1. Jeder kennt wohl aus der Heiligen Schrift den Kampf des jungen David gegen den Berufssoldaten Goliath, der ein Hüne von einem Mann gewesen ist. Aber David ließ sich nicht von der körperlichen Überlegenheit seines Gegners beeindrucken, denn er verließ sich nicht so sehr auf seine eigene Stärke, sondern vielmehr auf die Hilfe Gottes, wie wir in der Heiligen Schrift lesen: „David aber erwiderte dem Philister: ‚Du kommst zu mir mit Schwert, Lanze und Spieß. Ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, die du verhöhnt hast. Heute wird dich der Herr in meine Hand geben. Ich werde dich erschlagen und dir den Kopf abhauen. Ich werde die Leichname des Philisterheeres noch heute den Vögeln des Himmels und den Tieren der Erde preisgeben, damit alle Welt erkennt, daß es in Israel einen Gott gibt. Wissen soll es diese ganze Schar, daß nicht durch Schwert und Speer der Herr den Sieg verleiht. Denn der Krieg ist Sache des Herrn. Er wird euch in unsere Hand geben.’“ (1 Sam. 17, 45-47) Wie David es verkündet hatte, so war es dann auch wirklich geschehen, David überwand bekanntlich den Goliath mit einem Stein, den er ihm mit seiner Hirtenschleuder an die Stirn wuchtete: „So besiegte David den Philister mit Schleuder und Stein und schlug den Philister tot, ohne daß David ein Schwert in der Hand hatte. Dann lief David hin, trat neben den Philister, nahm dessen Schwert, riß es aus der Scheide und tötete ihn, indem er ihm den Kopf damit abhieb. Als die Philister sahen, daß ihr Stärkster tot war, flohen sie.“ (1 Sam. 17, 50-52)
Nun, in der Geschichte Israels war dies nicht das einzige Mal, daß der eigentlich Schwächere den Stärkeren mit der Hilfe Gottes besiegte. Wie oft zogen die Israeliten in den Krieg, und nicht ihre militärische Überlegenheit war ausschlaggebend, sondern ihr Vertrauen auf die Hilfe Gottes, der mit ihnen und für sie stritt.
Auch in der Kirchengeschichte gibt es vergleichbare Ereignisse. Will doch Gott oftmals die Starken durch das Schwache beschämen, um zu zeigen, es kommt letztlich auf IHN an, ER ist der Herr der Geschichte, der die Geschicke der Völker und Seiner hl. Kirche lenkt.
2. Während der Kampf Davids gegen Goliath wohl allgemein bekannt ist, kennt wohl nicht jeder den Witz von den Ameisen und dem Elefanten. Der Witz geht folgendermaßen: Einige Ameisen sind auf dem Rücken eines Elefanten. Da deren Gekrabbel den Elefanten kitzelt, schüttelt sich dieser kurz und kräftig, sodaß alle Ameisen von seinem Rücken purzeln – bis auf eine. Da rufen die am Boden liegenden Ameisen der oben gebliebenen zu: „Würg ihn Egon! Würg ihn Egon!“
Nun, im Leben kommt auch das nicht selten vor: Jemand überschätzt sich vollkommen und riskiert zu viel oder alles – und geht schließlich bankrott. Er hätte nun ganz einfach kleinere Brötchen backen sollen, dann wäre ihm der Ruin erspart geblieben. Nicht jeder ist ein David und der Gegner sodann der Goliath – manchmal gibt es auch Ameisen und Elefanten. Im konkreten Leben ist das aber natürlich nicht immer so einfach zu unterscheiden, weil man bekanntlich im Nachhinein immer klüger ist als vorher.
3. Wenn man die Entwicklungen zwischen der sog. Amtskirche und der sog. Tradition aufmerksam beobachtet, dann stellt sich unwillkürlich diese Frage: David gegen Goliath – oder Ameise gegen Elefant?
Manche Teile der Tradition haben es inzwischen einsehen müssen, daß sie doch wohl eher auf der Seite der Ameisen stehen, weshalb sie sich auch mit dem Elefanten – der konziliaren Weltkirche – arrangiert haben und fortan mit einer Nische in diesem Koloß „moderne Weltkirche“ zufrieden sind. Diese Leute sind froh, wenn man sie im Rahmen dieser Weltkirche wenigstens leben läßt. So können sie, wie sie meinen, zumindest einen kleinen Beitrag zur Gesamtentwicklung dieser modernen Kirche leisten und womöglich der Stimme der „Tradition“ da und dort noch Gehör verschaffen. Zu dieser Art Ameisen gehören letztlich alle „Ecclesia Dei“-Gruppen. Sie verdanken ihre Existenz der Toleranz der Modernisten oder deren Mitleid oder womöglich auch deren Taktik. Schließlich kann man die Tradition nicht einfach sich selbst überlassen, vielmehr muß man sie in den nachkonziliaren Entwicklungsprozeß integrieren, damit die rückwärts gerichteten Kräfte nicht zu stark und zu eigenständig werden.
Neben diesen „Ecclesia Dei“-Gruppen steht die FSSPX als die größte Organisation innerhalb der sog. Tradition. Diese sieht sich wohl eher als ein David im Kampf gegen Goliath. Gibt sie sich doch nicht selten sehr selbstbewußt und zuweilen sogar kämpferisch gegenüber dem modernen Rom. So hatte man es seit dem Jahr 2000 gewagt, offen in dauernde Verhandlungen mit dem modernistischen Rom zu treten und sich dadurch wohl erhofft, mehr und mehr Einfluß in den römischen Vorzimmern zu gewinnen. Man ist sodann sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat theologische Gespräche begonnen, in denen die theologischen Differenzen zwischen der FSSPX und dem Vatikan geklärt werden sollten.
Nun ist zwar die FSSPX die größte organisierte traditionelle Gruppe, aber gegenüber der Weltkirche doch letztlich verschwindend klein. Und Benedikt XVI. wußte durchaus noch, wer er ist und wollte sich deswegen natürlich nicht von den Theologen der FSSPX belehren lassen. Und warum sollte er das als ihr Papst auch tun wollen?
Es ist doch schon – im Rahmen der katholischen Kirche! – ein Kuriosum erster Klasse, wenn ein Katholik oder auch eine katholische Gemeinschaft meint, man könne mit dem Lehramt über die Lehre der Kirche diskutieren. Ja, wenn man sogar meint, man müsse das Lehramt darüber belehren, was denn nun eigentlich katholisch sei. Katholischerweise ist und war das doch immer genau umgekehrt: Bei Zweideutigkeiten fragt man in Rom nach und wartet auf eine Antwort, die man dann im Gehorsam annimmt. Früher war es wenigstens so, daß offizielle, vom Papst unterschriebene Verlautbarungen römischer Stellen nicht einmal belobigend, geschweige denn kritisierend kommentiert werden durften. Sie sind einfach so zu nehmen, wie sie da stehen. Davon hat der Generalobere der FSSPX offensichtlich keinerlei Ahnung mehr, denn als die Römer ihm nach den theologischen Gesprächen ihren Text haben zukommen lassen – selbstverständlich damit er diesen einfach akzeptiere und unterschreibe – da hat er diesen korrigiert und verbessert nach Rom zurückgesandt, was die Römer verständlicher Weise recht verärgert hat.
Bei der FSSPX hat man sich offensichtlich inzwischen schon so sehr daran gewöhnt, selbst Lehramt zu spielen, daß man derartige Ungeheuerlichkeiten nicht einmal mehr bemerkt. Dabei haben diese hochw. Herren noch das freilich zweifelhafte Glück gehabt, es in Rom mit Modernisten zu tun zu haben, denn katholische Inhaber der Ämter hätten sie einfach exkommuniziert und wieder nach Hause geschickt.
Nun, letztlich konnte es den Römern nur recht sein, wenn sich die FSSPX wie David fühlte, solange sie wissen – na, was wohl? Wir sind der Elefant!
— Und siehe da, die Römer waren der Elefant!