1. In dem Beitrag „Das Leben ist ein Spiel“ – der nicht einfach nur gelesen, sondern sorgfältig bedacht und durchdacht werden sollte, was sich sicherlich wegen seiner Aktualität lohnt – wurde gezeigt, wie grundlegend sich das Verhalten der Menschen (oder sollte man besser sagen der zur Masse degenerierten Menschen) seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verändert hat. Innerhalb weniger Jahrzehnte ist aus dem christlich abendländischen Menschen ein Spaßmensch geworden. Dabei hat diese Verspaßung der Gesellschaft weitreichendste Folgen, weil nämlich der Spaß als Ziel des Lebens das Denken und Urteilen grundlegend verändert und den Menschen, wie Dietrich von Hildebrandt es nennt, in besonderem Maße wertblind macht. Der Spaß ist kein objektiver Wert, ja er ist überhaupt kein Wert, sondern nur ein Gefühl, eine Gemütsbewegung. Als solche ist er irrational und damit seinem Wesen nach beliebig. Darum ist jemand, der nur Spaß haben will, geistig vollkommen orientierungslos und somit leicht und in jede Richtung manipulierbar. Die für den Spaßmenschen entscheidende Frage, wo denn der Spaß aufhört, ist und bleibt für ihn solange unbeantwortbar, als er nicht bereit ist, sein System zu wechseln und wiederum in die Welt der wahren Werte einzudringen.
Während des Lesens von „Das Leben ist ein Spiel“ ist mir ein weiterer, oder richtiger gesagt, ein erweiternder und konkretisierender Gedanke gekommen: Wenn das Leben nur noch ein Spiel ist, was sind dann eigentlich die Spielzeuge? Denn das ist doch wohl die unmittelbare, unausweichbare Folge, wenn das Leben nur noch ein Spiel ist: Man braucht Spielzeuge! Mit was aber spielt der moderne Mensch?
2. Des Deutschen liebstes Kind ist sein Auto, so heißt es und daran ist sicher mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Immerhin wurde das Auto von einem Deutschen erfunden und außerdem sind die Deutschen unter den besten Autobauern der Welt sehr gut platziert.
Das Auto ist ein sehr spieliges Spielzeug, so kann man sagen. Das will heißen, man kann das ganze Leben damit spielen, ohne kindisch zu wirken. Zudem gibt es verschiedene Spielvarianten, die das Spiel recht abwechselnd gestalten. Man kann etwa auf alt spielen oder auf sportlich oder auf extravagant oder einfach auf teuer. Das teuerste Auto der Welt soll immerhin 40 Millionen Euro gekostet haben. Ein sehr teures Spiel also, wenn man auf teuer spielen möchte. Aber es geht natürlich auch günstiger im Autospiel, einen Oldtimer findet man auch schon um 500 € auf dem Schrottplatz, wenn man Glück hat – wobei man dann natürlich noch etwas nacharbeiten muß, was das Spiel jedoch nur noch interessanter macht. Ja, mit dem Auto kann man immer spielen und soviel spielen, wie man nur will, ohne kindisch zu wirken.
Ob das Auto jedoch an sich solchen Aufwand, solche Aufmerksamkeit, soviel Zeit und Geld überhaupt wert ist und wert sein kann, das ist eine ganz andere Frage. Das kommt auf den Standpunkt an, auf das persönliche Interesse, so wird man wohl antworten. Nein, es kommt nicht einfach nur auf den Standpunkt, das persönliche Interesse an, sondern auf das Erwachsensein. Je erwachsener jemand ist, desto nüchterner und zweckdienlicher ist sein Auto. Denn das Auto braucht man letztlich dazu, um bequem, sicher und möglichst zuverlässig von Punkt A zu Punkt B zu kommen. Das ist das Auto des Erwachsenen: Ein Fortbewegungsmittel, das einen bequem, sicher und möglichst zuverlässig von Punkt A zu Punkt B bringt. Aber wer wählt sich sein Auto schon wirklich allein nach diesen Kriterien aus, steckt doch bekanntlich in jedem Mann ein Kind – und womöglich sogar auch in jeder Frau, wobei nur die Spielzeuge meist andere sind?
3. Der Teufel ist bekanntlich erfinderisch. Wenn er den Computer noch nicht hätte erfinden lassen, dann müßte er das ganz dringend sofort in Angriff nehmen. Diese Maschine ist nämlich ein universal einsetzbares Spielzeug, wogegen ein Auto für den Tüftler direkt noch ein kreatives Wunder ist, das sogar noch wirklich existiert.
Der Computer hat eine erstaunliche, erschreckend gefährliche Fähigkeit: Er frißt Realität und Zeit, ohne daß der Benutzer es merkt. Man((n) oder auch Frau) muß schon sehr erwachsen sein, um mit diesem Spielzeug einigermaßen vernünftig umgehen zu können. Nein, der Computer ist nicht nur eine Schreibmaschine, eine Rechenmaschine, eine Konstruktionsmaschine, eine Verwaltungsmaschine, eine Registriermaschine, er ist darüber hinaus ein weit, weit offenes Tor zu einer virtuellen Welt, also einer Phantasiewelt, einer nicht wirklichen Welt – die aber gemeiner Weise sehr wirklich erscheint. Eigentlich, nüchtern betrachtet, ist eine virtuelle Welt ein Widerspruch in sich, der einem sofort aufstoßen sollte, es aber leider nicht tut. Der Computer hat die faszinierende Fähigkeit, Menschen unmerklich in eine Scheinwelt, eine Spielwelt zu entführen – und sie dort festzuhalten. Manche Filme haben sich diesen spielenden Wechsel von wahrer Welt und Spielescheinwelt schon zum Thema gemacht und das mit großem Erfolg. Der Zuschauer hat im Laufe des Filmes schon große Mühe, die verschiedenen Welten noch einigermaßen auseinanderzuhalten und die richtige von der falschen Welt klar zu unterscheiden. Der Computer kann den Spieler tatsächlich so sehr in seiner Scheinwelt festhalten, daß er nicht mehr aus ihr herausfindet. Es gibt computersüchtige Menschen, die ohne therapeutische Hilfe sich nicht wieder in der wirklichen Welt zurechtfinden. Das Verführerische dieser Scheinwelt ist, daß der Spieler dort spielend einfach der König, der Held, der Sieger, der unerschrockene Kämpfer, der unwiderstehliche Liebhaber oder auch der geniale Schatzjäger ist, also all das, was er sich im Geheimen erträumt. Er ist jedenfalls in dieser Scheinwelt ein toller Typ, der Abenteuer über Abenteuer erlebt und besteht, und nicht nur ein Niemand wie in der Welt draußen, in dieser faden, langweiligen, deprimierenden wirklichen Welt. Warum soll man aus dieser so schönen erspielten Welt überhaupt noch herauswollen? Und wie soll man schließlich und endlich, wenn man sich so ganz und gar eingespielt hat, wieder aus ihr herausfinden?
Hier begegnet uns übrigens eine der zahlreichen Paradoxien dieser modernen Welt und dieses modernen Lebens. Der moderne Mensch ist einerseits so stolz auf seine Rationalität, seine Wissenschaft, sein teuer erkauftes Wissen – und das ist buchstäblich zu nehmen, denn die moderne Forschung kostet jedes Jahr Unsummen, Summen, die man sich gar nicht mehr vorstellen kann – weswegen er meint, allen vor ihm lebenden Menschen haushoch überlegen zu sein, und dann flüchtet er sich andererseits in lauter irrationale Scheinwelten, weil er es offensichtlich in seiner neu entdeckten Realität nicht aushält. Oder ist das mit der neu entdeckten Realität auch wieder nur ein Spiel? Wer weiß das noch so genau in so einer universalen Spielewelt? Tatsache ist jedenfalls, der moderne Mensch zieht es vor, jeden Tag stundenlang vor dem Computer und dem Fernseher zu verbringen, anstatt die so tolle neu entdeckte Welt zu betrachten und zu bestaunen und für sich zu erobern. Aber was sage ich da, zum Staunen gibt es ja nichts mehr, weil wir doch schon alles wissen und alle Rätsel der Welt gelöst haben. Nun, wenigstens fast alle Rätsel, und den Rest werden wir auch noch lösen, ganz sicher. Unsere Wissenschaftler machen das schon, wenigstens auf sie ist Verlaß! Oder etwa auch nicht – zumal auch die sog. Wissenschaft heute zunehmend der vor allem bei Halbwüchsigen populären Science Fiction und Fantasy gleicht?
Seltsam ist bei all dem, daß nicht doch der eine oder andere plötzlich aufwacht und sich in einem Anflug von gesundem Menschenverstand zu fragen beginnt: Ob das denn so wahr ist mit der Wirklichkeit des modernen Menschen? Ist nicht folgendes zu vermuten, um nicht zu sagen ganz klar zu sehen, wenn man noch Augen hat zu sehen: Wenn dieser moderne Mensch erwachsen wäre und kein Kindskopf geblieben wäre, dann müßte ihm zumindest das eine auffallen: Ein erwachsener Mensch braucht sicher keinen Fernseher und auch keinen Spielecomputer, um sich beschäftigen zu können. Er gebraucht vielleicht einen Computer als Maschine, und selbst da ist er sehr vorsichtig, damit ihn das Teufelszeug nicht unversehens doch wieder in eine Scheinwelt entführt, aber leben möchte er in der wahren Welt, die so unbegreiflich schön und groß ist, wenn man noch nicht ganz wertblind geworden ist und noch Augen hat zu sehen…
4. In dem Exerzitienbüchlein des hl. Ignatius von Loyola läßt dieser den Exerzitanten am vierten Tag eine Betrachtung machen über die zwei Banner, „das eine Christi, des höchsten Befehlshabers und Unseres Herrn, das andere Luzifers, des Todfeindes unserer menschlichen Natur“. Man soll sich vorstellen, wie Luzifer als Anführer seines Heeres eine Rede hält. Der hl. Ignatius skizziert diese Rede folgendermaßen: „Erwäge die Rede, die er an sie richtet, und wie er sie anspornt, Netze und Ketten auszuwerfen; und zwar sollen sie zuerst durch Begierde nach Reichtum in Versuchung führen, wie er bei den meisten zu tun pflegt, damit sie desto leichter zu eitler Ehre der Welt und von da zu ausgewachsenem Hochmut gelangen.“ Luzifer ist ein Meisterpsychologe. Er kennt die erbsündlich geschwächte Natur des Menschen genau. Die Erbsünde war eine Sünde des Stolzes, der Selbstüberhebung über den göttlichen Herrn und Schöpfer. Und die Neigung zum Stolz ist seitdem tief in das Menschenherz eingewurzelt. Der Versucher hat genügend Erfahrung im Umgang mit den Menschen, um zu wissen, wie er am besten diese Schwäche ausnützen und ihn zu dieser Sünde verführen kann. Er beginnt erfahrungsgemäß mit der Begierde nach Reichtum, diese führt wesensnotwendig weiter zur Ehrsucht. Von der Ehrsucht steigt er noch eine Stufe höher zum Hochmut, und wenn sich dieser einmal genügend in eine Seele eingenistet hat, dann ist die Seele bereit für alle übrigen Laster.
Sobald man diese Einsicht reiflich erwogen hat, verwundert es einen nicht mehr, daß eines der beliebtesten Spielzeuge heutzutage das Geld ist. Im modernen Wirtschaftsleben hat sich das Geld schon lange verselbständigt, es ist nicht einfach nur Zahlungsmittel. Das Geld hat sich Schritt für Schritt losgelöst von jeglicher Bindung an die Realität. Zunächst hat man die Golddeckung der Währungen aufgehoben, sodann wurde die Schuldenpolitik weltweit eingeführt und damit verbunden die Möglichkeit eröffnet, Geld einfach aus dem Nichts schaffen zu können. Man braucht nur eine Druckmaschine oder noch einfacher ein entsprechendes Computerprogramm mit frei generierbaren Nullen hintendran. In diesem System läßt sich Geld fast beliebig vermehren. Damit das Ganze vor allem für die Superreichen noch mehr Spaß macht, funktioniert man das ganze Finanzsystem einfach in eine riesige Spielbank um. Man braucht dann nur noch einen Namen für solcherlei Spiele, nennen wir sie ganz einfach etwa Derivate. So, jetzt kann man ganz nach Lust und Laune um Unsummen von Geld spielen (wie bei Monopoly). Wenn das kein riesiger Spaß ist! Daß dabei auch der eine oder andere einmal verlieren muß und womöglich sogar sein ganzes Vermögen verspielt, das gehört zum Spiel und macht den besonderen Reiz des Ganzen aus. Schließlich braucht man einen gewissen Nervenkitzel.
Im Rundfunk wird nach der Bekanntgabe der Lottozahlen immer noch darauf hingewiesen, daß Glücksspiel süchtig machen kann. Ob das an den Börsen und anderen Finanzmärkten auch der Fall ist? Vielleicht verdanken wir ganz einfach dieser Spielsucht den Bankrott so mancher Banken und sogar Staaten? Vielleicht sollte man für all jene, die beruflich im engeren Sinne mit Geld zu tun haben, eine besondere Suchtprüfung einführen – oder am besten solcherlei Spiele ganz einfach verbieten? Aber das wäre natürlich eine viel zu einfache, laienhafte Lösung der weltweiten Finanzkrise...
5. Der hl. Ignatius sagt, daß auf die Versuchung zum Reichtum die der Ehre folgt, Ehre – oder man könnte auch sagen Macht. Konkret heißt das: Nach den Geldspielen, oder auch verbunden mit ihnen, kommen die Machtspiele. Denn der Reichtum muß schließlich verteidigt werden. Nun, Machtspiele werden sehr leicht zu Kriegsspielen. Daß es nach dem 2. Weltkrieg bis jetzt so viele Kriege gegeben hat wie wohl in keiner Zeit zuvor, das wird vielleicht einmal am Rande erwähnt, aber natürlich nie ernsthaft thematisiert. Es sind ja nur Kriegsspiele, so hat man fast den Eindruck, wenigstens solange man nicht selber betroffen ist.
Der Krieg hat sich in den letzten Jahrhunderten unmerklich, aber wesentlich verändert. Der Grund für diese Änderung ist der Fortschritt in der Waffentechnik. Ein entscheidender Schritt war die Erfindung des Schießpulvers und die daraus folgende Möglichkeit, Gewehre und Kanonen herzustellen. Durch diese neuen Waffen wird die Art des Kampfes verändert; aber auch das, was kriegsentscheidend ist, ändert sich mehr und mehr und schließlich ganz. Ab einem gewissen Stand der Waffentechnik ist nämlich nicht mehr die Tapferkeit der Soldaten entscheidend, sondern die je bessere Bewaffnung. Es gewinnt normalerweise immer der, der die besseren Waffen hat. So haben etwa die Preußen im sog. Deutschen Krieg von 1866 den Deutschen Bund unter der Führung Österreichs besiegt, weil sie diesen technisch überlegen waren.
Aber noch etwas Weiteres kommt hinzu, der Kampf wird durch die modernen Waffen anonym. Der Soldat bekommt immer weniger den feindlichen Soldaten zu Gesicht. Je weiter die Reichweite der Waffen geht, desto anonymer wird letztlich auch der Krieg. Der Soldat schießt nicht mehr auf konkrete Personen, sondern er schießt aus mehren Kilometern Entfernung ins Feindesland hinein, ohne zu sehen und oft auch ohne genau absehen zu können, was dann passiert. Daß in modernen Kriegen immer mehr eigene Soldaten durch „friendly fire“, auf deutsch „Eigenbeschuß“ getötet wurden, ist eine sehr nachteilige Nebenfolge dieser Entwicklung. Diese „friendly fire“ waren von den Soldaten an der Front besonders gefürchtet. Noch anonymer wird der Kampf natürlich durch die Erfindung des Flugzeuges und nochmals anonymer durch die Erfindung der Rakete und neuerdings der Drohne. Der Feind ist jetzt nur noch ein Abstraktum – aber was ist das dann genau? Ist der Feind nur noch ein Begriff, eine Ideologie, ein bloßes Feindbild? Wo bleibt da dann noch die eigentliche Realität des Krieges? Das will heißen die eigentliche konkrete Furchtbarkeit des Krieges? Diese wird nur noch von denjenigen Soldaten und Zivilisten erlebt, die an der vordersten Front unmittelbar betroffen sind; oder noch etwas konkreter, getroffen worden sind. Eines jedenfalls ist sicher: Durch den modernen Krieg werden erstaunlicher Weise – erstaunlich, weil doch die Waffen immer genauer werden – immer mehr Zivilisten nicht nur betroffen, sondern getroffen. Wenn etwa ein Bomberpilot eine feindliche Stadt bombardiert, was geschieht da eigentlich? Wo ist da die feindliche Armee, wo der eigentliche Feind? Sind das die unbewaffneten Zivillisten unter ihm in der Stadt?
Da ist es doch schon sehr erstaunlich zu lesen, daß im so finsteren und brutalen Mittelalter, in dem die Soldaten noch Mann gegen Mann kämpfen mußten, die katholische Kirche eine Exkommunikation für die Bogen- und Armbrustschützen aussprach. Die Kirche fürchtete wohl damals schon eine Zunahme der Anonymisierung des Tötens. Im Schwertkampf wurde der Unterlegene, sofern das Getümmel nicht zu wild war und es möglich war, nicht einfach getötet, sondern gefragt, ob er „Quartier“ haben wolle. Dann mußte er sich auf Ehrenwort ergeben und wurde als Gefangener in sein „Quartier“ gebracht. Der Bogen als Distanzwaffe widersprach dem ritterlichen Ehrenkodex. Nach diesem kann es in einem gerechten Krieg nicht erlaubt sein, einfach möglichst viele feindliche Soldaten zu töten, sondern man ist verpflichtet, unter Wahrung der Gerechtigkeit und sogar der Barmherzigkeit zu kämpfen. Wie schnell wird aber ein Krieg zum Unrecht! Wie leicht stumpft der Soldat im Krieg ab und verliert sein moralisches Urteilsvermögen, weil sein Gewissen nicht mehr wach ist. Heute muß man sich schon ernsthaft fragen: Wie ist mit den modernen Massenvernichtungswaffen noch ein gerechter Krieg möglich? Ja, wieso stellt der Mensch überhaupt solche Waffen her, Waffen, mit denen er die ganze Erde zu einer Wüste machen kann?
Man sollte zudem nicht außer Acht lassen: Der Krieg – das Kriegspielen – hat offensichtlich auch eine faszinierende Seite, wie nicht nur die vielen Kriegsspiele für die modernen Massenmedien zeigen, sondern auch die vielen Söldner, also diejenigen Soldaten, die in einem fremden Land für Geld in eine Krieg ziehen und ihr Leben riskieren; in einem Krieg, der sie eigentlich gar nichts angeht.
Eine der neuesten Entwicklungen der Waffentechnik kann einen bei Erwägung des Ganzen in nur noch größere Sorge versetzen, die sog. Drohnen. Drohnen sind unbemannte, ferngesteuerte oder zum Teil auch schon selbststeuernde Waffen. Zunächst nur als Aufklärungsflugzeuge gedacht, werden sie immer mehr zu universalen Waffensystemen, die man von einer Kommandozentrale aus – einem Joystick, also einem Spaßhebel – steuern kann. Damit wird das Computerkriegsspiel zur Realität! Das ist Krieg als Spiel in einer ganz neuer Dimension. Die Vorstellung, daß irgendwo auf der Welt jemand nur einen Knopf zu drücken braucht und mit dem Start einer Interkontinentalrakete ganze Länder auslöschen kann, war und ist auch immer noch unheimlich genug. Diese unheimliche Vorstellung wird jetzt noch dadurch ergänzt, daß irgendwo einer an seinem Joystick sitzt und an seinem Bildschirm ganze Armeen vernichtet. Und ein solcher Krieg am Bildschirm soll dann noch wirklich sein und dazu noch gerecht? Ein Krieg wird, mit solchen Waffen verführt, natürlich noch mehr zum Machtspiel, dessen Opfer nur wie Gewinnpunkte beim Computerspiel erscheinen und nicht mehr wie wirkliche Menschen.
Der einzige vernünftige Grund für einen gerechten Krieg wäre der, daß ein Staat von einem anderen unvernünftiger, also ungerechter Weise angegriffen wird und sich deswegen entsprechend verteidigen muß. Da es heutzutage recht schwierig geworden ist, objektiv herauszufinden, wer denn nun eigentlich aus welchen Gründen wen angreift, ist es auch schwierig zu beurteilen, ob denn der Krieg überhaupt noch rechtens ist oder ob dahinter nicht ganz andere Interessen stehen. So muß man sich etwa schon fragen, ob die sog. Religionskriege zur Zeit der Reformationszeit und der nachfolgende 30jährige Krieg auch stattgefunden hätten, wenn mit diesen Kriegen nicht handfeste wirtschaftliche Vorteile für die einzelnen Fürsten verbunden gewesen wären. Wie ja schon an sich das Protestantisch-werden für einen Fürsten allein schon dadurch recht verführerisch wurde, daß er dann als protestantischer Fürst die Kirchengüter einziehen konnte und sich dadurch natürlich in nicht gerade geringem Maße bereichern konnte. Darum ist das mit dem eigentlichen Kriegsgrund etwas recht Schwieriges.
Die modernen Kriege scheinen nochmals undurchschaubarer geworden zu sein, ja mitunter einen unheimlich spielerischen Charakter angenommen zu haben, was natürlich ganz im Gegensatz dazu steht, daß ein solcher moderner Krieg an einem einzigen Tag mehr Menschenleben kosten und mehr von einem Land zerstören kann als früher Kriege im Laufe von mehreren Jahren, ja Jahrzehnten. Hier zeigt sich eine auffallende Disharmonie zwischen der Begründung eines solchen modernen Krieges und seiner verheerenden Wirkung.
Vielleicht noch ein abschließender Gedanke zu diesem schwierigen Thema: Ein moderner Krieg kostet immer auch viel Geld und zwar immer noch mehr Geld, weil das „Kriegsspielzeug“, also die Waffen, immer perfekter, d.h. natürlich auch immer teurer werden. Es gewinnt ja, wie schon bemerkt, bei einem modernen Krieg schon lange nicht mehr der Tapferste und Beste, sondern derjenige, der das meiste Geld hat und sich deswegen die beste Technik in der entsprechenden Menge an modernsten Waffen besorgen kann. Nun, vielleicht sind die meisten Kriege heutzutage nichts anderes als sehr, sehr teure Geldspiele? Denn es ist ja auch hierzu die Frage des Marcus Tullius Cicero zu stellen: „Cui bono?“ Wem nützt das Ganze?
6. Seit den 50er Jahren des vergangen Jahrhunderts hat sich gesellschaftlich wohl kaum etwas so sehr verändert wie das Verhältnis des Menschen zu Ehe und Familie. Die 68er Revolution hat die sog. freie Liebe propagiert und auch gleich ausgiebig vorgelebt. „Rock’n Roll und Woodstock markierten den Übergang von einem ‘verklemmten’ Zeitalter in eine lustvolle, narzißtische Kultur der Halberwachsenen. In Kommunen und anderen ‘nicht-repressiven’ Lebensformen wurde das neue, libertäre Ideal vorgelebt. Die Lizenz für Lust und Sex und Spaß war unwiderruflich erteilt”, so heißt es in dem Artikel „Das Leben ist ein Spiel“.
Die Forderung nach freier Liebe geht Hand und Hand mit der sog. Emanzipation, der Forderung nach Gleichschaltung von Mann und Frau. Inzwischen haben sogar manche Frauenrechtlerinnen eingesehen, daß dieses Ziel auf dem eingeschlagenen Weg nicht erreicht wurde und eigentlich nie erreicht werden konnte. Zweiteres – daß diese Emanzipation ein Irrweg ist – haben natürlich die wenigsten eingesehen, weil das schon wieder ein tieferes Nachdenken über das Wesen der Frau und die Bedeutung der Geschlechter fordern würde. Für solcherlei Einsichten fehlt jedoch heutzutage die philosophische Basis.
Die sog. Emanzipation ist ein weiteres Paradoxon des modernen Lebens, denn sobald man die Sache genau betrachtet, fällt einem auf, daß die Frau durch die Emanzipation im Grunde gar nicht emanzipiert wurde, sondern daß sie sich freiwillig (?), im Namen der Emanzipation zum Spielzeug gemacht hat, denn diese sog. freie Liebe ist letztlich immer nur ein Spiel und niemals ernst gemeint. Und bei diesem Spiel verliert zunächst einmal die Frau, ob sie das wahrhaben will oder nicht. Werden die meisten sog. Frauenzeitschriften nicht von „freie Liebe“ propagierenden Männern gemacht, finanziert, maßgeblich mitgestaltet?
„Freie Liebe“, was ist das eigentlich genau? In dem heute gemeinten Sinn ist „freie Liebe“ ein Widerspruch in sich. Denn Liebe ist ihrem Wesen nach niemals in dem hier suggerierten Sinn frei – frei, als ob ich in der Liebe tun und lassen könnte, was ich will. Wahre Liebe verpflichtet mich im Gegenteil zuerst und vor allem anderen zur Wertschätzung des anderen um seiner selbst willen und damit zur Bindung. Freie Liebe aber ist immer eine Liebe ohne feste Bindung, sie ist immer Liebe auf Zeit, und diese bewirkt wesentlich eine Versachlichung des „Geliebten“ zum Spielobjekt oder Sexobjekt. Die Frau, die man wirklich liebt, ist sicher kein Spielzeug, das man nach ein paar Monaten wieder in die Ecke stellt, weil sie einem nicht mehr gefällt, bzw. weil einem eine andere besser gefällt. Was natürlich auch umgekehrt für den Mann gilt, den man liebt. Wenn man genau hinsieht, dann stellt man doch fest: Der heutige Spaßmensch ist gar nicht mehr fähig, sich ernsthaft zu binden. Wie sollte er da noch wahrhaft liebesfähig sein? Dieser Spaßmensch ist ein Kindskopf, der mit dem Empfindlichsten, Verletzlichsten, Tiefsten des Menschenlebens umgeht wie ein gedankenloser Trampel. Zu einer wirklich ernsthaften Beziehung ist letztlich weder die emanzipierte Frau noch der selbstisch-kindische Mann fähig. Darum ist das Zusammenleben zwischen Mann und Frau heute notwendigerweise zum Glücksspiel geworden oder sogar, noch etwas flacher und geistloser ausgedrückt, zum bloßen Sexspiel. Und wie die Erfahrung zeigt, dauern diese Spiele nicht sehr lange, wohingegen der bleibende Schaden für die Seelen unermeßlich ist. Die Größe dieser Katastrophe ist letztlich gar nicht mehr absehbar, vor allem, wenn man auch an die Kinder denkt, die aus solchen „Beziehungen“ hervorgehen.
7. Was lernt nun der Mensch, der in dieser Spielewelt noch erwachsen werden möchte, aus all dem Gesagten? Man muß sich täglich darüber Rechenschaft geben, ob man noch in der wahren, der wirklichen Welt lebt, oder ob man sich nicht schon unbemerkt in einer dieser Spielewelten verloren hat. Eines ist jedenfalls sicher: Von allen Seiten lauern die Versuchungen, darum: „Seid nüchtern und wachsam! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Widersteht ihm fest im Glauben, im Wissen, daß dieselben Leiden eurer Bruderschaft in der Welt auferlegt werden. Der Gott aller Gnade selbst aber, der euch durch Christus Jesus zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, wird euch, die ihr kurze Zeit zu leiden habt, vollenden, stärken, kräftigen und befestigen. Sein ist die Macht in alle Ewigkeit. Amen“ (1 Petr. 5,8ff).