Vom Ultramontanismus und von der dritten Partei

1. Ein Schlagwort oder Spottwort, mit welchem man die treuen Katholiken im 19. und frühen 20. Jahrhundert belegte, war der Ausdruck „Ultramontanismus“. „Ultramontan“, aus dem Lateinischen abgeleitet (ultra = über hinaus, jenseits; montes = Berge), bedeutet solche, die sich „jenseits der Berge“, nämlich der Alpen, orientieren. Meyers Großes Konversationslexikon erklärt: „Ultramontanismus (lat.), diejenige Auffassung des Katholizismus, die dessen ganzen Schwerpunkt nach Rom, also jenseits der Berge (ultra montes), verlegen möchte; ultramontan ist somit das ganze Kurial- oder Papalsystem (s. d.).“ Das Lexikalische Deutsche Wörterbuch definiert den „Ultramontanismus“ als „päpstlichen Absolutismus, streng katholische, streng päpstliche Einstellung“. „Kathpedia“ schreibt: „Ultramontanismus oder ultramontan (= die jenseits der Berge, d. h. der Alpen, Wohnenden oder Orientierten) wurde vor allem im Kulturkampf ein Schlagwort zur Bezeichnung der Rom treuen Katholiken...“

Zur Entstehung des Begriffs und seiner Verwendung weiß „Kathpedia“ folgendes: „Ultramontan kam als negativ geprägte Richtungs-Bezeichnung zuerst zur Zeit von Johann Nikolaus von Hontheim (1763) für die Vertreter der römisch-päpstlichen Ekklesiologie auf und setzte sich im 19. Jahrhundert als Negativbegriff bei liberalen Katholiken besonders in Deutschland (Johannes Döllinger, Franz Xaver Kraus) durch, seit Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Zeit des Nationalsozialismus auch generell für die Katholiken (im Sinn von undeutsch, national unzuverlässig).“ Heute werde der Begriff „von Historikern und Soziologen zunächst wertneutral für jene geschichtliche Richtung und Sozialform des modernen Katholizismus gebraucht, die sich im 19. Jahrhundert durchsetzte, im I. Vatikanum triumphierte, die Katholische Kirche bis zum II. Vatikanum prägte“ und durch einige Elemente gekennzeichnet ist, die wir gleich sehen werden.

Die Rede von einer geschichtlichen „Richtung und Sozialform des modernen Katholizismus“ und der Gebrauch des „Ultramontanismus“ gerade von „liberalen Katholiken“ als Negativbegriff zur Abwertung der „Gegenrichtung“ zeigt, daß wir es bei den „Ultramontanen“ offensichtlich mit den wahren und eigentlichen Katholiken zu tun haben, neben denen es bereits im 19. Jahrhundert eine breite Strömung verschiedener Richtungen und Sozialformen der „Auchkatholiken“ gab, wie Matthias Joseph Scheeben sie nennt, eben die „liberalen Katholiken“ - an sich ein Widerspruch in sich - , die Vorläufer der Modernisten. So wundert es uns nicht, daß „der Antimodernismus ... und Integralismus unter Pius X. einen weiteren Gipfel“ des „Ultramontanismus“ bildeten, wie „Kathpedia“ schreibt. Es führt eine direkte Linie vom „Ultramontanismus“ zum „Antimodernismus“ und darüber hinaus. Doch dazu später.

2. Zunächst die von „Kathpedia“ genannten Elemente, welche den „Ultramontanismus“ kennzeichnen:

„a) römisch-päpstliche Orientierung in Lehre und Praxis (Ubi Petrus ibi ecclesia - wo Petrus ist, dort ist die Kirche); Ultramontanes Anliegen war eine Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit.
b) Fortschritt der Denk - und Frömmigkeitsformen des nachtridentinischen, speziell jesuitischen (gegen Jansenismus und Gallikanismus gerichteten) Katholizismus und der damit zusammenhängenden antiaufklärerischen und antirevolutionären Haltung;
c) theologische neuscholastische Basis seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, …;
d) Kampf gegen Staatskirchentum und für die volle Freiheit der Kirche.“

Zu a): Die strikt „römisch-päpstliche Orientierung“ hat den „Ultramontanen“ ihren Spottnamen eingetragen. Dabei sollte es eine schlichte Selbstverständlichkeit sein für jeden Katholiken, sich an Rom und am Papst auszurichten. Die römische Kirche ist Mutter und Haupt aller Kirchen, der Papst zu Rom ist unser „Heiliger Vater“. Als römische Katholiken sind wir alle im Grunde Römer. Daher auch die lateinische Kirchensprache. Wie seltsam, daß jene, die ganz normal römisch-katholisch sind, plötzlich eine Sonderrichtung bilden sollen und als „Ultramontane“ beschimpft werden!

Zu b): Es war immer schon ein Kennzeichen schismatischer und häretischer Strömungen, daß sie gewisse legitime Entwicklungen, die in der Kirche unter Leitung des Heiligen Geistes und der kirchlichen Autoritäten vor sich gegangen sind, als „Fehlentwicklungen“ ablehnten und sich in ein imaginäres „Urchristentum“ zurückträumten. So meinte man vor allem, daß das Papsttum früher ein ganz anderes gewesen sei, und daß die Kirche schon im Mittelalter und dann namentlich mit dem Konzil von Trient eine falsche Richtung eingeschlagen habe, indem sie sich allzusehr in gesellschaftliche und staatliche Belange einmischte und dabei bockbeinig den Bestrebungen um notwendige Reformen und Anpassungen eine sture Absage erteilte. Am schlimmsten zeigte sich diese Haltung für jene Kreise im Jesuiten-Orden, der in der Tat am tapfersten gegen Aufklärung und Revolution stritt und den sie daher auch am meisten bekämpften. Mit welchen Kräften wir es hier in Wahrheit zu tun haben, sehen wir daran, daß es die Freimaurer waren, welche vor allem hinter der Auflösung des Jesuiten-Ordens her waren und diese – wenigstens für eine kurze Zeit – sogar erreichten (bis heute die Modernisten diesen Orden von innen her völlig aufgelöst haben).

Zu c): Ein besonderer Dorn im Auge der liberalen „Erneuerer“ der Kirche war stets die scholastische Philosophie und Theologie, da diese zu klar und eindeutig die Wahrheit lehrt und insbesondere den Hirngespinsten der modernen Philosophie, namentlich denen Kants und seiner Nachfolger, eine klare Absage entgegenstellen. Nicht umsonst sagt der heilige Papst Pius X. in seiner Enzyklika „Pascendi“, daß der Modernismus in erster Linie ein philosophisches Problem ist und nicht anders zu lösen als durch die Rückkehr zur soliden scholastischen Methode. Er nennt es geradezu ein Kennzeichen für einen zum Modernismus geneigten Geist, wenn dieser eine Abneigung gegen die Scholastik hegt.

Zu d): Es war zu allen Zeiten Lehre der Kirche, daß sie eine „societas perfecta“, eine „vollkommene Gesellschaft“ ist gleich dem Staat, allerdings einen höheren Status hat als dieser, da ihr eine geistliche und übernatürliche Bestimmung eignet. Somit gehört die Freiheit der Kirche von jeder staatlichen Bevormundung zu ihren unverzichtbaren Grundrechten, um welche sie in ihrer Geschichte immer und immer wieder kämpfen mußte, da die weltlichen Machthaber selten der Versuchung widerstehen konnten, sich auch der Kirche zu bemächtigen. A fortiori gilt das für unsere heutigen „freiheitlich demokratischen“ Staaten, die gemäß ihrer Auffassung von „Religionsfreiheit“ der Religion nur noch einen privaten Status zubilligen wollen und daher die Religionsausübung und somit auch die Kirche ihren bürgerlichen Gesetzen unterwerfen.

3. Wir stellen einmal mehr fest, daß es sich bei den „Ultramontanen“ um ganz normale, gute Katholiken handelte, die nichts anderes vertraten als was die Kirche immer vertreten hat. Wieso hat man sie also bekämpft und ihnen diesen Spottnamen verpaßt, wenn nicht deshalb, weil jene, die so handelten, eben keine wahren Katholiken mehr waren, sondern Feinde der Kirche? Albert Maria Weiß OP schreibt in seinen Erinnerungen „Lebensweg und Lebenswerk“: „Bisher hatte ich die Prophetentätigkeit fast ausschließlich im Hinblick auf die Feinde des Christentums ausgeübt, entsprechend der herkömmlichen Ansicht, daß die Apologetik keinen andern Zweck habe, als diese zu bekämpfen und wenn möglich zu gewinnen. Allmählich sah ich jetzt ein, daß die Gefahren der Zeit auch im Schoße der Christenheit selber ihre Wirkungen äußern und daß der Apologet noch weit mehr die Aufgabe hat, ihr Eindringen in die Kreise der Treugebliebenen zu verhindern und diese selbst so zu belehren und zu unterrichten, saß sie ihre übernatürlichen Besitzes froh und gegen alle Verwirrung gefestigt werden. Von dieser Einsicht Gebrauch zu machen, ergab sich jetzt überreich Gelegenheit. Jene rückläufigen Regungen … hatten sich allmählich zu einer gemeinsamen Strömung vereinigt, die im Gefühle ihrer Stärke und mit dem Feuer jugendlicher Begeisterung seit dem Anfang der neunziger Jahre [des 19. Jhdt.] voranzudringen begann, entschlossen, eine neue Zeit herbeizuführen. Ihre Losung hieß modern. Daher der Name Modernismus, der ihr schließlich verblieb.“ So wurde er vom „Ultramontanen“ zum „Antimodernisten“.

Auch der heilige Papst Pius X. beklagt in seiner Enzyklika „Pascendi Dominici gregis“, „daß die Anhänger der Irrtümer nicht mehr nur unter den offenen Feinden zu suchen sind, vielmehr – das ist das Allerschmerzlichste und Furchtbarste – im Herzen und Schoße der Kirche selbst verborgen sind, um so schädlicher, je weniger sichtbar sie sind“. Er fährt fort: „Daß Wir derartige Menschen zu den Feinden der Kirche rechnen, wenn sie sich auch selbst darüber wundern, darüber kann niemand mit Recht staunen, der ihre Absicht, über die nur Gott ein Urteil zusteht, beiseite läßt und lediglich ihre Lehren und ihre Art zu reden und zu handeln zur Kenntnis nimmt. Der bleibt bei der Wahrheit, der sie für Gegner der Kirche, verderblicher als jeden anderen Gegner, hält; denn nicht außerhalb der Kirche, sondern, wie gesagt, innerhalb treiben sie ihre Anschläge auf das Verderben der Kirche; deshalb sitzt die Gefahr unmittelbar in den Adern und Eingeweiden der Kirche, und um so sicherer wütet der Schaden, je intimer sie die Kirche kennen. Sie legen ferner die Axt nicht an die Äste und Zweige, sondern an die Wurzel selbst, den Glauben und seine feinsten Fibern; ist aber die unsterbliche Wurzel getroffen, so treiben sie das Gift so durch den ganzen Baum, dass kein Teil katholischer Wahrheit übrig bleibt, an den sie nicht Hand anlegten, keiner, den sie nicht zu verderben sich bemühten. Sie gebrauchen tausend schädliche Künste; nichts ist verschlagener, nichts hinterlistiger als sie; durcheinander spielen sie bald den Rationalisten, bald den Katholiken, und das so heuchlerisch, daß sie den Unvorsichtigen leicht in den Irrtum hereinziehen.“

4. Albert Maria Weiß bemerkt, es handle sich beim Modernismus „um ein fest zusammenhängendes, wenngleich nicht geschlossenes System, das darauf abziele, 'dem Christentum durch Unterschiebung von unvereinbaren philosophischen Grundsätzen den Boden unter den Füßen zu erschüttern und dadurch den Weg zu dessen Ausrottung zu bahnen' (Weiß, Lebens- und Gewissensfragen II, 329). Dieses System stehe und falle mit den beiden Grunddogmen 'Diesseitigkeit, nicht Jenseitigkeit, und Autonomie, nicht Autorität' (ebd. I, 160), mit denen schon die Reformatoren ihr 'Zerstörungswerk' eingeleitet hätten. Den Namen 'Modernist' verdiene bereits jeder, der von der Absicht geleitet sei, das Christentum mit der modernen Weltanschauung in Einklang zu bringen“ (Anton Landersdorfer, Albert Maria Weiß OP (1844-1925). Ein leidenschaftlicher Kämpfer wider den Modernismus, in: Hubert Wolf (Hrsg.), Antimodernismus und Modernismus in der katholischen Kirche, Paderborn 1998, S. 207).

In der Einleitung zu seinem Buch „Liberalismus und Christentum“ von 1914 resümiert dieser unbestechliche Wächter: „'Seit Jahrhunderten leidet die christliche Gesellschaft … an einer chronischen schleichenden Vergiftung. Aus dieser Quelle sind alle die Übel hervorgegangen, die von Zeit zu Zeit als tödliche Fieber aufgetreten sind und zu so vielen Amputationen genötigt haben', angefangen vom Jansenismus, über den Hermesianismus und Altkatholizismus bis hin zum Modernismus“ (ebd. S. 213). Grundsatz dieses Systems sei: „Nur kein Ausscheiden aus der Kirche, sonst ist jede Aussicht verloren, sie nach modernen Begriffen zu reformieren. Nur wer sich um jeden Preis in der Kirche hält, vermag darauf hinzuwirken, daß der Geist der Neuzeit, die neue Wissenschaft, die neue Kultur, die neuen Lebensanschauungen in die Kirche eindringen, oder daß die Kirche genötigt werde, mit ihnen einen Ausgleich einzugehen. Dieses System will also nicht bloß, wie der zahme Liberalismus, einen geduldeten Platz für sich in der Kirche besitzen, … Nein, es will sich der Kirche selbst bemächtigen, es will die Kirche reformieren – daher der Name Reformkatholizismus – es will die Kirche ihres altererbten Charakters entkleiden und, entsprechend den Grundlagen der modernen Gesellschaft, modernisieren – daher das Wort Modernismus“ (Weiß, Liberalismus 102 f, zit. ebd. S. 214).

5. Schon seit dem 17. und 18., verstärkt aber dem 19. Jahrhundert beobachten wir also das Eindringen des Liberalismus in die Kirche, der sich dort als „auchkatholische“ Strömung etablierte, allen Bemühungen der Päpste zum Trotz, um durch „liberale Katholiken“, „Reformkatholiken“ und schließlich die Modernisten die Kirche zu infiltrieren und allmählich umzuwandeln, d.h. zu zerstören. Wie wir wissen, entsprach dies genau dem freimaurerischen Plan der „Carbonari“, der mit dem „II. Vatikanum“ an sein Ziel gelangte. Die Liberalen oder Modernisten übernahmen endgültig die Macht in der Kirche und besetzten von nun an alle Ränge der Hierarchie bis hinauf zum päpstlichen Stuhl in Rom.

Für die „Ultramontanen“ und „Antimodernisten“, also die wahren und treuen Katholiken, ergab sich daraus ein Problem. Einerseits war man gewillt, sich in Lehre und Praxis durchaus weiterhin nach Rom und dem Papst zu orientieren („ultramontan“), andererseits konnte man unmöglich den Modernismus annehmen, war man doch ganz und gar „antimodernistisch“. Es gab nur eine Lösung: Man durfte die Modernisten, welche die führenden Stellen der Kirche besetzt hielten, nicht als die Autoritäten der römisch-katholischen Kirche betrachten und anerkennen. Dafür erhielten diese Treuen nun erneut einen Spott- und Schimpfnamen, sie waren jetzt die „Sedisvakantisten“. Somit führt die gerade Linie von den „Ultramontanen“ über die „Antimodernisten“ weiter zu den „Sedisvakantisten“, und immer waren sie nichts anderes als einfach Katholiken.

6. Vladimir Palko weist in seinem Buch „Die Löwen kommen“ darauf hin, daß es neben den Kommunisten und den Antikommunisten stets eine Art „dritte Partei“ gab, nämlich diejenigen, die keine Kommunisten waren, aber eben auch keine Antikommunisten. Letztere waren es stets, welche die Ausbreitung des Kommunismus ermöglichten. Ähnlich verhält es sich in der Kirche. Es gab auch hier neben den Modernisten und den Antimodernisten eine „Dritte Partei“.

Roberto de Mattei erklärt in seinem Buch „Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bisher ungeschriebene Geschichte“: „Der Begriff 'Dritte Partei' wurde von dem französischen Historiker Emile Appolis in einigen Studien über die religiösen Strömungen des 17. Jahrhunderts geprägt. Der von der Kirche verurteilte Jansenismus brachte nach Appolis eine 'Dritte Partei' hervor, die aus Kirchenmännern verschiedener Kategorien bestand, welche den Jansenisten die Möglichkeit eröffneten, sich im Innern der Kirche zu entfalten. Solche Kirchenmänner deklarierten sich natürlich nicht als Jansenisten und verurteilten sogar den Jansenismus; aber sie bekämpften ihn nicht und vertraten vielmehr die These, daß dieser stillschweigend verschwinden würde, wenn die Anti-Jansenisten jegliche Kampagne gegen ihn beenden würden. In den katholischen Reihen erhob sich neben den Jansenisten und den Anhängern der römischen Autorität eine dritte Partei, die sich auch gegen die Gläubigen Roms richtete und sie beschuldigte, übereifrig, intransigent und ohne Nächstenliebe zu sein. In Anwendung dieser Polarisation sprachen andere Historiker von der Existenz einer 'Mittelströmung' zwischen der orthodoxen Rechten und der gallikanischen und jansenistischen 'Linken' zur damaligen Zeit. Wie unpassend diese Kategorien auch sein mögen, so besteht doch kein Zweifel daran, daß die Entfernung vom Pol der vollen Orthodoxie verschiedene Schattierungen hervorgebracht hat, die es erlauben, von der Existenz einer 'dritten Kraft' zwischen der vollen Wahrheit und dem offenen Irrtum zu sprechen“ (S. 52f).

Die gleiche Geschichte wiederholte sich beim (I. und einzigen) Vatikanum. Auch hier „hatte sich zwischen den 'Infallibilisten' und den 'Anti-Infallibilisten' eine 'Dritte Partei' gebildet, die sich nicht so sehr aus 'moderaten Infallibilisten' … zusammensetzte, sondern vielmehr aus 'Anti-Infallibilisten'...“ (ebd. S. 53). Und abermals wiederholte sich „derselbe Mechanismus“ mit dem „Modernismus, der auch seinerseits eine 'Dritte Partei' hervorbrachte, die sich in der Mitte zwischen der Position der römischen Autorität und den heterodoxen Positionen befand“ (ebd. S. 53f). Erinnert uns das nicht fatal an jene Katholiken, die immer die „Mitte“ zwischen den „Extremen“ des Modernismus einerseits und des „Sedisvakantismus“, sprich des Antimodernismus, andererseits halten wollen? Wie sich die Dinge gleichen...

De Mattei: „Nach dem Tod von Pius X. zeichnete sich in den 20er-Jahren des 20. Jh. eine dritte Kraft ab, die zwar zum Modernismus auf Distanz ging, aber nach seiner Verurteilung sein Weiterleben sicherstellte … Das Verschwinden des Antimodernismus, das durch die kirchliche Politik der 'Dritten Partei' unterstützt wurde, begünstigte in den 30er-Jahren das Aufkommen von Strömungen und Tendenzen, die in der einen oder anderen Form das Erbe des Modernismus sammelten: die 'Biblische Bewegung', die 'Liturgische Bewegung, die 'philosophisch-theologische Bewegung', deren Ausdruck die 'Nouvelle théologie' darstellte, und die 'Ökumenische Bewegung', in der die anderen Bewegungen zusammenflossen“ (ebd. S. 54).

Auch auf dem „II. Vatikanum“ war es diese „Dritte Partei“, die den Durchbruch des Modernismus ermöglichte. Die eigentlichen Modernisten waren dort eine Minderheit, ebenso die Antimodernisten. Die große „Dritte Partei“ der „Mitte“ war es, welcher wir die Katastrophe verdanken. Heute nun scheint sich das ganze Drama abermals zu wiederholen, und dank der „Dritten Partei“, welche das Erbe ihrer Vorfahren angetreten hat und die Modernisten nicht mehr bekämpft, sondern mit ihnen gut Freund sein will, werden abermals die wahren Katholiken, ihrerseits Erben der „Anti-Jansenisten“, der „Infallibilisten“, der „Ultramontanen“ und „Antimodernisten“, ins „sedisvakantistische“ Eck gestellt und ihrerseits beschuldigt, „übereifrig, intransigent und ohne Nächstenliebe zu sein“. „Nil novum sub sole.“ „Das, was gewesen, ist das, was sein wird; und das, was geschehen, ist das, was geschehen wird. Und es ist gar nichts Neues unter der Sonne“ (Pred 1,9).

7. Mag man uns nennen, wie man will. Wir sind stolz auf unsere Ahnen und würden uns nur wünschen, ihnen wahre und getreue Nachkommen zu sein und als ebenso gute Katholiken wie sie zu leben und zu sterben. Das vermittle uns die allerseligste Jungfrau.