Ungläubiger Glaube

Die folgenden Gedanken wurden angestoßen durch einen Aufsatz des inzwischen verstorbenen Prof. Dr. D. Wendland aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit dem Titel: Was ist das eigentlich: die Häresie? Darin heißt es einleitend:

„Schon öfters wurde an uns von katholischen Laien, denen das sinnlose Gerede von der 'Krise in der Kirche' oder sogar 'der Kirche' nachgerade auf die Nerven fiel, die Frage gestellt: wie kommt es eigentlich dazu, daß der seit vielen Jahren in aller Öffentlichkeit erhobene Häresie-Vorwurf gegen die Bischöfe (einschließlich des „römischen“) völlig reaktionslos verhallte und bei diesen Amtspersonen wie von einer Gummiwand abprallte oder ins Leere ging? Das war höchst merkwürdig und fiel sogar dem Dümmsten auf. Waren denn diese Leute auf ihren gut gepolsterten Bischofsstühlen gegen einen solchen Vorwurf immun oder begriffen sie gar nicht, was man ihnen vorwarf, oder hatten sie, wie man zu sagen pflegt, nur ein dickes Fell? Wie konnte ein solches unmögliches Verhalten näher erklärt und tiefer verstehbar gemacht werden? Denn man stelle sich einmal vor, jemand würde gegen hohe Bedienstete des Staates (Richter eingeschlossen, denn Bischöfe sind auch Richter) in Publikationen oder öffentlichen Reden die Anklage erheben, dieser oder jener sei nachweislich ein gesinnungsloser Lump oder sogar ein ausgemachter Verbrecher! Die Mühlen der Justiz würden gewiß zu mahlen anfangen und die Staatsanwälte auf den Plan rufen.…
Gleichzeitig aber fiel auf, daß Katholiken, Priester und Laien, obwohl sie von ganz massiven Häresie-Anklagen gegen die Bischöfe hörten oder lasen, generell in völliger Regungslosigkeit verharrten oder sich so verhielten, als ginge sie das gar nichts an. Dieses Faktum aber war erschreckend, denn es setzte bei sehr vielen, die sich (wenn sie danach gefragt wurden) als Katholiken bezeichneten, etwas voraus, wovor man sehr gerne die Augen verschloß oder dies einfach nicht für wahr halten wollte, nämlich: nicht bloß einen allgemeinen Glaubensschwund und eine religiöse Gleichgültigkeit, nein, sondern ein Verbrechen des wahren Glaubens, der spezifisch christlichen ‚vera fides‘, und eine Unwissenheit im Hinblick auf die sich daraus ergebenden realen Folgen für jeden einzelnen und den ‚lieben Nächsten‘.“

Heute, fast 30 Jahre später, hat sich dieser „Eindruck“, von dem hier Prof. Dr. D. Wendland spricht, um vieles noch verstärkt. Nicht nur in der sog. Amtskirche findet man dieses befremdliche Verhalten, Glaubensirrtümer in keiner Weise mehr ernst zu nehmen, sondern auch in der sog. Tradition. Offensichtlich wirkte das Ganze ansteckend, was nur deswegen geschehen konnte, weil man sich nicht genügend Rechenschaft darüber abgab, was denn eigentlich Häresie sei. Versuchen wir darum dies nachzuarbeiten, bevor es ganz und gar zu spät ist…

Gläubiger Unglaube oder ungläubiger Glaube

Was ist eigentlich Häresie?

Es ist für jeden Katholiken auffällig – es sollte jedenfalls so sein und daß ihm dies auffällt, ist eines der Kennzeichen für den echten Katholiken, – daß diese moderne Kirche die Häresie, den Irrglauben nicht mehr thematisiert und schon gar nicht mehr verurteilt oder gar fürchtet. Doch machen sich die wenigsten Gedanken darüber, warum das eigentlich so geworden ist? Nun, der moderne Mensch fürchtet den Irrglauben nicht mehr, weil er einen falschen Begriff von Glauben hat. Es ist heute für jeden Katholiken notwendig, den Unterschied zwischen dem wahren Glauben und dem modernen Glauben zu kennen, denn nur dadurch kann er sich vor Verwirrungen bewahren. Fragen wir also zunächst, was der wahre Glaube seinem Wesen nach ist, um sodann die Verfälschung durch den Modernismus verstehen zu können.

Der katholische Glaubensbegriff

Der katholische Glaube ist eine göttliche Tugend. Das Erste Vatikanische Konzil lehrt: „Dieser Glaube aber, der der Anfang des menschlichen Heiles ist [vgl. 1532], ist nach dem Bekenntnis der katholischen Kirche eine übernatürliche Tugend, durch die wir mit Unterstützung und Hilfe der Gnade Gottes glauben, daß das von ihm Geoffenbarte wahr ist, nicht etwa wegen der vom natürlichen Licht der Vernunft durchschauten inneren Wahrheit der Dinge, sondern wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch täuschen kann [vgl. 2778; Kan. 2]. 'Der Glaube ist nämlich' nach dem Zeugnis des Apostels 'die Gewißheit zu erhoffender Dinge, der Beweis des nicht Sichtbaren' [Hebr 11,1]“ (DH 3008).

Der wahre Glaube, der Anfang des menschlichen Heiles, ist ein Gnadengeschenk Gottes an uns Menschen. Gott erleuchtet den Glaubenden durch diese Gnade so, daß er die Offenbarung als von Gott kommend erkennt und zweifelsfrei annimmt. Dem Glaubenden wird der Glaube zum „Beweis des nicht Sichtbaren“. Zwar übersteigt der Glaube die menschliche Vernunft, aber er übersteigt diese nicht in unvernünftiger Weise, denn mit der Gnadenhilfe Gottes und gestützt auf die Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch täuschen kann, sieht der Glaubende ein, daß es vollkommen vernünftig ist, das, was Gott offenbart, zu glauben. Darum kennt der wahre Glaube keinen Zweifel, ja er schließt diesen vollkommen aus. Der frei gewollte Zweifel wäre eine Sünde gegen den Glauben. In der 1849 gehaltenen Predigt „Glaube und Zweifel“ geht J.H. Newman auf dieses Thema ein: „Es ist vollkommen richtig, daß die Kirche ihren Kindern nicht gestattet, an ihrer Lehre irgendwie zu zweifeln, und zwar zuerst aus dem einfachen Grunde, weil sie nur insoweit Katholiken sind, wie sie glauben, und weil der Glaube mit dem Zweifel unvereinbar ist. Keiner kann katholisch sein ohne den schlichten Glauben, daß das, was die Kirche im Namen Gottes verkündet, Gottes Wort und darum wahr ist. Der Mensch muß einfach glauben, daß die Kirche der Mund Gottes ist; er muß ebenso sicher sein über ihren Auftrag wie über den Auftrag der Apostel“. Und wenn so viele Protestanten es „für eine Art Tyrannei ansehen, daß die Kirche ihren Kindern den Zweifel verbietet, so beweist das nur, daß sie überhaupt nicht wissen, was Glaube ist. In der Tat wissen sie es nicht - der Begriff ist ihnen vollkommen fremd.“ Der wirkliche Glaube, den die katholische Kirche lebt, verbietet von seinem Wesen her den Zweifel: der Begriff des Glaubens „schließt ein Vertrauen im Geiste des Menschen ein, daß der Gegenstand des Glaubens wirklich wahr ist; und wenn er einmal wahr ist, kann er niemals falsch sein.“

Zu diesem zweifelsfreien Glauben gehört auch die Integrität, d.h. man muß alles glauben, was Gott geoffenbart und durch die Kirche zu glauben vorgelegt hat. Wer nur eine von Gott geoffenbarte Wahrheit leugnet, verliert den ganzen göttlichen, übernatürlichen Glauben.
Im Athanasianischen Glaubensbekenntnis heißt es: „Wer selig werden will, muß vor allem den katholischen Glauben festhalten. Ein jeder, der diesen nicht in seinem ganzen Umfang und unverletzt bewahrt, geht ohne Zweifel auf ewig verloren.“ Hierauf werden die einzelnen Glaubenssätze angeführt, worauf das Glaubensbekenntnis mit dem Satz endet: „Das ist der katholische Glaube: wer diesen nicht treu und fest annimmt, kann nicht selig werden.“

Was ist eine Häresie?

Die Häresie als Lehre ist „eine aus mangelndem Glauben (Zweifel) entspringende, zum völligen Unglauben hinzielende, durch Loslösung einer Einzelwahrheit aus dem Organismus des Offenbarungsgutes entstandene Absonderung von der Kirche Christi, mit der Tendenz, selber Kirche zu werden“ (J. Brosch, Das Wesen der Häresie, 1936, 112). Die Häresie ist also gewöhnlich nicht die Leugnung jeglicher Offenbarungswahrheit, sondern die ausschließliche Betonung einer Offenbarungswahrheit unter Leugnung der ihr zugeordneten, z. B. die aus­schließliche Betonung der Gottheit Christi oder des göttlichen Tuns bei unseren Handlungen. Die Kirche weist solche häretischen Lehrsätze gewöhnlich sogleich mit großer Kraft zurück und verhindert so jede Trübung ihres Glaubens.

Häretisch ist ein Satz, der unmittelbar einem katholischen Dogma, d.h. einer geoffenbarten und von der Kirche genügend als solche vorgelegte (proponierte) Wahrheit (kontradiktorisch oder konträr) widerspricht. Kirchlich „proponiert“ ist eine geoffenbarte Wahrheit entweder durch eine förmliche Definition oder dadurch, daß sie mit vollkommener Sicherheit in Schrift und Tradition enthalten und offenkundig von der Kirche als Glaubenswahrheit gelehrt wird. Das alte Kirchenrecht bestimmte dementsprechend (Can. 1325 § 2): „Wenn jemand nach dem Empfang der Taufe, ohne den christlichen Namen aufzugeben, hartnäckig eine von (aus) den fide divina et catholica (als göttlich und katholisch) zu glaubenden Wahrheiten leugnet oder bezweifelt, so ist er Häretiker“.

Damit ist der Begriff der Häresie umschrieben. Was Häresie jedoch im Innersten ist und unter welcher Gestalt sie heute auftritt, das lassen wir uns von Prof. Dr. D. Wendland nun noch ausführlicher erklären:

Die Häresie richtet sich auch nicht primär gegen einzelne Glaubenswahrheiten, wie man oft meint, und revoltiert auch nicht unbedingt gegen ungeliebte kirchliche Lehrentscheidungen (veritates catholicae) - hier beschränkt man sich darauf, sie einfach nicht zu erwähnen -, sondern sie richtet sich gegen den wahren Glauben selbst, indem sie die eigene Einsicht zur positiven Norm und zum einzigen Erkenntnisgrund der göttlichen Offenbarungswahrheit macht, angetrieben von Seiten der Willensfreiheit, die wider besseres Wissen als der höchste menschliche Wert ausgegeben wird. Darum besteht der Grundakt der Häresie in einer Wahl, kraft welcher sich der Mensch gegen die „veritas prima“ (=die erste Wahrheit), die der sich offenbarende Gott selbst ist, setzt und dadurch sein der absoluten Wahrheit Unterworfensein theoretisch und praktisch negiert und leugnet. An diesem der Wahrheit des wahren Glaubens total Unterworfensein entzündet sich die Häresie. Darum hat sie Thomas von Aquin mit Recht als eine „species infidelitatis“ bestimmt, als eine Wesens- und Artgestalt des Unglaubens, und zwar als die gefährlichste, weil hierbei zugleich mit der Negation der göttlichen Wahrheit und der Leugnung der Heils-Wahrheit privativ die Todsünde mit-gesetzt wird, d.h. der Heils-Verlust. Nicht die Hartnäckigkeit des Häretikers ist das Entscheidende, sondern der häretische Habitus bzw. die habituell gewordene Häresie, die niemals ohne eigenes Verschulden Wirklichkeit wird. Die Häresie ist positiver (gesetzter) und vollendeter Unglaube gegenüber dem wahren Glauben und seiner Heilsnotwendigkeit. Darum hat es im Grunde auch wenig Sinn, eine formelle Häresie von einer materiellen zu unterscheiden, da sie weder von den Dogmen der Kirche abhängt noch erst durch sie in Erscheinung tritt. Zwar sagt man mit Recht, wer ein einziges Dogma leugnet, der leugnet auch alle übrigen. Aber warum ist das so? Gewöhnlich gibt man als Grund an: weil die Leugnung eines einzigen Dogmas bereits die Leugnung der Unfehlbarkeit der Kirche als solche impliziert. Doch ist diese Ansicht, obwohl nicht falsch, dennoch nicht stichhaltig oder zwingend, weil sie das Problem verschiebt und vom Wesen der Häresie nichts mehr in Erscheinung treten läßt, die eben nicht eine oder mehrere Glaubenswahrheiten leugnet oder anzweifelt, sondern zuerst die Unteilbarkeit der Glaubenswahrheit als solche und den wahren Glauben selbst. Und gerade dies läßt sich viel leichter feststellen, als man gewöhnlich meint, so daß man gar nicht darauf zu warten braucht, bis ein Häretiker endlich gegen ein Dogma verstößt, falls es ein solches überhaupt gibt, gegen das er verstoßen könnte. M.a.W.: mit der „fides catholica“ allein kommt man heute nicht weiter, und dies vor allem dann nicht, wenn kirchliche Dogmen nicht angegriffen, sondern geschickt unterlaufen oder neutralisiert werden. Wir leben heute in einer Zeit, wo man sozusagen vor lauter Häresien die Häresie und ihre Folgen nicht mehr sieht.

Die Häresie ist eine Sünde gegen die Tugend des Glaubens

Eine solche Leugnung einer mit göttlichem und katholischem Glauben anzunehmende Wahrheit ist eine Sünde – und zwar nicht nur irgendeine Sünde, sondern wie der hl. Thomas von Aquin sagt: „Offenbar ist die Sünde des Unglaubens größer als alle Sünden der Verkehrtheit der Sitten.“ Und er erklärt das noch genauer: „Die schwersten Sünden sind die, welche sich gegen die Gottheit selbst richten, wie die Sünde des Unglaubens und der Lästerung. An zweiter Stelle aber sind schwere Sünden die, welche sich gegen die Menschheit Christi richten. An dritter Stelle stehen die Sünden gegen die Sakramente, welche auf die Menschheit Christi Bezug haben. Und danach folgen die übrigen Sünden, die sich nur gegen geschaffene Wesen richten.“ Wenn man damit das Sündenbewußtsein des modernen Menschen vergleicht, dann wird einem der fundamentale Unterschied deutlich: Heute werden die Sünden gegen die Menschlichkeit – was das auch immer sein mag – als die größten Sünden dargestellt. Dagegen wird eine Sünde gegen Gott wie eine Bagatelle, eine nicht beachtenswerte Kleinigkeit angesehen, die übrigens nur noch rein privaten Charakter hat und nur dann strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, wenn die öffentliche Ruhe gestört wird. Das ist so, weil für den modernen Menschen Gott keine Wirklichkeit mehr ist.

Prof. Dr. D. Wendland gibt zu bedenken:

Nun aber richtet sich die Häresie mit aller Macht und Tücke direkt und unmittelbar gegen diesen Glauben, der auf dem geoffenbarten Gotteswort beruht, das in sich unfehlbar wahr und dadurch zum Heil des Menschen notwendig ist, so daß es, wenn es nicht intellektiv bejaht und voluntativ angenommen wird, die Wirkung nach sich zieht, den Menschen durch sein eigenes Verschulden in sein Unheil, in eine abgrundtiefe Heillosigkeit, d.h. in die Verdammnis zu stürzen, die sich der Mensch selber zuzieht. Denn es hat sich der allmächtige, wahre und heilige Gott nicht zum Spaß geoffenbart, so daß der Mensch in seinem Hochmut oder in seiner Dummheit es sich hernach leisten könnte, das Wort Gottes etwa nur „zu berücksichtigen“ oder auch nicht. So aber verhält es sich absolut nicht in Sachen der christlichen Religion, die die einzig wahre ist, andernfalls man sie nicht einmal als eine Religion bezeichnen könnte, sondern nur als eine primitive Weltanschauung ideologischer Natur, auch wenn diese sich das Schwindeletikett „katholisch“ zulegt.

Die modernistische Verkehrung des Glaubens

Ein sog. Modernist – also eine „Katholik“, der den wahren Glauben verloren und ihn durch einen Scheinglauben ersetzt hat – glaubt zwar noch, aber sein Glaube hat sich seinem Wesen nach verändert. Wenn man nur oberflächig diesen Glauben betrachtet, wird einem das nicht unbedingt auffallen – vor allem, wenn man einen konservativen Modernisten vor sich hat. Es ist darum unabdingbar, diese Wesensveränderung des Glaubens klar einzusehen. Der hl. Pius X. hat das System des Modernismus analysiert und aufgearbeitet. In seiner Enzyklika „Pascendi“ geht er auf die philosophische Wurzel des Modernismus näher ein. Es heißt darin:

„Beginnen wir mit der Philosophie (* - die höchste der rein natürlichen Wissenschaften). Als Grundlage der Religionsphilosophie (* =die rein natürliche Wissenschaft über die Verbindung des Menschen mit Gott) betrachten die Modernisten die unter dem Namen Agnostizismus (* = Lehre von der völligen Unerkennbarkeit Gottes) bekannte Doktrin. Nach ihr ist die menschliche Vernunft gänzlich auf die Phänomene (* = alles das, was mit den fünf Sinnen wahrnehmbar ist) beschränkt: das heißt, auf die Gegenstände, welche äußerlich in Erscheinung treten, und wie sie in diese äußere Erscheinung treten. Diese Grenzen zu überschreiten hat sie weder das Recht noch die Fähigkeit. Darum vermag sie sich auch nicht zu Gott zu erheben und auch nicht Seine Existenz aus den sichtbaren Dingen zu erkennen. Es folgt also, daß Gott auf keinen Fall direkt Gegenstand der Wissenschaft (* = des vernunftgemäß geordneten Aufbaues des Wissens) sein könne; und was die Geschichte betrifft: daß Gott in keiner Weise als Gegenstand der Geschichte (* NB: also letztlich als nicht wirklich existierend!) anzusehen sei.“

Für einen Modernisten ist Gott vollkommen unerkennbar, weil er mit keinem unserer Sinne wahrnehmbar ist. Unsere menschliche Vernunft ist auf die Phänomene, also auf die „sichtbaren“ Dinge beschränkt, sie hat also keinen (direkten) Zugang zu Gott. Der unsichtbare Gott ist für die menschliche Vernunft vollkommen unerreichbar, er ist außerhalb der vom Menschen erfahrbaren Welt. Ist aber der Vernunft der Weg zu Gott versperrt, wie kann der Mensch dann noch zu Gott gelangen? Wird damit nicht jeglicher Glaube an Gott unmöglich? Wie kann der Modernismus überhaupt noch eine Religion begründen? Folgen wir dazu weiter den Gedanken Pius X. in seiner Enzyklika „Pascendi“:

„Sie muß also im Menschen zu finden sein; und weil die Religion eine Art Einrichtung des Lebens ist, darum kann diese Erklärung nur im Leben des Menschen liegen. Daher das Prinzip der religiösen Immanenz (* d. h.: Religion ist auf das Innere des Menschen beschränkt). ... Weil also Gott der Gegenstand der Religion ist, so ergibt sich der Schluß, daß der Glaube, der Anfang und die Grundlage einer jeden Religion (* hier: = Verbindung mit Gott), in einem tiefinnerlichen Gefühle bestehe, welches aus dem Bedürfnis nach dem Göttlichen entspringt. Nun kann aber dieses „Bedürfnis nach dem Göttlichen“ an und für sich nicht in den Bereich des Bewußten gehören, weil es nur unter besonders günstigen Bedingungen fühlbar wird; zunächst bleibt es vielmehr unterhalb des Bewußtseins verborgen, oder wie sie es mit einem aus der modernen Philosophie entlehnten Ausdruck sagen: im Unterbewußtsein. Dort liegt auch seine Wurzel verborgen, und sie bleibt unentdeckbar“ ((Hl.) Papst Pius X., Apostolisches Rundschreiben Pascendi Dominici Gregis vom 8. September 1907; Freude an der Wahrheit Nr. 20, Karl Haselböck, Wien 1977/1991, S 8).

Das ist also die modernistische Lösung: Der Glaube ist ein „religiöses Gefühl“, ein inwendiges „Bedürfnis nach dem Göttlichen“, das dem Unterbewußtsein des Menschen entspringt! Die Wurzel dieses Gefühls aber ist unentdeckbar, unerkennbar, d.h. mit Hilfe der Vernunft niemals zu fassen. Deshalb ist dieser Glaube seinem Wesen nach unvernünftig, man glaubt, ohne einen vernünftigen Grund für den Glauben zu haben. Das kann natürlich nicht ohne entsprechende Konsequenzen bleiben. Zwei wichtige Folgerungen sollen hier kurz genannt werden:

  1. Wenn der Glaube nur ein religiöses Gefühl ist, gibt es keinen objektiven Unterschied mehr zwischen den verschiedenen Äußerungen dieses Unbewußten (= Konfessionen). Es gibt im Grunde keinen Irrglauben, sondern immer nur verschiedene Formen des Glaubens. Das ist die Grundlage des heutigen Ökumenismus.
  2. Ein Glaube, der bloßes subjektives Wunschdenken ist, kann keine wahre Wissenschaft mehr sein und keine den anderen Wissenschaften gleichrangige Erkenntnis mehr verbürgen, darum ist dieser „Glaube“ wissenschaftlich nicht mehr ernst zu nehmen. Der Glaube führt den Glaubenden in eine Phantasiewelt. Man muß nur fest glauben, dann ist es auch (für einen) wahr und wirklich.

Wie kann nun ein Modernist bei diesem Glaubensbegriff überhaupt noch von einer wahren Religion sprechen? Pius X. erläutert diesen dialektischen (ins Gegenteil sich wandelnden) Gedankensprung des modernistischen Systems folgendermaßen:

„Nun könnte jemand vielleicht fragen, wie denn dieses 'Bedürfnis nach dem Göttlichen', welches der Mensch in sich selbst verspüren soll, zur Religion werde. Darauf lautet die Antwort der Modernisten: Wissenschaft und Geschichte sind nach zwei Seiten hin begrenzt: erstens nach außen auf die sichtbare Welt, und zweitens nach innen auf das Bewußtsein. Ist eine dieser Grenzen erreicht, dann geht es für sie nicht weiter; denn darüber hinaus liegt das Unerkennbare. Angesichts dieses Unerkennbaren nun ... erregt das 'Bedürfnis nach dem Göttlichen' in einem religiös gestimmten Gemüte - in Übereinstimmung mit den Ideen des Fideismus (* = blinder Glaube ohne die Verstandesgrundlage) - ein Gefühl von eigener Art, ohne daß ein Urteil des Verstandes vorausgeht. In diesem Gefühle ist aber die Wirklichkeit Gottes selbst, sowohl als dessen Gegenstand als auch als dessen tiefste Ursache, enthalten: und es vereinigt den Menschen gewissermaßen mit Gott. Dieses Gefühl ist es, was die Modernisten 'Glauben' nennen: es ist ihnen der Anfang der Religion. ...“ (Ebd. S 6f).

Nach dem Modernismus ist die Religion eine gefühlsmäßige Antwort auf das Unerkennbare im Leben des Menschen. In diesem Unerkennbaren, außerhalb jeglicher Erfahrung Stehenden denkt sich der religiöse Mensch Gott. Der Glaube ist darum für den Modernisten nicht mehr im katholischen Sinne Anerkennung einer äußerlichen, objektiven göttlichen Offenbarung, sondern der Mensch „spürt“ Gott, er erlebt Gott in seinem Inneren und zwar, „ohne daß ein Urteil des Verstandes vorausgeht“. Trotzdem wird aber behauptet: „In diesem Gefühle ist aber die Wirklichkeit Gottes selbst.“ Wenn man dies liest, erhebt sich spontan der Einwand: Wie kann man das von den modernistischen Voraussetzungen her behaupten? Woher soll diese Wirklichkeit Gottes plötzlich kommen, die man doch schon grundsätzlich als unerkennbar geleugnet hat? Aus dem Gefühl des Menschen, sagt man. Aber welche Wirklichkeit sollte dieses Gefühl verbürgen können? Welchen Gott meint das religiöse Gefühl? Schließlich kann man auch einem Satanisten „religiöse Gefühle“ nicht absprechen, nur daß es völlig irregeleitete „religiöse Gefühle“ sind. Welchen Wert können also solche Gefühle für die wahre Religion haben? Pius X. erklärt uns auch dazu die Ansicht der Modernisten:

„Ihre Philosophie, oder besser ihre Träumerei, ist hier aber noch nicht zu Ende. Sie finden in dem beschriebenen Gefühle nicht nur den Glauben, sondern sie behaupten: bei dem Glauben und in dem so verstandenen „Glauben“ sei der Ort, wo die Offenbarung liege. Was könnte jemand zur Offenbarung noch mehr verlangen? Solle man es nicht „Offenbarung“ oder doch den „Anfang der Offenbarung“ nennen, wenn jenes „religiöse Gefühl“ im Bewußtsein auftaucht? Solle man nicht sagen, daß Gott selbst in eben diesem religiösen Gefühle, wenn auch eher unkenntlich, sich dem Gemüte „offenbar“ mache? Weiters unterstellen sie dann: Weil Gott zugleich Gegenstand und Ursache des Glaubens ist, so handelt jene „Offenbarung“ von Gott und rührt auch von ihm her. Sie umfasse Gott zugleich als den offenbarenden und als den Geoffenbarten.“ (Ebd. S 7ff).

Das „religiöse Gefühl“ wird auf einmal, durch die Hintertüre möchte man sagen, zum Ort der Offenbarung. Dort begegnet plötzlich Gott (?) dem Menschen, so daß man es sogar wahre „Offenbarung“, oder zumindest „Anfang der Offenbarung“ nennen kann. Leider muß man ganz nüchtern feststellen: Diese „Offenbarung“ hat einen entscheidenden Fehler, sie ist nur ein frommes Wunschdenken, das mit dem wahren Gott, der wahren Religion, dem wahren Glauben nichts mehr zu tun hat. Hier gibt es kein „wahr“ und „falsch“ mehr. Mit welchem Recht sollte denn ein Modernist dem anderen sagen können, „Meine religiöse Erfahrung ist richtig, Deine aber ist falsch!“, wenn es keine vernünftige Grundlage des Glaubens mehr gibt? Der Glaube wird somit zu einer völlig willkürlichen Angelegenheit! Jeder kann glauben, was er will, jeder hat seinen Gott, so wie er ihn denkt und fühlt und wünscht und erhofft. „Gott“ ist somit nur noch eine Worthülse für die „religiösen“ Phantasien der Menschen. „Gott“, das bedeutet nichts Konkretes, nichts Wirkliches mehr, es ist nur noch ein Name ohne Inhalt, der die allgemeine Religiosität des Menschen bezeichnet.

Erwägt man das von Pius X. erarbeitete Wesen des modernistischen Glaubensbegriffs, dann kann es einen wirklich nicht verwundern, daß die Modernisten mit Häresien (Irrglauben) keine Probleme haben. Für einen Modernisten gibt es letztlich keinen Irrglauben mehr, es gibt immer nur einen anderen Glauben.

Der Glaube im neuen Gewand

Der Modernismus ist ein gläubiger Unglaube. Ganz selbstverständlich ist für den modernen Menschen „Wahrheit“ immer wandelbar. Sie ist immer von der Geschichte, von der Zeit und den Umständen abhängig. Jeder Mensch hat seine eigene „Wahrheit“. Dem Modernisten geht es nicht darum, was man glaubt, sondern nur noch darum, daß und wie man glaubt. Es geht folgerichtig nicht mehr darum, ob das, was man glaubt, richtig oder falsch ist, sondern es geht vielmehr nur noch darum, ob jemand im Glauben weitherzig, verständig, rücksichtsvoll, liebevoll, tolerant, usw. ist. Anders gesagt: das Urteil verschiebt sich von der sachlichen auf die psychologische Ebene. Auf der psychologischen Ebene gibt es natürlich keine Sünde gegen den Glauben mehr, weil es doch jeder Mensch im Grunde gut meint – sogar der Atheist, also derjenige, der gar keinen Glauben mehr hat. Man sagt: Man muß den Menschen – mit seinem Denken, Glauben – aus dem soziologischen Umfeld heraus verstehen lernen, um ihn recht zu verstehen. Der Mensch denkt so oder anders, weil er in diesem oder jenem Umfeld aufgewachsen ist und lebt. Ja, er muß so denken und darf so denken, weil er so geworden ist. Es gibt keine objektive Wahrheit, mit der man alle Menschen über einen Kamm scheren kann. Diese könnte dem Menschen niemals gerecht werden, es gibt nur verschiedene Lebensentwürfe, Denkentwürfe, Interpretationsweisen vom eigenen Leben. Und niemand kann sagen und behaupten, sein Lebensentwurf sei allein richtig.

Dieses moderne Denken und Urteilen ist auf tausend Wegen ins Bewußtsein des heutigen Menschen eingeströmt. Wer diesen Wechsel der Ebenen nicht wahrnimmt oder wahrnehmen will, der versteht den modernen Menschen und sein Denken nicht. Nochmals: Im Grunde denkt der moderne Mensch nicht mehr vernünftig, sondern er fühlt, er empfindet, er spürt, er erlebt, er schwärmt, usw. Darum ist für den modernen Menschen die „Wahrheit“ seines Glaubens nicht einfach wahr, sondern sie ist schön, anziehend, beglückend oder hart, rücksichtslos, eingebildet, fundamentalistisch usw.

Der entscheidende Unterschied

Man muß es gut begreifen: Es ist ein wesentlicher Unterschied, wie man früher und wie man heute mit der „Wahrheit“ umgeht. Dieser Unterschied läßt sich gut verdeutlichen an der alten Art, Theologie zu treiben (d.i. die Wissenschaft über Gott und den wahren Glauben) und der neuen Art. Früher gab es in der Kirche unterschiedliche theologische Schulen (weshalb man von der Scholastik spricht). In diesen Schulen wurden diejenigen Fragen des Glaubens, die vom Lehramt noch nicht endgültig entschieden wurden, also weiterhin diskutiert werden konnten und mußten, unterschiedlich beantwortet. Aber dennoch waren alle diese theologischen Schulen in dem einen katholischen Glauben geeint, im Gehorsam gegen das Lehramt der Kirche, im Streben, der göttlichen Wahrheit zu dienen.

Heute gibt es keine theologischen Schulen mehr. Durch die Modernismuskrise haben sie sich aufgelöst, zusammen mit der Theologie als Wissenschaft. Es gibt dagegen konservative, gemäßigte, progressive, marxistische, feministische Theologen und entsprechend „Katholiken“. Diese verschiedenen Theologien (genauer Irrlehren) werden nicht mehr durch die Wahrheit des einen Glaubens und dem Gehorsam gegenüber dem Lehramt geeint. Es ist ein Nebeneinander sich widerstreitender Meinungen – oder genauer ausgedrückt, ein Nebeneinander von Irrlehren. Jeder moderne Theologieprofessor (und letztlich jeder moderne „Katholik“) ist sein eigener Glaube. In diesem modernistischen System des Irrtums ist das jedoch ganz in Ordnung. Schließlich sucht jeder Modernist gemäß seinem religiösen Gefühl nach seinem Glauben, nach dem Glauben, wie er ihn spürt und fühlt und erlebt. Wenn man als gläubiger Modernist nur ehrlich und weit genug ist, dann gibt es, wie wir gezeigt haben, gar keinen falschen Glauben mehr, sondern nur noch andere Glaubenserfahrungen – und das sind immer auch andere Heilswege oder sogar andere Religionen, usw.

Wenn jemand im Rahmen dieses modernistischen Glaubens noch die Wahrheit im alten Sinne suchen wollte, dann ist er sofort ein Fundamentalist, ein Hardliner, der nur deswegen nach einem Halt und einer übermenschliche Sicherheit sucht, einem Über-Ich, weil er mit der modernen Welt nicht mehr zurechtkommt. Mit anderen Worten, für einen modernen Menschen ist jemand, der noch glaubt, es gäbe eine ewige Wahrheit – also eine Wahrheit, die man auch erkennen muß und die einen absolut verpflichten kann – ein Psychopath, also jemand, der geistig krank ist. Die Wahrheit macht, so urteilt der moderne Mensch, hart, intolerant, eingebildet und sie macht letztlich krank.

Es ist freilich auffallend, daß es noch niemals so viele psychisch kranke Menschen gab wie – ja wie heute! Und die allermeisten sind nicht krank, weil sie noch an Gott und die Wahrheit glauben, haben doch die meisten ihren Glauben verloren, sondern im Gegenteil, sie sind krank, weil sie keinen Sinn in ihrem Leben finden und darum nicht mehr mit sich und ihren Problemen zurechtkommen. Offensichtlich macht der Unglaube viel mehr krank als der Glaube, so müßte man doch zumindest zugeben, wenn man die Dinge noch nüchtern und sachlich beurteilen würde.

Häresie in der sog. Tradition?

Daß ein Modernist Irrlehren nicht mehr ernst nimmt, das dürfte jedem, der den Gedanken des hl. Pius X. aufmerksam gefolgt ist und diese mitgedacht hat, nunmehr sofort einleuchten und nicht mehr verwundern. Wie ist es aber mit den sog. Traditionalisten? Kann man hier nicht dasselbe Phänomen feststellen?

Es ist doch auffallend, die Irrtümer, welche von den allermeisten Traditionalisten noch einigermaßen wahrgenommen werden (auch wenn sie nicht ernst genommen werden), sind ausschließlich moralischer Natur. Solange jemand noch gegen Abtreibung, Homoehe, Frauenpriestertum und für den Zölibat ist, ist alles andere nicht so schlimm. Der ganze Rest des göttlichen Glaubens ist letztlich nur noch Makulatur, Ausschußware.

Von einer Furcht vor der Häresie, einer Furcht, mit welcher man die schwersten Sünden selbstverständlich fürchten müßte, kann keine Rede mehr sein. Letztlich ist der Glaube lau geworden, das Salz ist schal geworden, womit soll es dann aber selber noch gesalzen werden?
Aber woher kommt dieses Fehlverhalten? Und sind wir selber nicht auch von diesem Fehlverhalten schon angesteckt? Sind nicht auch wir froh, wenn irgendein Prälat aus Rom irgendetwas katholisch Klingendes sagt – und sehen darin sofort wieder einen Hoffnungsschimmer? Erschrecken uns eigentlich die Irrtümer der Konzilskirche noch – die doch unzählbar viele geworden sind, unzählig viele Sünden gegen den hl. Glauben? Wir haben im letzten Beitrag gesehen, wenn jemand diese Konzilskirche als katholische Kirche ausgeben möchte, dann muß er diese Behauptung mit vielen Irrtümern erkaufen. Aber nehmen wir dies auch ernst? Sind wir am Ende nicht einfach froh, unsere alte Messe und die Sakramente zu haben – auch ohne den wahren Glauben? Ist für uns der Glaube nicht zweitrangig geworden, d.h. der Glaube kommt erst nach der hl. Messe und nicht vor ihr? Was nützt uns die alte Messe, wenn wir den falschen Glauben annehmen? Hören wir doch einmal aufmerksam in das, was sog. Traditionalisten alles gesagt und geschrieben haben, hinein.

Dazu ein Beispiel. Einer dieser sog. Traditionalisten sagt über seinen neuen „Papst“ in Rom:

„Wenn man sieht, wie die Feinde der Kirche diese Wahl begrüßt haben, ... sagt man sich: Holla, die Sache ist klar. … Er läßt sich von zwei protestantischen Pastoren segnen, das kann ja heiter werden! ... Gleichzeitig will er Ordnung schaffen. Da er ein Mann des Handelns ist, entschlossen, sogar despotisch in seiner Machtausübung, ist es nicht unmöglich, daß er Erfolg hat. Es ist nicht unmöglich, daß es ihm gelingt, Ordnung in die zutiefst korrumpierte Vatikanische Gesellschaft zu bringen. Und das wäre kein geringes Gut; es ist noch nicht der Glaube, aber wenn man beginnt, die Sitten zu verbessern, wäre das ein guter Anfang. Das ließe auf weiteres hoffen. Man wird sehen. … Er ist klug, er überstürzt die Dinge nicht, er hat niemanden abgeschoben, er läßt sich die völlige Freiheit, jedermann wegzuschicken, egal wohin, und sich zu nehmen, wen er will. Das ist nicht schlecht, das ist kein schlechtes Zeichen. Darum will ich ihn nicht vorschnell verurteilen, warten wir ab, seien wir klug. … Es gibt einen enormen Druck der Progressisten, all das rückgängig zu machen, was Benedikt XVI. getan hat; wird er also dem Druck widerstehen? Wird er durchhalten? Auf dem Gebiet der Moral könnte er standhalten. … In seinen Predigten sieht man, daß er den Glauben hat, … man sieht noch nicht die konkrete Anwendung, aber die Predigten sind nicht schlecht, er sagt bisweilen sehr gute Dinge; man sieht, daß er den Glauben hat, wenn er sagt, daß 'derjenige, der nicht Unseren Herrn predigt, den Teufel predigt'; ja, das ist nicht übel. Dem können wir nur voll beipflichten. … Ich wäre nicht erstaunt, wenn wir mit Papst Franziskus nicht mehr Gegensätze hätten als mit Papst Benedikt XVI., ich wäre nicht erstaunt. Ich bin kein Prophet, seien wir klug, überstürzen wir nichts, man wird sehen.“

Sie haben ganz richtig gelesen, dieser Traditionalist meint allen Ernstes, Jorge Mario Bergoglio, alias Franziskus I., habe den Glauben. Damit die Aussage einen einigermaßen vernünftigen Sinn hat (wenn man das Ganze liest, fällt es einem freilich schwer, anzunehmen, daß es so ist), gehe ich einfach einmal davon aus, daß damit der katholische Glaube gemeint ist. Die Aussage wird damit begründet, weil man sieht, daß er den Glauben hat, wenn er sagt, daß „derjenige, der nicht Unseren Herrn predigt, den Teufel predigt“; ja, das ist nicht übel. Dem können wir nur voll beipflichten. Ist diese Begründung für den wahren, katholischen Glauben nicht verrückt? Jeder christliche Sektierer würde ebenfalls sagen, daß „derjenige, der nicht Unseren Herrn predigt, den Teufel predigt“. Etwa ein Martin Luther würde diese Aussage sicher aufs Heftigste bejahen und entsprechend derb formulieren. Hat also Martin Luther den Glauben, weil er überzeugt ist, daß derjenige, der nicht Unseren Herrn predigt, den Teufel predigt? Ganz sicher nicht! Luther ist einer der schlimmsten Häretiker, ein Glaubenszerstörer, ein Sektierer! Es ist kaum noch zu fassen, wie jemand, der sich Traditionalist nennt, so undifferenziert, naiv, unreflektiert und unverantwortlich zu seinen Gläubigen über den Glauben sprechen kann, von dem er wissen sollte: „Wer selig werden will, muß vor allem den katholischen Glauben festhalten. Ein jeder, der diesen nicht in seinem ganzen Umfang und unverletzt bewahrt, geht ohne Zweifel auf ewig verloren.“

Der hier zitierte Traditionalist heißt übrigens Bernard Fellay und hat Obiges am 7. Mai 2013 in der Stadt Lille / Frankreich seinen Gläubigen gesagt. Ob wohl seine Gläubigen nach solcher Rede noch wußten, was katholischer Glaube wesentlich immer sein muß und ob sie wohl die Häresie noch fürchteten, wenn doch der Häretiker Jorge Mario Bergoglio den Glauben hat?

Überlassen wir den Schlußgedanken zu unseren Ausführungen nochmals Prof. Dr. D. Wendland:

Manche Traditionalisten erzählen von großen Kämpfen, die irgendwo stattgefunden haben sollen. Aber leider haben wir auf ihren Schlachtfeldern noch keine Leichen entdeckt. Es genügt auch nicht, sich nur als „Aussteiger“ zu fühlen oder in der Konzilskirche nicht mitzumachen oder zu meinen, heute sei die große Stunde für „Selbstheiligung“ angebrochen, wie man oft hören kann. Christus wird uns einmal sehr wahrscheinlich gar nicht fragen, was habt ihr für eure Selbstheiligung getan, sondern was habt ihr für Mich getan - und damit gegen die Häretiker und Apostaten, die in der Tat einen totalen Krieg führen, angefangen bei den Familien, Kinder und Großmütter eingeschlossen. Bislang gibt es nur Schlachtfelder unter dem Mond, nicht aber auf der Erde, dem Terrain der vom Roncalli-"Papst" und seinen Nachfolgern zerstörten „Ecclesia militans“ (= streitende Kirche). Oder soll sich die Frage Christi, die viele wohl vergessen haben, bald bewahrheiten: „Wird der Menschensohn bei seinem Kommen (d.h. dem Wiederkommen zum Gericht) den Glauben finden auf Erden?“ (Lk 18,8), wenn anstatt des wahren Glaubens nur noch ein häretischer Unglaube die Geister beherrscht?
Vielleicht wird man sich jetzt leichter die Fragen beantworten können, warum die Häresie-Anklagen gegen die Bischöfe nichts fruchteten und warum so viele Priester und Laien in ihrem katholisierenden Traditionalistengehabe regungslos verharrten oder sich wie verschreckte Schafe gebärdeten, ganz abgesehen von denen, die sogar Häretiker und Apostaten inständig darum baten, den Meßordo eines Roncalli (= die tridentinische Messe nach den Rubriken von 1962) bei gleichzeitiger Bejahung des Montini-NOM (Neue Messe Pauls VI.) feiern zu dürfen. War das bereits ein Syndrom religiösen Wahnsinns im klinisch-psychopathologischen Sinne oder bloß „theologischer Schwachsinn“ altgläubiger Seelchen mit frommem Gemüt? Manche schrieben sogar nach Rom, um sich beim „Heiligsten Vater“ für sein doch so leicht durchschaubares Betrugs-Dekret „in tiefer Treue und ehrfürchtigem Gehorsam“ zu bedanken. Auch daran konnte man ermessen, wie tief Häresien gehen und in welchem Umfang sie sich auswirken. Darum muß man heute auf die, wie man noch im Hochmittelalter (dem von allen Ungebildeten verketzerten) sagte, Dogmata Christi (Lehren Christi) rekurrieren, um häretische und apostatische Realitäten deutlich zu erkennen und in dem zu durchschauen, was sie sind, einschließlich ihrer verheerenden Folgen.