1. Der heilige Thomas von Aquin sagt in seiner Erklärung zum Glaubensbekenntnis über den Heiligen Geist: „Wie gesagt wurde, ist das Wort Gottes der Sohn Gottes, ähnlich wie das Wort des Menschen das Erzeugnis des Verstandes ist. Oft aber ist das Wort des Menschen tot, wenn nämlich der Mensch weiß, was er tun muß, aber doch den Willen nicht hat, es zu tun; daher wird auch, wenn der Mensch zwar glaubt, aber nicht nach dem Glauben handelt, sein Glaube tot genannt.“ Leider ist das bei uns Menschen nur allzu oft der Fall, nicht aber bei Gott. „Das Wort Gottes aber ist lebendig, und deshalb müssen Wille und Liebe bei Gott sein.“
„Wie aber das Wort Gottes der Sohn Gottes ist, so ist die Liebe Gottes der Heilige Geist. Daher hat der Mensch, der Gott liebt, auch den Heiligen Geist, nach den Worten des Apostels: 'Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben wurde' (Rö 5,5).“ Somit tragen wir im lebendigen, werktätigen Glauben wahrhaft Gott in uns, denn der Heilige Geist ist Gott.
2. „Einige dachten aber gering vom Heiligen Geist und behaupteten, Er sei nur ein Diener und Abgesandter Gottes.“ Um dies auszuschließen und die wahre Gottheit der dritten Person der heiligsten Dreifaltigkeit festzuhalten, haben die Kirchenväter, so der hl. Thomas, noch fünf Bestimmungen über den Heiligen Geist im Glaubensbekenntnis hinzugefügt. Erstens wird Er in Abgrenzung zu anderen Geistern, welche wahrhaft nur Diener Gottes sind, den Engeln nämlich, „Herr“ genannt: „Ich glaube an den Heiligen Geist, den Herrn“.
Zweitens verleiht Er der Seele das Leben; denn das „Leben der Seele besteht darin, daß sie mit Gott verbunden ist, denn Gott selbst ist das Leben der Seele, wie die Seele das Leben des Körpers ist. Diese Verbindung mit Gott bewirkt der Heilige Geist durch die Liebe, weil Er selbst die Leibe Gottes ist, und daher spendet Er das Leben.“ Die schwere Sünde, durch welche die Liebe und damit der Heilige Geist aus der Seele vertrieben wird, nennen wir darum „Todsünde“. Der Heilige Geist aber wird deshalb im Glaubensbekenntnis zusätzlich „Lebensspender“ genannt.
„Der dritte Zusatz hebt hervor, daß der Heilige Geist von gleicher Wesenheit [Substanz] ist mit dem Vater und dem Sohn, denn wie der Sohn das Wort des Vaters ist, so ist der Heilige Geist die Liebe des Vaters und des Sohnes, und deshalb geht Er aus beiden hervor.“ In diesem Ursprung aus dem Vater und dem Sohn liegt auch die Besonderheit Seiner Person. Der Vater nämlich wird von niemandem hervorgebracht, der Sohn vom Vater, der Heilige Geist aber vom Vater und vom Sohn. „Und wie das Wort Gottes gleicher Wesenheit ist mit dem Vater, so ist auch die Liebe gleicher Wesenheit mit dem Vater und dem Sohn. Deshalb heißt es vom Heiligen Geist: 'der vom Vater und vom Sohne ausgeht'. Hieraus wird auch klar, daß Er kein Geschöpf ist“, sondern wahrer Gott.
Die vierte Bestimmung fügt noch einmal eigens hinzu, „daß der Heilige Geist in bezug auf die Verehrung dem Vater und dem Sohne gleich ist“. Wie es im Athanasischen Glaubensbekenntnis heißt: „Und in dieser Dreifaltigkeit ist nichts früher oder später, nichts größer oder kleiner, sondern alle drei Personen sind einander gleichewig und gleichrangig, so daß in allem, wie bereits oben gesagt worden ist, die Dreifaltigkeit in der Einheit und die Einheit in der Dreifaltigkeit zu verehren ist.“ Und dies ist keinesfalls nebensächlich, denn: „Wer also selig werden will, soll diese Auffassung von der Dreifaltigkeit haben.“ Darum „heißt es von Ihm: 'der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet wird'.“
„Die fünfte Bestimmung besagt, daß der Heilige Geist Gott gleich ist, weil die heiligen Propheten aus Gott gesprochen haben. Es steht aber fest, daß die Propheten unter Eingebung des Heiligen Geistes gesprochen haben: 'Vom Heiligen Geist inspiriert, haben die heiligen Männer von Gott geredet' (2 Petr 1,21).“ Es ist ein und derselbe dreifaltige Gott, der von Anfang an durch die Propheten gesprochen hat. Deshalb heißt es zusätzlich: „der gesprochen hat durch die Propheten“.
3. Der heilige Thomas zählt nun die mannigfachen Wohltaten auf, die uns vom Heiligen Geist kommen. Erstens reinigt Er uns von Sünden; „denn dem, der etwas geschaffen hat, kommt auch dessen Wiederherstellung zu. Die Seele aber wird durch den Heiligen Geist geschaffen, weil Gott alles durch Ihn macht, denn Gottes Liebe ist die Ursache aller Dinge.“ Dies verdient besondere Beachtung, wenn wir die Schöpfung, und vor allem die menschliche Seele verstehen wollen: Ihre Ursache ist Gottes Liebe! Darum ist es auch die Sünde und nur die Sünde, die hier so tiefgreifende Störungen hervorrufen konnte und kann. „Deshalb kommt es auch dem Heiligen Geist zu, die durch die Sünde zerstörte Seele des Menschen wiederherzustellen. Diese Reinigung durch den Heiligen Geist ist nicht verwunderlich, weil alle Sünden durch die Liebe nachgelassen werden.“ Oder wie der heilige Petrus sagt: „Die Liebe deckt eine Menge Sünden zu“ (1 Petr 4,8).
Zweitens erleuchtet der Heilige Geist unseren Verstand, „denn all unser Wissen kommt von Ihm“. Das wirft ein erschreckendes Licht auf die moderne, weitgehend gottlose sog. Wissenschaft. Hingegen sagt der Heiland selbst: „Der Heilige Geist, den euch der Vater in Meinem Namen senden wird, Er wird euch alles weitere lehren“ (Joh 14,26). Doch die Erleuchtung des Verstandes allein genügt noch nicht. Wir haben oben schon gehört, daß eine Erkenntnis ohne Ausführung tot ist. Darum tut der Heilige Geist drittens noch ein weiteres: „Er hilft und drängt uns gewissermaßen zur Befolgung der Gebote; denn keiner kann die Gebote befolgen, wenn er Gott nicht liebt. Der Heilige Geist aber bewirkt, daß wir Gott lieben, und hilft uns daher.“ „Die Erfüllung des Gesetzes ist die Liebe“, sagt der heilige Paulus (Rö 13,10).
Das Pfingstfest des Alten Bundes war auch ein Fest zur Erinnerung an die Gesetzgebung am Berge Sinai. Das Pfingstfest des Neuen Bundes ist deren Erfüllung: „Und ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres geben; und ich werde das steinerne Herz aus eurem Leibe wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Und ich werde meinen Geist in euer Inneres geben; und ich werde machen, daß ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechte bewahret und tut“ (Ez 36,26f).
Viertens stärkt der Heilige Geist „die Hoffnung auf das ewige Leben; denn Er ist das Unterpfand jener Erbschaft“. So sagt der heilige Paulus: „Ihr seid besiegelt durch den verheißenen Heiligen Geist, der das Angeld unserer Erbschaft ist“ (Eph 1,13). Der heilige Thomas: „Er ist gleichsam das Angeld des ewigen Lebens: der Mensch gewinnt nur Anrecht auf das ewige Leben, soweit er ein Kind Gottes wird, und dies geschieht, indem er Christus ähnlich wird. Christus ähnlich wird man aber dadurch, daß man den Geist Christi hat, und dies ist der Heilige Geist.“ Dazu wieder der heilige Paulus: „Ihr seid Kinder Gottes – sandte doch Gott den Geist Seines Sohnes in unsere Herzen, der da ruft: Abba – Vater!“ (Gal 4,6).
Fünftens endlich rät uns der Heilige Geist „in Zweifeln und lehrt uns, was Gottes Wille ist“. Er ist eben wahrhaft unser Tröster und Beistand. Wir dürfen hinzufügen, was der heilige Ludwig Maria uns lehrt über die wahre Andacht zur allerseligsten Jungfrau: „Man soll seine Handlungen durch Maria verrichten, d.h. man soll der allerseligsten Jungfrau in allen Dingen gehorchen und sich von ihrem Geiste leiten lassen, welcher der Geist Gottes ist. 'Die, welche vom Geiste Gottes geleitet werden, sind Kinder Gottes', qui Spiritu Dei aguntur, ii sunt filii Dei (Röm 8,14). Diejenigen, welche vom Geiste Mariä geleitet werden, sind Kinder Mariä und folglich auch Kinder Gottes, wie wir gezeigt haben. Ja, unter so vielen Verehrern Mariä sind nur jene ihre wahren und treuen Verehrer, welche sich von ihrem Geiste leiten lassen. Der Geist Mariä aber ist der Geist Gottes, weil Maria sich nie von ihrem eigenen Geiste, sondern immer vom Geiste Gottes leiten ließ, der so vollkommen in ihr herrschte, daß er ihr eigener Geist geworden war. Darum sagt der hl. Ambrosius: 'Die Seele Mariä soll in jedem sein, um den Herrn zu verherrlichen, und der Geist Mariä soll in jedem sein, um sich in Gott zu erfreuen.' Glückselig jene, die … ganz vom Geiste Mariä in Besitz genommen und beherrscht werden; denn es ist ein sanfter und starker, eifriger und kluger, demütiger und mutiger, reiner und tiefer Geist.“