Prinzipien-Streit

1. Im Dunstkreis der „Piusbruderschaft“ ist ein Prinzipien-Streit entstanden, der tief in die Psyche der „Traditionalisten“ verschiedener Couleur blicken läßt. Begonnen hat das Ganze Ende Januar mit einer Predigt des Kapuziner-Paters Jean aus dem französischen Morgon, der wohl dem Kreis des „inneren“ oder „versöhnlichen Widerstands“ zuzurechnen ist. Denn gleich zu Beginn seiner Predigt betont er ausdrücklich seine friedliche Absicht, um sofort danach eine Spaltung in der „Bewegung der Tradition“ festzustellen. Diese Spaltung, so unser Pater, beruhe nicht auf persönlichen Gründen, sondern auf Prinzipien. Sie schließe nicht aus, daß man freundlich miteinander umgehe und beide Seiten freundschaftlich untereinander verbunden blieben und verkehrten; so habe er erst unlängst in einem Priorat der „Piusbruderschaft“ gepredigt und werde bald bei den Dominikanern von Avrillé, die sich unlängst als „Widerstand“ geoutet haben, Vorträge halten. „Soweit es an euch liegt, bleibt in Frieden mit allen“, zitiert der Herr Pater den hl. Paulus.

Sodann entwickelt er den Plan seiner Predigt in drei Teilen. Im ersten Teil weist er nach, daß wir Menschen mit Prinzipien sein müssen, im zweiten will er zeigen, daß wir deswegen „Traditionalisten“ sind, weil wir Menschen mit Prinzipien sind, und im dritten Teil soll eine Anwendung auf die aktuelle Situation in der „Tradition“ geschehen, welche aufzeigt, daß es auch hier um Prinzipien geht.

2. Den ersten Teil brauchen wir nicht zu behandeln, es ist für uns ohnehin klar, daß der heutige Kampf um Prinzipien tobt, und zwar um ganz wesentliche Prinzipien, von welchen letztlich alles abhängt. Interessanter wird es für uns im zweiten Teil, wo der Prediger darlegt, daß beim Widerstand gegen die konziliare Hierarchie Prinzipien in Frage stehen. „Wir sind nicht gegen den Papst, wir sind nicht gegen die Bischöfe. Im Gegenteil, wir beten für sie.“ Natürlich, es soll ja friedlich zugehen. „Aber wir sind gegen ihre falschen Prinzipien.“ Aha. Hier würde ein Dom Sarda y Salvany beispielsweise fragen, wie man gegen falsche Prinzipien kämpfen will, wenn man nicht gegen jene kämpft, die sie verbreiten. Aber weiter im Text.

Der fromme Mönch gibt uns ein Beispiel, um zu verstehen, worum es geht. „Das I. Vatikanische Konzil hat ein Prinzip aufgestellt: 'Alles hienieden ist auf die Verherrlichung Gottes hingeordnet.' Dies ist ein dogmatisches Prinzip, es findet sich in der Heiligen Schrift, das I. Vatikanum hat nichts erfunden, indem es dies erklärt. … Das Vatikanum I hat uns lediglich ein Prinzip ins Gedächtnis gerufen, welches naturgegeben ist: Alles hienieden wurde von Gott zu Seiner Ehre geschaffen. Das II. Vatikanum stellt ein anderes Prinzip auf: 'Alles hier auf Erden ist auf den Menschen hingeordnet.' Das findet sich in jedem Buchstaben des Vatikanums II. Man hat ein anderes Prinzip aufgestellt.“ Darum habe man auch den Altar in der Kirche umgedreht, von Gott zum Menschen.

3. Das ist alles ganz richtig und gut dargestellt. Doch nun kommen wir zum dritten Teil. Abermals beteuert unser guter Pater, daß er in aller Friedfertigkeit und ohne jeden „bitteren Eifer“ spricht. Dann kommt er auf die Spaltung in der „Welt der Tradition“ zu sprechen, welche eine Spaltung der Geister sei und nicht eine Frage der Abspaltung gewisser Priester oder Gemeinschaften, wie der Prediger betont. Es gehe eben auch hier um Prinzipien, näherhin um ein Prinzip, welches Erzbischof Lefebvre uns hinterlassen habe, an welchem darum die einen festhalten wollten, während andere es verlassen hätten. „Es ist das Prinzip, daß man kein praktisches oder kanonisches Abkommen mit den römischen Autoritäten unterzeichnen kann, wenn man nicht zuvor in der Lehre übereinstimmt, wenn wir nicht dieselben Wahrheiten bekennen.“ Er nennt das Beispiel der Unionsverhandlungen zwischen Rom und den orthodoxen Gemeinschaften. Dabei habe Rom gerne Zugeständnisse in der Liturgie und Disziplin gemacht, nie aber in der Lehre.

Darin also liege das aktuelle Problem. Mgr. Lefebvre habe von 1975 bis 1988 versucht, mit Rom zu verhandeln. Er habe es auf der Ebene der Doktrin und auf der praktischen Ebene versucht, sei in seinem Bestreben, mit der kirchlichen Hierarchie in Gemeinschaft zu sein, schließlich sogar zu weit gegangen, was er selbst in bezug auf das „Protokoll“ vom 5. Mai 1988 zugegeben habe. Dann aber, mit den Bischofsweihen, habe er diese Versuche aufgegeben und jenes klare Prinzip aufgestellt, nachzulesen in Fideliter 66: Sollte es wieder zu Verhandlungen kommen, so werde er seine Bedingungen stellen: „die Lehre, die Enzykliken der Päpste. Sind Sie einverstanden damit oder nicht? Wenn nicht, hat es keinen Sinn weiterzureden.“

Dieses Prinzip sei noch 2006 vom Generalkapitel der „Piusbruderschaft“ und 2008 von deren Generaloberem festgehalten worden, 2011 habe es angefangen zu bröckeln, seit 2012 sei es von den Oberen der Bruderschaft praktisch aufgegeben. Darin also liege das Problem. Freilich könne dieser Streit in Ruhe und Frieden, ohne gegenseitige Verurteilungen, geführt werden, denn noch gehe es ja nur um die Prinzipien, solange kein Abkommen unterzeichnet sei. Aber immerhin hätten alle Revolutionen mit Prinzipien begonnen. Die Predigt schließt, wie es sich gehört, mit einem frommen Blick auf die Muttergottes.

4. Diese einem Kapuzinermönch so gut anstehende Friedfertigkeit konnte natürlich einigen anderen nicht gefallen, und so folgte alsbald ein „Offener Brief“ an Père Jean, welcher uns Einblicke in die Gemütslage des „äußeren“ oder „streitenden Widerstands“ gibt. Dieser lobt zwar die Predigt des Paters in seinem ersten Teil, wirft ihm jedoch seinerseits vor, ein irriges und sehr gefährliches Prinzip zu vertreten, nämlich daß man um Prinzipien keinen Krieg zu führen brauche. „Man führt keinen Krieg, bis die Untat geschehen ist. Vorher nicht.“ Dabei würde der Herr Pater sein falsches Prinzip, daß man um Prinzipien nicht streiten müsse, in seiner Predigt selbst widerlegen, indem er darauf hinweist, daß alle Revolutionen mit Prinzipien begonnen hätten. Seit dem Generalkapitel 2012 sei in der „Piusbruderschaft“ ein falsches Prinzip etabliert worden, und darum sei offener Kampf angesagt.

Wir haben hier sehr eindrucksvoll die Haltung des „Pius-Widerstands“ bzw. seiner beiden Flügel vor uns. Beide sind sich durchaus einig, daß es um Prinzipien geht und zwar vor allem um das Prinzip, „daß man kein praktisches oder kanonisches Abkommen mit den römischen Autoritäten unterzeichnen kann, wenn man nicht zuvor in der Lehre übereinstimmt“. Ganz und gar uneins sind sie sich in dem nachgeordneten Prinzip, ob man um dieses Prinzip nun offen kämpfen oder friedlich diskutieren soll.

5. Wie man sieht, hat man sich in diesem Prinzipienstreit unversehens von den eigentlichen Prinzipien entfernt und verteidigt sinnlose oder streitet um falsche Prinzipien. Gehen wir noch einmal zurück auf die eigentlichen Prinzipien, die unser Mönch so schön dargelegt hat. Wir haben auf der einen Seite die Kirche, deren Prinzip lautet: Alles zur größeren Ehre Gottes. Wir haben auf der anderen Seite die falsche, „konziliare Kirche“ mit ihrem Prinzip: Alles zur Ehre des Menschen. Für uns als Katholiken steht darum fraglos fest, daß wir das eine Prinzip, die Ehre Gottes, und damit die heilige Kirche Unseres Herrn Jesus Christus verteidigen und das andere, falsche Prinzip und damit die „konziliare“ Menschenmachwerkskirche bekämpfen müssen.

Woher kommt nun das merkwürdige neue Prinzip, man könne oder müsse mit dieser falschen Menschenmachwerkskirche zu einem „Abkommen“ gleich welcher Art gelangen, ob mit oder ohne vorherige Einigung in der „Lehre“? Da wird ganz unbedarft auf das Beispiel der Unionsbestrebungen zwischen Rom und den Orthodoxen hingewiesen, und das eigentliche dahinterstehende Prinzip völlig übersehen oder ins Gegenteil verkehrt. Rom ist die Lehrerin im Glauben, die römische Kirche ist Mutter und Haupt! Pius XI. schreibt in „Mortalium animos“: „In dieser einen Kirche ist niemand und bleibt niemand, der nicht die Autorität und Vollmacht des Petrus und seiner legitimen Nachfolger im Gehorsam anerkennt und annimmt.“ Genau darum ging es bei den Unionsverhandlungen. Es ging um den Anschluß der orthodoxen Gemeinschaften an Rom und nicht umgekehrt. Darum verlangte Rom selbstverständlich die Unterwerfung im Glauben und ließ sich darin auf keine Zugeständnisse und Verhandlungen ein.

Das „konziliare“ Rom sieht das merkwürdigerweise noch genauso, während die „Traditionalisten“ meinen, mit ihren Unionsverhandlungen „Rom bekehren“ zu müssen oder zu sollen. Dabei läßt das Prinzip, das Pius XI. in „Mortalium animos“ formuliert hat, nur zwei Möglichkeiten zu: Entweder haben wir es mit dem wahren, legitimen Rom zu tun, und dann hat man sich zu unterwerfen und nicht zu verhandeln, oder es handelt sich um das Rom der „konziliaren“ Menschenmachwerkskirche, und dann kann es für uns Katholiken kein wie immer geartetes Abkommen geben. Man paktiert nicht mit dem Feind.

Das wahre Prinzip lautet also nicht, „daß man kein praktisches oder kanonisches Abkommen mit den römischen Autoritäten unterzeichnen kann, wenn man nicht zuvor in der Lehre übereinstimmt, wenn wir nicht dieselben Wahrheiten bekennen“, sondern daß niemand in der Kirche ist und bleibt, „der nicht die Autorität und Vollmacht des Petrus und seiner legitimen Nachfolger im Gehorsam anerkennt und annimmt“. Darum müßte der Kampf gehen und nicht darum, ob man verhalten friedlich oder offen kämpferisch im Namen eines falschen Prinzips Widerstand leisten soll. Der wahre Widerstand gilt nach wie vor der „konziliaren Kirche“ und ihren Autoritäten mit ihrem desaströsen Prinzip, welches „Papst Wojtyla“ mit den schönen Worten formulierte: „Der Weg der Kirche ist der Mensch“, und welches Montini zu seinem Hymnus auf die Mondlandung inspirierte: „Ehre dem Menschen!“ Darum gilt der Widerstand auch jenen, die in welcher Weise auch immer den Anschluß an diese Menschenmachwerkskirche suchen und andere dorthin führen wollen.

6. Bei den hohen Wellen, welche die Predigt unseres Kapuzinerpaters schlug, ist es nicht verwunderlich, daß auch auf der anderen Seite einiges in Bewegung geriet, beim „Pius-Mainstream“ nämlich, und dort einen hochmögenden „Piusbruder“ auf den Plan rief. Kein Geringerer als der Obere der osteuropäischen Autonomen Häuser der „Piusbruderschaft“ und designierte Obere von deren asiatischem Distrikt, P. Karl Stehlin, fühlte sich bemüßigt, am 6. Februar ebenfalls in einem offenen Brief an den armen Mönch zu antworten, welcher in deutscher Übersetzung auf der „Homepage“ des deutschen „Pius“-Distrikts veröffentlicht wurde. Und dies gewährt uns ein sehr differenziertes und genaues Psychogramm der neuen „Pius“-Mentalität, während der „Widerstand“ wohl diejenige früherer Dekaden widerspiegelt.

P. Stehlin stellt sich selbstverständlich auch als Mann von Prinzipien dar, und zwar nennt er gleich fünf davon, welche für ihn „die wichtigsten“ sind. Wenngleich er sie nicht ihrer Rangfolge nach darstellen will, sondern so, wie sie ihm „in den Sinn kommen“, ist vielleicht gerade deshalb die Reihenfolge sehr bezeichnend. Er beginnt mit dem ersten Prinzip: dem Gehorsam. Aber natürlich nicht mit dem Gehorsam, den wir oben tatsächlich als Prinzip kennengelernt haben, nämlich dem Gehorsam gegenüber „der Autorität und Vollmacht des Petrus und seiner legitimen Nachfolger“. Denn obgleich er offensichtlich den gegenwärtigen „Pontifex“ als solchen legitimen Nachfolger anerkennt, erlaubt er sich dennoch, diesem ungehorsam zu sein, denn „der hl. Maximilian (und vor ihm der hl. Thomas) haben uns gesagt, dass wir nur dann, wenn die Oberen von uns etwas verlangen würden, was unmoralisch oder gegen den Glauben gerichtet ist, wir [sic!] Gott mehr gehorchen müssen und uns weigern müssen, seinen menschlichen Werkzeugen zu gehorchen“. Und: „Dank dieses Prinzips, das das Wesen des Gehorsams ausmacht, haben wir uns für den übergeordneten Gehorsam Gott gegenüber und gegen den Gehorsam derjenigen [sic!] seiner Werkzeuge gegenüber entschieden, die uns offenkundig auffordern, etwas gegen den Glauben oder die Sitten gerichtetes [sic!] zu tun oder hinzunehmen.“ Weiter: „Wenn ich aber einen rechtmäßigen Oberen (siehe Prinzip 2) vor mir habe, schulde ich ihm unbedingten Gehorsam und erfülle so ganz sicher den Willen der Immaculata.“ Wie seine weiteren Ausführungen zeigen, erblickt er diese „rechtmäßigen Oberen“ in der Führung der „Piusbruderschaft“. Und da er uns selbst in diesem Zusammenhang auf sein „Prinzip 2“ hinweist, wollen wir sogleich zu diesem übergehen.

7. Das zweite Prinzip sieht er folgerichtig in der Autorität, da ja der Gehorsam nach einer solchen verlangt. Das Prinzip der „Autorität an sich“ sei „das einzige Prinzip, das uns vor der protestantischen Gewissensfreiheit bewahrt“, versichert uns der Autor, und wir fragen uns nur, was die „Autorität an sich“ hier besagen soll. Ist es nicht konkret die päpstliche Autorität, unser oben schon erwähntes Prinzip, „das uns vor der protestantischen Gewissensfreiheit bewahrt“? Aber gleich wird deutlich, was uns der Herr Pater sagen will.

Er fährt nämlich fort: „Die gesamte Tradition hält sich an dieses Prinzip, ohne das alles zusammenbräche, denn die Pflicht, die gewöhnliche Autorität zurückzuweisen, um den Glauben zu bewahren, schließt die Pflicht ein, sich der außerordentlichen, ersetzenden Autorität der Rechtsprechung zu unterwerfen.“ Schau an, das wußten wir noch nicht, daß wir einerseits die Pflicht haben könnten, „die gewöhnliche Autorität [und das heißt doch wohl im Klartext: die päpstliche Autorität] zurückzuweisen“, und uns dafür andererseits einer „außerordentlichen, ersetzenden Autorität der Rechtsprechung“ (daß es eine solche überhaupt gibt, war uns bislang gänzlich unbekannt) zu unterwerfen. Aber wir sehen natürlich schon deutlich, worauf der Abbé hinauswill. Tatsächlich: „Die Tradition hat überlebt, weil die Vorsehung durch die Gründung der Bruderschaft, der sich die befreundeten Orden anschlossen, für diese ersetzende Autorität gesorgt hatte.“

8. Wir müssen an dieser Stelle ein wenig innehalten, weil wir es in der Tat mit einem für die piusbruderschaftliche Ideologie unerläßlichen Prinzip zu tun haben, das hier auch in seinen psychologischen Grundlagen erfaßbar wird. Am Grund dieser Ideologie liegt ein tiefer Konflikt, nämlich der als legitim angesehenen päpstlichen Autorität ungehorsam zu sein. Das kann keinen wahren Katholiken unberührt lassen, und so verlangt dieses Trauma nach einer Bewältigung. Darum ist der Gehorsam das „erste Prinzip“, das unserem Pater „in den Sinn kommt“, weil es sein Grundproblem ist. Wie löst er dieses nun?

Er findet zunächst einen Grund, warum er der „gewöhnlichen Autorität“ ungehorsam sein muß (s.o.), und erfindet dann sogleich eine neue Autorität, welcher er „unbedingten Gehorsam“ leistet, nämlich die „außerordentliche, ersetzende Autorität der Rechtsprechung“. Gemäß dem Gesetz der Kompensation muß dieser Gehorsam natürlich umso „unbedingter“ sein, je mehr es am Gehorsam der „gewöhnlichen Autorität“ gegenüber fehlt, und ebenso natürlich muß die „außerordentliche, ersetzende Autorität der Rechtsprechung“ eine desto größere Erhöhung erfahren, als sie ja die höchste Autorität auf Erden, nämlich die des Stellvertreters Christi, in die Schranken verweisen soll. Darum muß natürlich die Vorsehung höchstpersönlich, also Gott selbst, „für diese ersetzende Autorität gesorgt“ haben, die selbstverständlich keine andere ist als die der „Piusbruderschaft“ bzw. ihrer Oberen (zu denen der Autor seinerseits, wenngleich auf niedrigerer Ebene, zufällig gehört).

Darum ist klar: „Wenn man sich dieser Autorität widersetzt, hat das schreckliche Folgen.“ Aber ja, denn die Autorität der Oberen der „Piusbruderschaft“ ist die Autorität des Allerhöchsten selbst! Diese „außerordentliche“ Autorität wird somit nicht einfach nur „ersetzend“ gesehen im Sinne eines defizitären Notbehelfs, sondern in mystischer Weise numinos überhöht zu einer „Super-Autorität“. Und eben das ist typisch für das Denken der „Piusbruderschaft“. In Wahrheit besitzen ihre Oberen keinerlei kirchliche Autorität. Dazu brauchen wir nur zu verweisen auf die Aussagen des „Ersten Generalassistenten“ besagter Bruderschaft (immerhin der zweite Mann in deren „Hierarchie“ nach dem Generaloberen), welcher öffentlich eingestand, an einem „kanonischen Mangel“ und kirchenrechtlicher „Irregularität“ zu leiden. Alle „Pius“-Priester, ihre Oberen und Bischöfe eingeschlossen, können auf nicht mehr verweisen als die „suppliierte Jurisdiktion“, durch welche die Kirche fallweise zum Heil der Seelen, beispielsweise bei der Beichte, ihre tatsächlich fehlende Jurisdiktion ersetzt, wie sie das notfalls selbst bei suspendierten und exkommunizierten Priestern tut. Von einer „außerordentlichen, ersetzenden Autorität der Rechtsprechung“, die ihnen bleibend verliehen und mit der sie gleichsam übernatürlich ausgestattet wären, kann keine Rede sein.

Darum hat der Herr Pater noch ein Konvenienz-Argument parat: „Ohne die Autorität gibt es keine Einheit: siehe die zwanzig Sedisvakantisten-Sekten [wieso nur zwanzig?], siehe den 'Widerstand' nach nicht einmal zwei Jahren, der kein anderes Einheitsprinzip hat, als die Bruderschaft zu bekämpfen. In seinen Reihen gibt es bereits eine gute Anzahl formaler Sedisvakantisten...“ Abgesehen von der inzwischen sattsam bekannten Sedisphobie, die sich damit begnügt, die „Sedisvakantisten“ (Gott sei bei uns!) als Schreckgespenst an die Wand zu malen, um sich so weitere Argumente zu sparen, wird hier natürlich der wahre Grund der verlorengegangenen Einheit, das wahre „Einheitsprinzip“ völlig beiseitegelassen: die päpstliche Autorität. Fehlt diese, so fehlt auch die Einheit. Die Pseudo-Einheit, welche durch die „außerordentliche, ersetzende Autorität“ der „Piusbruderschaft“ geschaffen wurde, ist eine rein äußerliche und künstliche, wie die zutagetretenden Spaltungen gerade der letzten Jahre zur Genüge beweisen. Sie beruht auf Ideologie und willkürlichen Machtmaßnahmen, weshalb sie auf Dauer nicht bestehen kann.

Unser Pater kann es sich nicht verkneifen, an dieser Stelle auf den der so numinosen „Pius“-Autorität mit den „schrecklichsten Folgen“ ungehorsamen Bischof Williamson zu sprechen zu kommen. Seine Kronzeugen sind dabei ausgerechnet einige protestantische Pastoren, welche seit einiger Zeit darum bemüht sind, vom „konziliaren“ Rom eine Anerkennung und Einrichtung als eigenes „Ordinariat“ nach dem Muster der ratzingerschen Anglikaner zu erlangen (ein Anliegen, das der Autor als Ost-Oberer durch einen öffentlichen Gebetsaufruf an die „traditionellen“ Gläubigen unterstützte). Diese fühlten sich durch die Kommentare Mgr. Williamsons „seltsam an die 'Propheten des XIX. Jahrhunderts' in der lutherischen Kirche erinnert“, die „durch ihre apokalyptischen Interpretationen auffielen und zu dem Schluss kamen, dass die Welt sich dem Untergang nähert und alles zu Ende ist“. Wir unsererseits fühlen uns durch diese protestantischen Pastoren an den „seligen“ und demnächst „heiligen“ Konzilspapst Johannes XXIII. erinnert, welcher orakelte: „Wir aber sind völlig anderer Meinung als diese Unglückspropheten, die immer das Unheil voraussagen, als ob die Welt vor dem Untergang stünde…“

9. Doch kommen wir zum dritten Prinzip: „Man darf sich nicht schlechter Mittel bedienen, um etwas Gutes zu erreichen.“ Wer würde diesem Prinzip nicht zustimmen, zumal es in der Heiligen Schrift und in der katholischen Morallehre tief verankert ist? Eine andere Frage ist freilich die Anwendung dieses Prinzips oder dessen Verletzung. Unser Autor sieht letztere natürlich beim „Widerstand“: „Wenn ich daher das Vorgehen des vorgeblichen Widerstandes sehe, bin ich sehr schockiert über das ständige Verletzen dieses Prinzips. Diese Verletzung geschieht vor allem durch das Internet, das diese Dinge weltweit verbreitet, zumeist an Personen, die keine Möglichkeit haben, den Wahrheitsgehalt der Angaben zu überprüfen.“ Weiter: „Das schlimmste der schlechten Mittel aber ist das Verbreiten von 'Halb-Wahrheiten', Wahrscheinlichkeiten als Tatsachen darzustellen, über wichtige Dinge zu urteilen, ohne die ganzen Umstände und Fakten genau zu kennen.“

Nun, wir könnten genau dies mit guten Gründen den „außerordentlichen Autoritäten“ der „Piusbruderschaft“ vorwerfen. Da uns aber der Autor jeden konkreten Hinweis oder gar Nachweis schuldig bleibt, sondern sich nur im Allgemeinen hält, insofern er angibt, die „(Vor-) Geschichte in etwa der Hälfte der Unterzeichner [einer Erklärung „verwirrter Priester“] und die wahren Gründe ihrer Kritiken und ihres Weggangs“ zu kennen und dabei „nicht einen“ von ihnen nennen zu können, „von dem ich in aller Aufrichtigkeit sagen könnte, dass es ihm um die Wahrung des ganzen Glaubens geht“; da er also selbst so ganz im Allgemeinen bleibt (auch wenn er diffus auf „den Brief Pater Chazals an seinen Mitbruder über die Situation in Asien“ oder „die Vorträge Pater Pflugers in Flavigny und das, was die große Presse des 'Widerstands' daraus gemacht hat“ hinweist), wollen wir es ebenso halten. Wo er freilich konkret wird und etwa behauptet, es sei „eine tendenziöse oder verfälschte Darstellung“ wenn z.B. „dem internen Text bzw. Diskussionsvorhaben vom 15. April 2012 der Titel 'Erklärung' verliehen wird oder wenn dieser Text als die derzeitige Position der Oberen der Priesterbruderschaft St. Pius X. dargestellt und dabei der Beschluss des Generalkapitels außer acht gelassen wird“, dann werden wir dagegen halten, daß es die „außerordentliche Autorität“ der „Piusbruderschaft“ höchst selbst gewesen ist, welche dem angeblichen „internen Text bzw. Diskussionsvorhaben vom 15. April 2012“ den Titel „Lehrmäßige Erklärung“ gegeben hat (nachzulesen im hochoffiziellen Organ der Bruderschaft „Cor Unum“ Nr. 104) und ihn als offizielle Antwort des „Pius“-Generaloberen an Kardinal Levada darstellt, also alles andere als einen „internen Text bzw. Diskussionsvorhaben“. Da obendrein bislang keine öffentliche Rücknahme oder Distanzierung von dieser „Erklärung“ oder eine Neupositionierung verlautbart wurde (auch nicht durch einen Beschluß des Generalkapitels), gibt es keinen Grund, diese nicht als „derzeitige Position der Oberen der Priesterbruderschaft St. Pius X.“ aufzufassen. Zumal wir ja nicht davon ausgehen wollen, daß solche „außerordentlichen Autoritäten“ in ihren Positionen so schwankend sind, daß wir diese alle Jahre neu taxieren müssen. Oder doch?

10. Das vierte Prinzip „Ad majorem Dei gloriam“, das auch unser Père Jean genannt hatte, handelt unser Herr Pater sehr kurz ab. Er „möchte, dass alle Seelen sich dieses Prinzip zu eigen machen und daraus leben“. Umso „schmerzlicher“ sei es für ihn, „dass im Namen dieses Prinzips der 'Widerstand' den Oberen der Bruderschaft den Prozess macht“. Nun, es ist ja doch wohl eher umgekehrt, nämlich daß die „Oberen der Bruderschaft“ dem „Widerstand“ den Prozeß machen, wie wir etwa in aller Deutlichkeit an den explizit als solches deklarierten Prozessen gegen die Abbés Salvenave und Pinaud vorgeführt bekamen. Doch unserem Autor eilt es, seine „Ausführungen über die Prinzipen zu Ende zu bringen“, und so eilen wir ihm nach, zumal es nun erst wirklich interessant wird.

11. Das fünfte Prinzip lautet: „Filius Ecclesiae“. An dieser Stelle wird es etwas sentimental, denn der Briefschreiber lernt hier verstehen, „dass ich der Sohn einer Mutter bin, dank derer ich alles von Gott erhalten habe“ (*sniff*). „Dieses Prinzip verlangt von mir, die Kirche so zu lieben wie Christus sie geliebt hat.“ In der Tat. Doch nun kommt es: „Es gibt aber nur eine sichtbare Kirche, die auf dem Fundament der Apostel errichtet ist. Sie ist ein großes Mysterium, denn sie ist gleichzeitig göttlich und menschlich. Sie ist heilig und ihre Mitglieder sind fast alle Sünder.“ Nun ja, das ist gewiß richtig, doch worauf will unser Pater denn nun hinaus?

Er habe, so schreibt er, „mit Erschrecken festgestellt, dass meine Mutter für mich zu einer Theorie, einer Fiktion geworden ist, und – wenn ich an ihre derzeitigen Vertreter auf Erden denke – zu einem Objekt des Abscheus“. Und weiter: „Ich habe den Glauben geliebt, die Sakramente, die heiligen Schätze der Kirche, aber die Kirche selbst hat mich nicht mehr interessiert. Wenn ich an die Kirche dachte, dann war es nur noch die 'Konzilskirche' mit all ihrer Verblendung und all ihrem Gräuel. Es war, als gäbe es zwei Kirchen für mich, die traditionelle (unsere kleine Welt der Tradition) und die konziliare, die de facto für mich nicht mehr existierte. Aber es gibt nur eine Kirche als Braut Christi, als mystischer Leib Unseres Herrn.“

Das also ist des Pudels Kern. Auf diesen fünften, heiklen Punkt läuft alles hin. Der „unbedingte Gehorsam“ gegen die „außerordentlichen Autoritäten“ hat endlich seine Wirkung getan. Unser bedauernswerter Autonomer Oberer hat zwar „den Glauben geliebt, die Sakramente, die heiligen Schätze der Kirche“, aber „die Kirche selbst“ hat ihn „nicht mehr interessiert“. Sie war für ihn eine „Theorie“, eine „Fiktion“, ein „Objekt des Abscheus“ geworden. Er sah nur noch die „Konzilskirche“ mit „all ihrer Verblendung und all ihrem Gräuel“, und es „war, als gäbe es zwei Kirchen“ für ihn, „die traditionelle (unsere kleine Welt der Tradition) und die konziliare, die de facto für mich nicht mehr existierte“. Jetzt aber hat er endlich erkannt: Es „gibt nur eine Kirche als Braut Christi, als mystischer Leib Unseres Herrn“.

Nun sollte man freilich meinen, der Herr Pater habe eingesehen, daß die „Konzilskirche“ eben nicht die wahre Kirche Gottes ist, deren „Schätze“ er immerhin geliebt hat. Doch weit gefehlt, vielmehr hat er inzwischen, dank der unablässigen Gehirnwäsche durch seine „außerordentlichen“ Oberen, denen er in „unbedingtem Gehorsam“ ergeben ist, erkannt, „dass ich meine Mutter, die Kirche, lieben muss, die mit dem Tode ringt und die aus allen Wunden blutet“. Daß man unter dieser „Mutter Kirche“, die man „lieben muss, die mit dem Tode ringt und die aus allen Wunden blutet“ (abermals *sniff*), die „konziliare Kirche“ zu verstehen hat, ergibt sich aus dem Folgenden.

„Ich habe verstanden, dass die Vorsehung mir die ganz besondere Gnade gewährt hat, die Schätze zu entdecken, die im Innern dieser Mutter verborgen, aber den Menschen fast unzugänglich sind. Und ich habe verstanden, dass meine Berufung darin besteht, mich den Gliedern der Kirche zu nähern, meinen Brüdern, um ihnen weiterzugeben, was ich empfangen habe, zu den kranken, den sterbenden und selbst den toten Gliedern zu gehen, um ihnen 'das Öl und die Olive' zu bringen und so meiner Mutter beizustehen, auf dass sie ein bisschen weniger blute, auf dass es ihr ein wenig besser gehe, denn je besser es ihr geht, desto enger zieht sie die Seelen an sich, um sie zu retten. Wenn ich das hingegen nicht tue, wenn ich auf meinen Schätzen sitzen bleibe und mich nur um die kleine Zahl der heiligen Glieder kümmere, dann lasse ich meine Mutter im Stich, dank derer ich Priester bin, und von der ich alles in der Ordnung der Gnade empfangen habe.“ O Weh! O Salbung! O pseudosupranaturaler Rausch!

Es ist klar, daß in der neuen Optik unseres gehirngewaschenen Paters die „Glieder der Kirche“, welchen er sich zu nähern hat, die „Konzilskatholiken“ sind, dieweil die „kleine Zahl der heiligen Glieder“ wohl die „Traditionalisten“ kennzeichnen soll. Die „Schätze“ sind somit im Innern der „Konzilskirche“ verborgen, deren „Sohn“ unser Autor nunmehr ist, und ihr ist „beizustehen, auf dass sie ein bisschen weniger blute, auf dass es ihr ein wenig besser gehe“. Das ist das von ihm dank seinem „Gehorsam“ gegen die „außerordentlichen Autoritäten“ neu entdeckte, alles überragende Prinzip.

„Als ich dieses Prinzip auf unsere Situation anwandte, habe ich sowohl die Haltung Mgr. Lefebvres nach den Bischofsweihen als auch den Beschluss von 2006 verstanden. … Sodann habe ich die Haltung des Generaloberen und den Beschluss von 2012 als den gleichen der Kirche erwiesenen Dienst und als strikte Anwendung dieses Prinzips verstanden, denn die Vorsehung hat sich der Umstände bedient, auf dass wir, die Söhne der Kirche und die Mitglieder der geistlichen Orden, erneut unserer in ihren Gliedern mit dem Tode ringenden Mutter Gutes erweisen, indem wir beim Haupt beginnen.“

Ist das nicht rührend, wie dieser „Sohn der Kirche“ plötzlich um die „in ihren Gliedern mit dem Tode ringende Mutter“ besorgt ist, indem er „beim Haupt“ beginnt, während ihn doch früher die Kirche gar „nicht mehr interessiert“ hat? Endlich hat er das „Prinzip“ verstanden, wonach die „konziliare Kirche“ in Wahrheit die katholische Kirche ist, die er früher wenigstens noch in ihrem Glauben und in ihren Sakramenten geliebt hat. Nunmehr liebt er die „konziliare Kirche“ und bemüht sich um sie, weshalb er auch die widersprüchlichsten Beschlüsse als „strikte Anwendung dieses Prinzips“ verstehen gelernt hat. Denn daß eine Identifizierung der „konziliaren Kirche“ mit der katholischen Kirche nur zu horrenden Widersprüchen führen kann, leuchtet unmittelbar von selbst ein.

Die „Umstände“ bestimmen eben, wann diese „Kirche“ als „konziliare“ erscheint und wann als „katholische“. „Nach den Bischofsweihen waren die Umstände folgende: hemmungsloser Ökumenismus, 2 x 2 ist alles, nur nicht 4. Es war daher klar, dass für die Tradition keine Möglichkeit bestand, in Rom Gehör zu finden. Unter Benedikt XVI. änderte sich die Situation ebenfalls, 2 x 2 wird wieder 4, aber auch 5 und 6. Unter dem Gesichtspunkt der Logik ist das schlimmer [das immerhin sieht er ein!], denn das ist die Aufgabe des Widerspruchsprinzips, aber Gott hat offensichtlich aus dieser Lage Gutes hervorgebracht, auf dass die Stimme der Tradition in der Kirche erneut ertöne. Mit Papst Franziskus ergibt sich wieder eine neue Situation, vielleicht die schlimmste von allen.“ Der „Autorität“, und natürlich der „außerordentlichen“, käme jeweils das „Recht“ zu, „die besten Mittel auszuwählen, um das Ziel zu erreichen“. Damit sind wir wieder zurück bei den ersten beiden Prinzipien.

12. Gleichsam als sechstes, aber merkwürdigerweise nicht als solches ausgewiesenes, sondern im fünften Prinzip mitbehandeltes, jedoch eigentlich alles überragendes „GROSSES PRINZIP“ (in solchen Kapitallettern von unserem Autor betont) erscheint nun dieses: Die „vollständige Wahrung des Glaubens und die Freiheit, ihn zu verkünden, also den Missionsauftrag zu erfüllen“. „Dieses Prinzip ist die Verpflichtung, das Möglichste zu tun zur Rettung der Seelen, also sowohl in aller Freiheit die einzige Wahrheit zu verkünden als auch die Irrtümer anzuprangern.“ Dieses „GROSSE PRINZIP“ wende die „Piusbruderschaft“ „gewissenhaft an“ und obendrein erfolgreich. „Wenn die Gläubigen [Anm.: der Konzilskirche] den Verrat und die Untreue des offiziellen Klerus entdecken und gleichzeitig unsere Treue, klammern sie sich an die Tradition und leben immer mehr in übernatürlichem Gehorsam. Es gibt nur zwei Arten von Gläubigen, die Verwirrung stiften, um die Tradition zu spalten: die Sedisvakantisten und der 'Widerstand'.“ Ja, in der Tat, es ist offensichtlich die Wahrheit und somit das „GROSSE PRINZIP“ selbst, die unter denen Verwirrung stiftet, die sich in „übernatürlichem Gehorsam“ an die „Tradition“ und ihre Prinzipien „klammern“.

Das letzte und eigentliche Prinzip freilich scheint der Herr Pater in der großen Zahl gefunden zu haben. Denn „bis zum Jahr 2007 war die Anzahl der Gläubigen in Polen sehr gering, aber seit dem Motu proprio gibt es ungefähr 70 Orte, an denen die traditionelle Messe gelesen wird“. „Vor allem ab Januar 2009 füllten sich unsere Kapellen und die Zahl der Gläubigen in Warschau beläuft sich jetzt auf 450.“ „Ich wurde oft zu Diskussionsvorträgen mit modernistischen Priestern eingeladen, ich durfte in der Universität sprechen und überall kamen zahlreiche junge Leute des NOM, um zuzuhören. Die Stimme der Tradition war öffentlich zu hören und unsere Vorträge werden manchmal von 60.000 Personen im Internet angehört.“ Überhaupt habe „in den letzten fünf Jahren die Zahl der zur Tradition zurückgekehrten Gläubigen derart zugenommen“, „dass ich nicht zögere, von einem Wunder der Immaculata zu sprechen“. Wer würde dem frommen Herrn Abbé hierin widersprechen? 70 - 450 – 60.000 … Aber hat unser Heiland auch die „große Zahl“ als Prinzip genannt, oder hat Er nicht vielmehr von der „kleinen Herde“ gesprochen? Sprechen nicht alle Kirchenväter und Heiligen mit Ihm von der „geringen Zahl“ derer, die gerettet werden? „Wird der Menschensohn noch Glauben finden auf Erden, wenn Er kommt?“, fragt der Heiland bei Lukas (18,8). Aber das ist wohl alles die Apokalyptik, welche unsere oben genannten zuverlässigen protestantischen Pastoren zurecht verworfen haben.

Wir dürfen hinzufügen, wie unser Herr Pater seinen Umerziehungsprozeß bzw. Erkenntnisgewinn, daß die „konziliare Kirche“ in Wahrheit die katholische Kirche ist, in die Tat umsetzt. So ließ er vorigen Sommer auf der von ihm verantworteten „Homepage“ nicht nur die Weihen seiner „Piusbruderschaft“, sondern auch die der „Petrusbruderschaft“ und des „Christkönigsinstituts“, also von konziliaren „Ecclesia Dei“-Gemeinschaften, welchen sich die „Piusbruderschaft“ offensichtlich bereits verwandt fühlt – sind es doch Glieder der „mit dem Tode ringenden Mutter“ – , ankündigen und bewerben, und verteidigte in einem Beitrag, der auch auf der französischen „Pius-Homepage“ erschien, „Papst Franziskus“ gegen ungerechte „Vorurteile“, die aus der „Antipathie gegen die Person“ heraus es an Respekt gegen das päpstliche Amt fehlen ließen.

13. Es ist traurig, aber wahr, daß bei keinem unserer „Traditions-Vertreter“ mehr die wahren Prinzipien verteidigt werden, nämlich die Ehre Gottes und der unfehlbare Primat des Papstes als Stellvertreter Christi auf Erden. Stattdessen erfindet man neue Prinzipien oder findet andere, die man verfälscht. All dies ist die Folge jener falschen Ideologie und ihrer Prinzipien, welche alle gleichermaßen verinnerlicht haben: die konziliaren Päpste sind die wahren Päpste der katholischen Kirche, denen wir gleichwohl Widerstand leisten müssen. Erst eine geistige Leistung, nämlich den kontradiktorischen Widerspruch zwischen „konziliar“ und „katholisch“ anzuerkennen und die Konsequenzen daraus zu ziehen, wird auch das psychologische Problem der „Traditionalisten“ beseitigen.