Ich glaube an Gott

1. Der Dreifaltigkeitssonntag erinnert uns an den Einen, wahren, dreifaltigen Gott. Ihn bekennen wir zuerst und vor allem in unserem Glaubensbekenntnis. So sagt der heilige Thomas von Aquin in seiner Erklärung: „Das erste von allem, was die Gläubigen zu glauben verpflichtet sind, ist, daß es einen Gott gibt.“

2. „Gott“ bedeutet nach dem heiligen Thomas „soviel wie 'Herrscher und Leiter' aller Dinge“. „Derjenige glaubt also an Gott, der glaubt, daß alle Dinge dieser Welt von Ihm regiert und geleitet werden.“ Wie weit ist damit der wahre Glaube von jenem deistischen „Gottglauben“ der Freimaurer entfernt, die nur einen „großen Baumeister aller Welten“ kennen, der danach sein Werk mehr oder weniger sich selbst überlassen hat. Wer solches glaubt, glaubt nicht an Gott, wie uns der heilige Thomas versichert.

Er fährt fort: „Wer aber meint, daß alles aus Zufall geschehe, der glaubt nicht, daß es einen Gott gibt.“ Damit ist der „Urknall“-Glaube abgetan und erledigt. „Niemand ist aber so töricht“, meint der Aquinate, „zu bestreiten, daß die Dinge der Natur regiert, geleitet und geordnet werden, denn sie vollziehen sich in einer bestimmten Ordnung und zu bestimmten Zeiten. So sehen wir die Sonne, den Mond, die Sterne und alle anderen Naturkörper einen bestimmten Zeitlauf einhalten, was nicht geschehen würde, wenn sie nur aus Zufall da wären. Wer daher vermeinte, es gäbe keinen Gott, wäre töricht.“ Das hätte sich der heilige Thomas damals nicht vorstellen können, daß einmal eine Zeit kommen würde, in welcher der dominierende Teil der Menschheit genau so töricht sein und sich dabei noch überaus gescheit und überlegen dünken würde und jene für Toren ansehen, die nicht ihre Dummheit teilen. Dabei heißt es schon in der Heiligen Schrift: „Es spricht der Tor in seinem Herzen: Es ist kein Gott“ (Ps 13,1).

So dumm also waren die Menschen im Mittelalter nicht. Wohl aber gab es einige, die zwar glaubten, „daß Gott die Dinge der Natur regiert und ordnet“, jedoch leugneten, „daß Gott auch die Handlungen der Menschen vorhersieht; als ob die Handlungen der Menschen nicht der Vorsehung Gottes unterlägen“. Dagegen gilt, was der heilige Paulus sagt: „Alles liegt bloß und enthüllt vor Seinen Augen“ (Hebr 4,13). Und im Psalm heißt es: „Der Herr sieht's nicht; nicht merkt es Jakobs Gott! – Ihr Albernen im Volke, werdet klug! Ihr Törichten, wann wollt ihr das begreifen? Nicht hören sollte, der das Ohr erschafft? Nicht sehen, der das Auge bildet? … Die menschlichen Gedanken kennt der Herr“ (Ps 93,8-11).

3. Interessant ist die Begründung, die jene, welche die Vorsehung leugnen, nach dem heiligen Thomas vorbringen: „Sie begründen dies damit, daß sie in dieser Welt oft die Guten leiden und die Bösen glücklich sehen, was eine göttliche Vorsehung in bezug auf die Menschen auszuschließen scheint.“ In der Tat ist das bis heute ein probates Argument der Atheisten und oftmals eine Versuchung für den Glauben der Katholiken. Doch was sagt uns der engelgleiche Lehrer dazu?

„Dies ist aber sehr töricht. Wenn ein der ärztlichen Kunst Unkundiger sieht, wie der Arzt dem einen Kranken Wasser und dem anderen Wein verordnet, nach den Regeln der Heilkunde, könnte er auch meinen, es geschähe aus Zufall, weil er eben die ärztliche Kunst nicht versteht, die aus guten Gründen dem einen Wasser und dem anderen Wein verordnet.“ Ebenso aber handelt Gott: „Er verfügt aus guten Gründen und nach Seiner Vorsehung dasjenige, was den Menschen not tut, und so läßt Er manchmal die Guten leiden und die Bösen glücklich sein. Wer nun meint, dies geschehe aus Zufall, ist wahrlich ein Tor und kann nur deshalb so denken, weil er den Grund und die Feinheit der göttlichen Fügungen nicht erkennt.“ Und wäre es nicht wirklich sehr töricht, zu meinen, man könne und müsse diese erkennen? Spricht doch der Heilige Geist selbst: „Denn so hoch wie der Himmel über die Erde, so hoch sind Meine Wege über eure Wege und Meine Gedanken über eure Gedanken“ (Is 55,9).

Darum folgt: „Wir müssen also fest glauben, daß Gott nicht nur die Dinge der Natur regiert und leitet, sondern auch die Handlungen der Menschen. Denn Er sieht alles, die Gedanken und den verborgenen Willen; deshalb sind die Menschen verpflichtet, das Gute zu tun, denn alles was sie denken oder tun, ist dem göttlichen Blick offenbar.“ Der Glaube führt eben unweigerlich zu praktischen Folgerungen, und das ist oft der eigentliche und tiefere Grund, warum die Menschen lieber Toren bleiben wollen. Das ist der Rückfall ins Heidentum, von dem es im Buch der Weisheit heißt: „Die Menschen alle waren Toren von Natur, weil ihnen die Erkenntnis Gottes fehlte. Denn sie vermochten nicht, aus sichtbaren Vollkommenheiten auf den Seienden zu schließen, und fanden nicht den Künstler bei Betrachtung Seiner Werke... Denn aus der Größe und der Schönheit der Geschöpfe ist durch Vergleiche deren Schöpfer zu erkennen“ (Weish 13,1.5). Heute glaubt man stattdessen lieber an die „Evolution“.

4. Auch die Einheit Gottes folgt für Thomas notwendig aus dem Begriff Gottes als Herrscher und Leiter aller Dinge. „Ferner müssen wir glauben, daß Gott, der alles regiert und leitet, nur Ein Gott ist. Schon die menschlichen Angelegenheiten werden am besten durch Einen regiert und geleitet; denn wenn viele herrschen, entsteht oft Zersplitterung und Verwirrung. Da nun die göttliche Herrschaft die menschliche weit überragt, kann offenbar die Welt nicht durch viele Götter, sondern nur durch Einen Gott regiert werden.“ Das bedeutet Monarchie, und diese ist heute kein populärer Gedanke.

5. „Wie gezeigt wurde, müssen wir erstens glauben, daß es nur Einen Gott gibt, und zweitens, daß dieser Gott Schöpfer ist, der Himmel und Erde, alles Sichtbare und Unsichtbare erschaffen hat.“ Dafür verwendet der heilige Thomas statt eines „scharfsinnigen Beweises“ ein einfaches Beispiel: „Wenn jemand ein Haus betritt und beim Eintritt Wärme verspürt und immer größere Wärme, je mehr er in das Haus eindringt, so wird er glauben, es sei im Inneren Feuer, auch wenn er dieses Feuer nicht erblickt. Das gleiche ergibt sich auch bei der Betrachtung dieser Welt. Denn da finden sich alle Dinge nach verschiedenen Graden der Schönheit und Güte angeordnet, und je näher sie Gott stehen, desto schöner und besser sind sie.“ Das ist die Stufenleiter des Seins, die uns zu Gott empor führt. „Deshalb müssen wir glauben, daß dies alles von dem Einen Gott herrührt, der jedem einzelnen Ding Sein und Wert gibt.“

Dazu wiederum das Buch der Weisheit: „Wenn sie diese, entzückt durch ihre Schönheit, für Götter hielten, so hätten sie doch wissen sollen, um wieviel herrlicher ihr Gebieter ist. Der Schönheit Ursprung hat sie ja erschaffen. Und wenn sie ihre Kraft und Wirksamkeit bewundern, so hätten sie aus ihnen schließen sollen, um wieviel mächtiger ihr Bildner ist“ (Weish 13,3). Auch das ist ebenso zur neuheidnischen Welt gesprochen.

6. Der engelgleiche Lehrer nennt nun fünf Dinge, zu welchen der Mensch durch diese Wahrheit geführt wird. Erstens gelangt er zur „Erkenntnis der göttlichen Majestät“. „Denn der Künstler ist immer größer als sein Werk. Da nun Gott der Schöpfer aller Dinge ist, überragt Er alles Geschaffene. Deshalb ist alles, was man zu denken oder sich vorzustellen vermag, geringer als Gott selbst.“ So einfach dieser Gedankengang erscheint, so grundlegend und wichtig ist er doch für unser ganzes Leben. „Was hast du, was du nicht empfangen hättest?“, fragt der heilige Paulus (1 Kor 4,7), und der Psalmist: „Wie kann ich dem Herrn vergelten all das, was Er an mir getan?“ (Ps 115,12). Das ist die Grundhaltung der Demut, Beginn jeglicher Frömmigkeit und Religiosität, namentlich der Anbetung.

Zweitens folgt daraus die Dankbarkeit. „Da Gott der Schöpfer aller Dinge ist, stammt alles, was wir sind und haben, von Ihm. Deshalb müssen wir Ihm dafür Dank sagen.“ Darum ist die Danksagung so ein wesentlicher Akt der Gottesverehrung, worauf der Apostel stets dringt: „Beharret im Gebet und wachet in demselben mit Danksagung“ (Kol 4,2).

Als drittes ergibt sich aus der Betrachtung dieser Wahrheiten die „Geduld im Mißgeschick“. „Weil jedes Geschöpf von Gott stammt und daher seiner Natur nach gut ist, müssen wir, wenn uns irgend etwas schädigt oder züchtigt, glauben, daß es eine von Gott geschickte Züchtigung ist; niemals aber stammt die Schuld von Gott; denn jedes Übel, das Gott schickt, ist auf das Gute hingeordnet. Ist also jede Strafe, die der Mensch erleidet, von Gott geschickt, so muß er sie geduldig ertragen; denn die Strafen reinigen von Sünden, demütigen die Schuldigen und rufen die Guten zur Gottesliebe auf.“ Ein herrliches Beispiel für diese Tiefe des Glaubens gibt uns der heilige Dulder Job: „Sollen wir allein das Gute von Gott annehmen, dagegen nicht das Schlimme?“ (Job 2,10).

Viertens lernen wir auf diese Weise aber auch den „rechten Gebrauch der geschaffenen Dinge“. „Denn die Geschöpfe sollen wir zu dem Zweck gebrauchen, für den sie von Gott gemacht sind, nämlich zu zweierlei: zur Ehre Gottes – denn alles ist Seinetwegen da – und zu unserem Nutzen.“ „Zu Seiner Ehre hat es der Herr geschaffen“, heißt es im Buch der Sprüche (Prov 16,4), und „Dies hat der Herr dein Gott zum Nutzen aller Völker geschaffen“ im Buche Deuteronomium (Deut 4,19). „Wir müssen daher die Dinge gebrauchen zur Ehre Gottes, das heißt zu Seinem Wohlgefallen, und zu unserem Nutzen, das heißt so, daß wir bei ihrem Gebrauch nicht sündigen. Was immer man also besitzt, sei es Wissenschaft oder Weisheit oder Schönheit, alles muß man auf Gott beziehen und davon Gebrauch machen zu Seiner Verherrlichung.“ „Dein ist alles, und was wir von Deiner Hand empfangen, geben wir Dir hin“ (1 Chr 29,14).

Fünftens führt uns der Glaube an Gott und nur er zur „Erkenntnis der menschlichen Würde“. „Gott hat alles des Menschen wegen geschaffen, und nach den Engeln ist der Mensch von allen Geschöpfen Gott am ähnlichsten, wie es in der Heiligen Schrift heißt: 'Lasset Uns den Menschen machen als Unser Bild nach Unserem Gleichnis' (Gen 1,26). So redet Gott weder vom Himmel noch von den Sternen, sondern nur vom Menschen, und nicht etwa in bezug auf dessen Körper, sondern in bezug auf dessen Seele, die durch ihre Willensfreiheit und Unsterblichkeit Gott ähnlicher ist als die anderen Geschöpfe.“ Das ist die wahre Menschenwürde, die ohne den Glauben nicht bestehen kann. Ein „homo sapiens“, der sich irgendwann durch biologische Evolution aus dem Tierreich emporgeschwungen hat und nach der neuesten „Wissenschaft“ nicht einmal mehr eine Seele besitzt, geschweige denn eine unsterbliche, sondern nur ein Gehirn und Nervenbahnen, kann eine solche Würde nicht haben und wird notwendig auch der menschenunwürdigsten Behandlung ausgesetzt sein.

Richtiger Umgang mit der wahren Menschenwürde ist dieser: „Wir müssen uns daher bewußt sein, daß der Mensch nach den Engeln mehr Würde besitzt als die anderen Geschöpfe und dürfen in keiner Weise unsere Würde erniedrigen durch Sünden und durch ungeordnete Neigung zu den körperlichen Dingen, die ja geringer sind als wir und zu unserem Dienste geschaffen sind. Wir müssen vielmehr jene Stellung einnehmen, die Gott uns zugewiesen hat; denn Gott hat den Menschen geschaffen, damit er über alles herrsche, was auf Erden ist, und selber Gott untertan sei. Wir müssen also herrschen und erhaben sein über die Dinge; Gott aber müssen wir untertan sein, Ihm gehorchen und Ihm dienen, auf daß wir dereinst zu Seiner Seligkeit gelangen, die Er uns durch Seine Gnade gewähren möge.“ Größer könnte der Unterschied kaum sein im Vergleich zu jener falschen, liberalen, angeblich unverlierbaren Menschenwürde, welche zu allen Arten von Sünden und Lastern ebenso berechtigt wie zur völligen Freiheit gegenüber Gott.

7. Wir sehen in diesem kurzen Überblick, was allein unser Glaube an den Einen Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde, bereits beinhaltet und welch weitreichende praktische Folgerungen sich daraus ergeben. „Tu das, und du wirst leben.“