„1848 war nicht nur das Jahr, in dem das Bürgertum sich mit einer Revolution Freiheiten erstritt, es war auch die Geburtsstunde dessen, was man später Katholikentage nannte und aus dem das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hervorgehen sollte.“ So berichtete das „Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK)“ auf seinen Internetseiten über seine eigene Geschichte. „Schon seit 1837 hatte sich eine katholische Bewegung gegen Behördenwillkür und staatliche Reglementierung der Kirche zu sammeln begonnen, 1848 trat sie mit dem "Piusverein für religiöse Freiheit" an die Öffentlichkeit. Bald gab es hunderte von ähnlichen Gründungen an vielen Orten. Vom 3. bis 6. Oktober 1848 trafen sie sich zu einer Generalversammlung, zum ersten Katholikentag. Schon bald entstand der Gedanke, für diese jährlich stattfindende Veranstaltung ein "Geschäftsführendes Zentralkomitee" einzurichten. Es sollte "perpetuierlicher Mittelpunkt für das Vereinswesen" sein. 1868 wurde dieses Gremium erstmals gewählt. Als Aufgabe des Zentralkomitees wurden 1868 genannt: Die Vorbereitung der Generalversammlungen, die Sorge für die Ausführung ihrer Beschlüsse und die Weckung sowie Förderung des katholischen Vereinslebens "sowohl durch häufige Kundgebungen in der Presse als auch durch persönlichen Verkehr". Diesen vielfältigen Anforderungen konnte man nur durch Erweiterung des Mitgliederkreises gerecht werden. 1871 hatte das Zentralkomitee bereits 270 Mitglieder aus vielen Diözesen. Das Engagement galt drängenden Fragen der Kirche und der Gesellschaft wie Diaspora und Mission, Freiheit des Papsttums und Bindung der katholischen Kirche in Deutschland an Rom, Caritas, Wissenschaft, Wirtschaft, Publizistik, Bildung und soziale Gerechtigkeit. Ab 1898 griffen die Katholikentage mehr und mehr neue Aufgaben in Kirche und Gesellschaft auf. Zunehmend prägte sich auch das in 50 Jahren geschulte Bewusstsein der Mitverantwortung der Laien für die Kirche aus“ (ebd.).
Um diese Darstellung recht zu verstehen, müssen wir einiges erklären, richtigstellen oder ergänzen. Bei der Revolution von 1848 ging es nicht nur darum, daß sich das „Bürgertum“ einige „Freiheiten erstritt“. Es war eine veritable Revolution, und das heißt ein Angriff des Liberalismus auf die gottgegebene Ordnung. Der Liberalismus ist als solcher der wesentliche Gegner der göttlichen Ordnung. Er gefällt sich gerade darin, sich von allen Gesetzen, sei es den natürlichen, sei es den übernatürlichen, und damit auch von allen gottgegeben Autoritäten, sei es den bürgerlichen, sei es den kirchlichen, unabhängig zu erklären. Der Liberalismus erkennt nichts an als die Autorität der eigenen Vernunft und des eigenen Gewissens. Er geht „vom fundamentalen Grundsatz aus, daß der Mensch und die Gesellschaft vollständig autonom oder vom Gesetze frei seien mit absoluter Unabhängigkeit von jeder andern natürlichen oder übernatürlichen Richtschnur, die nicht ihre eigene ist“, wie ein Kenner der Materie schreibt. Er proklamiert daher rücksichtslos seine angeblichen Freiheitsrechte: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Kunstfreiheit, Gewissensfreiheit, Kultus- oder Religionsfreiheit – in Wirklichkeit die Freiheit, ungehindert durch Wahrheit und göttliche Gesetze irren und sündigen zu dürfen - lauter Rechte, die nur für diejenigen gelten, welche Christus und die Kirche bekämpfen, nicht aber für deren Verteidiger.
Der Liberalismus ist somit der natürliche Feind der Kirche Gottes. Denn diese erklärt gerade das Gegenteil, daß der Mensch nämlich verpflichtet ist, der Wahrheit anzuhangen, der natürlichen wie der übernatürlich geoffenbarten, sowie das Gute zu tun nach der Richtschnur der natürlichen wie der übernatürlichen Moral, deren Lehrmeisterin die Kirche ist. Ein unerbittlicher Kampf zwischen Kirche und Revolution (oder Liberalismus, was das gleiche ist) war daher unausweichlich. Der Liberalismus begann sofort, die Kirche zu unterdrücken, wie er dies immer und überall tut, und dagegen setzten sich die Katholiken zur Wehr. Der Ursprung des Katholikentags war also wohl ein Kampf um Freiheit, allerdings um die Freiheit vor ungerechter Unterdrückung der Kirche durch die Revolution oder den Liberalismus.
Hierbei kam den Laien eine besondere Aufgabe und Bedeutung zu. Der Laie früherer Zeiten war in der Kirche keineswegs das, als was man ihn heute gerne hinstellen möchte: ein armer, unwissender, unterdrückter, in künstlicher Unmündigkeit und Abhängigkeit gehaltener Tropf. Wäre er das gewesen, so wäre die Kirche längst untergegangen. „Laie“ leitet sich vom griechischen „laos – das Volk“ ab. Der „laikos“ ist der „zum Volk gehörige“. Näherhin bedeutet „laos“ nicht nur einfach Volk, sondern eigentlich „Kriegsvolk“. Der Laie ist also Angehöriger des Volkes Gottes, der Kirche, und als solcher gehört er zu einem Kriegsvolk. Er ist wesentlich Krieger, Soldat Gottes, wie es das Sakrament der Firmung deutlich zum Ausdruck bringt. Darum ist er aufgerufen zu kämpfen. In einer Armee gibt es stets Soldaten und Offiziere. Soldaten ohne Offiziere würden nicht viel ausrichten, weil ihnen die Führung fehlt. Aber was wären Offiziere ohne Soldaten? So braucht die Kirche Klerus und Laien. Der Klerus hat die Laien zu führen und anzuleiten, doch die kämpfenden Soldaten sind die Laien. Ohne sie wäre die Kirche auf Erden nicht mehr die „streitende Kirche“, sondern stünde wehrlos da.
Der Böse Feind hat es sich also angelegen sein lassen, nicht nur den Klerus, sondern über den Klerus auch das Volk, die Laien, zu verderben. Ein wichtiges Werkzeug ist ihm dabei gerade jener Katholikentag geworden und das „Zentralkomitee“, die einst angetreten waren, den Katholizismus gegen den Liberalismus zu verteidigen, und die heute nichts eifrigeres zu tun haben, als den Liberalismus in das Innerste der Kirche zu verpflanzen, um ihn sein Zerstörungswerk dort vollenden zu lassen. Der „mündige Laie“ von heute kämpft nicht mehr für die Rechte der Kirche gegen den Liberalismus, er kämpft vielmehr für den Liberalismus in der Kirche. Er kämpft für Freiheit von jeder „Bevormundung“, will sagen von jeder Autorität und Einschränkung durch Gesetze, er will die Aufhebung des Zölibats und der Beschränkung des Priestertums auf Männer, er will die Beseitigung der Ehe- und Geschlechtsmoral, die Einführung demokratischer Prinzipien und Gremien bis hinauf in die höchsten Spitzen der Kirche, und das heißt, es soll nicht mehr das Gesetz Gottes, sondern der Wille des Volkes regieren, auch in der Kirche! Alle Schranken sollen durchbrochen werden, selbst die zu anderen christlichen Gemeinschaften oder falschen Religionen. Kurz, der Katholikentag dient heute nur noch der Revolution in der Kirche. Er kämpft nicht mehr wie ehedem für die „Freiheit des Papsttums und Bindung der katholischen Kirche in Deutschland an Rom“, ganz im Gegenteil: Seine Ziele sind die Unterwerfung des Papsttums unter die politische Bevormundung (als etwa in der "Williamson-Affäre" die Herren und Damen Politiker nicht zuletzt des "ZdK" meinten, dem Papst sagen zu müssen, was er zu tun und zu lassen hat) und die Trennung der Kirche in Deutschland von Rom (z.B. durch Sonderwege in der "Schwangerenkonfliktberatung", vgl. "Donum Vitae").
Wo aber sind die Laien, die sich dem entgegenstellen? Gottseidank, es gibt sie noch! Denn auch der katholische Widerstand gegen die "konziliaren" Neuerungen wäre ohne tapfere Laien nicht denkbar gewesen. Laien waren es, die Meßzentren gründeten, Kapellen einrichteten, Schriften und Zeitschriften herausgaben, treugebliebene Priester und Ordensleute unterstützten...
Auch heute, und heute sicher mehr denn je, brauchen wir eine solche „Schar katholischer Laien, welche eine Armee bedeuten“, wie Dom Sardà y Salvany in seinem Buch "Der Liberalismus ist Sünde" schreibt, und er gibt dazu folgende Bemerkungen:
„1. Daß der katholische Laie allzeit sich sehr lebhaft an dem religiösen Kampfe beteiligen konnte und heute unter den jetzigen Umständen mit noch weit mehr Berechtigung sich daran beteiligen kann und muß, indem er die Glaubenslehre auseinanderlegt, Bücher und Personen beurteilt, verdächtige Gesichter entlarvt und direkt auf jene Scheiben zielt, welche die Kirche zum Voraus ihm bezeichnet. Die vorzüglichste unter diesen Zielscheiben muß heutzutage der zeitgenössische Irrtum des Liberalismus und sein Sprößling, Mitschuldiger und Hehler, der liberale Katholizismus sein, gegen welche der Papst zu hundert Malen allen braven Katholiken, die Laien nicht ausgenommen, einen Kampf ohne Waffenstillstand warm anempfohlen hat.
2. Daß der gläubige Laie zu allen Zeiten jede Art katholischer Werke ins Leben rufen, unternehmen, organisieren, leiten und vollenden konnte und heute noch kann, wenn der vom Kirchenrechte vorgezeichnete Rechtsweg nicht umgangen wird; ohne jede andere Einschränkung, als die von diesen bezeichnete. Beispiele davon geben uns große Heilige, welche obwohl nur einfache Laien, in der Kirche Gottes herrliche Anstalten jeder Art, sogar eigentliche religiöse Orden gestiftet haben. So war der hl. Franziskus von Assisi, welcher ... niemals zum Priester geweiht wurde, nicht einmal Subdiakon war, sondern ein armer Laie, als er den Grund zu seinem Orden legte. Mit viel größerem Rechte kann man daher ein Blatt, eine Akademie, einen Zirkel, ein Kasino, einen Verein zur Verteidigung der guten Sache gründen, wenn man sich nur an die allgemeinen Regeln hält, welche hiefür nicht etwa das Ermessen eines Jedweden, sondern die weise kanonische Gesetzgebung aufstellt, welcher Alle Gehorsam und Unterwürfigkeit schulden, vom höchsten Kirchenfürsten bis zum niedrigsten Laien.
3. Daß, wo es sich um freie Fragen handelt, keinem Blatte oder Vereine oder Person der Vorwurf der Empörung oder des Ungehorsams zu machen ist, wenn sie sich die Freiheit nehmen, dieselben nach ihrem besonderen Urteile zu entscheiden. Und hier ist wohl zu bemerken und darf durchaus nicht befremden, daß wir Katholiken die Liberalen über die Rechte der wahren christlichen Freiheit und über den großen Unterschied belehren müssen, welcher zwischen der edlen Unterwürfigkeit des Glaubens und der niedrigen und gemeinen knechtischen Gesinnung besteht. Nicht einmal der Beichtvater kann seinem Beichtkinde freie Ansichten (bindend) auferlegen, mag er sie auch für die vorteilhaftesten und sichersten halten, noch auch der Pfarrer seinen Pfarrkindern, noch endlich der Bischof seinen Diözesanen. Es wäre sehr angemessen und zu empfehlen, wenn unsere aufgeklärten Gegner hierüber die kirchenrechtlichen Werke von Bouix oder wenigstens die von P. Larraga nachschlagen würden. Gleicherweise ist kein Verbrechen noch eine Sünde, noch ein läßlicher Fehler (und viel weniger Ketzerei, Glaubensspaltung oder anderes derartiges Zeug) in gewissen Arten von Widerstand zu finden, welche die hl. Kirche erlaubt und berechtigt erklärt, und deshalb kann niemand sie verurteilen. Dies ist es eben, was wir behaupten, ohne darauf einzugehen, ob diese Arten von Widerstand zuweilen nicht nur erlaubt, sondern auch empfehlenswert, ja nicht nur empfehlenswert, sondern geradezu im Gewissen verbindlich sind. Dies letztere wäre z.B. der Fall, wenn man redlich oder unredlich, in guter oder böser Absicht einen Untergebenen zu verleiten suchte, gewisse Formulare zu unterschreiben oder Verbindlichkeiten auf sich zu nehmen oder gewisse Willfährigkeiten zu genehmigen, die den Irrtum offen begünstigen und von den Feinden Jesu Christi gewünscht, begehrt und gepriesen werden. In einem solchen Falle ist es Pflicht und Schuldigkeit des braven Katholiken, um jeden Preis zu widerstehen und eher zu sterben als nachzugeben.“
Diese Rechte und Pflichten hat der Laie auch gegenüber den in Liberalismus gefallenen Geistlichen, die heute ja gewissermaßen die Regel sind. Wie Mgr. Sardà schreibt, „kann es vorkommen, daß ein Diener der Kirche in die Irrlehre gefallen, aber noch nicht offiziell von der Kirche schuldig erklärt ist“. Dies ist heute zumeist der Fall, da die Kirche bis in ihre höchsten Spitzen vom Liberalismus infiziert ist und daher ihr Wächteramt nicht mehr ausübt. „In einem solchen Falle muß man äußerst behutsam vorgehen. Ein Geistlicher, der in einen Glaubensirrtum gefallen ist, kann von niemand offiziell abgesetzt werden, als von jenem, der über ihn die kirchliche Gerichtsbarkeit hat. Dessenungeachtet kann er auf dem Gebiete der rein wissenschaftlichen Polemik wegen seiner Irrtümer bekämpft, und derselben überführt werden, das letzte Wort oder die endgültige Entscheidung aber bleibt immer der einzig unfehlbaren Autorität des obersten Lehrmeisters überlassen. Eine sehr gute, um nicht zu sagen die einzige Regel, ist in allen Dingen die beständige Übung und Praxis der Kirche Gottes, nach jenem Worte eines Kirchenvaters: Quod semper, quod ubique, quod ab omnibus. Und in der Tat ging man in der Kirche Gottes immer so vor. Privatleute wurden gewahr, daß ein Geistlicher Lehren ausstreue, die im Widerspruche mit jenen standen, die gewöhnlich als die einzig gesunden gelehrt werden; sie schlugen Lärm, eiferten und kämpften dagegen mit Büchern, mit Schriften, mit dem lebendigen Worte, und auf diese Weise führten sie das entscheidende Urteil des unfehlbaren Lehramtes zu Rom herbei. Es ist das Anschlagen eines Wächterhundes, welches den Hirten aufmerksam macht. Es kam wohl kaum eine Irrlehre im Katholizismus auf, welche nicht auf diese Art widerlegt und zu Schanden gemacht worden wäre.“
So haben es die treuen katholischen Laien immer gemacht, und so werden sie es weiter halten, bis wir wieder ein Rom haben, das seine Rolle als unfehlbare Lehrmeisterin und Wächterin des Glaubens wahrnimmt. Sie sind damit die wahren Erben des „Katholikentags“.