Das Geheimnis Mariä

Vielleicht fällt es Ihnen auch immer mehr auf, daß von vielen Traditionalisten selbst angesichts dieser kaum noch faßbaren geistigen Verwirrung in fast allen Bereichen des Lebens selbst schwersten Irrtümern oft nur Allgemeinplätze entgegengehalten werden – d.h. die eigentlich brennenden Themen werden nicht einmal mehr berührt. Vielmehr begnügt man sich allenthalben mit floskelartigen, fromm klingenden Redewendungen, die an die Stelle der sachlichen Auseinandersetzung getreten sind. Daß dadurch der eigentliche Ernst der Situation vollkommen verkannt wird und infolgedessen verloren geht, das fällt leider nur noch wenigen auf. Je nüchterner man dagegen versucht, die eigentlichen, entscheidenden, grundlegenden Irrtümer dieser modernen Zeit zu sichten, desto kindischer kommen einem solche Versuche vor. Wenn man etwa wieder einmal durch neueste Skandale der amtskirchlichen Würdenträger in Rom oder anderswo meint, sich moralisch entrüsten zu müssen, so übersieht man dabei letztlich ganz: solche Skandale sind immer nur die Folge des falschen, irrigen, ja antichristlichen Systems, das die neurömische „Kirche“ übernommen hat, und nicht deren Ursache. Solange man sich nur bei diesen Skandalen aufhält, aber deren Ursache nicht erkannt und bedacht hat, findet man natürlich auch nicht die rechte Lösung. Im Gegenteil, solch moralische Entrüstung lenkt nur vom Wesentlichen, Entscheidenden ab und führt letztlich zu nichts, wie einen ein unbefangener Blick auf die letzten Jahrzehnte leicht lehren könnte.

Die Verfinsterung der Kirche

Was ist nun der eigentliche, tiefste Grund für diesen heillosen Zustand der Welt? Oder gleich in die katholische Mitte hineingefragt: Was ist der tiefste, letzte Grund für das, was wir „Kirchenkrise“ nennen? Wir sind bei der Beantwortung dieser Frage nicht auf Vermutungen angewiesen, denn der Himmel hat uns die Antwort auf die Frage im Voraus schon gegeben, und zwar durch U. L. Frau von La Salette. In der sog. großen Botschaft heißt es:

„Im Jahre 1864 wird Luzifer mit einer großen Menge von Teufeln aus der Hölle losgelassen. Sie werden den Glauben allmählich auslöschen, selbst in Menschen, die Gott geweiht sind. Sie werden sie in einer Weise blind machen, daß diese Menschen, falls sie nicht eine besondere Gnade empfangen, den Geist dieser bösen Engel annehmen werden. Viele Ordenshäuser werden den Glauben völlig verlieren und viele Seelen mit ins Verderben ziehen. Schlechte Bücher wird es auf der Erde im Überfluß geben, und die Geister der Finsternis werden überall eine Kälte gegen alles ausbreiten, was den Dienst Gottes betrifft. Es wird Kirchen geben, in denen man diesen bösen Geistern dient. …
Der Stellvertreter meines Sohnes wird viel zu leiden haben, da die Kirche eine Zeitlang schweren Verfolgungen ausgesetzt sein wird. Das wird die Zeit der Finsternisse sein. Die Kirche wird eine schreckliche Krise durchmachen.“
Und noch weiter: „Zittert, Erde und ihr, die ihr Gelübde zum Dienste Jesu Christi abgelegt habt und die ihr innerlich euch selbst anbetet, zittert! Denn Gott geht daran, euch seinen Feinden zu überliefern, da die heiligen Orte in Verderbnis sind. Zahlreiche Klöster sind nicht mehr Häuser Gottes, sondern die Weiden des Asmodeus [des Teufels der Unkeuschheit] und der Seinen.“

Aufgrund dieser schwersten Anklagen gegen den Klerus wurde damals die große Botschaft von La Salette von vielen Priestern zurückgewiesen, ja sogar erbittert bekämpft. Wenn diese heute leben würden, würden sie sicher anders denken. Denn was hat die Welt nicht alles im Gefolge des Konzils an Verfall des Glaubens und Verderbnis der Sitten erlebt? Und wie sieht es denn heute mit dem Klerus aus? Sowohl, was die Sitten, und noch mehr, was den Glauben betrifft? Wenn die Gottesmutter sagt: „Sie werden sie in einer Weise blind machen, daß diese Menschen, falls sie nicht eine besondere Gnade empfangen, den Geist dieser bösen Engel annehmen werden“ – ist das noch eine Übertreibung angesichts des weltweiten Glaubensabfalls nicht nur des Volkes, sondern auch der Mehrheit der kirchlichen Würdenträger? Der Teufel hat seinen Krieg begonnen und er hat ganz planmäßig eine Bastion nach der anderen geschliffen. Warum ist ihm das so erstaunlich einfach gelungen? Weil die Katholiken nicht mehr wachsam waren und mehrheitlich die vielen Warnungen der Päpste vor dem Liberalismus und Modernismus in den Wind geschlagen haben.

Die weinende Gottesmutter fügt in ihrer großen Botschaft von La Salette noch die schreckliche und damals unvorstellbare Prophezeiung hinzu: „Die Kirche wird verfinstert. – Rom wird den Glauben verlieren und der Sitz des Antichrists werden.“ Der Teufel wird also zunächst siegen! Und zwar wird er in einem viel weiteren Sinne und auch Umfang siegen als die Katholiken sich das je haben vorstellen können und wollen. Der Grund für diesen Sieg sind vor allem die Sünden des Klerus und der gottgeweihten Seelen. Deswegen weint Maria in La Salette…

Das Hindernis, das weggeräumt worden ist

Der Sieg des Teufels war von der göttlichen Vorsehung noch an eine Bedingung gebunden. Das Hindernis, von dem auch der hl. Paulus im zweiten Thessalonicherbrief (vgl. 2. Thess. 2,11f) spricht, mußte zuerst noch beseitigt werden. Das Hindernis für den Sieg des Teufels über die Heiligen war, wie viele Kirchenväter erklären, das christliche Königtum und das Papsttum. Das christliche Königtum hatte die Revolution bis 1918 endgültig beseitigt.

Das Papsttum wurde ebenfalls vermehrt und immer heftiger angegriffen, konnte jedoch durch die Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit 1870 noch einmal gegen den um sich greifenden Rationalismus und Naturalismus verteidigt werden. Aber die Feinde ruhten nicht. Sie versuchten nunmehr, einen ihres Geistes auf den Stuhl Petri erheben zu lassen. In diesem gewaltigen Ringen gegen die Synagoge Satans hat Gott die Päpste schließlich einer letzten großen Prüfung unterzogen. Die Gottesmutter hatte in Fatima die Andacht zu ihrem Unbefleckten Herzen gefordert. Sie nennt diese Andacht das „letzte Heilmittel“, das Gott dieser Welt gegeben hat. Damit bringt sie unmißverständlich zum Ausdruck, es geht nun wirklich um alles, denn die Entscheidungsschlacht zwischen ihr und ihrem Anhang sowie der Schlange und deren Anhang steht bevor, wie dies auch Sr. Lucia in ihrem Gespräch mit P. Fuentes vom 26. Dezember 1957 betont. Maria gibt auch die entsprechenden Mittel an, wie diese Schlacht zu führen und zu gewinnen ist. Diese Mittel sind der Rosenkranz und die Andacht zu ihrem Unbefleckten Herzen, die unschwer mit der wahren Andacht zu Maria in Verbindung gebracht werden kann, wie sie der hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort lehrt.

Diese Andacht zu ihrem Unbefleckten Herzen umfaßt zwei Bereiche:

Sie wendet sich einerseits persönlich an jeden Katholiken, denn Maria fordert die von allen zu übende Sühneandacht, deren einfachste Form Unsere Liebe Frau am 10. Dezember 1925 in Pontevedra der Seherin Lucia offenbarte und mit einer Verheißung bekräftigte: „Bemühe wenigstens du dich, mich zu trösten, und teile mit, daß ich verspreche, all jenen in der Todesstunde mit allen Gnaden, die für das Heil dieser Seelen notwendig sind, beizustehen, die fünf Monate lang jeweils am ersten Samstag beichten, die heilige Kommunion empfangen, einen Rosenkranz beten und mir während 15 Minuten durch Betrachtung der 15 Rosenkranzgeheimnisse Gesellschaft leisten in der Absicht, mir dadurch Sühne zu leisten.“

Anderseits wendet sich die Gottesmutter aber auch besonders an den Papst und alle Bischöfe der Weltkirche, indem sie von ihnen einen ganz besonderen Akt des Glaubens und des übernatürlichen Vertrauens in ihre fürbittende Allmacht verlangt, wie Unsere Liebe Frau Schwester Lucia am 13. Juni 1929 in Tuy, Spanien, mitteilte: „Es ist der Augenblick gekommen, in dem Gott den Heiligen Vater auffordert, in Vereinigung mit allen Bischöfen der Welt die Weihe Rußlands an mein Unbeflecktes Herz zu vollziehen. Er verspricht, sie durch dieses Mittel zu retten.“ Maria bringt mit dieser Forderung zum Ausdruck, daß alle natürlichen Mittel in diesem endzeitlichen Kampf unzureichend sind und deswegen sicher versagen müssen. Es gibt deswegen nur noch ein einziges, übernatürliches, vom Himmel gewährtes und gefordertes Mittel, um die Katastrophe zu verhindern. Dieses letzte Mittel ist ein vollkommener Akt des Glaubens der Kirche, der öffentlich zu leisten ist von ihren verantwortlichen Vertretern (also dem Papst und den Bischöfen, welche die Jurisdiktion über die Kirche inne haben, also die von Gott gegebene Rechtsvollmacht, die Kirche zu leiten). Dieser vollkommene Akt des Glaubens ist die Weihe Rußlands an das Unbefleckte Herz Mariens. Mit dieser Weihe zeigen der Papst und die Bischöfe vor der ganzen Welt, daß sie dem Unbefleckten Herzen Mariens zutrauen, die Feinde der Kirche und des Glaubens zu besiegen.

Wie erschütternd ist die Tatsache, der Papst und die Bischöfe haben nicht auf die Bitten der allerseligsten Jungfrau gehört, sie haben diese Weihe nicht vollzogen! Als unmittelbare Folge dieses verweigerten Glaubensaktes trat das ein, was Maria prophezeit hatte: Es kam ein weiterer, noch schlimmerer Krieg, und Rußland ging daran, seine Irrlehren in der ganzen Welt zu verbreiten. Das war jedoch nur der weltliche Teil der Katastrophe. Durch den 2. Weltkrieg wurde Europa nicht nur politisch neu geordnet, es wurde zudem im Untergrund der Modernismus weiter vorangetrieben und sehr bald nach dem Weltkrieg wurden die Weichen für das 2. Vatikanum gestellt.

Doch müssen wir nochmals kurz zurückschauen, um richtig verstehen zu können, welche weiteren furchtbaren Folgen die Weigerung der Päpste und Bischöfe für die Kirche hatte. Wie wir gesehen haben, hat Maria, die Schlangenzertreterin, alles versucht, den Zusammenbruch noch einmal zu verhindern. Schwester Lucia hatte „Mariens Wunsch, die Weihe Rußlands an das Unbefleckte Herz Mariens jetzt vorzunehmen“, sogleich „ihrem Beichtvater Francisco Rodriguez S.J.“ mitgeteilt, „der ihn nach Rücksprache mit dem Bischof von Leiria nach Rom weiterleitete“.„Als der damalige Heilige Vater Pius XI. aber bis zum Jahre 1931 mehrere auffallend günstige Gelegenheiten, diese Weihe zu vollziehen, verstreichen läßt – darunter z.B. das 1500-jährige Jubiläum des ‘marianischen’ Konzils von Ephesus von 431, da erhält Schwester Lucia im August 1931 in Rianjo, einer kleinen portugiesischen Küstenstadt nahe Pontevedra, die erschreckende Mitteilung, daß das Papsttum gleich den Bourbonen untergehen wird, da es sich geweigert habe, Rußland zu weihen. So wie letztere sich in der Gestalt Ludwigs XIV. 1689 geweigert hatten, ihr Land auf den Hinweis der hl. Margareta Maria Alacoque hin dem Heiligsten Herzen Jesu zu weihen – und einhundert Jahre später ihres Thrones verlustig gingen – , so würde auch das Papsttum aufgrund seiner Weigerung, Rußland dem Unbefleckten Herzen zu weihen, untergehen“ (aus: „Petrus und die Herodianer“ von Helmut Waldmann; vgl. Ferdinand Baumann SJ, Fatima und die Rettung der Welt).

Man kann es kaum fassen, die Päpste und die Bischöfe der Welt haben ihre himmlische Glaubensprobe nicht bestanden! Sie versagten Gott – genauso wie damals Ludwig XIV. 1689 – diesen reinen und übernatürlichen Glauben, wohl vor allem aufgrund diplomatischer Rücksichten. Sie wählten die natürlichen Mittel der weltlichen Klugheit, anstatt das von Gott geforderte übernatürliche Mittel des Vertrauens auf das Unbefleckte Herz Mariens anzuwenden! Gott hat Seinerseits die Konsequenzen aus dieser unfaßbaren Glaubensverweigerung gezogen – und wir stehen sprachlos vor der Erfüllung der furchtbaren Prophezeiung von La Salette: „Die Kirche wird verfinstert. – Rom wird den Glauben verlieren.“

Diese Möglichkeit der Verfinsterung der Kirche wollen viele deswegen nicht sehen und ernst nehmen, weil ihnen diese mit dem Dogma von der Sichtbarkeit der Kirche in Widerspruch zu stehen scheint. In der Zeitschrift „Cahiers de Cassiciacum“ wurde schon vor Jahren sowohl die Schriftgemäßheit als auch die theologisch-spekulative Möglichkeit eines weitgehenden, ja fast vollständigen zeitweiligen Ausfalls der Sichtbarkeit der kirchlichen Hierarchie und damit der Kirche selbst wie folgt dargelegt: „Auf der einen Seite fragt der Herr in der Tat, ob der Glaube in dieser Epoche bestehen bleiben werde (Lk 18,8); auf der anderen Seite kündigt der Prophet Daniel an, daß das immerwährende Opfer – das heilige Meßopfer gemäß der allgemeinen und sich im übrigen aufdrängenden Auslegung – zur Zeit des Antichristen abgeschafft werden werde (Dan 12,11). Solche Bedingungen entsprechen exakt einer Verdunkelung des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und mithin des Lehramts, das normalerweise für das eine wie für das andere Sorge trägt. Diese Abwesenheit des Lehramts wird durch die Tatsache bestätigt, daß die Auserwählten Gefahr laufen werden, durch die falschen Propheten irregeführt zu werden (Mt 24,24). Wäre diese Gefahr möglich für die Auserwählten, wenn das Lehramt da wäre, um sie zu leiten? – Diese in den Tatsachen offenbar werdende Möglichkeit von ‚Verfinsterungen‘ stimmt perfekt mit der katholischen Lehre von der Kirche überein“ („Cahiers de Cassiciacum“ Nr. 3-4, Februar-Mai 1980, 167).

Fassen wir also nochmals zusammen: Rom hat den Glauben verloren und die Kirche ist verfinstert worden. Wir sollten durchaus nicht leichtfertig vergessen, ehe Rom im Sumpf des jeglichen übernatürlichen und natürlichen Glauben zerstörenden Modernismus versunken ist, hatte es den übernatürlichen Glauben an die göttliche Hilfe schon verloren gehabt, den Glauben an den sieghaften Triumph des unbefleckten Herzens Mariens über die Irrtümer des atheistischen dialektischen Materialismus Rußlands! Nur dieses ungläubige Rom konnte nach der Neuausrichtung der vatikanischen Ostpolitik mit diesem Todfeind kooperieren und schließlich den Götzen der ganzen Welt nachlaufen und dienen.

Dieses „neue“ Rom ist natürlich nicht mehr die Säule und Grundfeste der Wahrheit, sondern es ist Teil der mit dem 2. Vatikanum neu errichteten Menschenmachwerkskirche, die nicht mehr die göttliche Wahrheit lehrt, sondern die Irrtümer der liberalen, freimaurerischen, antichristlichen Welt verbreitet.

Die unmittelbaren Folgen der papstlosen Zeit

Jeder Katholik muß sich heute dieser Tatsache nüchtern stellen. Nur wenn er dazu bereit ist, wird er auch verstehen können, was in diesen letzten Jahrzehnten mit der Kirche geschehen ist. Die papstlose Zeit zieht nämlich unmittelbar ihre ganz besonderen Gefahren und Prüfungen nach sich! Der Katholik muß sich heute in einer Situation zurechtfinden, die für ihn ganz untypisch und ungewohnt ist. Was ändert sich eigentlich für den Katholiken, wenn es keinen legitimen Papst mehr gibt?

Der hl. Pius X. schreibt in seinem Katechismus: „In diesem Gehorsam gegenüber der höchsten Autorität der Kirche und des Papstes, die uns die Glaubenswahrheiten vorlegt, und die Kirchengesetze auferlegt und uns all das, was zu ihrer guten Leitung notwendig ist, anordnet, in dieser Autorität liegt die Richtschnur unseres Glaubens“ (Römischer Katechismus, Kleine Geschichte der Religion. Zitiert nach Catéchisme de St. Pie X, Itinéraires n. 143 Mai 1970, éd. DMM 1978, S. 354).

Der Katholik hat normalerweise eine lebendige Glaubensnorm, das sog. ordentliche Lehramt, das ihm täglich den Glauben verkündet. Und nur und ausschließlich „In diesem Gehorsam gegenüber der höchsten Autorität der Kirche und des Papstes, die uns die Glaubenswahrheiten vorlegt, und die Kirchengesetze auferlegt und uns all das, was zu ihrer guten Leitung notwendig ist, anordnet, in dieser Autorität liegt die Richtschnur unseres Glaubens.“ Ganz in diesem Sinne konnte Pius IX. ganz zurecht sagen: „Ich bin die Tradition.“ Das lebendige Lehramt allein ist die authentische Interpretation der Tradition. Ohne diese nächste Norm des Glaubens, wie man sagt, wäre der Katholik auf sich und sein eigenes unsicheres, fehlbares Urteil verwiesen.

Bei einer anderen Gelegenheit betonte Pius X. nochmals: „Das erste und bedeutsamste Kriterium des Glaubens, die oberste und unerschütterliche Richtschnur der Rechtgläubigkeit ist der Gehorsam gegenüber dem immerzu lebendigen und unfehlbaren Lehramt der Kirche, die von Christus als ‚columna et firmamentum veritatis‘, als ‚Säule und Grundfeste der Wahrheit‘ eingerichtet wurde“ (Ansprache „Con vera soddisfazione“ an Studenten, am 10. Mai 1909, EPS/E n.716).

Durch den Gehorsam „dem immerzu lebendigen und unfehlbaren Lehramt der Kirche, die von Christus als ‚columna et firmamentum veritatis‘, als ‚Säule und Grundfeste der Wahrheit‘ eingerichtet wurde“ gegenüber erhält der Katholik seinen Glauben und daraus allein folgt auch seine unerschütterliche Glaubenssicherheit. Keine andere Autorität innerhalb der Kirche oder außerhalb hat von Gott diese Verheißung des beständigen Beistandes des Heiligen Geistes erhalten und kann deswegen jemals ‚Säule und Grundfeste der Wahrheit‘ sein. „...Könnte derart also die Kirche, die doch die Säule und Grundfeste der Wahrheit ist und die offenkundig ohne Unterlaß vom Hl. Geist die Unterweisung in der ganzen Wahrheit empfängt, etwas anordnen, genehmigen oder erlauben, was zum Schaden des Seelenheils und zur Verachtung oder zum Schaden eines von Christus eingesetzten Sakramentes ausschlüge?“ So fragt Gregor XVI. in seiner Enzyklika „Quo graviora” vom 4. Oktober 1833 an die Bischöfe der Rheinprovinz (EPS/L n. 135-136, S. 110). Die Antwort auf diese rhetorische Frage ist natürlich ganz klar: Nein! Die Kirche kann niemals etwas anordnen, genehmigen oder erlauben, was zum Schaden des Seelenheils und zur Verachtung oder zum Schaden eines von Christus eingesetzten Sakramentes ausschlüge, weil sie durch den ständigen Beistand der Heiligen Geistes davor bewahrt wird.

Liest man diese Aussagen der Päpste aufmerksam und schaut man sodann auf das modernistische Rom, so kann und muß jeder Katholik feststellen: Diese nächste Norm unseres Glaubens haben wir verloren, denn ein im Modernismus gefangenes theologisches System kann niemals die Wahrheit lehren. Durch die vielfältigen Häresien haben die Päpste ihr Amt verloren. Es gibt deswegen zur Zeit keinen legitimen Inhaber des Stuhles Petri mehr. Die Katholiken sind von Gott für die Glaubensverweigerung der Päpste schwer bestraft worden, das sichtbare Wesen der Kirche ist verfinstert worden.

Signum Magnum

Sobald man erkennt, daß der eigentliche Grund unserer furchtbaren Not – und mit uns sind die Katholiken gemeint – im Fehlen des kirchlichen Lehramtes besteht, verschiebt sich die wesentliche Sorge auf eine ganz andere Ebene. Die entscheidende Frage ist doch sodann für jeden Katholiken die: Wie kann ich mich in der papst- und kaiserlosen Zeit noch zurechtfinden? Wie und wo finde ich inmitten der „Verfinsterung der Kirche“ täglich den notwendigen Halt für meinen Glauben? Wie und wo finde ich die notwendige Orientierung in meinen Entscheidungen? Gibt es für den Katholiken irgendeinen Ersatz für das fehlende Lehramt? Eines ist sicher: Ein solcher Ersatz können keine wie auch immer gearteten Pseudohierarchien oder Pseudoautoritäten sein, wie manche es sich hartnäckig einbilden. Daß solcherart Lösungen nur zu weiteren, womöglich noch schwerwiegenderen Verirrungen führen können, sollte eigentlich allmählich jedem noch einigermaßen wachen Katholiken aufdämmern.

Was ist also zu tun? Da doch Gott in Seiner Vorsehung immer das Beste für Seine Kinder anordnet und fügt, so hat er sicherlich auch für diese außerordentlich schwierige Zeit ein Mittel ersonnen, das uns dennoch befähigt, dieses geistige Chaos einigermaßen Heil zu überstehen.

Forscht man ein wenig nach, so stößt man auch wirklich auf ein Thema, das uns eine Antwort auf unsere Frage gibt. Der Himmel selbst verweist uns mit Beginn des 19. Jahrhundert immer eindringlicher auf Maria. Maria ist nach der Geheimen Offenbarung des hl. Apostels Johannes das „große Zeichen“, das am Ende der Zeiten am Himmel erscheint. Dieses große Zeichen am Himmel wurde auch durchaus von den Päpsten wahrgenommen und mehr und mehr in den Mittelpunkt des katholischen Lebens gerückt. In dem Artikel Signum magnum apparuit wird dieses Thema ausgiebig behandelt. Hier müssen wir es übergehen, denn wir wollen letztlich auf etwas anderes aufmerksam machen.

Die Vollkommene Hingabe an Maria

Es findet sich im ersten Teil des erwähnten Artikels ein Kapitel über den Propheten Mariens, den hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort (1673 bis 1716). Dieser ist der Verfasser der kleinen Schrift „Das Geheimnis Mariä“, die als eine wahre Perle unter den Schriften über die Marienverehrung gilt. Dieser zur Seite steht vom selben Autor geschrieben die „Abhandlung über die Wahre Andacht zur Maria“, die man gewissermaßen als größere Schwester der ersten Schrift bezeichnen kann. Der hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort gibt in diesen beiden Schriften nicht nur eine allgemeine Anleitung zur wahren Marienverehrung, sondern er spricht darüber hinaus von der Vollkommenen Hingabe an Maria und erklärt ihren Sinn, ihre Bedeutung und ihren außerordentlichen Wert. Dabei kommt in seinen Abhandlungen auch zum Ausdruck, daß diese vollkommene Hingabe an Maria für die Apostel der letzten Zeiten das charakteristische Merkmal sein wird.

„Diese großen Seelen, voll Gnade und Eifer, sollen sich den Feinden Gottes entgegenstellen, die sich von allen Seiten mit Ingrimm erheben werden. Sie werden in ganz besonderer Weise der allerseligsten Jungfrau ergeben sein, durchstrahlt von ihrem Lichte, genährt mit ihrer Milch, geführt von ihrem Geiste, gestützt auf ihren Arm und geborgen unter ihrem Schutzmantel. Mit der einen Hand werden sie die Häretiker mit ihren Häresien, die Schismatiker mit ihren Schismen, die Götzendiener mit ihrer Abgötterei und die Sünder mit ihren Gottlosigkeiten bekämpfen, niederwerfen und ausrotten. Mit der anderen Hand werden sie den wahren Tempel Salomons und die geistige Stadt Gottes aufbauen, d.h. sie werden die Verehrung der allerseligsten Jungfrau ausbreiten … Sie werden die ganze Welt durch Wort und Beispiel zur wahren Andacht zu Maria anleiten, was ihnen zwar viele Feinde zuziehen, aber auch viele Siege und großen Ruhm beim Allerhöchsten bereiten wird.“

Aufgabe Mariens in der Endzeit

Es ist recht erstaunlich, daß in all den Jahren der Kirchenkrise zwar vielfach von dieser besonderen Andacht zu Maria gesprochen wurde und wohl auch da und dort noch gesprochen wird, jedoch die eigentliche Bedeutung für die jetzige Zeit nicht erarbeitet, entsprechend hervorgehoben und treu geübt wurde. Denn wir leben doch zweifelsohne in der Zeit, von der Ludwig Maria Grignion de Montfort spricht. Wir sind somit direkt dazu aufgerufen, uns Maria zuzuwenden, ja sie als unsere Herrin zu erwählen und uns ihr innigst anzuschließen und ihr anzubieten, ihr als Knecht oder Magd ganz zu dienen.

Dabei ist die vollkommene Hingabe an Maria nicht einfach nur wieder eine weitere Form der Marienverehrung. Sie ist vielmehr das vom Himmel gewährte Hilfsmittel für die letzten Zeiten, welche ein wahres „Marianisches Zeitalter“ werden sollen. Maria ist uns von Gott für diese letzte Zeit mit ihren schweren Prüfungen in einer außerordentlichen Weise zugeeignet worden. „Besonders gegen das Ende der Welt, und zwar schon bald, wird Maria auf Erden mit einem Eifer verehrt werden, wie nie zuvor“, so schreibt der hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort in seiner „Abhandlung von der Wahren Andacht zur allerseligsten Jungfrau Maria“. Denn „gerade für die letzten Zeiten hat Gott beschlossen, im Verein mit seiner heiligen Mutter Heilige großzuziehen, welche die Mehrzahl der anderen Heiligen an Heiligkeit soweit übertreffen werden, als die Zedern des Libanon über das niedere Gesträuch emporragen“.

Maria rüstet ihre Kinder für die Endzeit, für jene Zeit, in der Satan von Gott die Macht erhält, Krieg zu führen gegen die Frau und ihre Kinder, wie wir es in der Geheimen Offenbarung lesen können: „Als der Drache sah, daß er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau, die den Knaben geboren hatte. Der Frau aber wurden die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie in die Wüste an ihren Ort fliege, wo sie, weg vom Angesicht der Schlange, eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit ernährt werden sollte. Die Schlange stieß aus ihrem Rachen der Frau einen Wasserstrom nach, damit sie von den Fluten fortgerissen werde. Aber die Erde kam der Frau zu Hilfe: Die Erde öffnete ihren Schlund und verschlang den Fluß, den der Drache aus seinem Maul geschleudert hatte. Da geriet der Drache in Zorn über die Frau und ging hin, um Krieg zu führen mit den übrigen ihrer Nachkommenschaft, die Gottes Gebote beobachten und festhalten am Zeugnis von Jesus“ (Offb. 12,13-17).

Der hl. Ludwig Maria schreibt dazu erklärend: „Schließlich soll Maria der Schrecken der Dämonen und ihres Anhanges werden, gleich einem in Schlachtordnung aufgestellten Heere, und zwar gerade in den letzten Zeiten, weil der Satan wohl weiß, daß ihm dann nur noch wenig Zeit zur Verfügung steht, um die Seelen zu verderben, und er daher seine feindlichen Anstrengungen und Angriffe von Tag zu Tag verdoppeln wird. Alle Kraft wird er zusammenfassen, um neue Verfolgungen gegen die Kirche heraufzubeschwören und besonders den treuen Dienern und wahren Kindern Mariä schreckliche Nachstellungen zu bereiten, weil er sie am wenigsten zu überwinden vermag.“

Maria Urbild der Kirche

Für uns Katholiken ist es ganz und gar entscheidend zu begreifen, Maria ist der Ersatz für die fehlende Hilfe durch die kirchliche Hierarchie. Sie allein bewahrt uns als Urbild der Kirche vor falschen Lösungen in dieser papstlosen Zeit. So ist etwa ihre Unbefleckte Reinheit das Urbild für die Kirche als makellose Braut Jesu Christi. Es sei hierzu an die Worte Matthias Josef Scheebens (1835—1888) aus seiner Abhandlung „Die Dogmen von der unbefleckten Empfängnis Mariä und der Unfehlbarkeit des Papstes als Manifestation der Übernatürlichkeit des Christentums“ erinnert:

„Eine mannigfache Verbindung und Wechselbeziehung besteht zwischen den beiden Dogmen (der unbefleckten Empfängnis Mariens und der Unfehlbarkeit des Papstes). Das erstere stellt uns vor Augen die unbedingte Makellosigkeit und übernatürliche Verklärung der ganzen Natur der seligen Jungfrau, welche als die Mutter des Sohnes Gottes, des neuen Adam, der voll der Gnade und Wahrheit unter uns erschien, des Hauptes der Kirche und des ‚Lehrers der Gerechtigkeit’, auch die Mutter aller Kinder Gottes, die neue Eva, die Mutter der Gnade und der Kirche, und darum der unentweihte ,Sitz der Weisheit’ und der makellose ‚Spiegel der Gerechtigkeit’ sein sollte. Die Unfehlbarkeit des Papstes aber zeigt uns die unbefleckte Reinheit und den übernatürlichen Glanz der Wahrheit der Cathedra des hl. Petrus, welche, weil ihr Inhaber zum Stellvertreter des Sohnes Gottes, zum sichtbaren Oberhaupte seiner Kirche und zum stetigen Organ seiner Wahrheit bestellt ist, als die ‚Mutter und Lehrerin aller Kirchen’ sich in ihrer Lehre, ebenso wie die selige Jungfrau in ihrem ganzen Leben, als unentweihten ,Sitz der Weisheit’ und den makellosen ‚Spiegel der Gerechtigkeit’ offenbaren, und als das Haupt der Kirche, der Braut Christi, in ihrer Lehre, durch welche sie die Glaubensreinheit des ganzen Volkes Gottes bewirkt, so beschaffen sein muß, wie der Apostel die Braut Christi selbst haben will: ‚ohne Makel und ohne Runzel oder etwas dergleichen‘ — und das aus demselben Grunde, aus welchem die Kirche in ihrem Priestertum, in welchem sie als Mutter und Spenderin der Gnade auftritt und im hochheiligen Altarsakramente ihr Haupt in geheimnisvoller Weise wiedergebiert, trotz aller Sünden und Mängel ihrer Diener ihren vom Hl. Geist befruchteten Schoß stets unbefleckt bewahrt.“

Eigentlich ist es evident, Gott wollte uns in dieser gefahrvollen Zeit ganz eng an Maria binden. Nicht nur irgendwie, nicht nur nebenbei, nicht nur als weitere Andachtsform, sondern unerschütterlich fest. Diesen Willen Gottes versteht man nur dann richtig und nimmt ihn entsprechend ernst, wenn man zu der Einsicht kommt, daß wir notwendig eine außerordentliche Hilfe brauchen, weil wir in dieser papstlosen Zeit der ordentlichen Mittel und Hilfen des kirchlichen Lehramtes beraubt sind. Nur demjenigen wird aber diese außerordentliche Hilfe zuteil werden, der auch das vom Himmel angebotene Mittel ergreift. Der Katholik muß sich also aus freien Stücken der unbefleckten Jungfrau und Gottesmutter Maria, derMittlerin aller Gnaden, vollkommen und rückhaltlos übergeben. Er muß ihr alles, was er ist und hat, als Eigentum übereignen, wie es der hl. Ludwig Maria in seiner Vollkommenen Hingabe fordert. Dann wird Maria ihrerseits die Verantwortung für ihn übernehmen und ihn durch das Dunkel dieser schweren Zeit führen.

Siegerin in allen Schlachten Gottes

Wir wissen, das „Marianische Zeitalter“ ist vor allem ein Zeitalter des Kampfes, denn ein erbitterter Kampf tobt zwischen den wahren Verehrern der allerseligsten Jungfrau Maria und den Feinden Gottes. Der Drache und das Weib sind die zwei Zeichen am Himmel für diese letzten Zeiten, die einander unversöhnlich entgegenstehen. In diesem Kampf geht es letztlich um die Herrschaft über die Seelen. Denn nicht nur das „Weib“ und die „Schlange“ stehen einander gegenüber, sondern auch ihr jeweiliger Anhang. Dementsprechend spricht der hl. Ignatius von Loyola in seinem Exerzitienbüchleinvon zwei Heeren, die gegeneinander kämpfen: „Gott hat aber nicht nur Feindschaft gestiftet zwischen Maria und dem Teufel. Gott hat auch Haß und Zwietracht gesät zwischen den wahren Kindern und Dienern Mariä und den Sklaven Satans. Wahre Liebe ist zwischen ihnen unmöglich, da sie keine inneren Beziehungen zueinander haben.“

Sehr konkrete Vorstellungen hat der hl. Ludwig Maria auch von der „Ferse“, von welcher im Protoevangelium die Rede ist: „Die Macht Mariä über alle Teufel wird besonders in den letzten Zeiten offenbar werden, wenn Satan ihrer Ferse nachstellen wird, womit ihre demütigen Diener und ihre bescheidenen Kinder gemeint sind, welche Maria aufrufen wird, um ihn zu bekämpfen. Es werden unscheinbare, arme Menschen sein in den Augen der Welt, von allen erniedrigt, getreten und gedrückt, wie die Ferse im Vergleich zu den übrigen Gliedern des Körpers. Aber dafür werden sie reich sein an Gnaden vor Gott, die ihnen Maria im Überfluß zuwenden wird.“

Marienweihe nach Ludwig Maria Grignion de Montfort

Wir müssen demütige Diener und bescheidene Kinder Mariens sein, nur so werden wir in dieser letzten Zeit unseren Glauben rein bewahren können. Der hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort möchte uns durch seine Vollkommene Hingabe an Maria das Geheimnis Mariens zeigen und uns mit diesem soweit vertraut machen, daß wir uns durch dieses umformen lassen und uns sodann zu ihren Kindern zählen dürfen.

Der Heilige spricht in seiner Schrift „Geheimnis Mariä“ von drei Arten der echten Marienverehrung. Dort heißt es:

„Es gibt verschiedene Arten echter Marienverehrung. Von der falschen ist hier überhaupt nicht die Rede.
Auf der ersten Stufe wird man den wesentlichen Pflichten des Christen gerecht, indem man die schwere Sünde flieht, mehr aus Liebe als aus Furcht handelt, von Zeit zu Zeit die allerseligste Jungfrau anruft und sie als Gottesmutter ehrt, ohne im übrigen eine besondere Andacht zu ihr zu hegen.
Auf der zweiten Stufe hegt man schon vollkommenere Gesinnungen der Hochschätzung, der Liebe, des Vertrauens und der Verehrung für Maria. Diese veranlaßt den Menschen den Bruderschaften des heiligen Rosenkranzes oder des Skapuliers beizutreten, den Rosenkranz oder den ganzen Psalter zu beten, die Bilder und Altäre Mariens in Ehren zu halten, ihr Lob zu verkünden, ihren Vereinen anzugehören. Wenn man die Sünde flieht, ist diese Andacht als gut, heilig und löblich zu bezeichnen. Sie reicht aber an die Vollkommenheit der nächsten Stufe nicht hin, noch ist sie wie diese imstande, die Seele von den geschöpflichen Dingen freizumachen und sie ihrer selbst zu entledigen, um die Vereinigung mit Christus herbeizuführen.
Die dritte Form der Marienverehrung ist kaum bekannt und wird von ganz wenigen Personen geübt. Mit ihr will ich Dich, auserkorene Seele, nun vertraut machen.“
Die erste Stufe der Marienverehrung ist für jeden notwendig, um selig zu werden, sie reicht jedoch nicht aus, um vollkommen zu werden. Die bewußte, kalte Ablehnung jeder Marienverehrung wird allgemein als Zeichen der ewigen Verwerfung gewertet, wie das Gegenteil, die innige Marienverehrung, als Zeichen der Vorherbestimmung gilt.
Die zweite Stufe ist dem Menschen zwar nicht geboten, um selig zu werden, sie ist aber unerläßlich, um vollkommen zu werden. Das hohe Maß von erleuchtenden und stärkenden Gnaden, das zu einem höheren Tugendstreben erforderlich ist, wird nur dem eifrigen Marienverehrer zuteil.
Die dritte Stufe der Marienverehrung, die vom heiligen Ludwig Maria so warm empfohlen wird, ist nicht erforderlich zur Erreichung der Vollkommenheit, wird aber von ihm mit guten Gründen als der leichte, kurze, sichere und vollkommene Weg zur Vereinigung mit Jesus Christus bezeichnet“ (Wahre Andacht, n. 152—167).

Der Heilige beschreibt diese dritte Art der Marienverehrung sodann wie folgt genauer: „Die vollkommene Marienverehrung besteht darin, sich nach Art eines Sklaven ganz der Mutter Gottes und durch sie dem Heiland hinzugeben und fortan alles mit, in, für und durch Maria zu tun. Man wählt einen denkwürdigen Tag aus, um sich aus freien Stücken, aus lauter Liebe, ohne Zwang ganz und gar, ohne irgendeine Einschränkung, Maria hinzugeben, zu weihen und zu opfern, und zwar seinen Leib und seine Seele; seine äußeren Güter, wie Haus und Hof, Familie und Einkünfte; fernerhin seine inwendigen, seelischen Güter, nämlich seine Verdienste, Gnaden, Tugenden und Genugtuungen.“

Drei näher zu bedenkende Umstände rücken den Wert, die Vorzüglichkeit und Eigenart dieser Ganzhingabe an Maria in das rechte Licht: Sie soll nach den Weisungen Ludwig Maria Grignions vollzogen werden

    1. aus freien Stücken (volontairement, Sans contrainte). Diese Hingabe kennt keinen Zwang, denn niemand auf Erden ist zu einer so weitgehenden Schenkung an und für sich verpflichtet;
    2. aus lauter Liebe (par amour). Ganzhingabe an Maria, das ist Herzensangelegenheit. Nicht aus eigennützigen, unedlen Beweggründen wird diese Weihe vollzogen, sondern aus selbstloser, hochgemuter Liebe;
    3. ohne Einschränkung (sans aucune reserve). Bei dieser Hingabe gibt es keine Abstriche. Es wird alles hergegeben. Ludwig Maria geht in diesem Abschnitt alles durch, was die hochgemute Seele der Mutter Gottes ausliefert.

Zum Schluß kann man nur feststellen: Mehr kann sie nicht abgeben, denn mehr hat sie nicht mehr.

Es ist unmittelbar einleuchtend: Das Verhältnis zu Maria wird mit dem Tag der Ganzhingabe ein wesentlich anderes. War es zuvor noch eine lose Reihe vorübergehender Herzens- und Gebetsbegegnungen gewesen, so wird es nun ein ununterbrochenes Verweilen bei Maria, ein Leben ständiger und vollkommener Abhängigkeit von ihr. Kraft dieser Andacht liefert man dem Heiland durch die Hände Mariens sein Letztes und Liebstes aus. Kein Ordensgelübde geht in seinen Forderungen so weit. Man verzichtet bei der Ganzhingabe auf das Recht, das man über sich selber und den Wert seiner Gebete, seiner Almosen, Abtötungen und Genugtuungen hat. Man tritt also das volle Verfügungsrecht an die Mutter Gottes ab, die nach ihrem Gutdünken zur größeren Ehre Gottes, die ihr allein genau bekannt ist, davon Gebrauch machen wird.

Der tiefste Grund für diese Hingabe ist natürlich das vollkommene Vertrauen in Maria und ihre mütterliche Liebe. Was könnte man Besseres tun, als ihr alles in die Hände legen – alles und sich selbst ganz und gar? Wird Sie nicht alles für uns tun, um uns zu Jesus zu führen, die gebenedeite Frucht ihres heiligsten, jungfräulichen Leibes?

Abschließend noch ein Gedanke: Ist man nicht als Eigentum Mariens in größter Sicherheit inmitten dieses gewaltigen geistigen Kampfes? Wir müssen also ganz fest davon überzeugt sein: In ihr allein werden wir siegen und das ewige Erbe erlangen können.