In Kreisen der "Tradition" grassiert in den letzten Jahren zunehmend die "Sedisphobie", d.h. die geradezu panische und oft beinahe krankhafte Angst vor dem "Sedisvakantismus". Diese beruht zum nicht geringen Teil wohl darauf, daß man im Grunde keine Argumente dagegen hat. Sehen wir daher hier einige jüngst aus "Traditionalisten"-Kreisen wieder gegen die "Sedisvakantisten" vorgebrachte Gründe und unsere Antworten darauf.
1) Entweder müssen wir die Konzilspäpste ganz anerkennen (wie die Liberalen - Gott bewahre), oder aber sie ganz zurückweisen (wie die Sedisvakantisten). Sie allerdings teilweise anzuerkennen und teilweise abzulehnen, bedeutet nach eigener Erkenntnis auszuwählen, wie das schon Luther tat und alle Häretiker es tun (aus dem Griechischen: „Auswähler“).
Das träfe zu, wenn wir nach eigenem Ermessen auswählen würden. Es trifft jedoch nicht zu, wenn wir, wie Erzbischof Lefebvre, in Übereinstimmung mit der katholischen Überlieferung urteilen, welche in den Kirchendokumenten von 2000 Jahren enthalten ist. Auf diese Weise beurteilen wir in Übereinstimmung mit 260 Päpsten gegenüber bloß sechs Konzilspäpsten. Doch dieser Mangel an Übereinstimmung beweist noch nicht die Ungültigkeit dieser sechs.
Antwort: Auch jeder gute Protestant, der auf sich hält, wird vehement verneinen, „nach eigenem Ermessen“ auszuwählen. Nein, sein Kriterium ist schließlich die Heilige Schrift, das Wort Gottes selbst! Auf diese Weise beurteilt er in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes das „Wort bloßer Menschen“... Genau hier liegt die Parallele zwischen dem Protestantismus und dem modernen „Traditionalismus“. Beide ersetzen die nächste Norm des Glaubens (das unfehlbare Lehramt) durch die entfernte Norm des Glaubens, die Heilige Schrift bzw. die Tradition. Doch sowohl die Hl. Schrift als auch die Tradition bedürfen der Bewahrung, Erklärung und Auslegung durch das kirchliche Lehramt und können nicht gegen dieses ausgespielt werden. Nur wenn das Lehramt ausfällt, bleibt uns in diesem Notstand nichts anderes übrig, als so gut wie möglich auf die entfernte Norm unseres Glaubens zurückzugreifen.
2) Aber die Konzilspäpste haben doch den Glauben vergiftet und das Seelenheil von Millionen und Abermillionen von Katholiken in Gefahr gebracht. Das steht im Widerspruch zum Dogma der Unvergänglichkeit der Kirche.?
Während der Arianismus-Krise im 4. Jahrhundert gefährdete Papst Liberius den Glauben durch seine Verurteilung des Hl. Athanasius und durch seine Unterstützung der arianischen Bischöfe im Osten. Für ein paar Augenblicke im Leben der Kirche lag die kirchliche Unvergänglichkeit nicht mehr beim Papst, sondern bei seinem scheinbaren Gegner. Doch beraubte das weder Liberius seines Papstamtes, noch machte es Bischof Athanasius zum Papst. Auf ähnliche Weise ruht heute die Unvergänglichkeit der Kirche auf den gläubigen Nachfolgern jener Kirchenlinie, welche Erzbischof Lefebvre gefestigt hatte. Doch heißt das nicht, daß Paul VI. kein Papst gewesen wäre.
Antwort: Die Sache mit Papst Liberius verhält sich in Wahrheit ganz anders und viel komplexer, als es hier in wenigen Zeilen darzustellen ist. Seine angebliche Verurteilung des hl. Athanasius ist sehr wahrscheinlich eine Fälschung, ebenso „die Unterstützung der arianischen Bischöfe im Osten“, vielmehr hat er stets zu seinem Bischof gehalten. Tatsache ist jedenfalls, daß er unter massiver Bedrängnis und in Gefangenschaft eine mehrdeutige Formel unterschrieben hat, welche allerdings auch rechtgläubig verstanden werden konnte und von ihm auch so gemeint war, wie er stets verdeutlicht hat. Somit besteht keinerlei Parallele zu den „konziliaren Päpsten“, die völlig frei und aus ureigenster Überzeugung ohne jede Zweideutigkeit die häretische liberale Religionsfreiheit (und andere Häresien) vertreten, und das sogar hochoffiziell in „päpstlichen Dokumenten“. Und nie hat je ein ernstzunehmender Kirchenmann oder geistlicher Lehrer behauptet, die „Unvergänglichkeit der Kirche“ habe irgendwann auf einem anderen Fundament als dem Papst beruht, sondern etwa auf den „gläubigen Nachfolgern“ einer „Kirchenlinie“, die durch gleich welchen noch so heiligen Bischof „gefestigt“ worden ist. „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will ich Meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“ (Mt. 16,18).
3) Wenn die Bischöfe der Weltkirche in Einheit mit dem Papst lehren, dann spricht das Ordentliche und Universelle Lehramt der Kirche, welches unfehlbar ist. Doch seit 50 Jahren lehren die Bischöfe der Welt in Einheit mit den Konzilspäpsten konziliaren Unsinn. Aus diesem Grunde können diese Päpste keine echten gewesen sein.
Stünde das ordentliche Lehramt der Kirche außerhalb der Überlieferung, so wäre es nicht mehr „ordentlich“, sondern höchst außerordentlich, denn die Kirche kennt keine Neuerungen, und das Wort „universell“ umfaßt Raum und Zeit. Nun aber steht die konziliare Lehre weit außerhalb der Überlieferung (z.B. Kultfreiheit und Ökumenismus). Daher fällt die eigentliche Konzilslehre nicht unter das Ordentliche Allgemeine Lehramt, und sie kann also auch nicht als Beweis dafür herhalten, daß die Konzilspäpste keine Päpste wären.
Antwort: Abermals wird hier die Überlieferung oder Tradition gegen das Lehramt ausgespielt. Das ordentliche Lehramt ist nicht weniger unfehlbar und verpflichtend als das außerordentliche. Wir können nicht aufgrund der Überlieferung über das Lehramt urteilen, auch nicht darüber, welche Lehre unter dieses Lehramt fällt und welche nicht; denn auch darüber befindet das Lehramt selbst und sonst niemand. Wir können allerdings feststellen, daß es sich bei Verbreitern häretischer Lehren nicht um das Lehramt handeln kann, und uns deshalb bemühen, so treu wie möglich bei den überlieferten Lehren zu bleiben.
4) Der Modernismus ist das „Sammelbecken aller Häresien“ (Hl. Pius X.) Die Konzilspäpste waren allesamt „öffentlich und augenscheinlich“ Modernisten, d.h. Häretiker in einer Form, worüber der Hl. Robert Bellarmin sagte, daß sie nicht Glieder der Kirche sein können, geschweige denn ihr Haupt.
... Zu Zeiten des Hl. Bellarmin lagen die Dinge deutlich klarer, oder sagen wir „öffentlich und augenscheinlich“, als in der heutigen Verwirrung der Gedanken und Herzen. Die objektive Häresie der Konzilspäpste (d.h. was sie sagen) ist zwar öffentlich und augenscheinlich, nicht jedoch ihre subjektive und formale Häresie (d.h. ihr bewußte und entschlossene Absicht zu leugnen, was sie als unveränderliches katholisches Dogma kennen). Den Nachweis ihrer formalen Häresie könnte nur eine Gegenüberstellung mit der kirchlichen Lehrautorität erbringen, z.B. die Heilige Inquisition oder das Heilige Offizium – nenne man es, wie man will … . Jedoch ist der Papst als solcher die höchste Lehrautorität der Kirche und steht über und hinter der heutigen Glaubenskongregation. Wie könnte dann der Beweis erfolgen, daß er jene Form von Häretiker ist, welche unmöglich Oberhaupt der Kirche sein kann?
Antwort: „Häretiker ist man dadurch, daß man die Lehrvorlage der Kirche nicht als Norm für den eigenen Glauben anerkennt, dergestalt, daß sich dies nach außen bekundet. Gleich, ob dies wider besseres Wissen und Gewissen ('formelle Häresie') geschieht oder nicht (bloß 'materielle'): die sich äußerlich-bekundende Nichtanerkennung der Kirche als Instanz der Glaubensregel, die gegeben ist, sobald man in äußerlich-greifbarer Weise einem Satz die unbedingte Anerkennung verweigert im Wissen, daß er von der Kirche als zu glauben vorgelegt wird, schließt aus der Gemeinschaft der Kirche aus, was für einen Papst bedeutete, daß er des Papstamtes verlustig ginge: ein so genannter 'papa haereticus' ist kein Papst mehr“ (so der Theologe Dr. Klaus Obenauer, ein „konziliarer“ Dozent mit Präferenzen für die „Piusbruderschaft“, also gewiß kein „Sedisvakantist“). Es ist also in keiner Weise notwendig, eine „formelle“ Häresie nachzuweisen, zumal es hier nicht um eine Frage des kirchlichen, sondern des göttlichen Rechtes geht. Die Verurteilung eines häretischen Papstes erfolgt nicht eigentlich durch die Kirche, sondern durch Christus selbst. „Noch weniger kann der römische Pontifex sich rühmen, denn er kann von Menschen gerichtet werden – oder besser, es kann gezeigt werden, daß er gerichtet ist, wenn er nämlich in Häresie fällt [quia potest ab hominibus judicari, vel potius judicatus ostendi, si videlicet evanescit in haeresim]. Denn wer nicht glaubt, ist schon gerichtet“ (Innozenz III., Sermo 4: In Consecratione, PL 218:670).
5) Dann befindet die Kirche sich in einem ausweglosen Durcheinander!
... Das Denken der modernen Menschen ist so umfassend durcheinander, daß nur noch Gott allein diesen Saustall auszumisten vermag. Jedoch spricht dieser Einwand eher dafür, daß Gott eingreifen muß (und zwar bald!), als für die These, daß die durcheinandergebrachten Päpste keine Päpste seien. Haben wir Geduld. Gott unterzieht uns einer schweren Prüfung, und er hat alles Recht dazu.
Antwort: Eben da liegt der tiefste Grund für das „ausweglose Durcheinander“, daß die Kirche durch den Ausfall ihrer höchsten Lehrautorität „verfinstert“ ist. Anders ist die gegenwärtige Situation, vor allem die kirchliche selbst, nicht mehr zu erklären. Gewiß ist das eine Strafe Gottes, und gewiß kann nur Er allein uns durch Sein Eingreifen retten. Darum müssen wir vor allem beten, daß Er uns wieder einen Papst gibt, der diesen Namen verdient.