Jetzt also doch! Unter dem Titel „Eine wahre Schändung des heiligsten Ortes der Christenheit“ vermeldete „kath.net“ einen „Skandal-Vorgang im Petersdom“. Demnach gab es am „vergangenen Freitag einen weiteren geschmacklosen Vorgang“ in jener Kirche: „Ein Mann urinierte an den Altar.“ „Die Sicherheitskräfte sollen sehr spät erst eingeschritten sein.“ Ein Tradi-Blog sprach von einer „äußerst schwerwiegenden Tat“. „Papst Leo“ habe die Nachricht von diesem Vorfall „mit Bestürzung aufgenommen“ und, wie ein „Update“ nachzuliefern wußte, nach dieser „neuen Entweihung“ eine „sofortige Bußzeremonie im Petersdom angeordnet“.
Bußzeremonie
Den Vollzug der „Zeremonie“ meldete „kath.net“ am 14. Oktober: „Auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes fand der Ritus, bei dem der Altar und das Kirchenschiff mit Weihwasser besprengt wurden und Bußgebete und Psalmen gebetet wurden, am gestrigen Montag gegen 12.30 Uhr statt“, unter Ausschluß jeglichen Publikums. Der „mutmaßliche Täter dieses Sakrilegs“, über den es keinerlei nähere Informationen gibt, befindet sich noch in Haft bei der „vatikanischen Gendarmerie“. Ob wenigstens seit der „Schändung“ am Freitag bis zur „Bußzeremonie“ am Montag auch sämtliche Gottesdiensthandlungen im Petersdom unterblieben, wie es das Kirchenrecht verlangt, wird nicht mitgeteilt.
Na also. Jetzt haben die Tradis doch noch ihre „Bußzeremonie“ im Petersdom bekommen, gerade rechtzeitig bevor Burke dort sein Prunkamt im „traditionellen lateinischen Ritus“ für die „Summorum-Pontificum“-Wallfahrt aufführt. Was alle Greuel der letzten Jahrzehnte nicht vermochten, hat dieser „Mann“ mit seiner „wahren Schändung“ zuwege gebracht. Angesichts des „sehr späten“ Eingreifens der „Sicherheitskräfte“ kann man zu allerhand Spekulationen verleitet werden, z.B. ob nicht eine politische Absicht dahinter stecken könnte und man die Gelegenheit nützte, den „Traditionalisten“ mit ihrem Verlangen nach einer „Entsühnung“ entgegenzukommen, ohne die Regenbogenleute zu brüskieren, durch welche die Tradis die Kirche geschändet sehen. Man könnte natürlich auch eine Frucht des Akts der „Wiedergutmachung“ durch die vier Tradi-„Bischöfe“ in Pittsburgh von vor gut einer Woche darin sehen (Großes Theater), welcher bewirkte, daß die Vorsehung nun auf diese Weise für eine „Entsühnung“ sorgte. Wer weiß…
„Smartphone“-Debatte
Merkwürdig ist, daß wir auf dem Tradi-Boulevard-Portal „Gloria.tv“, das sich sonst keinen Skandal entgehen läßt und ausführlich über die „Entweihung“ durch die Regenbogenwallfahrt und die „Wiedergutmachung“ das „Bischofs“-Kleeblatt berichtet hat, bisher nichts über den Vorgang gefunden haben. Unterdessen erregte dort ein Foto von „Weihbischof“ Schneider den Unmut einiger Tradis, welches ihn zeigt, wie er mit einem „Smartphone“ in der Hand Rosenkränze „segnet“. „Schade, dass kein Rituale zur Hand war – diese Handy-Nutzung im liturgischen Kontext gehört verboten“, bemerkte dazu die „Posterin“ des Beitrags.
Leser „Franz Xaver“ reagierte erbost: „So ein Blödsinn, es gibt kein Verbot der Nutzung einer digitalen Version des rituale romanum; ich nenne jeden, der Exzellenz Schneider unerlaubte und ungültige Verwendung einer digitalen Version unterstellt, einen Wirrkopf, Lügner oder Dummkopf.“ „Theodorus“ erwiderte darauf gelassen: „Sorry, das Gegenteilteil ist richtig. Ein Handy ist zu keinem Zeitpunkt wirklich sicher davor gehackt oder manipuliert zu werden. Es ist somit völlig ungeignet [sic!] als liturgischer Gegenstand genutzt oder gar gesegnet zu werden.“ (Vielleicht wäre das eine gute Idee gewesen, das „Smartphone“ selber zu segnen; dann wäre es womöglich dagegen gesichert, „gehackt oder manipuliert zu werden“.) „Andreas von Rinn“ beschwichtigte: „Es spricht nichts dagegen, das Rituale Romanum auf das Handy zu laden und zu nützen. Vor allem, wenn man so viel auf Reisen ist wie Bischof Athanasius.“
Die Macht der Bilder
Das eigentliche Problem hat freilich niemand gesehen, daß nämlich derjenige, der hier die „Segnung von Rosenkränzen“ vornimmt – ob mit „digitaler“ oder „analoger“ Version des „Rituale Romanum“ – gar keine Rosenkränze segnen kann, weil er mit Sicherheit keine gültige Bischofsweihe und ziemlich sicher nicht einmal eine gültige Priesterweihe hat (der „Bischof“, der ihn „weihte“, Manuel Pestana Filho, war 1979 „konsekriert“ worden, also im ungültigen „neuen Ritus“), weshalb hier zumindest die Gefahr der Simulation eines Sakramentale besteht. Aber das stört die „Traditionalisten“ nicht. Ob Messen gültig gefeiert, Sakramente oder Sakramentalien gültig gespendet oder nur simuliert werden, das ist ihnen einerlei, solange es nur nach dem „überlieferten Ritus Romanus“ geschieht. Es ist allein der äußere Eindruck, der zählt.
Wenn ein Mann in violettgeränderter Soutane mit violettem Käppi auf dem Kopf und einem „römischen Rituale“ in der Hand „Weihwasser“ auf Rosenkränze sprengt, dann ist das eben eine Segnung, und eine besonders würdige und wertvolle dazu, weil es ja ein „Bischof“ ist. „Hochgeweihte“ Rosenkränze sozusagen. Wenn der Greuel des „Novus Ordo“ laufend den Petersdom schändet, ist das kein Problem. Erst wenn Regenbogenleute dort eine bunte Parade abhalten, wird es kritisch, und eine wahre Schändung liegt nur vor, wenn ein Mann dort „uriniert“. Wenn dann ein Mann in Weiß im Vatikan den Befehl gibt, daß ein anderer Mann – wer auch immer – im Petersdom ein wenig „Weihwasser“ verspritzt – das aufgrund fehlender Weihe gar kein „Weihwasser“ ist – und ein paar „Bußgebete und Psalmen gebetet“ werden, dann ist das eine „Bußzeremonie“, die den Petersdom in Nullkommanichts von allen „Entweihungen“ reinigt – jedenfalls solange der Mann dabei kein „Smartphone“ in den Händen hält, denn das würde das Bild stören.
Die Welt in Bildern
So simpel ist die Weltsicht der „Traditionalisten“. Es ist die Sicht der Welt in Bildern, wie wir sie von „Comics“ und natürlich den modernen Medien her kennen, die pausenlos Bilder, bevorzugt bewegte, an uns vorüberziehen lassen, welche sich der Phantasie einprägen, aber keine Zeit dazu geben, ein Bild zu betrachten und den Geist dazu einzuschalten. Denn sonst könnten Bilder tatsächlich gefährlich werden. Wer sich nicht einfach oberflächlich von ihnen berieseln läßt, sondern genau hinsieht, käme womöglich der Wahrheit auf die Spur. Wenn er dann noch anfängt, nicht nur Bilder anzuschauen, sondern auch seriöse Texte zu lesen, dann – ja dann, könnte er sich womöglich vom „Traditionalisten“ zum wahren Katholiken bekehren. Das aber geht nicht, denn sonst würde er ja – Gott stehe uns bei! – dem „Sedisvakantismus“ verfallen, dem schlechterdings schlimmsten aller Übel.
Somit bleibt ihm nichts, als sich sofort wieder vom Propaganda-Gewitter der Tradi-Portale den Kopf vernebeln zu lassen und sich beim Anblick der Bilder prunkvoller Ämter in barocken Gewändern mit viel Weihrauch im schroffen Gegensatz zu Regenbogenparaden in wohliger Traumseligkeit dem Wahn hinzugeben, zur Elite der Gerechten zu gehören, die der „TLM“ anhangen. „Gott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie die übrigen Menschen, die Modernisten, Ungläubigen oder diese Regenbogenleute da. Ich besuche täglich die Lateinische Messe, gehe eifrig zu den Sakramenten und unterstütze traditionalistische Organisationen. Und zum Glück bin ich kein Sedisvakantist, denn ich anerkenne ja den Papst!“ Tja, könnte das nicht oftmals die dahinter steckende Haltung sein, der Grund für die Flucht in die Welt der Bilder?