachen behandelt“, und dies sei „die Versuchung der 'Gutmenschen', der Furchtsamen und auch der sogenannten 'Progressiven und Liberalen'“. So verstand er es geschickt, die beiden „Parteien“ wieder aufeinanderzuhetzen und die Debatte am Kochen zu halten. Weshalb denn auch andere „Konservative“, wie Schönborn beklagt, den „Heiligen Vater“ ganz massiv angriffen, ja die Gültigkeit seiner Wahl in Frage stellten und „apokalyptische Szenarien“ zeichneten, „in denen dem Papst vorgeworfen werde, die Kirche in den Untergang zu führen“ (Die Tagespost vom 21. Oktober 2014).
8. Im allgemeinen jedoch reagierte man auf „konservativer“ Seite eher ratlos. Ein Kommentator schreibt: „Womit wir beim entscheidenden Punkt angekommen wären: Roma hat locuta, aber offensichtlich ist die causa damit nun plötzlich wieder keineswegs finita. Und das ist kein Spaß, sondern von allem nur denkbarem Ernst. Was bedeutet das genannte Prinzip denn noch, wenn Rom heute das und morgen jenes lehrt? Wie geht man mit solchen Entscheiden in Zukunft um? Befolgen? Sie den eigenen Kindern als den authentischen Glauben der Kirche vermitteln? Oder besser auf den nächsten Papst warten und mal schauen wie die Dinge sich so entwickeln? Nichts Genaues weiß man ja nicht?“ Zwar könne man „nun einwenden, es ginge gar nicht um eine Änderung der Lehre, sondern nur um eine (Weiter-)Entwicklung“. Dieses Argument sei „grundsätzlich valide, denn solche Entwicklungen hat es in der Kirche auch in jüngerer Zeit gegeben. Vergleicht man etwa Äußerungen Pius IX. zu den Menschenrechten mit jenen des 2. Vatikanischen Konzils, so meint man in der Tat, völlige widersprüchliche Aussagen vor sich zu haben.“ In Wahrheit sei es jedoch nicht so, vielmehr habe sich das „zugrundeliegende Verständnis von 'Menschenrechten'“ in der „dazwischen liegenden Zeit ebenso grundlegend gewandelt“. „Während Pius IX. in ihnen vor allem die Forderung des Menschen sah, nicht mehr den unbedingten Ansprüchen des göttlichen Gebotes zu unterliegen, interpretiert das Konzil sie – in Übereinstimmung mit der theologischen Tradition - als Entfaltung der aus der Schöpfungswürde entspringenden Freiheit der Person.“ Mit den moralischen Grundsätzen verhalte es sich jedoch ganz anders, denn: „...kann ein ähnlicher Prozess auch in den hier zur Debatte stehenden Fragen von Ehe, Familie und Sexualität nachgewiesen werden? Konkret: Sind Wiederverheiratete Geschiedene, ist Homosexualität heute etwas anderes als 1980?“ Unsere Gegenfrage: Warum denn nicht? Wenn sich grundlegende dogmatische Wahrheiten ändern können, sodaß man meint „völlig widersprüchliche Aussagen vor sich zu haben“, warum dann nicht auf dem Gebiet der Moral? Warum soll sich nicht auch hier das „zugrundeliegende Verständnis“ inzwischen „grundlegend gewandelt“ haben? Darin offenbart sich die ganze Crux der „Konservativen“, die zwar die dogmatische Revolution des „II. Vatikanums“ folgsam mitvollzogen haben und sich in den revolutionären Prozeß eingliedern ließen, aber nicht verstanden haben, daß die damals angestoßene Revolution naturgemäß unaufhaltsam weiterrollt und über kurz oder lang auch notwendig die moralischen Barrieren wegreißt, welche die „Konservativen“ um jeden Preis aufrechterhalten wollen. Ja mehr noch: daß sie selbst dabei eine wichtige Rolle spielen als scheinbarer Kontrapart in der Konsensfindung. Einerseits braucht man sie als Prügelknaben, ähnlich wie in einer Fernseh-„Talkshow“, in welche auch gerne ein „konservativer“ Punchingball eingebaut wird, auf den von „linker“ Seite eingeschlagen werden kann, um seine „rechte“ Position desto trefflicher zu vernichten; andererseits dienen sie als Rechtfertigung, daß man ganz legitim auf demokratischem Weg zum Konsens gelangt sei, da alle ihre Meinungen haben einbringen können, auch die „Konservativen“.
Ein anderer treuherzig „konservativer“ Kommentator ruft daher die „kirchentreuen Katholiken“ zum Gebet auf und ermahnt sie, „ihr Vertrauen in den göttlichen Beistand zu vertiefen“. Gemäß der Verheißung Christi, Er sei bei uns „alle Tage bis ans Ende der Welt“, dürften wir hoffen, daß auch diesmal die Kirche die Krise glorreich überwinden werde. „Denn, so sagt G.K. Chesterton, 'mindestens fünf Mal, mit dem Arianer und dem Albigenser, mit dem humanistischen Skeptiker, nach Voltaire und nach Darwin, schien der Glaube vor die Hunde zu gehen. In jedem dieser fünf Fälle war es der Hund, der starb.'“ Nur ist der „Hund“ diesmal das „konziliare Rom“, was unser Kommentator geflissentlich übersieht (vgl. Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt).
9. Bergoglio kann ganz zufrieden sein. Er hat sein Ziel erreicht. Noch einmal Sandro Magister: „Was die Homosexualität betrifft ebenso wie Scheidung und Wiederheirat, so hat das reformatorische Wort, das auf jeden Fall im weltweiten Netz der Medien in Umlauf gebracht wurde, mehr Wert als der tatsächlich bei den Synodenvätern durch die Vorschläge von Kasper oder Spadaro erzielte Erfolg“ - und dieser war auch bereits beträchtlich, was Magister hier vielleicht vergißt. Immerhin stimmten sie in überwiegender Mehrheit für eine „Reform“. „Die Partie wird noch lange dauern“, meint Magister, „aber der Papst Franziskus ist geduldig. In 'Evangelii gaudium' hat er geschrieben, daß 'die Zeit über dem Raum' ist.“ Und gar so lange wird die Partie nach unserer Einschätzung nicht mehr dauern, allzuviel Geduld wird es nicht mehr brauchen. Die „konziliare“ Revolution wird vor gewissen Punkten der Ehe- und Geschlechtsmoral nicht haltmachen. Wir werden uns daran gewöhnen müssen.