Vor wenigen Tagen, am 23. September, „traf der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Pius X., Msgr. Bernard Fellay, in Begleitung des ersten und zweiten Generalassistenten, Pater Niklaus Pfluger und Pater Alain-Marc Nély, den Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller“, so berichtet uns ein „Kommuniqué des Generalhauses der Priesterbruderschaft St. Pius X.“ Letzterer war begleitet von „Msgr. Luis Ladaria Ferrer S.J., dem Sekretär der Glaubenskongregation, Mgr. Joseph Augustin di Noia OP, beigeordneter Sekretär, und Msgr. Guido Pozzo, Sekretär der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei“, das Treffen fand zwischen 11 und 13 Uhr „in den Räumlichkeiten der Glaubenskongregation“ statt. Das Gespräch, „welches sich in herzlicher Atmosphäre abspielte“, „diente einer ersten Begegnung zwischen Kardinal Müller und Msgr. Fellay und hatte zum Ziel, gemeinsam Bilanz über die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Priesterbruderschaft St. Pius X. seit der Abdankung von Papst Benedikt XVI. und dem Weggang von Kardinal William Joseph Levada, dem vorhergehenden Präfekten der Glaubenskongregation, zu ziehen“, wobei „die lehrmäßigen und kanonischen Schwierigkeiten auseinandergelegt und die aktuelle Situation der Kirche erörtert“ wurden. „Es wurde beschlossen, den gemeinsamen Austausch aufrecht zu erhalten, um bestehende auseinanderweichende Punkte zu klären.“ Soweit das Kommuniqué der „Piusbruderschaft“ in etwas holperiger deutscher Version.
Auch der Vatikan ließ in einer Mitteilung seines Pressesaals verlautbaren, daß bei dem Gespräch, das „in herzlichem Klima“ verlaufen sei, „einige Probleme lehrmäßiger und kirchenrechtlicher Natur“ behandelt wurden mit dem Ziel einer „Überwindung der Schwierigkeiten“. Um diese und eine „volle Aussöhnung“ zu erreichen, sei man übereingekommen, in „einzelnen Etappen“ und in einem „vernünftigen Zeitraum“ vorzugehen.
Gérard Leclerc, seines Zeichens Leitartikler in „France Catholique“ und „Radio Notre-Dame“, findet diese Nachricht aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens antworte sie auf die Frage, ob denn „Papst Franziskus“ den Weg fortsetzen werde, den sein Vorgänger Benedikt XVI. eröffnet habe, und diese Antwort sei ein eindeutiges Ja. Das sei eine Überraschung für viele, die gewähnt hätten, die Tür für eine Verständigung sei fortan geschlossen. Zweitens meint er, daß die Formulierungen des Pressesaales des Heiligen Stuhles vom schrittweisen Vorgehen in einem vernünftigen Zeitrahmen zur „Überwindung der Schwierigkeiten“ und mit dem Ziel einer „vollen Aussöhnung“ so interpretiert werden müßten, daß es sich nicht um eine Wiederaufnahme der Sondierungsversuche handle, die Sache sei vielmehr am Laufen. „Es handelt sich also darum, zu einem guten Ende zu finden, ans Ziel eines Prozesses der Versöhnung zu gelangen, welche sehr wichtig ist.“
Ausführlicher äußerte sich der Experte in Sachen „Traditionalisten“-Versöhnung mit der „Konzilskirche“, Abbé Claude Barthe, in „L'Homme Nouveau“. Er findet noch einige Punkte mehr, die auffällig sind. Zum einen erwähnt er die „Feierlichkeit“, mit welcher das Ereignis behandelt wurde durch das offizielle Kommuniqué im Vatikanischen Pressesaal, welches die Form eines „diplomatischen Dokumentes“ mit wohlgewogenen Ausdrücken hatte. Zweitens trete damit die kleine Kommission „Ecclesia Dei“ mit ihrem Sekretär Mgr. Pozzo wieder auf die Bildfläche. Bereits nach Bekanntwerden des kurzen Treffens zwischen Mgr. Fellay und „Papst Franziskus“ vom Dezember 2013 im Vatikanischen Gästehaus (der derzeitigen „päpstlichen Residenz“) sei vermutet worden, daß dieser „sehr ratzingerianische“ Prälat im Hintergrund recht eifrig und mutig an dem Bemühen um einen kanonischen Status der „Piusbruderschaft“ weitergearbeitet habe, als dessen Architekt er schließlich gelten werde.
Weiter weist er darauf hin, daß das jüngste Kommuniqué fast wörtlich dem vom Jahr 2005 entspricht. Damals hieß es: „Das Treffen verlief in einem Klima der Liebe zur Kirche und des Verlangens, zu einer vollkommenen Gemeinschaft zu gelangen. Obwohl wir uns der Schwierigkeiten bewußt sind, zeigte es den Willen, schrittweise und in Etappen vorzugehen in einem vernünftigen Zeitraum.“ Diesmal: „Man ist übereingekommen, schrittweise und in einem vernünftigen Zeitraum vorzugehen, um die Schwierigkeiten zu überwinden und zum ersehnten Ziel einer vollen Versöhnung zu gelangen.“ Wenn man den Unterschied zwischen den Formulierungen beachte, könne man feststellen, daß hier der „theologische Status“ der „Piusbruderschaft“ geklärt worden sei. Denn es sei nicht mehr davon die Rede, daß sie zur „vollen Gemeinschaft“ gelangen müsse, wie dies bei anderen Gesellschaften der Fall sei, die man als in „unvollkommener Gemeinschaft“ betrachte (wie etwa die „orthodoxen Kirchen“), sondern nur noch von „vollständiger Versöhnung“; daraus sei zu folgern, daß sie bereits als in „vollkommener Gemeinschaft“ angesehen werde und eben nur noch die „volle Aussöhnung“ nötig sei. Das erinnere an die Aussage des ehemals mit der Sache befaßten Kardinals Castrillón, daß die „Piusbruderschaft“ nicht schismatisch sei, und möglicherweise habe ein Treffen zwischen Castrillón und Bergoglio im Oktober 2013 zu dieser neuerlichen Entwicklung beigetragen.
Der wichtigste Aspekt freilich, der durch das Kommuniqué ans Licht gekommen sei, sei „politischer“ Natur. Es sei nämlich klar, daß Mgr. Pozzo in dieser Phase nicht ohne ausdrückliche Gutheißung von „Papst Franziskus“ gehandelt haben könne und daß ein solches Kommuniqué nicht ohne dessen persönliche Approbation hätte veröffentlicht werden können. Füge man hinzu, daß Bergoglio anläßlich eines Treffens der italienischen Bischofskonferenz auf Befragung geantwortet habe, daß das Motu Proprio „Summorum Pontificum“ unvermindert in Kraft bleibe, so könne man sagen, sich hier im Angesicht der „Kontinuität“ des gegenwärtigen Pontifikates mit dem von Benedikt XVI. zu befinden. „Der 'Progressist' Franziskus hätte nichts dagegen, dort erfolgreich zu sein, wo der 'Integrist' Benedikt gescheitert ist.“
Zurecht meint Abbé Barthe, daß eine „kanonische Anerkennung“ der „Piusbruderschaft“, sollte diese in nächster Zeit erfolgen, längst nicht mehr so viel Aufsehen und „Erdbeben“ im „Inneren der Kirche“ erregen werde wie es „am Ende des Pontifikats von Benedikt XVI.“ der Fall war. „Hingegen ist sie paradoxerweise viel einfacher zu verwirklichen, schon allein deshalb, weil der gegenwärtige Papst – das ist das Wenigste, was man sagen kann – nicht den Ruf eines Traditionalisten hat wie sein Vorgänger.“
Wir können all dem nur zustimmen, und es liegt schon eine feine, aber bittere Ironie der Vorsehung darin, daß die „Piusbruderschaft“ nun ausgerechnet unter solchen kläglichen Vorzeichen und trostlosen Verhältnissen ihren „Frieden mit Rom“ machen muß. Nicht ihr „Hoffnungsschimmer“ Benedikt und nicht ihr „römischer Freund“ Kardinal Castrillón Hoyos sind es, denen sie schließlich zärtlich um den Hals fallen dürfen, sondern der bizarr-skurrile, atheisierende Bajazzo „Franziskus“ und sein gestrenger Präfekt Müller, der schon seit seinen Regensburger Tagen keine Nachsicht mit den Herren „Piusbrüdern“ kennt und unerbittlich die „volle Anerkennung“ der „Konzilskirche“ und all ihrer Einrichtung von ihnen verlangt, ohne ihnen ein Mauseloch zum Verkriechen offenzuhalten. Und doch werden sie es tun, „und sie bewegen sich doch“ – und es regt niemanden mehr auf.