Zum Sonntag in der Weihnachtsoktav bringen wir zur Erbauung eine Weihnachtspredigt über das Geheimnis der Heiligen Nacht.
Man kann es nicht anders sagen: Diese Heilige Nacht ist unbeschreiblich schön, sie ist eine wahre göttliche Wundernacht. Sie führt uns, wenn wir uns nur von ihr an der Hand nehmen lassen, glaubend und vertrauend an der Hand führen lassen, zu einem wunderbaren, die ganze Welt verwandelnden Geheimnis.
Sie haben es hoffentlich erahnt in dieser Nacht, dieses Geheimnis, das so verborgen war, daß es selbst die Engel nicht begreifen konnte – bis dann endlich diese Nacht kam und es ihnen, diesen seligen Geistern des Himmels, offenbarte. Auch wir durften diese Nacht hinausgehen in die Fluren Bethlehems – Zeit und Raum spielen ja keine Rolle in der hl. Liturgie, spielend trägt sie uns ins ferne Heilige Land und setzt uns sanft auf einer Wiese vor der Stadt Bethlehem ab – wir durften hinausgehen und die überirdische Schönheit schauen. Eigentlich müßte man verstummen vor diesem Geheimnis, eigentlich kann man nur schweigend recht von dem sprechen, der über allen Menschenworten steht, weil ER das WORT ist.
Lassen wir uns zunächst noch einmal vom hl. Thomas an das Wesentliche erinnern: Das Geheimnis der Menschwerdung übersteigt von allen göttlichen Werken am meisten die Vernunft. Nichts Wunderbareres kann man sich als Gottestat ausdenken, als daß der wahre Gott, Gottes Sohn, wahrer Mensch würde. Und weil dies Geheimnis unter allen das wunderbarste ist, so folgt, daß alle anderen Wundertaten auf den Glauben an dieses Wunderbarste hingeordnet seien.
Wenn wir das vom hl. Thomas Gesagte ernst nehmen, dann heißt das: Wir brauchen einen großen Wunderglauben, wenn wir dieses Geheimnis der hl. Weihnacht einigermaßen nur begreifen und festhalten wollen. Sonst, wenn wir diesen Wunderglauben nicht haben, entgleitet es sofort wieder unseren Gedanken und wir bleiben in einer rein sentimentalen Weihnacht gefangen und das wäre furchtbar, weil dann die Weihnachtszeit keine Gnadenzeit würde. Haben wir noch diesen Gott alles zutrauenden Wunderglauben? Wie können wir das erkennen?
Das erste, das notwendig ist, ist: Man muß sehr hellsichtig sein, wenn man zu diesem Kind geht. Die Hirten, unsere Vorbilder, waren immerhin noch so hellsichtig, daß sie die hl. Engel gesehen haben und zudem noch, durch die viele Stille belehrt, gewohnt, so aufmerksam auf jeden Laut hinzuhorchen, daß sie die Engel sogar haben singen hören. Ihr Wunderglaube war also noch intakt. Damit waren die Hirten natürlich bestens vorbereitet, sich auf den Weg zum Stall zu machen, zu diesem Kind, das nach Auskunft der hl. Engel in Windeln gewickelt in einer Futterkrippe liegt.
Diese Hellsichtigkeit und Hellhörigkeit ist eigentlich auch für uns die theologische Vorbedingung für diesen heutigen hochheiligen Festtag. Und der vergangene Advent wird Ihnen, so hoffe ich, dazu geholfen haben, diese Vorbedingung zu erfüllen. Aber dennoch, bevor wir in den Stall gehen und es wagen, vor das Kind hinzutreten, sollten wir uns noch etwas weiter, umfangreicher und sorgfältiger vorbereiten, d.h geistig rüsten. Nicht daß uns das Geheimnis dann doch noch entwischt.
Der hl. Dionysius vom Areopag, dieser im Gottesgeheimnis vom hl. Paulus selbst wohlunterrichtete Priester und große Gelehrte, dieser gottbegeisterte Stauner und alles Überschöne Liebender gibt uns folgendes zu bedenken: „Denn es ist gar nicht möglich, daß der urgöttliche Strahl in uns hineinleuchte, es sei denn, daß er durch die bunte Fülle der heiligen Umhüllungen, welche einen erhöhten Sinn enthalten, verdeckt und so in väterlicher Fürsorge unseren Verhältnissen gemäß und entsprechend angepaßt sei.“
Gott begegnet uns Menschen in dieser Welt immer in Umhüllungen, anders kann ER uns hier, in dem Zustand der irdischen Wanderschaft nicht begegnen. Wir müssen das wissen und die Umhüllungen wohl bedenken, wenn wir Gott in unserer Welt dennoch sehen wollen, IHN erkennen wollen in seinem Überirdischen göttlichen Sein. Je klarer uns diese Einsicht gegeben ist, desto klarer wird uns auch das wahre Gottesbild aufleuchten durch die Umhüllungen hindurch. Sie werden uns zu entbergenden Verbergungen, in denen wir das wahre Licht fassen können. So fassen können, daß unser Glaube leuchtet und lebt und singt und jauchzt.
Also gehen wir zur Tür des Stalles, klopfen wir an und warten wir, bis der hl. Josef kommt und uns die Türe öffnet. Oh, der hl. Josef hat ein wunderbar heiteres, strahlendes, ruhiges und glückliches Antlitz. Er fragt uns erst gar nicht, was wir denn wollen, er weist nur still mit seiner großen Arbeiterhand auf das göttliche Kind. Nun treten wir zaghaft, mit laut klopfendem Herzen und vielleicht auch ein wenig aufgeregt vor das Kind: durch die bunte Fülle der heiligen Umhüllungen schaut uns der Sohn Gottes an. Wir stehen vor der Ewigkeit und Unendlichkeit des göttlichen Seins verhüllt unter der hl. Menschheit dieses Kindes. Es hat sich uns in väterlicher Fürsorge unseren Verhältnissen gemäß und entsprechend angepaßt. Man kann sich nichts Größeres und Geheimnisvolleres erdenken als dieses kleine Kind. Das ist die Wirklichkeit, die uns an der Krippe fordernd begegnet und so unbeschreiblich lieblich anschaut.
In diesem Augenblick muß man es erfahren und ganz ganz tief im Herzen erspüren: Man kann dieses Kind nicht anschauen, ohne selbst innerlich verwandelt zu werden. Denn ER sieht aus Seiner göttlichen Welt in unser armseliges, von der Sünde, der Finsternis gezeichnetes Menschenherz. Dabei sind Seine Gedanken über uns – wunderbarer Weise muß man sagen – göttliche Lichtgedanken, heilende Heilandsgedanken. Ganz zart und fein berühren uns diese Gedanken, daß wir gar keine Angst zu haben brauchen, aber dennoch sind sie auch so stark und gnadenvoll, daß wir neue Menschen werden wollen – unbedingt werden wollen. Erkennen Sie es auch? Jetzt, bei diesen Gedanken des Kindes, diesen wirksamen Gottesgedanken wird es langsam richtig und echt Weihnachten.
Hören wir auf diese Gottesgedanken, die uns unser eigenes Menschensein so wunderbar neu deuten wie am ersten Schöpfungsmorgen. Göttliche Möglichkeiten erstehen daraus für den, der glauben kann.
Ja, ER kommt in unsere Welt, um uns in Seine Welt zurückzuführen. Unser Gebet an der Krippe ist der Anfang dieses Weges zurück zu IHM. Hier an der Kippe beginnt das zweite Wunder Gestalt anzunehmen: die Verwandlung unserer Seele, die nun christusförmig werden muß und es auch mit IHM wieder kann.
Hören wir dazu nochmals die lichtvollen Erwägungen hl. Dionysius: „Wir wollen uns also mit unseren Gebeten durch höheres Aufschauen zu den urgöttlichen und urgütigen Strahlen zu erheben versuchen / gleichsam als ob wir, wenn eine lichtstrahlende Kette von den Höhen des Himmels herabhinge und wir diese mit ständig abwechselnd greifenden Händen immer weiter hinauf erfaßten / diese scheinbar zu uns herabzögen / während wir sie in Wirklichkeit nicht zu uns herunterbrächten, da sie ja oben und unten zugleich ist, sondern wir selbst uns zu dem höheren Glanz der lichtspendenden Strahlen emporhöben.“
Ist das nicht eine erstaunlich treffende, ins Weihnachts-Geheimnis zielende Beschreibung unserer Begegnung mit dem göttlichen Kind? Bitten wir unser himmlische Mutter ganz inständig um diese Weihnachtsgnade, damit wir durch das göttliche Kind anbetend hinaufgehoben werden in Sein himmlisches Reich – das jetzt ganz nahe bei uns ist, ja hier im Stall von Bethlehem eine offene Türe hat. Wir müssen nur im Glauben hindurchgehen. Keine Angst, ER ist da! Denn seht es ist wirklich Weihnachten geworden.
Amen.