Der Fuchs war Bischof geworden, doch war er nicht glücklich mit seinem Los. Mißmutig trabte er dahin, unzufrieden, stets nur das kleine Getier am Boden fangen zu müssen. Sehnsüchtig richtete sich sein Blick nach oben, wo an einer konzilsrömischen Mauer saftige und süße Trauben hingen, violette und große rote, echte Bischofstrauben, Kardinalstrauben sogar! Ach, das wäre das rechte Mahl für ihn, den schlauen Diplomaten, Politiker und Kirchenmann! Solche Belohnung hätte er verdient! Das Wasser lief ihm im Munde zusammen...
Vorsichtig blickte er um sich. Eine Maus und ein Spatz hatten ihn beobachtet, jedoch bei seinem Kommen sich schnell versteckt, sodaß er niemanden entdeckte. Rasch reckte er sich an der Mauer empor, machte sich so lange wie er nur konnte, streckte sein Maul und seine Zunge hervor, doch erreichte er die Trauben nicht.
„Ich muß es schlauer anfangen“, sagte er sich und nahm Anlauf. Eine Million Schritte, so dachte er sich, würden wohl ausreichen, um mindestens 95 Prozent der Mauer hinaufzukommen. Und so stürzte er in vollem Lauf auf die Mauer zu, sprang – und rutschte ab. Unsanft landete er auf seinem Hinterteil. Die Maus und der Spatz verhielten sich mühsam ein Kichern.
„Ich will es noch einmal probieren“, knurrte der Fuchs entschlossen. „So nehme ich eben 12 Millionen Schritte als Anlauf, und diesmal muß die ganze Mauerhöhe erreicht werden!“ Gesagt, getan. 12 Millionen Schritte im Galopp, der Satz und ein Sprung hoch hinauf – doch ach! Der arme Fuchs stieß mit seinem Kopf so unglücklich an die Mauer, daß er halb betäubt auf den Boden stürzte und benommen liegenblieb.
Spatz und Maus hatten sich inzwischen hervorgewagt und äugten vorsichtig und belustigt auf den Fuchs, der langsam wieder zu sich kam und sich die wehen Glieder rieb und streckte. Der Fuchs, als er sich seiner mißlichen Lage bewußt wurde und das leise Kichern hörte, sprang schnell auf die Beine.
„Herr Fuchs, Ihr wollt zu hoch hinaus!“ zwitscherte der Spatz von seinem Zweig. Vorwitzig piepste die Maus aus ihrem Versteck: „Gebt Euch keine Mühe, Exzellenz, die Trauben erreicht Ihr nie!“ Und schnell duckte sie sich wieder in ihr Loch. „Ach was“, fauchte der Fuchs, „die Trauben sind mir viel zu unreif und sauer. Ich bin froh, daß meine Sprünge mißlungen sind! Ja, ich danke Gott dafür, vor jeder Form dieser Trauben verschont geblieben zu sein, denn ich hätte mir nur den Magen damit verdorben!“ „Und überhaupt“, fügte er vor sich hin brummelnd hinzu, „die Reben hängen ja 10.000 mal höher als ehedem!“ Damit hinkte er davon, unter dem Spott von Maus und Spatz, die sich inzwischen an den Trauben gütlich taten.