Liturgische Metamorphose - 2. Teil

Was bisher geschehen ist: Bereits der heilige Papst Pius X. hatte die Notwendigkeit einer liturgischen Reform erkannt. Vor allem war es ihm darum zu tun, die "tätige Teilnahme" der Gläubigen an der Liturgie zu fördern. Er führte eine Brevierreform durch, brachte eine Neuausgabe des Missale heraus und plante noch weitere Reformen, die er jedoch nicht mehr verwirklichen konnte. Die "Liturgische Bewegung" griff sein Anliegen auf, geriet dabei jedoch auf falsche Geleise, indem sie die "tätige Teilnahme" im Sinne eines falschen allgemeinen Priestertums der Laien verstand. Mehr und mehr geriet der Mensch zu Maß und Mittelpunkt der Liturgie mit der Folge von Einführung der "Gemeinschaftsmessen" und der Volkssprache, Zurückdrängen der "Priesterliturgie" etc. Es gelang der "Liturgischen Bewegung", ihr Anliegen einer falschen Reform auch nach Rom zu tragen, wo nun die eigentliche Umwandlung der heiligen römischen Liturgie in die "Menschenmachwerks-Liturgie", wie wir sie heute kennen, begann.

Etappen einer Metamorphose

Die Reformen unter Pius XII.

Psalmenübersetzung und liturgische Kommission

Im Jahr 1948 hatte Papst Pius XII. eine neue Psalmenübersetzung veröffentlicht, von welcher er wünschte, daß sie fortan in der Liturgie, vor allem beim Breviergebet, verwendet werde. Es war dies ein absolutes und unerhörtes Novum, denn bis dahin hatte niemand gewagt, die ehrwürdigen uralten Psalmenübersetzungen anzutasten, die entweder durch jahrhundertelangen liturgischen Gebrauch geheiligt waren oder der approbierten und authentischen Vulgata entstammten. Nun also wurden die Psalmen völlig neu übersetzt, aus dem sogenannten „Urtext“, und beauftragt mit der Leitung dieser Arbeit wurde ausgerechnet der deutsche Jesuit Augustin Bea, Beichtvater des Papstes, der später mit seinem „Sekretariat für die Einheit der Christen“ eine sehr unrühmliche Rolle bei der Verwirklichung der Revolution in der Kirche durch das „II. Vatikanum“ spielen sollte.

Unnötig zu erwähnen, daß diese gewissermaßen auf dem Reißbrett entstandene, hochakademische Übersetzung liturgisch völlig unbrauchbar war und daher auch bald wieder aus den liturgischen Büchern verschwand. Sie zeigte aber bereits die neue, bisher undenkbare Haltung gegenüber der römisch-katholischen Liturgie, die man plötzlich nicht mehr als gewachsene, vom Heiligen Geist über Jahrhunderte geformte und daher heilige, unantastbare oder doch nur höchst vorsichtig moderierbare Überlieferung betrachtete, sondern als eine Art „Workshop“, in welchem man beliebig herumbasteln konnte. Diese neue Haltung wirkte sich sehr rasch auch ganz praktisch bei den ausführenden „Liturgen“ aus, welche nichts dabei fanden, in altehrwürdigen Meßbüchern mit Kugelschreiber unbekümmert auszustreichen und hineinzukritzeln.

Ebenfalls im Jahr 1948, am 28. Mai, installierte der Papst eine „Kommission für Liturgische Reform“ mit ausgerechnet den Patres Antonelli als Generaldirektor und Annibale Bugnini als Sekretär, die später als die Väter des „Novus Ordo Missae“ in die Geschichte eingehen sollten. Pius XII. besaß offensichtlich ein ausgesprochenes Talent, jeweils den Bock zum Gärtner zu machen. Somit konnte Bugnini, den Malachi Martin und andere ungeniert und unwidersprochen „Mitglied der Loge“, also der Freimaurer, nannten, sein Werk beginnen. Er setzte damit den Plan um, den schon vor langer Zeit ein führender Vertreter der Liturgischen Bewegung, der belgische Mönch Dom Lambert Beauduin, gefaßt hatte. Dieser nämlich hatte bereits „am Vorabend des Ersten Weltkriegs, als sich innerhalb der katholischen Kirche immer deutlicher die Existenz einer humanistischen Bewegung abzeichnete, letzte Hand an den freimaurerischen Entwurf der 'künftigen' Liturgiereform durch 'Schaffung' einer 'neuen Messe'“ gelegt, bei welcher es sich „um eine Zusammenfassung der modernistischen Häresie handelte“ (Die Verfinsterung der Kirche, S. 69). Pius XI. hatte dem damals einen Riegel vorgeschoben.

Nun war die Zeit günstig, und Bugnini saß am richtigen Hebel, den Plan zu verwirklichen. Dabei ging er, wenn auch recht zügig, so doch schrittweise vor, in mehreren Etappen, nach und nach, da seine alchemistische „Reform“ sonst Gefahr gelaufen wäre, nicht angenommen zu werden. Dies zeigte sich vor allem beim letzten Schritt, der dann doch vielleicht allzu hastig und ungeduldig getan wurde, was denn auch die Bewegung der „Traditionalisten“ auf den Plan rief, die sicher noch viel weitläufiger ausgefallen wäre, wenn nicht der Papst selbst die „Reform“ von oben auferlegt hätte. Dank seiner Beziehungen zu dem bereits erwähnten Beichtvater des Papstes, Kardinal Bea, hatte Bugnini auch während der Krankheit Pius' XII. anfangs der 1950er Jahre freien Zugang zu diesem und konnte ungehindert sein dunkles Geschäft betreiben.

Experimentelle Ostervigil

Der erste Schritt war die „experimentelle“ Ostervigil von 1951 (wir stützen uns hier und im folgenden auf die Arbeit von Daniel L. Dolan, Pre-Vatican II Liturgical Changes: Road to the New Mass, veröffentliche auf „traditionalmass.org“). Kardinal Liénart, ebenfalls berühmt-berüchtigt wegen seiner Nähe zur Freimaurerei und seiner prominenten Mitwirkung an dem revolutionären Umbruch des „II. Vatikanums“, hatte am 22. November 1950 das Anliegen der Liturgischen Bewegung aufgegriffen und vom Heiligen Stuhl formell die Erlaubnis erbeten, aus „pastoralen Gründen“ die Ostervigil in der Nacht statt am Morgen feiern zu dürfen.

Allein schon die Verlegung dieser Feier in die Nacht hatte bedeutende liturgische Konsequenzen. Wir haben oben schon gesehen, daß der liturgische Ort der Ostervigil kein anderer sein konnte als der zwischen der Non des Karsamstags und der I. Vesper von Ostern. Wo sollte sie liturgisch nun verortet werden, wenn sie in die Nacht verlegt wurde? Die römische Liturgie kennt von alters her nur eine nächtliche Messe, nämlich die Erste Messe von Weihnachten. Ihr liturgischer Ort ist zwischen Matutin und Laudes, sie ist also eine Art Verlängerung der Matutin, daher auch oft „Mette“ genannt („Mette“ ist nichts anderes als Matutin). Damit gehört sie aber auch schon eindeutig zum Weihnachtsfest, das ja bereits am Vorabend mit der I. Vesper begonnen hat.

Wie ist es nun mit der Osternacht? Diese ist vom Charakter her ganz zwischen Karwoche und Ostern angesiedelt, weshalb sie in der liturgischen Buß-Farbe Violett beginnt und dann festlich weiß endet. Auch ist der Osterjubel noch sehr verhalten, weshalb in der Messe der Ostervigil nicht nur Requiems-Melodien vorkommen, sondern auch andere Merkmale feierlicher Sonn- und Festtage wie etwas das Credo unterbleiben. Sie kann also nicht ganz dem Ostersonntag zugeordnet werden. Die „Lösung“ dieses Problems bestand schließlich darin, daß man die I. Vesper des Ostersonntags einfach strich; stattdessen wurde eine II. Vesper vom Karsamstag eingeführt. Der Ostersonntag begann nun erst mit der Matutin, als deren Ersatz die Osternacht galt (ebenfalls ein Novum ersten Ranges!), weshalb diese nun nicht mehr wie bisher mit der I. Vesper von Ostern, sondern mit den Laudes endete, also mit „Benedictus“ statt „Magnificat“ und der Antiphon „Et valde mane...“ statt „Vespere autem sabbati...“. Dies hatte zur kuriosen Folge, daß ausgerechnet der Ostersonntag, Modell und Vorbild aller Sonn- und Festtage, nun der einzige war, der keine I. Vesper und keine Matutin mit „Te Deum“ mehr hatte.

Die Antwort Roms auf Kardinal Liénart war nicht nur die Erlaubnis zur Verlegung der Vigilfeier, sondern eine experimentelle Neufassung der Ostervigil, die freilich noch vergleichsweise behutsam vorging, doch bereits folgende Neuerungen einführte: Erstmals wurde der „Kreativität“ freier Raum gegeben, indem es möglich wurde, zwischen mehreren Optionen zu wählen; zum ersten Mal wurde die Volkssprache offiziell in der eigentlichen Liturgie ermöglicht (was übrigens auch bei Cranmer im Jahr 1548 der erste Schritt zu seiner anglikanischen Messe gewesen war) und die Rubrik eingeführt, daß der Zelebrant den vom Lektor vorgetragenen Lesungen „sitzend lauscht“ (sedens auscultat), statt sie am Altar (in Latein!) zu lesen. Damit war der Priester vom Akteur zum Zuhörer und die Volkssprache auch zugleich liturgische Sprache geworden.

Im Jahr 1953 wurden im Hinblick auf die schwache Konstitution des modernen Menschen die Vorschriften für das Eucharistische Fasten erleichtert. Galt bis dahin seit unvordenklichen Zeiten das Gebot der Nüchternheit ab Mitternacht, so wurde dies nun – unter bestimmten Bedingungen freilich noch – auf drei Stunden verkürzt. Damit war ein entscheidender Schritt zur Lockerung der Sakramentendisziplin getan, der zu immer weiteren Erleichterungen und Lockerungen führte bis hin zu den Mißständen, die wir heute beklagen, wie der „Hand- und Stehkommunion“.

„Neuordnung“ der Karwoche

Nachdem das Experiment mit der Ostervigil gelungen war, stand nichts mehr im Wege, den nächsten Schritt zu wagen, nämlich die gänzliche Neuordnung der Karwoche im Jahr 1955. Diese war schon eine Art „Versuchsballon“ für den „Novus Ordo“ oder sogar mehr als das, führte sie doch dessen wichtigste Prinzipien hier bereits in die römische Liturgie ein, und zwar in deren Kern. Denn die Liturgie der Karwoche, namentlich des „Triduum sacrum“, der heiligen Drei Tage, ist nicht nur eine der ältesten der Kirche, sondern auch ihr Mittelpunkt, gewissermaßen ihr Heiligtum. Welches waren nun diese Prinzipien?

Vor allem sollten die Riten verkürzt und vereinfacht werden, dem Verständnis und den Bedürfnissen des „modernen Menschen“ besser angepaßt. Dann wurde die Zuwendung des Priesters zum Volk eingeführt, freilich noch nicht während der Messe, aber doch bei einigen bedeutenden Riten wie vor allem der Weihe der Palmzweige am Palmsonntag (hieß es dort in den alten Rubriken noch, daß diese zum Altar hin zu vollziehen sei, so wurde nun ausdrücklich gefordert, daß sie versus populum, zum Volk gewandt gemacht werden müsse, weshalb eigens ein Tisch zwischen Priester und Volk aufzustellen sei – ein Vorläufer des „Volksaltars“) oder bei der Wasserweihe in der Ostervigilfeier. Erstmals ließ man Stufengebet (z.B. in der Osternacht) und Schlußevangelium (z.B. am Gründonnerstag) wegfallen und schrieb vor, daß die Gläubigen mit dem Priester zusammen das Pater noster am Karfreitag zu beten hatten.

Die Weihe der Palmzweige wurde in ihrem Charakter und Ablauf vollkommen geändert. War diese ursprünglich eine Art feierlicher Konsekration in Gestalt einer eigenen Messe, mit Vormesse, Präfation, Sanctus und nicht weniger als sieben Weihegebeten, so wurde sie nun auf eine einfache, ganz neu erfundene, Segnung reduziert mit anschließender Verlesung eines Evangeliums. Die Lesung der Passion wurde verkürzt. Bis dahin hatte die Passion stets das Letzte Abendmahl mit umfaßt und so den Zusammenhang zwischen dem Leiden Christi und der Einsetzung der Heiligen Messe hergestellt, nun nahm sie ihren Anfang erst im Ölgarten. Auch wurde der letzte Teil gestrichen, der jeweils feierlich als Evangelium vorgetragen worden war; stattdessen blieb es bei der bloßen Lesung (oder Gesang) der Passion zum Volk hin – durchaus auch durch Lektoren mit „lauschendem“ Priester. Ebenso ging man auch mit der Passion am Kardienstag und -mittwoch um.

Die ärgste Umgestaltung traf sicher die Liturgie des Karfreitags. War an diesem Tag ursprünglich eine „Missa praesanctificatorum“ gefeiert worden, also eine eigentliche Messe, wenngleich ohne Wandlung, so wurde diese nun zu einem Wortgottesdienst mit Kommunionausteilung umfunktioniert und damit nicht nur protestantisiert, sondern auch zum Modell für den „Novus Ordo“ mit seinen beiden Teilen, dem „Tisch des Gotteswortes“ und dem „Tisch des Herrenleibes“. Der Priester trägt kein schwarzes Meßgewand mehr, sondern nur noch eine Albe, und begibt sich nach der Referenz des Altares sogleich an die Sedilien für die Lesungen. Das hatte es bis dahin nie gegeben; der Platz des Priesters war stets am Altar! Der Hauptteil der eigentlichen Messe mit Opferung und Priesterkommunion wurde getilgt und durch eine Kommunionfeier in violett für die Gläubigen ersetzt; früher hatte am Karfreitag ausschließlich der Priester kommuniziert.

Ebenfalls große Veränderungen trafen auch die Liturgie der Osternacht. Abgesehen von ihrer Verlegung in die Nacht, deren Problematik wir oben schon behandelt haben, wurde die Zahl der Prophetien von zwölf auf vier reduziert, die Weihe des neuen Feuers und der Osterkerze völlig neu gestaltet, was u.a. dazu führte, daß die feierliche Weihepräfation des „Exsultet“ zu einem netten, wenn auch schönen, vom Diakon vorgetragenen Liedchen degradiert wurde. Auch die Weihe des Osterfeuers, die vermutlich auf die „Liturgie des heiligen Feuers“ von Jerusalem zurückgeht, wurde dadurch vollkommen deformiert. Bekanntlich geht jeweils am Karsamstag nachmittag aus dem steinernen Grab des Heilands in Jerusalem ein wunderbares Feuer hervor, an welchem der Patriarch von Jerusalem eine Kerze entzündet und diese dann nach draußen trägt, von wo sich dieses wunderbare Licht, das nichts anderes bedeutet als Christus, den Auferstandenen, in alle Richtungen verbreitet. So wurde denn auch in Rom am Karsamstag nachmittag aus einem Stein ein neues Feuer entzündet und vom Papst geweiht.

Die seit uralten Zeiten in der Osternacht vollzogene Weihe des Taufwassers wurde zu einem optionalen Anhängsel an das völlig neu eingeführte „Osterwasser“. Im Zug dieser Neufassung wurde auch die Liturgie der Pfingstvigil, die ganz ähnlich ausgesehen hatte wie die Osternacht und ebenfalls eine Taufwasserweihe enthielt, ersatzlos gestrichen. P. Duployé, ein modernistischer Liturge, hatte zehn Jahre zuvor gesagt: „Wenn es uns gelingt, die Ostervigil in ihrer ursprünglichen Bedeutung wiederherzustellen [d.h. sie völlig neu zu gestalten], hat die Liturgische Bewegung gesiegt. Ich gebe mir zehn Jahre dafür Zeit.“ Der Modernist Chenu kommentierte dazu: „Zehn Jahre später war es vollbracht.“

Weitere Neuerungen

Das Jahr 1955 brachte mit dem Dekret „Cum Nostra Hac Aetate“ weitere liturgische Neuerungen, diesmal die Rubriken der Messe und des Breviers betreffend. Im Licht moderner Erkenntnisse sollten „unerwünschte Wucherungen“ beseitigt werden. Zu diesen gehörten offensichtlich die alten Ränge der Semi-Duplex- und Simplex-Feste, sodaß sich hier schon die spätere simplifizierende Einteilung in drei Klassen von Festen vorbereitete und die feinen Abstufungen ausgemerzt wurden. Auch die meisten Vigilien wurden als überflüssiger Ballast angesehen und abgeschafft, die Oktaven, darunter etliche von ganz beträchtlichem Alter, wurden von 15 auf drei reduziert.

Im Breviergebet wurde erstmals ein Unterschied zwischen der privaten und der öffentlichen Rezitation des Offiziums gemacht – als ob es nicht jedesmal Liturgie und damit öffentlich wäre, wenn der Priester sein Brevier betet, auch wenn er dies ganz alleine tut. Die Bußgebete, die „Preces“, wurden bis auf wenige Ausnahmen abgeschafft, die „Vater unser“ von 16 auf fünf beschränkt, die „Ave Maria“, das „Credo“ und andere Gebete, die vor und nach dem Offizium zu beten waren, ersatzlos gestrichen. Gestrichen wurden auch in der Messe die zusätzlichen Orationen, die je nach der liturgischen Zeit zu beten waren (etwa zur Muttergottes, für den Papst, gegen die Verfolger oder für die Freiheit der Kirche), die wechselnden Schlußevangelien wurden beseitigt, und es blieb nur der Johannesprolog. (Es ist eigentlich einleuchtend, daß mit dem Wegfall so vieler liturgischer Gebete auch ein Verlust entsprechend vieler Gnaden für die Kirche verbunden sein mußte, denn nach dem Gesetz der Gnade muß darum gebetet werden, um sie zu erhalten: „Bittet und ihr werdet erlangen.“ Wenn der Kirche so viele Gnaden verloren gingen, gerade zum Schutz vor ihren Feinden, für ihre Freiheit und für den Papst, und man Maria, die Mutter der Gnade, viel seltener anrief, ist der schreckliche „konziliare“ Niedergang auch nicht mehr so verwunderlich.) Endlich wurde auch noch das Fest des hl. Joseph, Schutzherr der heiligen Kirche, abgeschafft, das immer am Mittwoch in der dritten Woche nach Ostern gefeiert worden war, und stattdessen „Josef der Arbeiter“ (oder sollte man sagen: „Josef, der Proletarier“?) am sozialistischen Feiertag, dem 1. Mai, eingeführt.

Instruktion der Ritenkongregation

Am 3. September 1958, ein Monat vor dem Tod von Pius XII., erschien im Anschluß an die Enzyklika Musicae sacrae disciplina (die in gewisser Weise als Zurücknahme des „Gesetzbuch der Kirchenmusik“ genannten von uns oben erwähnten Motu Proprio des hl. Pius X. betrachtet werden kann) die Instruktion der Ritenkongregation „De musica sacra et sacra liturgia“. Hierin wurde vor allem zur Übung der „dialogisierten Messe“ ermutigt, die erstmals 1922 zugestanden worden war, wobei das Mitbeten der Gläubigen nun sogar auf die Teile des Proprium (Introitus, Offertorium etc.) sowie das Pater noster ausgedehnt werden kann. Autor Dolan weist darauf hin, daß bis dahin eine gemeinschaftliche Teilnahme der Gemeinde an der Messe ausschließlich durch den Gesang des Choral geschah – wie dies ja auch Pius X. noch bei seiner „actuosa participatio“ im Auge hatte – und ein Mitbeten der Meßgebete mit dem Priester bis 1922 nie liturgische Praxis war. So schreibt Dr. Ferdinand Haberl noch 1956: „Die aktive Teilnahme des Volkes am Gottesdienst, ein Herzensanliegen jeglicher Seelsorge, ist nicht subjektivem Urteil und Verständnis überlassen. Nach der konstanten autoritativen Erklärung durch die Kirche ist die äußere actuosa participatio des Volkes in erster Linie durch den Gesang des lateinischen Chorals zu verwirklichen“ (Das Deutsche Amt und die Enzyklika Musicae Sacrae Disciplina, Regensburg 1956 S. 8).

Das Dokument der Ritenkongregation nennt jedoch vier Stufen der Teilnahme der Gläubigen an der „dialogisierten Messe“: 1. Die Gläubigen geben die leichteren liturgischen Antworten (Amen; Et cum Spiritu tuo; Deo gratias; Gloria tibi, Domine; Laus tibi, Christe; Habemus ad Dominum; Dignum et iustum est; Sed libera nos a malo). 2. Die Gläubigen sprechen auch die Teile, die gemäß den Rubriken dem Meßdiener zukommen, sowie bei der Kommunion das Confiteor und das dreimalige Domine, non sum dignus. 3. Die Gläubigen rezitieren gemeinsam mit dem Priester Teile des Ordinariums (Gloria, Credo, Sanctus - Benedictus, Agnus Dei). 4. Die Gläubigen sprechen auch die Propriumsteile Introitus, Graduale, Offertorium, Communio zusammen mit dem Priester. Letztere Form ist nur „bei gut geschulten, auserlesenen Kreisen möglich“, wie das Dokument sorgfältig anmerkt (Instruktion der Ritenkongregation Nr. 31). Das Pater noster kann bei allen gesprochenen Messen zusammen mit dem Priester von den Gläubigen rezitiert werden als Vorbereitung auf die Kommunion, aber nur in lateinischer Sprache. Das „Amen“ wird von allen gemeinsam angefügt (a.a.O. Nr. 32).

Auch die „Betsingmesse“ wurde nun offiziell verbrieft, bei welcher ein Laien-Kommentator (oder eine -Kommentatorin) in der Volkssprache vorbetet und vorliest, während der Priester in Latein am Altar still seine Messe zelebriert (was nun tatsächlich eine vollständige Trennung zwischen dem Geschehen am Altar und dem Tun der Laien bedeutet statt einer „tätigen Teilnahme“!).

Die Liturgie des „seligen“ Johannes

Der Auserkorene

So standen die Dinge, als Pius XII. starb. Am 28. Oktober 1958 wurde Giuseppe Roncalli zum Nachfolger gewählt, welcher sich „Johannes XXIII.“ nannte. Dieser war die erste Wahl der Freimaurer gewesen, um ihre Pläne durchzusetzen, ja es gibt ernsthafte Hinweise darauf, daß er selbst Mitglied der Loge war. In der Freimaurerzeitschrift „Les échos du Surnaturel“ erschien in der Ausgabe Dezember 1961/Januar 1962 „das Zeugnis eines durch mehrere Bücher bekannten Autors“: „Was das Konzil betrifft, so habe ich Kardinal Roncalli (dem ehemaligen Nuntius in Paris, dessen Berater ich war) am 14. August 1954 geschrieben, um ihm seine künftige Wahl (zum Papst) mitzuteilen und ihn um ein Treffen während der Ferien in seinem Heimatland zu bitten, wobei wir seine erste Aufgabe erörtern könnten … das Konzil. Ich mahnte ihn nachdrücklich: 'Bitte denken Sie über all dies nach, denn es wird keine Zeit für Ausflüchte geben. Sobald Sie den päpstlichen Thron bestiegen haben, muß der Plan sogleich in Gang gesetzt werden und sämtliche Politiker überraschen'“ (zitiert nach: Die Verfinsterung der Kirche, S. 67).

Wie wir wissen, verlor der Auserkorene tatsächlich keine Zeit, sondern kündigte schon keine drei Monate nach seiner Wahl, am 25. Januar 1959, „vor 17 Kardinälen im Kapitelsaal der Patriarchalbasilika St. Paul vor den Mauern völlig überraschend“ an, „dass er ein Konzil für die Weltkirche einzuberufen beabsichtige, dessen Ziel die 'Erneuerung', 'größere Klarheit im Denken' und 'Stärkung des Bandes der Einheit' sein solle“ (Wikipedia). Die alchemistische Umwandlung der Liturgie voranzutreiben, war keines der geringsten Ziele, das die „geheimen Mächte im Hintergrund“ dabei im Auge hatten.

Der Luzifer-Verehrer Roca hatte schon Ende des 19. Jahrhunderts prophezeit: „Ich glaube, daß der Gottesdienst, so wie ihn die Liturgie, das Zeremonienbuch, das Ritual und die Vorschriften der römischen Kirche regeln, demnächst bei einem ökumenischen Konzil eine Umwandlung erfahren wird, die ihm einerseits die ehrwürdige Einfachheit des apostolischen goldenen Zeitalters wiedergeben und ihn andererseits mit dem Zustand des modernen Bewußtseins sowie der modernen Zivilisation in Einklang bringen wird“ (L'Abbé Gabriel et sa fiancée, zitiert nach: Die Verfinsterung der Kirche, S. 66). Es wundert uns nicht, daß Roncalli seinen Logenbruder Bugnini zum Sekretär der Vorbereitenden Liturgischen Kommission für das Konzil ernannte.

Die Liturgie von 1962

Noch während der dreijährigen Vorbereitungsarbeiten für das „II. Vatikanum“ faßte Bugnini seine bisherigen „Reform“-Arbeiten, ergänzt um noch einige weitere Neuerungen und Änderungen in einer Neuausgabe des römischen Missale und Breviers zusammen, das wir als die Liturgie von 1962 oder „Liturgie Johannes' XXIII.“ kennen. In Wahrheit war dies das erste Missale Bugninis, dem noch zwei weitere folgen sollten. Im wesentlichen enthielt diese Liturgie die unter Pius XII. noch eingeführten Neuerungen, dazu folgende, die Messe, das Göttliche Offizium und den liturgischen Kalender betreffende Änderungen: Die Heiligenleben in der Matutin wurden zu knappen Zusammenfassungen gekürzt; die Lesungen der Kirchenväter auf die kürzest möglichen Abschnitte reduziert (mit dem etwas naiven Wunsch, die Kleriker würden dadurch geistigen Appetit bekommen und von sich aus weitere Väterlesung betreiben); das vom Priester allein gebetete Brevier wurde nicht länger als öffentliches Gebet angesehen und darum das „Dominus vobiscum“ dabei abgeschafft. Das Schlußevangelium bei der heiligen Messe fiel nun bei noch mehr Gelegenheiten weg, die speziellen Festen eigenen Doxologien der Hymnen wurden gestrichen. Eine Vielzahl von Festen wurde abgeschafft, weil sie als nicht „historisch belegt“ galten, so z.B. das Fest Kreuzauffindung, Erscheinung des hl. Erzengels Michael, St. Peter in Ketten, St. Georg... Das Confiteor vor der Kommunion der Gläubigen wurde gestrichen, und im nachhinein, während das Konzil bereits tagte, fügte Johannes XXIII. den Namen des hl. Joseph in den Meßkanon ein.

Letztere Aktion von „Giovanni dem Guten“ mag vielen als besonders fromm und sinnreich erschienen sein, zumal der hl. Joseph sogar zum Patron des „II. Vatikanums“ erhoben worden war. Man wird jedoch nachdenklich, wenn man hört, daß bereits an Pius IX. dieses Anliegen herangetragen worden war, sicherlich nicht ein Papst, den man mangelnder Frömmigkeit und Andacht zum heiligen Joseph bezichtigen kann, war er es doch, der ihn zum Patron der Kirche ernannte. Doch in den Meßkanon wollte er diesen großen Heiligen dennoch nicht aufnehmen. Das hatte nicht nur immanent liturgische Gründe – so ist etwa die Zahl der im Kanon genannten Heiligen ebenso von Bedeutung wie die Tatsache, daß alle ausschließlich Märtyrer sind und Heilige des Neuen Bundes, während der hl. Joseph noch zu den Patriarchen gezählt wird –, sondern der Hauptgrund war die seit ältesten Tagen bestehende Unveränderlichkeit, ja Unantastbarkeit dieses allerheiligsten Kerns der römischen Liturgie. Darum nannte man diesen Teil der Heiligen Messe ja den „Kanon“, d.h. feststehende, unabänderliche Regel. Eben dieser Charakter des uralten, spätestens seit Gregor dem Großen in der römischen Kirche nie anders gebeteten Meßkanons wurde mit der Maßnahme Roncallis zerstört.

Die Missale im Vergleich

Daniel L. Dolan stellt in einer Übersicht das Missale von Johannes XXIII. dem Missale von Pius X. gegenüber. Hier einige der von ihm benannten Unterschiede: Das Missale Pius' X. wurde von einem kanonisierten Heiligen und Kämpfer gegen den Modernismus herausgegeben, während Johannes XXIII., wie er selbst zugab, „des Modernismus verdächtig“ war und das II. Vatikanum betrieb, welches „den Ökumenismus heiligen“ und die „Fenster der Kirche“ öffnen sollte. Demgemäß fußt das Missale Pius' X. auf den überlieferten katholischen Prinzipien, während dasjenige Johannes' XXIII. auf denen der „Liturgischen Bewegung“ beruht und also eine sehr kurze und neuartige „Tradition“ hat. Gemäß seinem Vater P. Bugnini war dies Missale auch nur als vorübergehender „Kompromiß“ gedacht, bis die Liturgie zu „einer neuen Stadt“ geworden sei, „in welcher der heutige Mensch leben und sich wohlfühlen kann“, und war daher auch lediglich knappe vier Jahre in Kraft.

Einige einzelne Veränderungen im Vergleich: Wurde früher stets und ohne Ausnahme das Stufengebet verrichtet (auch wenn es etwa im Falle des Requiem aus einleuchtenden liturgischen Gründen auf das Confiteor beschränkt war), so wurde dies nun in mehreren Fällen ganz weggelassen, z.B. am Fest Maria Lichtmeß, Palmsonntag, den Bittagen jeweils nach der Prozession, am Aschermittwoch nach der Aschenweihe, in der Ostervigil usw. Wurden in der überlieferten Liturgie jeweils nach dem Tagesgebet noch weitere Orationen hinzugefügt, so wurden diese nun ersatzlos gestrichen, ebenso entfielen die Kommemorationen niederer Feste an höheren Fest- und Sonntagen. Die Lesungen an den Quatembertagen wurden früher stets alle gebetet, jetzt konnten viele von ihnen optional wegfallen.

Der Lesegottesdienst

Lesung und Evangelium wurden auch im Hochamt, wenn sie von Subdiakon bzw. Diakon gesungen wurden, stets noch vom Priester am Altar gebetet; das wurde abgeschafft. Diese Änderung ist besonders schwerwiegend, denn hier wird der Zelebrant, der die Messe liest, plötzlich zum Gläubigen, der die Messe hört! Auch erhalten Lesung und Evangelium dadurch einen neuen Charakter. Dr. Haberl: „Es ist nicht im Sinne der heiligen Liturgie, den Lesegottesdienst zu einer bloßen Belehrung herabzudrücken, wenn auch die pädagogisch-didaktischen Gesichtspunkte entsprechende Berücksichtigung finden müssen. Der erste Zweck ist auch beim Lesegottesdienst die »gloria Dei«, während die »aedificatio fidelium«, die Erbauung der Gläubigen, nur eine Folge der gloria Dei sein kann. Wäre die religiöse Belehrung und Unterweisung der einzige Zweck des Lesegottesdienstes, dann hätte die Kirche schon längst hierfür die Landessprache einführen müssen. Unsere überhastete Zeit könnte wohl schwerlich ein Verständnis dafür aufbringen, daß die Bibeltexte zuerst lateinisch gesungen und dann in der Volkssprache verkündet werden sollen, falls einzig die religiöse Unterweisung der letzte Sinn des Lesegottesdienstes wäre. Die Kirche hat aber bisher mit Recht an der Lesung in der offiziellen liturgischen Sprache festgehalten und nur im Anschluß daran eine Verkündigung in der Volkssprache erlaubt, nicht bloß weil die Kirche von keiner nervösen Hast infiziert ist, sondern weil sie auch bei den Lesungen einen Gottesdienst gestalten will, der in seiner Sprache über den Alltag hinausgehoben ein sakrales Gepräge aufweisen soll“ (a.a.O. S. 20 f). Auch Lesungen und Evangelium sind also Liturgie und geschehen in erster Linie zur Ehre Gottes, sind daher durch den Zelebranten und am Altar zu vollziehen, wie dies in der römischen Liturgie immer üblich war, auch wenn sie parallel dazu durch die Leviten feierlich gesungen, durch Lektoren gelesen oder im Anschluß an den lateinischen Vortrag in der Volkssprache verlesen werden.

Eine weitere, nicht zu unterschätzende Veränderung war der Wegfall des Credo bei vielen Gelegenheiten, an welchen es ursprünglich gebetet worden war, z.B. an den Festen der Kirchenlehrer. Der hl. Ludwig Maria Grignion de Montfort schreibt in seinem Buch über den Rosenkranz, das Credo sei „als heiliger Abriß und Inbegriff der christlichen Wahrheiten ein sehr verdienstliches Gebet, weil der Glaube der Grund und das Fundament und der Anfang aller christlichen Tugenden und aller Gott wohlgefälligen Gebete ist“. „Wer sich Gott im Gebete nähern will, muß mit dem Glauben beginnen, und je mehr Glauben er hat, desto mehr Kraft und Verdienst wird sein Gebet in sich selber haben und umso mehr Gott verherrlichen.“ Welches Gebet wäre also geeigneter, uns vor dem Eintritt in den eigentlichen Opfergottesdienst Gott zu nähern als das Credo? Der hl. Ludwig Maria weist darauf hin, daß schon die ersten Worte „Ich glaube an Gott“, „welche die Akte der drei göttlichen Tugenden, Glaube, Hoffnung und Liebe in sich schließen, eine wunderbare Wirksamkeit besitzen, die Seele zu heiligen und die Dämonen niederzuschmettern“. „Mit diesen Worten haben manche Heilige die Versuchungen überwunden, besonders jene gegen den Glauben, die Hoffnung und die Liebe, sei es während des Lebens, sei es in der Todesstunde.“ Braucht es uns da wundern, daß der Wegfall des Credo beim Breviergebet und nun auch bei so vielen hll. Messen eine Schwächung des Glaubens, Minderung der Hoffnung und Erkaltung der Liebe bei so vielen Priestern, Ordensleuten und Gläubigen zur Folge hatte?

Kommunion und Entlassung

Vor der Kommunion der Gläubigen war stets das Confiteor gebetet und die „kleine Absolution“ erteilt worden. Dies hatte seinen Grund darin, daß die Gläubigen-Kommunion nicht eigentlich ein Teil der heiligen Messe ist, sondern ein „eingeschobener Ritus“. Nun wurde dieses Confiteor abgeschafft, die Kommunion der Gläubigen mithin zum wesentlichen Bestandteil der Messe gemacht und auf eine Stufe mit der Priesterkommunion erhoben (der vor der Kommunion kein eigenes Confiteor mehr betet, was er ja bereits am Anfang der Messe beim Stufengebet getan hat).

In der überlieferten Liturgie wurde das feierliche „Ite missa est“ an den Sonn- und Wochentagen der Advents- und Fastenzeit sowie an Vigilmessen und in anderen violetten Meßfeiern durch das „Benedicamus Domino“ ersetzt. Im Missale des „seligen Johannes“ taucht das „Benedicamus Domino“ nur noch auf, wenn nach der Messe eine Prozession stattfindet. Es entbehrt nicht der Ironie, daß es auf diese Weise dahin kam, daß am einzigen Tag der Karwoche, an welchem wegen seines Festcharakters „Ite missa est“ gesungen wurde, dem Gründonnerstag nämlich, nunmehr als dem einzigen Tag der ganzen Fastenzeit „Benedicamus Domino“ gesungen wird.

Nicht nur das Stufengebet, auch das Schlußevangelium wurde im neuen Missale bei vielen Gelegenheiten unterdrückt, während es früher ausnahmlos gebetet worden war. Nun unterließ man es etwa bei der dritten Weihnachtsmesse, am Palmsonntag und Gründonnerstag, in der Ostervigil, bei jeder von einer Prozession oder Weihehandlung gefolgten Messe, beim Requiem, wenn diesem die Absolution an der Tumba folgte, usw. Damit war die endgültige Abschaffung des Schlußevangeliums wie des Stufengebetes, die einige Jahre später erfolgen sollte, bereits vorbereitet.

Feste, Vigilien, Oktaven

Von den Heiligenfesten wurden etliche gestrichen, wie wir oben schon gesehen haben, darunter auch und besonders Apostelfeste wie die Stuhlfeier St. Petri in Rom und St. Peter in Ketten, aber auch andere heilige Päpste wie Leo II. oder Anaklet, oder die Feste kirchlich anerkannter Erscheinungen wie der des hl. Erzengels Michael. Andere Feste wurden umgewandelt, so das Fest des hl. Joseph, Schutzpatron der Kirche, in das zeitgeistige „Joseph der Arbeiter“ (s.o.) oder die Beschneidung Unseres Herrn in den „Oktavtag von Weihnachten“. Wieder andere Feste wurden in ihrem Rang herabgesetzt, darunter besonders einige Muttergottesfeste wie Unsere Liebe Frau vom Berge Karmel oder die Sieben Schmerzen Mariens in der Passionswoche.

Am ärgsten traf es die Fest-Oktaven, die, wie wir oben schon gesehen haben, radikal auf drei zusammengestrichen wurden. Dabei fiel etwa die uralte Oktav von Epiphanie (Dreikönig), die schon im 7. Jahrhundert sicher nachzuweisen ist, und hinterließ eine schmerzliche Lücke. Auch andere sehr altehrwürdige Oktaven wurden Opfer dieser Streichungswut, so die ebenfalls bis ins 7. Jahrhundert zurückzuverfolgende Oktav St. Peter und Paul, die bis ins 8. Jhdt. nachzuweisenden Oktaven von Christi Himmelfahrt, St. Stephanus, hl. Johannes Evangelist, Unschuldige Kinder und Kirchweih. Die Oktav von Maria Himmelfahrt war immerhin seit mindestens 850 im Gebrauch, die sinnige Fronleichnamsoktav zusammen mit dem Fest im 13. Jhdt. eingeführt worden. Allesamt – und noch einige andere dazu – fielen sie dem billigen Rotstift der Neuerer zum Opfer.

Nicht viel besser erging es den Vigilien. Insbesondere die Vigilien der Apostelfeste wie St. Matthias, St. Jakob, hll. Bartholomäus, Matthäus, Thomas und Andreas, aber auch die Vigiltage großer Feste wie Epihanie, Allerheiligen oder Unbefleckte Empfängnis wurden beseitigt.

Die sog. „alte Messe“

Vor allem aber enthielt dieses Missale erstmals die 1955 erneuerte Karwoche, die, wie wir gesehen haben, einen völligen Bruch mit der liturgischen Tradition bedeutete. Das also ist die Liturgie, welche heutige „Traditionalisten“ als die „überlieferte“ Liturgie der römischen Kirche feiern, die sog. „alte Messe“, die in der Tat auf eine fürwahr recht junge und kurzlebige „Überlieferung“ von insgesamt gerade zehn Jahren (1955 bis 1965, als das nächste Missale erschien) zurückblickt!

Sie sind dabei allesamt jedoch zumeist nicht wirklich konsequent. So ignorieren etwa einige „Ecclesia Dei“- Gemeinschaften die erneuerte Karliturgie Pius' XII., so wie es übrigens auch „Johannes XXIII.“ selber tat, der ebenfalls kein Freund der Bugninischen Neuerung von 1955 zu sein schien. Andere, wie die „Piusbruderschaft“, gehen eher selektiv vor und bevorzugen eine selbstgestrickte „Liturgie von Ecône“, tragen also beispielsweise nach wie vor den an sich 1962 abgeschafften Manipel oder lassen immer noch das „Confiteor“ vor der Kommunion der Gläubigen beten, während sie die Bugnini-Karwoche selbstverständlich mit großer Feierlichkeit und so ziemlich als einzige zelebrieren, wohingegen selbst „Novus Ordo“-Gemeinden wieder mehr Tradition in ihrer Karliturgie haben (denn einige Neuerungen von 1955 wurden 1969 wieder rückgängig gemacht oder verbessert). Den 13. Januar 2013 dürfte die „Piusbruderschaft“ beispielsweise recht einsam als „Fest der hl. Familie“ begangen haben, während „Novus Ordo“- und traditionsbewußte „Ecclesia Dei“-Gemeinden (von wahrhaft katholischen Priestern ganz abgesehen) an diesem Tag im Einklang mit der ganzen kirchlichen Tradition das Fest der Taufe Christi gefeiert haben.

Das Große Werk kurz vor seiner Verwirklichung

„Das Große Werk, die Transmutation des Alchemisten konnte mehrere Monate oder gar Jahre dauern“ (Wikipedia, Artikel „Alchemie“). Vierzehn Jahre war der große Alchemist Bugnini nun bereits daran und stand kurz vor der entscheidenden Phase seines „Großen Werks“. In der Alchemie war man, in etwas eigenwilliger Anwendung des Aristotelischen Hylemorphismus (wonach jeder Körper aus Form und Materie besteht) überzeugt, „alle Stoffe seien nicht nur aus Eigenschaften, sondern aus Prinzipien aufgebaut“ (ebd.). „Somit war es theoretisch möglich, einen beliebigen Stoff (hyle), vorzugsweise also unedle Metalle, mit den edlen Prinzipien (eidos) von Gold oder Silber neu zu gestalten. Das war idealerweise möglich, wenn man zuvor den unedlen Stoff von unedlen Prinzipien befreit hatte und ihn damit empfänglich für neue Prinzipien gemacht hatte“ (ebd.). Der „unedle Stoff“, mit welchem es Bugnini zu tun hatte, war der der römischen Liturgie. Dieser also war von den „unedlen“ Prinzipien des „Aberglaubens“ und starrer Altertümlichkeit zu befreien gewesen und damit „empfänglich für neue Prinzipien“ gemacht worden, nämlich die der „edlen Menschlichkeit“ oder „Humanität“. Sie sollte eben jene Umwandlung erfahren, die ihr „einerseits die ehrwürdige Einfachheit des apostolischen goldenen Zeitalters wiedergeben“ und sie „andererseits mit dem Zustand des modernen Bewußtseins sowie der modernen Zivilisation in Einklang bringen wird“, wie unser Luziferianer Roca bereits vorhergesagt hatte.

Der erste Teil von Bugninis Arbeit war mit der Liturgie von 1962 getan, denn abgesehen davon, daß sie durch die Abschaffung so vieler Gebete, Feste und Riten den Zufluß der Gnaden sehr verminderte (darunter jene Gnaden, deren man gerade in dieser Zeit besonders bedurft hätte wie Zuwachs an den göttlichen Tugenden, Schutz der Muttergottes und aller Heiligen, Hilfe für Papst und Kirche, Schutz gegen ihre Feinde...); abgesehen davon also hatte sie die alten Prinzipien der katholischen Liturgie aufgelöst und enthielt bereits die neuen Prinzipien, nach welchen nun die Umgestaltung erfolgen sollte.

Aufgelöst worden war insbesondere die exklusive Stellung des Priesters als des einzigen Liturgen, die unauflösliche Verbindung von Priester, Opfer und Altar, die Verherrlichung Gottes als ausschließlicher Zweck der Liturgie etc. Eingeführt worden war das Prinzip der „tätigen Teilnahme“ des Volkes als Mit-Liturge und Adressat einer wesentlich als Gemeinschaftsfeier aufgefaßten Liturgie. Das „allgemeine Priestertum“ der Laien war neben das sakramentale Priestertum getreten, denn auch der zelebrierende Priester konnte nun die „Messe hören“ („sitzt und lauscht“), der Laie die „Messe lesen“.

Vor allem aber war die Liturgie zu einer ständigen Baustelle geworden, an der man nach Herzenslust herumbasteln konnte; ihr Charakter heiliger und unantastbarer Überlieferung war dem zeitbedingter Beliebigkeit gewichen. Das Werk des Heiligen Geistes war nur noch Menschenwerk. Und dieses fundamentale neue Prinzip sollte nun über das bevorstehende Konzil nicht nur in die Liturgie, sondern in die Kirche überhaupt eingeführt werden. Die heilige römisch-katholische Kirche wurde zur „Menschenmachwerkskirche“ umgestaltet. Die liturgischen Neuerungen, die in der 1962er Liturgie festgeschrieben wurden, hatten hierzu die beste Vorarbeit geleistet, und so begann das „II. Vatikanum“ nicht umsonst mit der Konstitution über die Liturgie.

Doch darüber wollen wir im nächsten Kapitel ausführlicher handeln. Hier soll nur bereits die kritische Frage gestellt werden, wie „traditionalistische“ Gruppen meinen, ausgerechnet mit dieser Liturgie, die nichts anderes als Wegbereiterin des „II. Vatikanums“ und all seiner Neuerungen war, der Kirche, dem Glauben und der „Messe aller Zeiten“ auf Dauer treubleiben und dienen zu können. Begeben sie sich damit nicht automatisch auf den abschüssigen Weg, der letztlich genau dahin führt, wo die „konziliare Kirche“ heute schon ist? Muß es uns also wundern, wenn alle Gemeinschaften, die sich die Feier der „alten Messe“ in Gestalt des Missale von Johannes XXIII. auf die Fahnen geschrieben haben, über kurz oder lang geradezu unausweichlich in der „konziliaren Kirche“ landen (wie dies spätestens im Jahr 2012 auch mit der „Piusbruderschaft“ schon geschehen wäre, wenn nicht Neu-Rom selbst in letzter Minute die Bremse gezogen hätte)?