Zur Fronleichnamsoktav

„Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein geheiligtes Volk, ein Volk, das dazu erworben wurde, damit ihr die Ruhmestaten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis berufen hat in sein wunderbares Licht. Einst waret ihr ein Nicht-Volk, jetzt aber seid ihr Gottes Volk; die ihr kein Erbarmen fandet, habt jetzt Erbarmen gefunden.“ (1Petr 2,9f)

Mit diesen Worten beschreibt der hl. Petrus das Wunder der göttlichen Auserwählung im Neuen Bund. Aus einem Nicht-Volk, aus dem finstersten Heidentum ist ein Volk Gottes geworden, eine königliche Priesterschaft, ein geheiligtes Volk – die Braut Jesu Christi, die katholische Kirche. Gott, „der euch aus der Finsternis berufen hat in sein wunderbares Licht“, Er hat wahrhaft göttliches Erbarmen geübt an uns verirrten Menschen durch Seinen Sohn. In Jesus Christus sind wir auserwählt nicht nur Kinder Gottes zu heißen, sondern zu sein (vgl. 1 Joh 3,1). Er, der nun thront zur Rechten Gottes des Vaters, ist es auch, der uns durch die Zeiten führt. Der göttliche Herr bleibt Seinen Auserwählten treu. Wie im Alten Bunde beim Auszug aus Ägypten und dem Durchzug durch die Wüste, ist Er auch heute noch die Wolke, die uns Schatten spendet bei Tag, und die Feuersäule, die uns leuchtet in der Nacht.

Diese Gegenwart Gottes ist eine große Wahrheit, die man nie genug betrachten kann. Gott ist immer ganz, ganz nahe bei uns. Wir Katholiken brauchen wahrlich keine andere Zeit der Weltgeschichte beneiden, leben wir doch in der Fülle der Zeiten, mit welcher einer Fülle an außerordentlichen Gnaden verbunden ist. Der heutige Fronleichnamstag bringt uns diese Wahrheit wieder in Erinnerung: Gott ist mitten unter uns, wir sind wahrhaft ein auserwähltes Geschlecht. Wir feiern heute die Gegenwart unseres göttlichen Herrn, der Tag für Tag in unseren Tabernakeln wohnt. Wie tief muß uns diese Wahrheit bewegen. Unsere Kirchen sind wahrhaft ein Haus Gottes, auf jedem Tabernakel steht geschrieben: „Hier wohnt Jesus.“ So lehrt man es den Kindern beim Erstkommunionunterricht, um den Kindern eine lebendige Liebe zur Kirche und zur hl. Messe zu vermitteln. „Hier wohnt Jesus.“ Wie ist es, glauben wir noch so recht an diese Wahrheit?

Mit diesem Fronleichnamsfest wollen wir den wunderbaren Glauben an die göttliche Gegenwart in der hl. Hostie bekennen, wir wollen den eucharistischen Herrn hinaustragen in Seine Welt, in Sein Eigentum. Er ist ja nicht nur der Herr des Tabernakels und der Herr Seiner hl. Kirche, Er ist der Herr der ganzen Schöpfung. „Denn in ihm wurde alles erschaffen, was im Himmel ist und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, ob Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten: alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen. Er ist vor allem, und alles hat in ihm seinen Bestand.“ (Kol 1,16f) „Alles ist durch ihn und auf ihn hin erschaffen“! – darum sind unsere Tabernakel der wahre und einzige Mittelpunkt der Welt. Und nur der Anbeter vor dem Tabernakel ist befähigt, diese Welt recht zu deuten, weshalb man allein anhand der Verehrung des Allerheiligsten, anhand der Anbetung des eucharistischen Herrn die Zeiten gültig beurteilen kann.

Der hl. Peter Julian Eymard, ein ganz und gar eucharistischer Heiliger, schreibt: „Die Heilige Eucharistie ist nicht nur das Leben des einzelnen Christen, sie ist auch das der Völker... Ein Jahrhundert schreitet voran oder geht zurück in dem Maß, in welchem das allerheiligste Sakrament verehrt wird. Hier zeigt sich sein Leben, danach bemißt sich sein Glaube, seine Liebe, seine Tugend... Überlassen wir uns dem heilsamen Einfluß der eucharistischen Sonne und das Antlitz der Erde wird erneuert werden!“
Was würde dieser Heilige, der vollkommen durchdrungen war von der Liebe zum eucharistischen Herrn, wohl sagen, wenn er heute in diese unsere Welt käme? Was würde er sagen, wenn er in eine Neue Messe geriete und eine solche miterlebte? Die seltsame Gemeindetheologie dieser Versammlung um die Altarinsel herum; die Ehrfurchtlosigkeit des ganzen Geschehens; die Banalität des Gesagten; die Einsetzungserzählung anstelle der Wandlung, die Handkommunion ... – der Heilige würde sicher denken: „So etwas gibt es in einer katholischen Kirche nicht. Das muß also eine vom wahren Glauben abgefallene Sekte sein, die es zu meiner Zeit noch nicht gegeben hat. Das ist noch schlimmer als der Protestantismus meines 19. Jahrhunderts!“

Wir dürfen uns eigentlich nicht wundern, wenn sich unsere Welt immer mehr dem Chaos nähert. Wenn man schon in der Kirche das Allerheiligsten nicht nur mißachtet, sondern seit der Einführung der Handkommunion buchstäblich mit Füßen tritt, dann kann man natürlich von den Weltmenschen erst recht keine Ehrfurcht mehr erwarten. „Ein Jahrhundert schreitet voran oder geht zurück in dem Maß, in welchem das allerheiligste Sakrament verehrt wird“, gibt uns P. Eymard zu bedenken. Schauen Sie sich doch einmal die Welt an, wo sind den die Anbeter des Allerheiligsten? Wo sind denn die Politiker, die Gelehrten, die Wissenschaftler, die vor dem Tabernakel knien und um göttliche Einsicht bitten? Wenn Gott im Allerheiligsten nicht mehr angebetet wird, dann fehlen ganz einfach die Gnaden und als Folge davon muß das Verständnis für das Geheimnis des Glaubens allmählich verloren gehen und eine allgemeine Verblendung um sich greifen. Nach 45 Jahren Neuer Messe sollte uns eigentlich nichts mehr wundern. Nach 45 Jahren Ehrfurchtslosigkeit und unzähligen Sakrilegien im Rahmen dieser Neuen Messe muß alles zusammengebrochen sein, sonst hätte das Gesetz der Gnade keine Gültigkeit mehr. Das Fronleichnamsfest ist heute nicht mehr so sehr ein Freudentag als vielmehr ein Sühnetag. Ein Sühnetag für unzählige Sakrilegien, mit Genehmigung von höchster Stellen wohlgemerkt!

Es ist schon so, die wahren Anbeter des Herrn sind wenige geworden. Eine kleine Herde von geängstigten Schafen ist noch übrig geblieben, welcher der Herr zuruft: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn es hat eurem Vater gefallen, euch das Reich zu geben.“ (Luk 12,32) Ohne Zweifel ist uns von der göttlichen Vorsehung eine große Verantwortung übertragen worden. Wir sind die Zeugen Jesu Christi in einer Ruinenkirche, Zeugen der Heiligkeit Seines hl. Meßopfers, Zeugen Seiner wahren Gegenwart in unseren Tabernakeln. Der hl. Peter Julian Eymard ermuntert uns: „Wir wollen Jesus in der Heiligen Eucharistie nicht nur anbeten, Ihn lieben, Ihm dienen, sondern wollen ganz besonders auch darauf hinwirken, daß Er von allen Herzen erkannt, angebetet, geliebt und Ihm von allen Menschen gedient werde!“ Und weiter: „Unser Heiland darf vor diesem gleichgültigen, ungläubigen Geschlecht nicht verborgen bleiben, die Sonne der Heiligen Eucharistie muß aufgehen, um all die nächtlichen Schrecken zu zerstreuen und um das Eis, das sich über viele Seelen gelegt hat, zum Schmelzen zu bringen.“„Oft habe ich nachgedacht, welches Heilmittel der allgemeinen Gleichgültigkeit und Lauheit abhelfen könne, die in so erschreckender Weise sich so vieler Katholiken bemächtigt haben. Ich finde nur ein einziges: die Heilige Eucharistie, die Liebe zum eucharistischen Heiland!“

Wir müssen überzeugt sein, wenn wir den heutigen Menschen noch irgendwie helfen wollen, dann müssen wir sie zum Herrn im Tabernakel führen. Das können wir aber nur, wenn wir selbst am wahren hl. Meßopfer festhalten und daraus unsere Liebe zum Allerheiligsten lebendig halten. Wir müssen vom Geist tiefster Ehrfurcht und Anbetung durchdrungen sein, müssen ganz durchdrungen sein von Jesus Christus. Wir müssen begeistert sein von dem Gedanken: Hier wohnt Jesus! – und warum wohnt ER hier? Um sich mir in der hl. Kommunion wunderbar zu schenken, um mich mit jeder Kommunion durch die Gnade Seiner Gegenwart geheimnisvoll in sich umzuwandeln.

Der hl. Franz von Sales schreibt einmal an die hl. Johanna Franziska von Chantal: „Meine Tochter, ich wundere mich, daß ich noch immer so voll von mir selber bin, da ich doch so oft schon die heilige Kommunion empfangen habe! Ach, teurer Jesus, sei auch das Kind unseres Herzens (wie Du es von Maria bist), damit wir überall nur Dich atmen und empfinden. Ach, Du bist so oft in mir, warum bin ich so selten in Dir? Du gehst in mich ein, warum bin ich so sehr außerhalb von Dir? Du bist in meinem Innern, warum bin ich nicht in dem Deinen, um darin diese große Liebe, die die Herzen berauscht, zu suchen und zu sammeln?“

Ja, bitten wir Maria, die uns doch den hl. Fronleichnam geschenkt hat, daß Sie uns ihren Sohn im Tabernakel zeige und uns eine große Liebe zu Ihm schenke, die unser Herz zu verwandeln mag. Maria soll uns eine unstillbare Sehnsucht nach der Kommunion, nach der Vereinigung mit Jesus erbitten, eine Sehnsucht, die erst im Himmel ihre Erfüllung findet.

Unsere Liebe Frau vom allerheiligsten Sakrament, bitte für uns!