1. Ein „Internet-Gerücht“ hat wieder für einigen Wirbel in „Traditionalisten“-Kreisen gesorgt: Papst Franziskus habe irgendwann in den vergangenen Monaten den Generaloberen der „Piusbruderschaft“, Mgr. Fellay, im Vatikan empfangen. Der Blog „Rorate Coeli“ war offensichtlich der erste, der dieses Gerücht streute. „I.Media“ wußte daraufhin gleich noch Genaueres zu berichten. Demnach habe sich der „Pius-General“ zusammen mit seinen beiden „Assistenten“ vor einigen Monaten zu einem Treffen mit der Glaubenskongregation in den Vatikan begeben. Die beiden „Assistenten“ hätten einer Privatmesse des Papstes beigewohnt (ohne freilich zu konzelebrieren, wie eigens betont), bei einem anschließenden Mittagessen im Speisesaal des Gästehauses St. Martha, in welchem bekanntlich auch Franziskus residiert und speist, sei es zu einer kurzen Begegnung zwischen dem Papst und Mgr. Fellay gekommen.
2. Während die hochwürdigen und hochwürdigsten Herren der „Piusbruderschaft“ gewöhnlich gar nicht reagieren oder solche Dinge einfach mit dem Hinweis auf „Internet-Gerüchte“ abtun, folgte diesmal auffallenderweise umgehend ein offizielles Dementi des „Pius“-Generalhauses, das sogleich von „DICI“ und den regionalen Webseiten der verschiedenen „Pius“-Distrikte verbreitet wurde. Darin wurde vor allem darauf hingewiesen, daß die Herren „Assistenten“ des Generaloberen keineswegs an einer Papstmesse teilgenommen hätten (wieso eigentlich nicht?). Ferner habe sich die ganze Angelegenheit folgendermaßen zugetragen: „Am 13. Dezember 2013 begab sich Mgr. Fellay mit seinen beiden Assistenten auf Anfrage der Kommission Ecclesia Dei für ein informelles Treffen nach Rom. Am Ende dieser Unterredung lud Erzbischof Guido Pozzo, Sekretär der Kommission, die Gesprächsteilnehmer zum Mittagessen in das Gästehaus Santa Marta ein, wo sich ihnen Bischof Augustine Di Noia, der beigeordnete Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre, beigesellte.“ Da in diesem „großräumigen Refektorium“ zufällig auch der Papst seine Mahlzeiten einzunehmen pflege und Erzbischof Pozzo darauf gedrängt habe, sei es zu einer kurzen Begegnung zwischen Mgr. Fellay und Franziskus am Ausgang des Speisesaales gekommen, bei dem nur einige Höflichkeiten ausgetauscht wurden, was lediglich „einige Sekunden“ in Anspruch nahm.
Die Stellungnahme wiederholt die Worte Seiner Exzellenz Fellay aus einem Interview mit der Zeitschrift Le Rocher c'est le Christ: „Es gibt eine 'inoffizielle' Annäherung Roms, um mit uns Kontakt aufzunehmen und damit hat es sich. Ich habe nicht um eine Audienz ersucht, wie ich es nach der Wahl Papst Benedikt XVI. machen konnte. Zur Zeit liegen für mich die Dinge sehr einfach: wir bleiben, wie wir sind. Gewisse Leute wollten aus den näheren Kontakten mit Rom im Jahre 2012 schliessen, dass ich die Notwendigkeit einer kanonischen Anerkennung als höchstes Prinzip erachte. Die Bewahrung des Glaubens und unserer katholischen traditionellen Identität ist aber erstrangig und bleibt unser erstes Prinzip.“
Ein Treffen zwischen dem gesamten „Generalrat“ der „Piusbruderschaft“ und beiden Sekretären der Kommission „Ecclesia Dei“ samt kurzer Papst-Begrüßung als „informell“ und „'inoffizielle' Annäherung Roms“ zu bezeichnen, scheint uns gelinde gesagt ein „Understatement“. Im übrigen erinnert uns die Begebenheit an jenes kurze Treffen zwischen dem Generaloberen und Papst Wojtyla im Jahr 2000, das ebenfalls erst im nachhinein aufgrund von „Gerüchten“ zugegeben wurde und den Auftakt zu jenem „Prozeß der Annäherung und Verständigung“ (P. Frey) mit dem „konziliaren Rom“ bildete, der 2012 um ein Haar ans Ziel gelangt wäre.
3. Warum wundert uns das Ganze nicht? Erstens, weil es nie die mindesten Anzeichen gab, daß die Führung der „Piusbruderschaft“ ihr Ziel eines Aufgehens in der „konziliaren Kirche“ aufgegeben hätte, ganz im Gegenteil; zweitens, weil der „Rosenkranz-Kreuzzugs-Aufruf“ des Hochwürdigsten „Pius“-Generals vom Dezember vorigen Jahres – wie es der Zufall will also gerade um die Zeit der jüngsten vatikanischen Begebenheit – jeden hellhörig machen mußte, der die Geschichte dieser „Pius-Kreuzzüge“ kennt. Ein solcher „Kreuzzug“ wurde jeweils ausgerufen, wenn ein konkreter politisch-taktischer Schachzug bevorstand, dessen Ergebnis bereits so gut wie sicher war, um dieses den einfältigen Gläubigen als durch eifriges Rosenkranzgebet erlangtes Wunder zu präsentieren. So ließ man etwa das brave Volk für die „Freigabe der alten Messe“ beten, als man bereits sehr präzise wußte, was im bevorstehenden „Motu proprio“ Papst Ratzingers stehen würde, man ließ sie um „Aufhebung der Exkommunikation“ in besonderer Eile beten, als das betreffende Dekret bereits auf dem Schreibtisch des Papstes lag. Jedesmal traf das Ergebnis – welch Wunder! – prompt ein. So rief man denn zum größten aller „Kreuzzüge“ auf, diesmal in zwei Zügen zu je 12 Millionen Rosenkränzen und mit dem „Triumph des Unbefleckten Herzens“ als Motto, welcher nach Planung der Generalität im Sommer 2012 hätte eintreffen müssen. Irgendetwas ging damals schief.
Daher nimmt man nun einen neuen Anlauf und hat die „Intention“ etwas genauer gefaßt, nämlich betet man nun um die „Rückkehr der Tradition in die Kirche“. Das aber bedeutet, wie wir bereits festgestellt haben (Rückkehr der Tradition?), nach dem Sprachgebrauch des hochwürdigsten Herrn Generaloberen nichts anderes als den Anschluß der „Piusbruderschaft“ an das „konziliare Rom“. Dieser steht uns demnach in Bälde, wohl noch diesen Sommer, ins Haus. Was ist vor diesem Hintergrund von den piusbruderschaftlichen Dementis zu halten?
4. Man muß dazu wissen, daß die Oberen der „Piusbruderschaft“ und allen voran ihr Generaloberer das benutzen, was wir „Politiker-Sprech“ nennen. Nehmen wir etwa seine Ausflüchte und Windungen in o.g. Interview mit „Le Rocher“, als es um jene berüchtigte Intention der „Rückkehr der Tradition in die Kirche“ geht. Dreimal spricht ihn der Interviewer auf diese zumindest mißverständliche Formulierung an, und dreimal bekommt er praktisch keine Antwort. Das erste Mal sagt uns der Generalobere nur, was er alles „nicht gesagt“ hat, das zweite Mal beruft er sich auf den gewöhnlichen Sprachgebrauch, als ob die „Rückkehr der Tradition in die Kirche“ eine ebenso selbstverständliche Redewendung wäre wie der „Aufgang der Sonne“ oder die „Wiederkehr des Frühjahres“, das dritte Mal erzählt er uns etwas von Analogie und was „Tradition“ alles bedeuten kann – aber was er wirklich gesagt hat, was bei ihm „Tradition“ nun tatsächlich bedeutet, was also seine Rede sagen wollte und sollte, das sagt er uns nicht.
Ein aufmerksamer Beobachter stellt in einem englischsprachigen Internet-Forum einige Widersprüche bei den Aussagen Mgr. Fellays fest:
1. Er erzählt seit 2012 jedem, daß er nicht mehr für ein Abkommen oder eine Wiedervereinigung mit dem modernistischen Rom arbeitet, während die Bestätigung dieses Treffens mit zwei wichtigen Mitgliedern der Kommission Ecclesia Dei (Bischöfe Di Noia und Pozzo) das Gegenteil nahelegt.
2. Er will uns weismachen, daß sein Treffen mit Papst Franziskus am Ende desselben Treffens gewissermaßen „zufällig“ gewesen ist! Er geht zum Essen an demselben Ort, wo der Papst jeden Tag ißt, und man erwartet nicht, ihn zu treffen... Ist er nur hingegangen, um Spaghetti und einen Capuccino zu bestellen?
3. Er behauptet, das Treffen mit der Kommission Ecclesia Dei war rein „informell“. Worüber haben sie gesprochen? Vielleicht über die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien diesen Juni...?
4. Er sagte in einem Interview mit Le Rocher (April-Mai 2014): „Es gibt eine 'inoffizielle' Annäherung Roms, um mit uns Kontakt aufzunehmen und damit hat es sich.“ „Inoffiziell“? „Damit hat es sich“? Die drei wichtigsten Oberen der FSSPX treffen die zweit- und drittwichtigsten Mitglieder der Kommission Ecclesia Dei, und das ist „inoffiziell“?
5. Bei einem Vortrag, den Mgr. Fellay unlängst in Narbonne hielt (11. Mai), bestätigte er, daß „der Vertreter der Bruderschaft mit dem Papst ein Treffen hatte“, was ebenfalls bestätigt, daß die Gespräche der FSSPX mit Rom auf einer sehr hohen Ebene weitergehen! Der kanonische Berater (P. Ramon Angles) von Bischof Fellay trifft den Papst, und das ist „inoffiziell“?
Das eben ist der „Politiker-Sprech“. Man darf das alles nicht so ernst nehmen. Wie ein Politiker einmal sagte: „Was bekümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ Man beachte auch, daß die im „Dementi“ zitierte Passage aus dem „General“-Interview keineswegs abstreitet, daß er weiterhin an einer Einigung mit dem „konziliaren Rom“ arbeitet. Er behauptet lediglich, daß er „die Notwendigkeit einer kanonischen Anerkennung“ nicht „als höchstes Prinzip“ erachtet. Und sein „wir bleiben, wie wir sind“ ist zumindest mehrdeutig. Wir jedenfalls hatten ohnehin keine Hoffnung, daß sich die Oberen der „Piusbruderschaft“ ändern würden.
Unser Beobachter auf dem Blog stellt fest: „All diese Informationen wurden bekannt allein deswegen, weil sie im Internet veröffentlicht wurden. Sonst hätten die Mitglieder und Gläubigen der Bruderschaft nie erfahren, was zwischen der Neo-FSSPX und dem modernistischen Rom vorgeht. Wir fürchten daher, daß es noch viel mehr Informationen gibt, die von Mgr. Fellay über seine aktuellen Kontakte mit Rom verborgen gehalten werden.“ Wie es eben seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten schon so üblich ist.
5. Es soll trotzdem noch Leute geben, die der Führung der „Piusbruderschaft“ vertrauen. Solchen ist ebensowenig zu helfen wie den Wählern, die immer noch an die Wahlversprechen der Politiker glauben. Wir erinnern uns an eine Wahl in Deutschland, als eine der Parteien im Wahlkampf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 oder 2 Prozent forderte, während eine andere Partei steif und fest behauptete, bei ihr werde es keine Erhöhung der Mehrwertsteuer geben. Beide Parteien wurden gewählt und bildeten gemeinsam eine Regierung, welche die Mehrwertsteuer um 3 Prozent heraufsetzte. Das ist Politiker-Mathematik: 1 oder 2 plus 0 ergibt 3. Oder auch: 1 oder 2 mal 0 ergibt ebenfalls 3. Hier bewährt sich einmal mehr das Sprichwort: „Die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.“