Was bisher geschehen ist: 1948 hatte Papst Pius XII. unter dem Einfluß der "Liturgischen Bewegung", die er für ein "gnadenvolles Wirken des Heiligen Geistes in seiner Kirche" hielt, eine Kommission für eine Liturgiereform eingesetzt, deren Sekretär auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes der Lazaristenpater und Freimaurer Annibale Bugnini wurde. Diese arbeitete fortan an einer Transformation der Heiligen Messe in ein Menschenwerk, den "Novus Ordo Missae". In einer ersten Phase, die bis 1960 reichte, brachte sie u.a. die "Neuordnung der Karwoche" von 1955 und im gleichen Jahr eine Änderung der Rubriken v.a. für das Breviergebet auf den Weg, in welchen bereits wesentliche Prinzipien und Gestaltungen der "Neuen Messe" und "Menschenmachwerksliturgie" umgesetzt wurden. Das Gesamt dieser ersten Reformen erschien 1962 als die "Liturgischen Bücher Johannes' XXIII." Unterdessen hatte Bugnini Gelegenheit, als Sekretär der Vorbereitenden Liturgiekommission für das "II. Vatikanum" das Schema zu erarbeiten, das dieses "Konzil" eröffnen und seine Themen glücklich "präludieren" sollte: die Liturgiekonstitution "Sacrosanctum Concilium". Diese enthält in der Tat alle Grundsätze, nach denen die "Neue Liturgie" und überhaupt die neue "Konziliare Kirche" aufgebaut werden sollte: als Versammlung des "Volkes Gottes" mit "tätiger Teilnahme" der Gläubigen, die so das allgemeine und eigentliche Priestertum ausüben. Bereits 1963, während das "II. Vatikanum" noch tagte, wurde Bugnini von Paul VI. beauftragt, die Beschlüsse des "Konzils" umzusetzen. 1965 erschien das "Übergangsmissale", welches bereits den zweiteiligen Aufbau des "Novus Ordo" trägt, die Volkssprache verwendet und Platz für Ergänzungen und Erweiterungen bietet. 1967 wurde der "Meßkanon Lateinisch-Deutsch" nachgeliefert, 1968 die neuen "Hochgebete". Damit war man endlich zum Herzen der Heiligen Messe gelangt und hatte ihr innerstes Wesen aufgelöst. Somit war der Weg frei für die letzte Aktion.
Das Werk ist vollendet
Verborgene Reichtümer
Am Gründonnerstag, dem 3. April 1969, erscheint die Apostolische Konstitution des nunmehr „seligen“ Pauls VI. „Missale Romanum“ zur „Einführung des gemäß Beschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils erneuerten Römischen Meßbuches“. Darin lobt „Papst Montini“ zuerst das Missale des heiligen Pius V., um dann fortzufahren: „Seit geraumer Zeit hat sich nun aber im christlichen Volk eine liturgische Erneuerung in steigendem Maße entfaltet, die nach einem Wort Unseres Vorgängers Pius XII. als Walten der Vorsehung Gottes gegenüber den Menschen unserer Zeit und als gnadenvolles Wirken des Heiligen Geistes in seiner Kirche (Vgl. Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Pastoralliturgischen Kongresses zu Assisi am 22.9.1956: AAS 48 (1956), S.712.) anzusehen ist. Diese Erneuerungsbewegung hat weithin deutlich werden lassen, daß die Texte des Römischen Meßbuches einer Überarbeitung und Erweiterung bedürfen. Einen Anfang machte Unser Vorgänger Pius XII. durch die Neuordnung der Osternacht und der Karwoche (Vgl. Ritenkongregation, Dekret Dominicae Resurrectionis vom 9.2.1951: AAS 43 (1951), S.128 ff.; Dekret Maxima redemptionis nostrae mysteria vom 16.11.1955: AAS 47 (1955), S.838 ff.), womit er gleichsam den ersten Schritt tat, um das Römische Meßbuch dem Empfinden unserer Zeit anzupassen.“ Montini war bekanntlich bereits damals unter Pius XII. als Mitglied der Kommission an den liturgischen Reformen beteiligt gewesen und weiß daher, wovon er spricht.
Weiter heißt es in der Konstitution: „Das Zweite Vatikanische Konzil hat mit der Konstitution Sacrosanctum Concilium die Grundlage für eine allgemeine Erneuerung des Römischen Meßbuches gelegt.“ Es werden die wesentlichen Anordnungen genannt: „Nach seinen Bestimmungen sollen Texte und Riten so geordnet werden, daß sie das Heilige, dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen (II. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium Art. 21.); der Meßordo soll so überarbeitet werden, daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert wird. (Vgl. ebd. Art. 50.) Damit den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werde, soll die Schatzkammer der Bibel weiter aufgetan werden. (Vgl. ebd. Art. 51.) Ferner beschloß das Konzil, daß ein neuer Konzelebrationsritus geschaffen und in das Römische Pontifikale und Missale eingefügt werde. (Vgl. ebd. Art. 57.)“
Die „Erneuerung des Römischen Meßbuches“ sei jedoch „nicht plötzlich und unvorbereitet gekommen“, ihr hätten vielmehr „die Ergebnisse der liturgiewissenschaftlichen Arbeiten während der letzten vier Jahrhunderte den Weg bereitet“. Ebenso wie schon zur „Revision des Römischen Meßbuches“ durch den heiligen Pius V. „das Studium und der Vergleich der alten Handschriften, die sich in der Vatikanischen Bibliothek befanden oder die von überall her hinzugezogen wurden, nicht wenig beigetragen“ habe, so auch jetzt: „Inzwischen sind sowohl älteste liturgische Quellen neu erschlossen und veröffentlicht wie auch Texte der Ostkirchen eingehender untersucht worden. Es ergab sich bei vielen der Wunsch, die dort vorhandenen Reichtümer des Glaubens und der Frömmigkeit nicht länger im Dunkel der Bibliotheken verborgen zu halten, sondern ans Licht zu bringen, um Herz und Sinn der Christen zu erleuchten und zu nähren.“ Hier übersieht „Seine Heiligkeit“, daß es nicht das Anliegen des heiligen Pius V. war, irgendwelche „Reichtümer“ aus irgendwelchen „ältesten liturgischen Quellen“ oder „Texten der Ostkirche“ hervorzuholen und „ans Licht zu bringen“. Ihm ging es um eine wahre Reform, nämlich den römischen Ritus wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen und von ihm wesensfremden „Reichtümern“ zu befreien.
Bedeutendste Neuerung
Sodann wird „die Neuordnung des Römischen Meßbuches wenigstens in den Grundzügen“ wie folgt beschrieben: Zunächst wird auf die „Allgemeine Einführung“ hingewiesen, die „Institutio generalis“, welche uns weiter unten noch beschäftigen wird, „die gleichsam die Einleitung des Buches bildet“. In ihr würden „die neuen Richtlinien für die Feier des eucharistischen Opfers dargelegt, die sich auf die Handlungen und Dienste eines jeden Teilnehmers sowie auf alles, was zur heiligen Feier sachlich und räumlich notwendig ist, beziehen“. Die „bedeutendste Neuerung“ freilich betreffe „wohl das eucharistische Hochgebet“.
In der Tat: „Zwar sind im römischen Ritus für den ersten Teil dieses Gebetes, die Präfation, im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Texte geschaffen worden; der zweite Teil hingegen, der Kanon genannt wurde, erhielt in der Zeit vom 4. zum 5. Jahrhundert eine unveränderliche Form. Im Gegensatz hierzu ließen die ostkirchlichen Liturgien eine gewisse Abwechslung von Anaphoren zu. Gemäß Unserer Anordnung ist nun das eucharistische Hochgebet durch eine größere Anzahl von Präfationen bereichert worden, die teils der alten Tradition der römischen Kirche entnommen, teils neu verfaßt sind (!), um so die verschiedenen Aspekte des Heilsmysteriums deutlicher werden zu lassen und zahlreichere Motive der Danksagung anzuführen. Außerdem haben Wir für das Hochgebet drei neue Texte (!) hinzufügen lassen. Aus pastoralen Gründen und zur Erleichterung der Konzelebration haben Wir verfügt, daß die Herrenworte in allen Fassungen des Kanons die gleichen seien. Wir bestimmen also, daß sie in jedem eucharistischen Hochgebet folgendermaßen lauten. Über das Brot: 'Nehmet und esset alle davon, das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.' Über den Kelch: 'Nehmet und trinket alle daraus, das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle (!) [so die offizielle vatikanische Übersetzung; im lateinischen Original heißt es jedoch immer noch „pro multis“] vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.' Die vom Priester gesprochenen Worte 'Geheimnis des Glaubens' werden aus dem Kontext der Herrenworte gelöst und als Einleitung einer Akklamation der Gläubigen verwendet.“
War oben noch von den „Reichtümern des Glaubens“ die Rede gewesen, welche aus den „ältesten liturgischen Quellen“ neu erschlossen und nicht länger in Bibliotheken verborgen bleiben sollten, so wird nun offen zugegeben, daß man Präfationen einfach neu verfaßt und neben den uralten heiligen Kanon „drei neue Texte“ gestellt hat. Der Hinweis auf die „ostkirchlichen Liturgien“, die ebenfalls „eine gewisse Abwechslung von Anaphoren“ zuließen, ist schon deshalb verfehlt, denn dort ist das Traditionsbewußtsein noch lebendig genug, daß man nicht einfach völlig neu ersonnene Texte neben die alten stellt.
Auf dem Blog „Rorate Coeli“ fand sich jüngst ein Beitrag, der auf die Entstehung eines dieser „Hochgebete“ ein sprechendes Licht wirft. Zitiert wird darin der Vatikanist Sandro Magister, der seinerseits die Memoiren von Louis Bouyer vorstellt. Dieser war Mitglied der Vorbereitenden Liturgischen Kommission für das „II. Vatikanum“ gewesen und danach von Paul VI. in seine Kommission „Consilium“ zur Durchführung der liturgischen Reformen berufen worden, die, wie Bouyer laut Magister schreibt, „theoretisch“ von Giacomo Lercaro geleitet wurde, welcher zwar „großzügig“ war, aber „unfähig, den Manipulationen des gefährlichen und schmeichlerischen“ Annibale Bugnini zu widerstehen, seines Zeichens Sekretär und „Faktotum“ dieser Kommission, dem es gleichermaßen „an Kultur wie an Ehrbarkeit mangelte“.
Sandro Magister weiter: „Es war Bouyer, der in extremis (in äußerster Notlage) eine schreckliche Formulierung des neuen Eucharistischen Hochgebetes II heilen mußte, aus welchem Bugnini sogar das 'Sanctus' entfernen wollte. Und es war er, der den Text des neuen Kanon, der heute in den Messen gelesen wird, eines Abends neu schreiben mußte, am Tisch einer Trattoria in Trastevere, zusammen mit dem benediktinischen Liturgiker Bernard Botte, unter dem quälenden Gedanken, daß alles am nächsten Morgen übergeben werden mußte.“ Sehen also so „die Ergebnisse der liturgiewissenschaftlichen Arbeiten während der letzten vier Jahrhunderte“ aus, die dafür sorgten, daß die „Erneuerung des Römischen Meßbuches“ nicht „plötzlich und unvorbereitet gekommen“ ist, die „älteste liturgische Quellen neu erschlossen“ und „die dort vorhandenen Reichtümer des Glaubens und der Frömmigkeit nicht länger im Dunkel der Bibliotheken verborgen“, sondern „ans Licht“ gebracht haben?
Interessant ist auch, daß die Wandlungsworte nur aus „pastoralen Gründen und zur Erleichterung der Konzelebration“ in allen „Hochgebeten“ beibehalten wurden, nicht etwa deswegen, weil sie den unerläßlichen Kern der ganzen heiligen Messe darstellen. Schließlich sind sie ja auch keine Wandlungsworte mehr, sondern „Herrenworte“. Wir möchten gar nicht wissen, was bei den „Hochgebeten“ herausgekommen wäre, wenn man diese Rücksichten auf „Pastoral“ und „Konzelebration“ nicht genommen hätte.
Messe ohne Wandlung
Hier kommt uns ein Vorfall aus dem Oktober 2001 in den Sinn. Damals hat der Vatikan ein Dokument veröffentlicht (datiert vom 20. Juli 2001), in welchem ein orientalischer Meßritus als gültig anerkannt wurde, der gar keine Wandlungsworte enthält. Der „Päpstliche Rat für die Förderung der Einheit unter den Christen“ unter „Kurienkardinal“ Kasper hatte sich mit diesem Problem beschäftigt, um die Frage zu untersuchen, ob eine „Interkommunion“ in „Notfällen“ zwischen den katholischen chaldäischen Christen und den schismatischen Nestorianern der assyrisch-orthodoxen Gemeinschaft möglich sei. Zu diesem Zweck ließ man von der Glaubenskongregation unter ihrem damaligen Präfekten Joseph Ratzinger prüfen, ob die nestorianische Liturgie, die mit den „Anaphora von Addai und Mari“ gefeiert wird, trotz fehlender Konsekrationsworte gültig sei, was diese Kongregation „nach langem und eingehendem Studium“ positiv entschied. Argumentiert wurde u.a. damit, daß „die Einsetzungsworte in der Anaphora des Addai und Mari wirklich vorhanden“ seien, „zwar nicht in zusammenhängender Weise und wörtlich (ad litteram), aber verstreut in Gebetsform“ seien sie „in den folgenden Dank-, Lob- und Bittgebeten integriert“ - was freilich bei näherer Betrachtung dieser „Anaphora“ nicht zutrifft.
In einem Aufsatz, den der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, im Juni 2003 veröffentlichte mit dem Titel „Reflexionen zur Darstellung der Enzyklika ‚Ecclesia de Eucharistia’ in deutschen Zeitungen und Zeitschriften“, führt er aus: „... das griechische Wort Eucharistia (parallel Eulogia) ist in der Sprache der frühesten Christenheit die Übersetzung des hebräischen Wortes Berakha, womit das große Segensgebet bezeichnet wurde, das der Hausvater beim Paschamahl sprach; Berakha bedeutet – wie demgemäß auch das Wort Eucharistie – gleichzeitig Segen, Lobpreisung und Dank. Die frühe Kirche hat in der vom Herrn gesprochenen Berakha zusammen mit den Elementen von Brot und Wein den konstitutiven Grund der Stiftung Jesu erkannt und sie so als wesentlichen Teil des Wiederholungsbefehls angesehen. In der Berakha (=Eucharistia) nimmt sie das verwandelnde Beten Jesu auf, in dem er seinen Tod vorwegnimmt und in einen Akt der Hingabe umwandelt, durch die Brot und Wein Gegenwart seines eigenen Leibes werden und so die Weise, in der er sich selber uns ganz und gar schenkt.“
Weiter: „Im Rezitieren der Berakha steht die Kirche in der Kontinuität mit dem Beten Israels, das durch die Hingabeworte Jesu eine neue Mitte gefunden hat und in dieser Gestalt Mitte des christlichen Gottesdienstes geworden ist.“ „Berakha–Eucharistia“ drücke „die Kontinuität mit dem konstitutiven Akt von Jesu Abendmahl aus; im Verweis auf dieses große Segensgebet Jesu sind zugleich die Gaben mit eingeschlossen, in denen sich Segen, Dank und Lobpreis verleiblichen“. Er erläutert: „Die zur Eucharistia gewordene Berakha heißt dann im Osten Anaphora, im Westen Hochgebet und ist für die gesamte Tradition von den Anfängen her als die wesensgebende Mitte des christlichen Gottesdienstes verstanden worden. Luther konnte freilich im römischen Hochgebet (dem heutigen ersten Kanon) diesen Zusammenhang nicht mehr erkennen und hat deshalb davon nur die Stiftungsworte übrig gelassen, die freilich so ihres originalen Kontextes beraubt sind.“
Der Kardinal fährt fort: „Die Broschüre der EKD bezeichnet als unverzichtbar für die Liturgie ‚die Einsetzungsworte, das Vaterunser, die Austeilung der Elemente ... und eine Danksagung’ (Seite 49). Die urchristliche Mitte der Liturgie, die Berakha, ist leider nicht aufgenommen, und damit fehlt den Einsetzungsworten der ihnen wesentliche Zusammenhang. So wird das eigentliche Problem hinter den einzelnen Benennungen sichtbar: Daß Luther im Anschluß an ‚Herrenmahl’ das Wort ‚Abendmahl’ gebildet hat, drückt seinen Willen aus, zur ‚Schrift allein’ zurückzukehren, in entschiedener Abwendung von der Tradition, während für die katholische Kirche und für die Ostkirche die definitive Gestaltwerdung der Gabe Jesu in der Kirche zum Sakrament selbst gehört. Es mußte in den Zusammenhang der Auferstehungsstunde versetzt werden, war vom einmaligen Kontext des letzten Mahles (vermutlich eines Paschamahles) zu lösen, wobei die innere Kontinuität mit dem Glauben und Beten Israels und vor allem mit dem Beten Jesu selbst gewahrt wurde. Erst in der werdenden Kirche konnte das Sakrament seine definitive Gestalt finden.“
Man muß gut verstehen, was hier gesagt wird bzw. geschehen ist. Wir haben es mit einem fundamental anderen Verständnis der Heiligen Messe zu tun. Nach katholischer Lehre wurde die Heilige Messe von Unserem Herrn Jesus Christus beim Letzten Abendmahl mit Seinen Jüngern als Opfer eingesetzt, indem Er die drei wesentlichen Teile des Meßopfers vollzog: Opferung (Er nahm Brot und Wein, dankte und segnete sie), die Wandlung (Er sprach die Konsekrationsworte darüber) und die Kommunion (Er reichte die gewandelten Gestalten Seinen Jüngern). Das Entscheidende ist selbstverständlich die Wandlung oder Konsekration, bei welcher Gott selbst vom Himmel herabsteigt, indem Brot und Wein in Leib und Blut Unseres Herrn Jesus Christus gewandelt werden, der dadurch mit Menschheit und Gottheit leibhaftig auf dem Altar gegenwärtig wird, um Sein Kreuzesopfer zu erneuern. Bei der Wandlung, in diesem über alles erhabenen Augenblick, geschieht das eigentliche Opfer, welches durch die Opferung vorbereitet und durch die Kommunion vollendet wird, die Wandlung wirkt das Sakrament. Darum hat die Kirche die Worte Unseres Herrn Jesus Christus, mit welchen Er das Altarsakrament und die Heilige Messe eingesetzt hat, bis heute getreulich bewahrt, sie wie einen überaus kostbaren Edelstein in den heiligen und über eineinhalb Jahrtausende unberührten römischen Meßkanon wie in eine wertvolle Kapsel gefaßt und so von Geschlecht zu Geschlecht weitergereicht nach den Worten des heiligen Paulus, welche sich genau auf dieses Geheimnis beziehen: „Tradidi vobis quod et accepi.“
Nun plötzlich sind die Wandlungsworte gar nicht mehr so wichtig. Sie sind nur noch als „Herrenworte“ Teil der großen „Berakha“, des „Segensgebetes Jesu“, in welchem sich „Segen, Dank und Lobpreis verleiblichen“. Der Fehler Luthers war gerade, „nur die Stiftungsworte übrig gelassen“ zu haben, die „so ihres originalen Kontextes beraubt sind“. Entscheidend sind aber nicht diese „Stiftungsworte“, sondern das Gesamt der „Berakha“ oder der „Anaphora“, des „Hochgebets“, welches „das verwandelnde Beten Jesu“ aufnimmt, „in dem er seinen Tod vorwegnimmt und in einen Akt der Hingabe umwandelt, durch die Brot und Wein Gegenwart seines eigenen Leibes werden und so die Weise, in der er sich selber uns ganz und gar schenkt“.
Damit wird zugleich ein ganz neues Verständnis von Wandlung und Realpräsenz sichtbar. Auf dem „Weltjugendtag“ in Köln sprach der inzwischen zu Benedikt XVI. avancierte Joseph Ratzinger am 21. August 2005 erneut über die Eucharistie: „In der Eucharistie soll Anbetung Vereinigung werden. Mit der Eucharistiefeier stehen wir in der »Stunde« Jesu, von der das Johannes-Evangelium spricht. Durch die Eucharistie wird diese seine »Stunde« unsere Stunde, Gegenwart unter uns. Mit den Jüngern feierte er das Paschamahl Israels, das Gedächtnis der befreienden Tat Gottes, die Israel aus der Knechtschaft ins Freie führte. Jesus folgt den Riten Israels. Er spricht das Preis- und Segensgebet über das Brot. Aber nun geschieht Neues. Er dankt Gott nicht nur für die großen Taten der Vergangenheit, er dankt ihm für seine Erhöhung, die im Kreuz und in der Auferstehung geschieht. Dabei spricht er auch zu den Jüngern mit Worten, die die Summe von Gesetz und Propheten in sich tragen: »Dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.« Und so teilt er Brot und Kelch aus und trägt ihnen zugleich auf, das, was er jetzt sagt und tut, immer neu zu sagen und zu tun zu seinem Gedächtnis.“
Er erklärt dazu: „Was geschieht da? Wie kann Jesus seinen Leib austeilen und sein Blut? Indem er Brot zu seinem Leib und Wein zu seinem Blut macht und austeilt, nimmt er seinen Tod vorweg, nimmt er ihn von innen her an und verwandelt ihn in eine Tat der Liebe. Was von außen her brutale Gewalt ist – die Kreuzigung –, wird von innen her ein Akt der Liebe, die sich selber schenkt, ganz und gar. Dies ist die eigentliche Wandlung, die im Abendmahlssaal geschah und die dazu bestimmt war, einen Prozeß der Verwandlungen in Gang zu bringen, dessen letztes Ziel die Verwandlung der Welt dahin ist, daß Gott alles in allem sei (vgl. 1 Kor 15,28). Alle Menschen warten immer schon irgendwie in ihrem Herzen auf eine Veränderung und Verwandlung der Welt. Dies nun ist der zentrale Verwandlungsakt, der allein wirklich die Welt erneuern kann: Gewalt wird in Liebe umgewandelt und so Tod in Leben.“ Sieh da! Die „eigentliche Wandlung, die im Abendmahlssaal geschah“, war also gar nicht die von Brot und Wein in Leib und Blut Christi; diese war gewissermaßen allenfalls sekundär. Nein, der „zentrale Verwandlungsakt“ war die Umwandlung von Gewalt in Liebe und Tod in Leben!
„Diese erste grundlegende Verwandlung von Gewalt in Liebe, von Tod in Leben zieht dann die weiteren Verwandlungen nach sich. Brot und Wein werden sein Leib und sein Blut. Aber an dieser Stelle darf die Verwandlung nicht Halt machen, hier muß sie erst vollends beginnen. Leib und Blut Jesu Christi werden uns gegeben, damit wir verwandelt werden.“ So also sieht der ehemalige oberste Glaubenshüter und damalige „Heilige Vater“ das Geheimnis der Eucharistie.
„Das Neue, das da geschah, lag in der neuen Tiefe des alten Segensgebetes Israels, das nun zum Wort der Verwandlung wird und uns die Teilhabe an der »Stunde« Christi schenkt. Nicht das Paschamahl zu wiederholen, hat Jesus uns aufgetragen; es ist ja auch ein Jahresfest, das man nicht beliebig wiederholen kann. Er hat uns aufgetragen, in »seine Stunde« einzutreten. In sie treten wir ein durch das Wort der heiligen Macht der Verwandlung, die durch das Preisgebet geschieht, das uns in die Kontinuität mit Israel und der ganzen Heilsgeschichte Gottes stellt und uns zugleich das Neue schenkt, auf das dieses Gebet von innen her wartete. Dieses Gebet – die Kirche nennt es Hochgebet – konstituiert Eucharistie. Es ist Wort der Macht, das die Gaben der Erde auf ganz neue Weise in die Selbstgabe Gottes verwandelt und uns in diesen Prozeß der Verwandlung hineinzieht. Deswegen nennen wir dieses Geschehen Eucharistie, was die Übersetzung des hebräischen Wortes »beracha« ist – Dank, Preisung, Segen und so vom Herrn her Verwandlung: Gegenwart seiner »Stunde«. Die »Stunde« Jesu ist die Stunde, in der die Liebe siegt. Das heißt: Gott hat gesiegt, denn er ist die Liebe. Die »Stunde« Jesu will unsere Stunde werden und wird es, wenn wir uns durch die Feier der heiligen Eucharistie in den Prozeß der Verwandlungen hineinziehen lassen, um die es dem Herrn geht.“
Durch die „Berakha“, die „Eucharistie“ oder eben das „Hochgebet“, und ihre „heilige Macht der Verwandlung“ werden wir in die „Stunde Jesu“ hineinversetzt. Das „Hochgebet“ - und nicht mehr die Wandlungsworte - „konstituiert Eucharistie“, es „ist Wort der Macht, das die Gaben der Erde auf ganz neue Weise in die Selbstgabe Gottes verwandelt und uns in diesen Prozeß der Verwandlung hineinzieht“. Daraus wird nur zu verständlich, warum ein solches „Hochgebet“ auch gänzlich ohne Wandlungsworte auskommen kann. Die „Realpräsenz“ ist trotzdem gegeben, da es uns ja in die „Stunde Jesu“ hineinzieht und teilhaben läßt am „Prozeß der Verwandlung“.
Diese ganz und gar unorthodoxe, eher mythologische als mystische Auffassung von Eucharistie ist sicher in gewisser Weise spezifisch ratzingerisch. Doch ist es gerade typisch für die „Neue Theologie“ der Modernisten, daß es nicht eine für alle geltende allgemeine Theologie gibt, sondern daß jeder Theologe seine eigene besondere Theologie hat und haben muß, um überhaupt etwas zu gelten. In gewissen Grundzügen freilich kommen alle diese Theologien überein, so vor allem darin, daß alles „neu“ gedacht werden muß und nicht mehr so wie früher. Darüberhinaus hatte gerade Joseph Ratzinger mit seiner Theologie einen besonderen Einfluß schon als Theologieprofessor und „Peritus“ beim „II. Vatikanum“, erst recht als oberster Glaubenshüter und schließlich als Benedikt XVI. Zudem eignete ihm die besondere Gabe, die „Neue Theologie“, auch die der Messe, bis in die Tiefe zu erfassen. Wir dürfen seine Sichtweise daher nicht als Sonderfall auffassen, sondern durchaus als repräsentatives Muster und Exempel dafür, was wirklich geschehen ist. Durch die liturgischen Reformen, deren Weg wir bis hierher verfolgt haben, wurde die Messe schließlich nicht nur äußerlich und in ihrer Gestalt, sondern in ihrer Substanz und in ihrem Kern vollständig verändert und entleert. Die „Neue Messe“ Pauls VI. ist definitiv nicht mehr die Messe Unseres Herrn Jesus Christus.
Erstaunliche und außergewöhnliche Veränderung
Damit zurück zur Apostolischen Konstitution Pauls VI. Nach den Ausführungen zum Meßkanon werden wir darin belehrt, was am „Ordo Missae“ geändert worden ist, und zwar seien „die Riten unter Wahrung ihrer Substanz einfacher geworden“, und es sei entfallen, „was im Laufe der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt worden ist“, ganz wie es das „II. Vatikanische Konzil“ in Sacrosanctum Concilium Art. 50 verlangt hatte, „vor allem bei der Bereitung von Brot und Wein sowie bei der Brotbrechung und der Kommunion“. „Hingegen wurde wiederhergestellt nach der ehrwürdigen Norm der Väter, was durch die Ungunst der Zeiten verlorengegangen war. (Vgl. ebd. Art. 50.) Hierher gehören die Homilie (Vgl. ebd. Art. 52.), das 'Allgemeine Gebet' oder 'Gebet der Gläubigen' (Vgl. ebd. Art. 53.) und zu Beginn der Messe ein 'Schuldbekenntnis' oder 'Ritus der Versöhnung mit Gott und den Brüdern', der die ihm zukommende Bedeutung zurückerhielt.“
Da das „Zweite Vatikanische Konzil“ ferner angeordnet habe, „daß innerhalb einer bestimmten Anzahl von Jahren die wichtigsten Teile der Heiligen Schrift dem Volke vorgetragen werden“ (Art. 51), habe man „die an den Sonntagen zu verlesenden Perikopen auf eine Drei-Jahres-Ordnung verteilt“ und überdies „an allen festlichen Tagen der Epistel- und Evangelienlesung eine weitere Lesung aus dem Alten Testament – in der Osterzeit aus der Apostelgeschichte – vorausgestellt“. „Auf diese Weise wird die Dynamik der Heilsgeschichte durch Gottes Offenbarungswort klarer ins Licht gerückt. Diese Fülle biblischer Lesungen, die an den Sonn- und Feiertagen den größeren Teil der Heiligen Schrift den Gläubigen nahebringt, wird durch weitere Teile der heiligen Bücher, die an den anderen Tagen verkündet werden, ergänzt.“
Doch damit nicht genug: „Bei der Erneuerung des Römischen Meßbuches sind aber nicht nur die bisher erwähnten drei Teile (das eucharistische Hochgebet, der Ordo Missae und die Leseordnung) geändert worden; auch die anderen sind überprüft und erheblich verändert worden“, nämlich: „die Eigenmessen des Herrenjahres, die Eigenmessen für die Gedenktage der Heiligen, die Commune-Texte für die Gedenktage der Heiligen, die Messen zu bestimmten Feiern und die Votivmessen“. Dabei habe man „besondere Sorgfalt auf die Orationen verwandt; sie wurden nicht nur zahlenmäßig vermehrt, damit neue Orationen den neuen Bedürfnissen unserer Zeit entsprechen, sondern es wurden auch die alten Orationen an Hand der Quellen überprüft“. Kurzum, man war nun endlich frei, um wirklich alles gänzlich neu zu machen. Im Grunde stand alles ausnahmslos zur Disposition. Die Freiheit war praktisch grenzenlos.
Die Konstitution schließt mit den Worten: „Die Bestimmungen dieser Konstitution treten am 30. November, dem ersten Adventssonntag dieses Jahres, in Kraft. Unsere Anordnungen und Vorschriften sollen jetzt und in Zukunft gültig und rechtskräftig sein, unter Aufhebung jedweder entgegenstehender Konstitutionen und Verordnungen Unserer Vorgänger sowie aller übrigen Anweisungen, welcher Art sie auch seien. Gegeben zu St. Peter in Rom, am 3. April, Gründonnerstag 1969, im sechsten Jahre Unseres Pontifikates.“ Uns scheint damit die Absicht Pauls VI. deutlich gegeben, die gesamte Kirche auf seine „Neue Messe“ zu verpflichten.
Am Vorabend des Inkrafttretens seiner Konstitution, dem 29. November 1969, hielt Paul VI. bei seiner Generalaudienz eine Ansprache, in welcher er noch einmal ausführlich auf seinen „Novus Ordo“ einging. „Wir wollen eure Aufmerksamkeit auf ein Ereignis lenken, das der Lateinischen Katholischen Kirche unmittelbar bevorsteht: Die Einführung der Liturgie nach dem Neuen Ordo der hl. Messe. Diese Liturgie wird in den italienischen Diözesen vom 1. Adventssonntag an verpflichtend, er fällt in diesem Jahr auf den 30. November. Die hl. Messe wird künftig in einer Weise gefeiert, die sich deutlich von dem unterscheidet, woran wir in den letzten 400 Jahren seit Papst Pius V. und dem Konzil von Trient gewöhnt waren.“ Hört, hört! Beachtenswert finden wir einmal mehr das Wort „verpflichtend“ sowie das ungenierte Eingeständnis, daß sich diese Messe „deutlich von dem unterscheidet, woran wir in den letzten 400 Jahren seit Papst Pius V. und dem Konzil von Trient gewöhnt waren“. Montini war eben keiner von jenen „Konservativen“, die uns immer beibringen wollen, der Unterschied zwischen „alter“ und „neuer“ Messe sei eher marginal und die „alte Messe“ sei auch „nie verboten“ worden. Joseph Ratzinger setzte sich nachmals mit seinem „Motu proprio Summorum Pontificum“ und seinen Fabeleien von der „ordentlichen“ und der „außerordentlichen“ Form des „einen römischen Ritus“ in einen beträchtlichen Widerspruch zu diesen Worten Pauls VI.
Doch weiter im Text: „Diese Veränderung ist etwas ganz erstaunliches und außergewöhnliches, denn die hl. Messe gilt als der traditionelle und unveränderliche Ausdruck unseres Gottesdienstes und unserer Rechtgläubigkeit.“ In der Tat! „Wir stellen uns die Frage: Wie konnte es zu einer solchen Änderung kommen? Wie wird sie sich auf diejenigen auswirken, die die hl. Messe besuchen?“ Ja, das sind wahrhaftig drängende Fragen. „Auf diese Fragen und auf andere, die aus dieser Neuerung entstehen, werden Sie Antworten erhalten, diese Antworten werden in allen Kirchen verkündet werden. Sie werden überall und in allen kirchlichen Veröffentlichungen und in allen Schulen, wo die christliche Lehre gelehrt wird, vielfältig wiederholt werden. Wir ermahnen euch, aufmerksam zuzuhören – dann werdet ihr ein deutlicheres und tieferes Verständnis der staunenswerten und wunderbaren Bedeutung der hl. Messe erhalten.“ Leider warten wir auf diese Antworten bis heute vergeblich, haben allerdings inzwischen eigene klare Antworten gefunden, denen u.a. diese Studie dient.
Akt des Gehorsams
In seiner „kurzen und einfachen Ansprache“, so Montini, versuche er, uns „nur die ersten Schwierigkeiten zu erleichtern, die diese Veränderung mit sich bringt“, und geht „dazu auf die ersten drei Fragen ein, die einem dabei unmittelbar in den Sinn kommen“. Die erste dieser Fragen lautet: „Wie kann eine solche Veränderung möglich sein?“ Die „Antwort: sie beruht auf dem Willen des ökumenischen Konzils, das vor nicht allzulanger Zeit stattgefunden hat“. Das Konzil habe nämlich bestimmt: „Der Meß-Ordo soll so überarbeitet werden, daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert werde. Deshalb sollen die Riten unter treulicher Wahrung ihrer Substanz einfacher werden“ usw. (Art. 50, s.o.).
„Die Reform, die jetzt in Kraft treten wird, ist also die Erfüllung eines autoritativen Auftrags der Kirche. Sie ist ein Akt des Gehorsams. Sie ist ein Akt des Zusammenhalts der Kirche mit sich selbst. Sie ist ein weiterer Entwicklungsschritt ihrer authentischen Tradition. Sie ist ein Zeugnis von Treue und Lebenskraft, dem wir alle ohne zu zögern Zustimmung schulden.“ Das ist starker Tobak! Es geht also zunächst um einen „Akt des Gehorsams“ gegenüber einem „autoritativen Auftrag“ der Kirche – als ob es nicht dieselben Neuerer wären, unter ihnen der „selige“ Montini, welche sich selbst diesen „autoritativen Auftrag“ gegeben hatten. Man vollzieht also erst eine Revolution, um dann vorzugeben, im Gehorsam gegen diese Revolution zu handeln und diesen Gehorsam von allen zu verlangen. Das ist das Prinzip der „legalen Revolution“, der Revolution von oben, „im Gehorsam“. Überdies offenbart Montini hier sein ganz und gar modernistisches, evolutionistisches Kirchen- und Traditionsverständnis, wenn er von einem „weiteren Entwicklungsschritt ihrer authentischen Tradition“ spricht und diesen „ein Zeugnis von Treue und Lebenskraft“ nennt, „dem wir alle ohne zu zögern Zustimmung schulden“. Es ist dies geradezu ein Schulbeispiel modernistischen Denkens, wie es der heilige Papst Pius X. in „Pascendi“ bereits so eindrucksvoll dargelegt hat.
Die Reform, so hören wir weiter, sei „kein willkürlicher Akt“. „Sie ist auch kein zeitlich begrenzter Versuch, an dem man sich beteiligen kann oder auch nicht. Sie ist kein improvisierter Akt von Dilettanten. Sie ist Gesetz. Sie wurde von kompetenten Experten der heiligen Liturgie ausgearbeitet und sie wurde lange Zeit erörtert und bedacht. Wir müssen es uns angelegen sein lassen, sie freudigen Herzens anzunehmen und exakt, einheitlichen Sinnes und sorgfältig in die Praxis umzusetzen.“ Einmal mehr fragen wir uns, wie man in „konservativen“ und „traditionalistischen“ Kreisen bis heute davon sprechen kann, der „Novus Ordo“ sei nie Gesetz gewesen. Paul VI. widerspricht dem hier ganz direkt.
„Diese Reform setzt den Unsicherheiten, den Debatten und den willkürlichen Mißbräuchen ein Ende. Sie ruft uns zurück zu der Einheitlichkeit der Riten und der Empfindungen, wie sie der katholischen Kirche zu eigen sind, der Erbin und Fortführerin jener ersten christlichen Gemeinde, die 'ein Herz und eine Seele war' (Apg 4:32). Die Einmütigkeit des Betens der Kirche ist die Stärke ihrer Einheit und ihres Katholisch-Seins. Die bevorstehende Veränderung darf diese Einmütigkeit nicht zerbrechen oder stören. Sie soll sie befestigen und sie mit einem neuen, einem jugendlichen Geist erfüllen.“ Hier erlag der„Selige“ seinerseits offensichtlich einer völligen Illusion. Wie wir in den Jahrzehnten seither zur Genüge erlebten, war gerade das Gegenteil der Fall.
Die zweite Frage laute: „wie sehen die Veränderungen im einzelnen aus“? „Ihr werdet selbst sehen, daß es viele neue Vorgaben für die Feier der hl. Messe gibt“, sagt Montini (wie wahr!), aber „haltet das folgende deutlich im Bewußtsein: Nichts an der Substanz der traditionellen hl. Messe ist verändert worden“. Wie „zutreffend“ das ist, haben wir bereits an der Umwandlung des Kanon in ein „Hochgebet“ gesehen. Doch nach dem Willen des „Heiligen Vaters“ sollen wir uns einfach eine Binde vor die Augen tun, um das nicht zu sehen.
„Vielleicht lassen sich Einige von dem Eindruck, den manche besondere Zeremonien oder Rubriken auf sie machen, zu der Annahme verleiten, daß darin eine Veränderung oder Verkleinerung von unveränderlichen Glaubenswahrheiten liegt und bekräftigt wird. Sie könnten zu der Ansicht kommen, daß der Gleichklang zwischen der Weise des Gebetes, der lex orandi, und der Weise des Glaubens, der lex credendi, dadurch beeinträchtigt worden ist.“ Allerdings! Doch gleich werden wir beruhigt: „Das ist definitiv nicht der Fall.“ Da sind wir aber froh! Die Begründung: „Vor allem deshalb nicht, weil der Ordo und die darauf bezüglichen Rubriken für sich keine dogmatische Definition darstellen.“ Natürlich stellt die Hl. Messe „für sich keine dogmatische Definition“ dar, doch muß sie in völligem Einklang mit dem Glauben stehen und diesen in vollkommener Weise zum Ausdruck bringen. Eben das ist ja gemeint mit der Übereinstimmung von „lex orandi“ und „lex credendi“!
„Ihr theologischer Stellenwert mag je nach dem liturgischen Kontext, in dem sie stehen, unterschiedlich sein. Sie sind Zeichen und Ausdruck eines spirituellen Vorgangs, eines lebendigen und erfahrbaren Vorgangs, hinter dem das unaussprechliche Geheimnis der göttlichen Gegenwart steht, das nicht immer in ein- und derselben Weise ausgedrückt wird. Nur der theologische Scharfsinn kann diesen Vorgang analysieren und in Lehraussagen ausdrücken, die unserer Vernunft entsprechen.“ Hier offenbart sich wieder das geradezu klassische modernistische Denken Montinis. Ein „spiritueller Vorgang“, der „lebendig“ und „erfahrbar“ ist und „hinter dem das unaussprechliche Geheimnis der göttlichen Gegenwart steht“, sucht sich jeweils seine „Zeichen“ und seinen „Ausdruck“, und das „nicht immer in ein- und derselben Weise“. Erst im nachhinein gewissermaßen kann „der theologische Scharfsinn“ diesen „Vorgang analysieren und in Lehraussagen ausdrücken, die unserer Vernunft entsprechen“. Da der dahintersteckende „spirituelle Vorgang“ derselbe ist und er sich nur einen neuen Ausdruck gesucht hat, kann Montini behaupten: „Die Messe des neuen Ordo ist und bleibt die gleiche Messe, die wir immer hatten. Wenn sich etwas geändert hat, dann das, daß ihre Selbstindentität in einiger Hinsicht noch klarer zum Ausdruck gebracht wird.“ Damit sind wir nun wieder in völligem Einklang mit Benedikts „Motu proprio“ und seiner Phantasterei von den „zwei Ausdrucksformen ein und desselben Ritus“.
Paul VI.: „Die Einheit des Herrenmahls und des Opfers am Kreuze in ihrer Darstellung und Erneuerung in der hl. Messe wird nach dem neuen Ordo ebenso unverletzlich bekräftigt und gefeiert, wie das nach dem alten Ordo der Fall war. Die hl. Messe ist und bleibt das Gedächtnis von Christi letztem Abendmahl.“ Das ist jedoch nicht zutreffend. Denn die Hl. Messe ist und bleibt die unblutige Erneuerung des Kreuzesopfers Christi vom Karfreitag und nicht das „Gedächtnis von Christi letztem Abendmahl“ vom Gründonnerstag. Da hilft auch nichts, daß Montini versucht, beides wie folgt in Zusammenhang zu bringen: „Bei diesem Mahl verwandelte der Herr das Brot und den Wein in Seinen Leib und Sein Blut und setzte das Opfer des neuen Bundes ein. Er wollte, daß dieses Opfer als ein und dasselbe durch die Vollmacht Seines Priestertums erneuert werde, das er den Aposteln übertrug. Nur die Art und Weise der Darbringung ist verschieden, sie ist unblutig und sakramental, und sie erfolgt im ewigen Gedenken an Ihn, bis Er wieder kommt.“ Demnach wäre also die heilige Messe das Gedächtnis des Abendmahls, welche auch das „Opfer des neuen Bundes“ enthält – was immer man darunter versteht –, während es in Wahrheit genau umgekehrt ist: Die Heilige Messe ist die Erneuerung des Kreuzesopfers Christi, welche mit der Konsumation der heiligen Gestalten von Hostie und Kelch durch den Priester auch ein „Mahl“ enthält.
„In der neuen Ordnung werdet ihr feststellen, daß die Beziehung zwischen der Liturgie des Wortes und der Liturgie der Eucharistie im engeren Sinne deutlicher ausgedrückt wird, nämlich so, daß die letztere zur praktischen Antwort auf die erstere wird (vergl. Bouyer)“ (Zu Bouyer vergleiche: Sandro Magister). Wieder haben wir also die „zwei Teile“ der Messe, hier als „Liturgie des Wortes“ und „Liturgie der Eucharistie im engeren Sinne“ bezeichnet, wobei „letztere zur praktischen Antwort auf die erstere wird“. Der eine Teil verlangt also nach dem anderen und bringt diesen in gewisser Weise hervor.
„Ihr werdet feststellen, in welchem Ausmaß die Versammlung der Gläubigen aufgerufen ist, an der Feier des eucharistischen Opfers teilzunehmen und wie sie in der hl. Messe in Tat und Bewußtsein wirklich 'Kirche' sind. Ihr werdet noch weitere wunderbare Züge entdecken“, so schwärmt Montini weiter, und in der Tat hatten wir inzwischen Gelegenheit genug, diese „wunderbaren Züge“ zu entdecken. Abermals beschwört er uns: „Aber glaubt nicht, daß diese Dinge die Absicht haben, ihr wahres und traditionelles Wesen zu verändern.“ Einmal mehr also sollen wir unsere Augen vor dem Offensichtlichen verschließen. „Versucht stattdessen wahrzunehmen, wie die Kirche bestrebt ist, ihrer liturgischen Botschaft mit dieser neuen und erweiterten liturgischen Sprache größere Wirksamkeit zu verleihen; wie sehr sie bestrebt ist, allen ihren Gläubigen und dem ganzen Leib des Gottesvolkes ihre Botschaft in einer direkteren und pastoraleren Weise näherzubringen“, so werden wir um Verständnis und Nachsicht gebeten für all die katastrophalen „wunderbaren Züge“, die seither diesem Bestreben entsprossen sind.
„In gleicher Weise antworten Wir auf die dritte Frage: Was werden die Erträge dieser Erneuerung sein? Die Erträge, die wir erwarten oder besser erhoffen, sind, daß die Gläubigen an den liturgischen Geheimnissen mit größerem Verständnis teilhaben, in einer Weise, die praktischer ist, die mehr Freude vermittelt, die mehr zu ihrer Heiligung beiträgt. Das heißt, sie werden das Wort Gottes hören, das durch die Jahrhunderte lebt und in unseren Seelen widerhallt, und sie werden ebenso teilhaben an der geheimnisvollen Wirklichkeit des sakramentalen und versöhnenden Opfers Christi.“ Man hätte kaum mehr danebenliegen können. Als Prophet taugte Montini definitiv nicht.
„Daher lasst uns nicht von der 'neuen Messe' reden. Lasst uns lieber von der 'neuen Ära' im Leben der Kirche sprechen“, schließt Paul VI. seine Ansprache und hat wenigstens mit dieser „neuen Ära“ recht. Eine solche hat es tatsächlich nie zuvor im „Leben der Kirche“ gegeben. Schon der Heiland hatte davon geweissagt: „Denn alsdann wird eine so große Drangsal sein, wie sie von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist, noch je sein wird; und wenn jene Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Fleisch gerettet werden; aber um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden“ (Mt 24,21f).
Versammlung des Volkes Gottes
Ursprünglich also sollte die „Neue Messe“ ab dem ersten Adventsonntag 1969 verpflichtend eingeführt werden. Es dauerte jedoch noch bis Mai 1970, bis die gedruckten Meßbücher verfügbar waren, denen schon 1975 „eine korrigierte zweite Ausgabe folgte“, wie „Kathpedia“ schreibt. Diese war insbesondere deswegen notwendig geworden, weil man sich in der ersten Fassung der „Institutio generalis“ allzu offenherzig verplaudert hatte.
Im berühmt-berüchtigten Artikel Nr. 7 dieser „Allgemeinen Einleitung“ wurde nämlich ursprünglich die Messe wie folgt definiert: „Cena dominica sive Missa est sacra synaxis seu congregatio populi Dei in unum convenientis, sacerdote praeside, ad memoriale Domini celebrandum. Quare de sanctae Ecclesiae locali congregatione eminenter valet promissio Christi: 'Ubi sunt duo vel tres congregati in nomine meo, ibi sum in medio eorum' (Mt. 18, 20).“ - „Das Herrenmahl oder die Messe ist die heilige Versammlung oder Zusammenkunft des Volkes Gottes, das sich unter dem Vorsitz des Priesters versammelt, um das Gedächtnis des Herrn zu feiern. Daher gilt von der Versammlung der heiligen Kirche an einem Ort in besonderer Weise die Verheißung Christi: 'Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen' (Mt. 18,20).“
Diese völlige Neuinterpretation der hl. Messe löste weltweit einen Sturm der Entrüstung aus, und so mußte man schon 1970 und dann noch einmal bei der Neuauflage 1975 zurückrudern. Art. 7 lautete nun so: „In der Messe, dem Herrenmahl, wird das Volk Gottes zu einer Gemeinschaft unter dem Vorsitz des Priesters, der in der Person Christi handelt, zusammengerufen, um das Gedächtnis des Herrn, das eucharistische Opfer zu feiern. Deshalb gilt für diese Zusammenkunft der heiligen Kirche an einem Ort in hervorragender Weise die Verheißung Christi: 'Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen' (Mt 18,20). In der Messfeier, in der das Kreuzesopfer fortdauert, ist Christus wirklich gegenwärtig in der Versammlung, die in seinem Namen zusammengeführt wurde, in der Person des Amtsträgers und in seinem Wort sowie wesenhaft und bleibend unter den eucharistischen Gestalten.“ Diese Beschreibung blieb unverändert auch in der letzten Ausgabe des Meßbuchs vom Jahr 2002 erhalten, dort jedoch nicht mehr Art. 7, sondern Art. 27.
Wie man sieht, wurde hier etwas Kosmetik betrieben, um die nackte Wahrheit zu übertünchen. Die Hinzufügung einiger traditioneller Ausdrücke wie „in persona Christi – in der Person Christi“, „eucharistisches Opfer“, „Kreuzesopfer“ gar oder „wesenhaft und bleibend unter den eucharistischen Gestalten“, die hier wie erratische Trümmer herumliegen und wie aufgesetzt wirken, kaschiert schlecht die Tatsache, daß diese „Neue Messe“ eben wirklich nichts anderes ist als das, was der ursprüngliche Artikel 7 bezeichnete: eine – allerdings nicht „heilige“, sondern profane – Versammlung des „Volkes Gottes“ (oder eher der „mündigen Laienschaft“) unter dem „Vorsitz des Priesters“, der immerhin der Versammlung noch „vorstehen“ darf, um ein wie immer geartetes „Gedächtnis des Herrn“ zu feiern, bei welchem dieser irgendwie geistig gegenwärtig wird, z.B. indem er „Gewalt in Liebe wandelt“.
Stellen wir diese neue Definition der Messe noch einmal der überlieferten gegenüber. Nach der herkömmlichen Lehre ist die Heilige Messe die unblutige und unsichtbare Erneuerung des Kreuzesopfers Unseres Herrn Jesus Christus, welche sich auf dem Altar vollzieht, indem der Priester über Brot und Wein die Wandlungsworte spricht und sie so wahrhaft und wesenhaft in Leib und Blut Unseres Herrn Jesus Christus verwandelt, mit dem Zweck, Gott zu verherrlichen und uns die Früchte der Erlösung zuzuwenden. Es ist klar, daß dazu die Teilnahme von Gläubigen nicht unbedingt erforderlich ist, sondern der Priester die Messe auch ganz alleine, „privat“ feiern kann, ohne daß irgendetwas daran fehlen würde. Ganz anders in der „Neuen Messe“, die wesentlich eine Versammlung ist, denn es wird bei ihr „das Volk Gottes zu einer Gemeinschaft unter dem Vorsitz des Priesters ... zusammengerufen“, und zwar zu einem „Herrenmahl“, um „das Gedächtnis des Herrn“ zu feiern. Der Bezug auf die Stelle bei Matthäus: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“, zeigt, daß die Gegenwart Christi hier rein geistig aufgefaßt wird, denn an der genannten Stelle spricht der Heiland von Seiner geistigen Gegenwart und nicht von Seiner leiblichen in der Eucharistie, wie etwa im 6. Kapitel von Johannes. Darum ist Christus auch in erster Linie „wirklich gegenwärtig in der Versammlung“, also eine geistige Realpräsenz – was immer man sich darunter vorstellen soll –, die seiner Gegenwart „in der Person des Amtsträgers“ und der „in seinem Wort“ vorausgeht. Erst ganz am Schluß kommt auch noch die Gegenwart „wesenhaft und bleibend unter den eucharistischen Gestalten“. Allein die Tatsache, daß diese eigentliche und alles überragende, leibhaftige Realpräsenz des Heilands ganz ans Ende gerückt wurde, zeigt, daß sie trotz der Attribute „wesenhaft und bleibend“ nicht mehr im eigentlichen und überlieferten Sinn aufgefaßt wird, sondern ebenfalls rein geistig.
Erneuerung des Kreuzesopfers hier, Versammlung zum „Herrenmahl“ dort. Hier wirkt der Priester „in persona Christi“ das Opfer, dort wirkt das versammelte Volk das „Gedächtnis des Herrn“. Hier wird Christus leibhaftig gegenwärtig durch die Wandlung, dort wird er es geistig durch die Gemeinschaft. Das sind zwei völlig verschiedene Konzepte. Die „Neue Messe“ ist nicht mehr die Heilige Messe der Kirche, die Messe Unseres Herrn Jesus Christus! Sie ist tatsächlich „neu“.
Liturgie des Wortes und Eucharistische Liturgie
Entsprechend wird nun auch der Aufbau dieser „Neuen Messe“ beschrieben in Artikel 8 der Institutio: „Missa duabus partibus quodammodo constat, liturgia nempe verbi et eucharistica, quae tam arcte inter se coniunctuntur, ut unum actum cultus efficiant. Siquidem in Missa mensa tam verbi Dei quam Corporis Christi paratur e qua fideles instruantur et reficiantur. Quidam autem ritus celebrationem aperiunt et concludunt.“ In der Fassung des Meßbuchs von 2002, Art. 28, wird wie folgt übersetzt: „Die heilige Messe besteht gewissermaßen aus zwei Teilen, der Liturgie des Wortes und der Eucharistischen Liturgie, die jedoch so eng miteinander verbunden sind, dass sie eine gottesdienstliche Einheit bilden. Denn in der Messe wird der Tisch sowohl des Gotteswortes als auch des Herrenleibes bereitet. Von dort sollen die Gläubigen Belehrung und Nahrung empfangen. Einige weitere Riten aber eröffnen und beschließen die Feier.“
Wir finden demnach hier den bereits von „Sacrosanctum Concilium“ und vom 1965er Übergangsritus her bekannten zweiteiligen Aufbau, welcher den bisherigen dreiteiligen Aufbau der Hl. Messe ersetzt. Wir haben bereits oben gesehen, als wir vom „II. Vatikanum“ handelten, daß der dreiteilige Aufbau sich daraus ergab, daß die Heilige Messe einen klaren Mittel- und Höhepunkt hat: die Wandlung, in welcher der Gottmensch vom Himmel herabsteigt und sich das Opfer vollzieht. Diese war gewissermaßen eingeschlossen oder eingefaßt in den Kanon und bildete den Hauptteil der Messe, zusammen mit der Vorbereitung des Opfers, der Opferung, und seiner Vollendung in der Kommunion. Dieser gesamte Opfergottesdienst wurde eingeleitet durch die „Vormesse“ mit ihren Gebeten, Gesängen und Lesungen der Heiligen Schrift, und abgeschlossen durch die „Nachmesse“ mit Schlußoration, Segen und Schlußevangelium. Jeder dieser drei großen Teile beginnt mit einem Gesang: die Vormesse mit dem Introitus, der Opfergottesdienst mit dem Offertorium, die Nachmesse mit der Communio. Jeder enthält eine Oration: die Vormesse das Tagesgebet, der Opfergottesdienst die Secret (Stillgebet, passend zum Kanon als „Stillmesse“), die Nachmesse die Postcommunio. Jeder der Teiel führt zur Begegnung mit Unserem Herrn Jesus Christus, Vormesse und Nachmesse im Evangelium bzw. Schlußevangelium, die Opfermesse zur leibhaftigen Begegnung mit dem sakramental gegenwärtigen, menschgewordenen göttlichen Wort. Der Opfergottesdienst ist daher der wesentliche, der „Hauptgottesdienst“. Beim feierlichen Gottesdienst befanden sich Kelch und Hostie außerhalb des Opfergottesdienstes gar nicht auf dem Altar, bei der einfachen Messe ist der Kelch bedeckt und wird erst zur Opferung abgedeckt, um nach der Kommunion wieder zugedeckt zu werden.
Nun also ist die „Messe“ zwei- bzw. vierteilig geworden. Ihre „beiden großen Teile“ sind die „Liturgie des Wortes“ und die „Eucharistische Liturgie“, die beide „so eng miteinander verbunden sind, dass sie eine gottesdienstliche Einheit bilden“. Oder wie Bouyer es ausdrückte: die letztere wird „zur praktischen Antwort auf die erstere“. Beide stehen nun aber gleichberechtigt nebeneinander, als „Tisch sowohl des Gotteswortes als auch des Herrenleibes“, sichtbar geworden in „Ambo“ und „Volksaltar“. Wobei dem „Gotteswort“ doch wohl noch mehr Gewicht als dem „Herrenleib“ beigemessen wird, jedenfalls in der Praxis, wo man oft beobachten kann, mit welcher Feierlichkeit das Evangeliar in Prozession getragen und beweihräuchert wird, während die Hostien für die Kommunion allein vom Mesner in Straßenkleidung aus dem Tabernakel geholt und genauso sang- und klanglos dahin zurückgebracht werden. Da es sich ja um eine Versammlung der Gläubigen zum „Herrenmahl“ handelt, sind beide Tische dazu da, daß „die Gläubigen Belehrung und Nahrung empfangen“. Darum stehen sie auch „versus populum“, dem Volk zugewandt. Ein Eröffnungsritus und ein Schlußritus vollenden den Aufbau.
Der eigentliche Mittel- und Höhepunkt des Messe, das Kreuzesopfer, ist somit gänzlich eliminiert. Von unserer ursprünglichen Heiligen Messe bleiben nur die Vormesse, die zum „Tisch des Gotteswortes“ aufgebläht wurde, und die Kommunion der Gläubigen – die ja eigentlich gar kein Teil der Messe ist – als „Tisch des Herrenleibes“; das, was einmal das Eigentliche der Messe war, dient nur noch der Vorbereitung auf letztere. Einmal mehr stellen wir fest, daß es sich bei dieser „Neuen Messe“ nicht mehr um unsere Heilige Messe handelt. Drei ist die Zahl Gottes, vier die Zahl der Welt. Wir haben es eben mit der „Messe der Welt“ zu tun, wie sie Mgr. Duschak bereits auf dem „II. Vatikanum“ 1962 hellsichtig prophezeit hatte.
Es ist auffällig, daß der „große“ und inzwischen sogar „heilige“ Wojtyla alias Johannes Paul II. diesen Neuaufbau der Messe endlich auch ins Rosenkranzgebet übersetzte, indem er im Jahr 2002 die bisherigen 15 Rosenkranzgeheimnisse um fünf zusätzliche, die sog. „lichtreichen“, erweiterte. Dadurch wurde der bislang dreiteilige Aufbau des Rosenkranzes: freudenreicher, schmerzhafter und glorreicher Rosenkranz, zu einem vierteiligen. Bislang standen mit dem schmerzhaften Rosenkranz Leid und Kreuz Unseres Herrn Jesus Christus im Mittelpunkt der Rosenkranzbetrachtungen, ebenso wie sie im Mittelpunkt der Heiligen Messe stehen, und wurden durch die freudenreichen Geheimnisse vorbereitet und durch die glorreichen vollendet. Nunmehr ist der Mittelpunkt verschwunden, wir haben vier gleichberechtigte Teile, wobei die ersten beiden als „Tisch des Gotteswortes“ zusammengefaßt werden könnten, die letzten beiden als „Tisch des Herrenleibes“. Abgesehen also davon, daß damit der Rosenkranz als „Psalter“ zerstört wurde, indem er nämlich nun nicht mehr in Nachahmung der 150 Psalmen aus 150 Ave besteht, sondern plötzlich aus 200, ist damit auch die Struktur der „Neuen Messe“ mit ihrem Beiseiteschieben des Kreuzesopfers Christi übernommen worden, um das Bewußtsein der wenigen noch rosenkranzbetenden Gläubigen dieser völlig anzugleichen.