Leo und die Brandmauer (2)

Die durchlauchtigste Fürstin Gloria, so haben wir vernommen, hat in ihrem neuen „Interviewbuch“ unter vielem anderen die erstaunliche Aussage gemacht, die „Piusbruderschaft“ sei „einst“ schismatisch gewesen, sei es nun aber nicht mehr. Das habe irgendein obskures „päpstliches Schreiben“ ergeben. Die bösen „Bischöfe“ wollten, daß jene, „die die tridentinische Messe schätzen“, aus der „Kirche“ ausgeschlossen und hinter eine „Brandmauer“ verbannt würden, obwohl doch „weit mehr Menschen“ diese Messe besuchen, von welcher „die örtlichen Bischöfe“ gar nicht wollten, „dass sie gefeiert wird“.

Messe in Latein

Wir hatten unserer Vermutung Ausdruck verliehen, die Fürstin halte das Schisma für beendet durch die „Freigabe der Alten Messe“. Denn der Status der „TLM“ in der „Konziliaren Kirche“ ist im Grunde das einzige, was die „Traditionalisten“ interessiert. Ist die „TLM“ drin, dann sind sie auch drin, ist sie draußen, sind sie es auch. Mit höchster Spannung verfolgen sie jeden Schritt, den Prevost alias „Leo XIV.“ tut, und lauschen auf jedes Wort, das er spricht, ob es nicht einen Bezug auf sie und ihre „TLM“ habe und er sie hinter ihrer „Brandmauer“ hervorhole (jene „Brandmauer“ übrigens, die sie von ihrer Seite aus sorgfältig aufrecht erhalten und fleißig reparieren und weiterbauen). Und tatsächlich, in einem Interview – die neue Art der Lehrverkündigung –, das die Journalistin Elise Ann Allen von „Crux“ in Buchform herausgegeben hat („Interviewbücher“ sind das passende Format nicht nur für Fürstinnen, sich huldvoll an ihr Volk zu wenden, sondern auch für „Päpste“) äußert sich „Leo“ auch zur „TLM“ angelegentlich der Frage der Interviewerin nach den Hintergründen der „Studiengruppe für Liturgie“, ob diese eingerichtet worden sei, um die „Spaltungen“ um die „TLM“ zu behandeln oder für andere Fragen wie die des „neuen Amazonas-Ritus“.

Darauf „Leo XIV.“: „Nach meinem Verständnis wurde die Gruppe primär für Themen gegründet, die mit der Inkulturation der Liturgie zu tun haben.“ Dies sei der Hauptzweck gewesen. Freilich gebe es ein weiteres „heißes Eisen“, zu dem ihn bereits zahlreiche Anfragen und Briefe erreicht hätten (denn rührig sind sie, die „Traditionalisten“, und verstehen es, lautstark auf sich aufmerksam zu machen), nämlich das, was man zumeist die „Lateinische Messe“ nenne. Doch die „Messe in Latein“ könne man auch jetzt schon lesen, und Prevost sieht darin kein Problem, solange es der „Ritus des II. Vatikanums“ ist. (Das haben die „Traditionalisten“ von ihrem ständigen Herumgereite auf dem „Latein“! Eine „Messe in Latein“ ist eben die „lateinische Messe“, ob „alt“ oder „neu“, protestantisch oder Hindu spielt gar keine Rolle.) Er sei sich „nicht sicher, wie es zwischen der Tridentinischen Messe und der Messe des Zweiten Vatikanischen Konzils, der Messe von Paul VI., weitergehen wird“. Die ganze Angelegenheit sei „offensichtlich sehr kompliziert“. Offensichtlich ist für uns auf jeden Fall, daß er sich mit diesem Thema bisher kaum oder gar nicht beschäftigt hat. Warum auch? In Peru und seinen sonstigen bisherigen Tätigkeitsfeldern wird es dafür kaum einen Anlaß gegeben haben. Wen interessiert dort die „Messe in Latein“, wenn die Menschen ganz andere Probleme haben?

Spaltpilz

Allerdings das sieht er sehr wohl, daß die Angelegenheit einen Spaltpilz in sich trägt, und äußert den Verdacht, daß die Liturgiefrage nur vorgeschoben wird, um andere Ziele zu verfolgen. Sie sei unglücklicherweise ein „politisches Instrument“ geworden, womit er nicht unrecht hat. Gewisse „Mißbräuche“ in der „Liturgie“ der „Vatikanum-II-Messe“ seien es zweifellos gewesen, welche die Leute abgeschreckt und in die Arme der „Tridentinischen Messe“ getrieben hätten. Doch statt dadurch eine Spaltung entstehen zu lassen, solle man doch lieber die „Vatikanum-II-Liturgie“ in einer würdigen Weise feiern und würde dann finden, daß zwischen der „Erfahrung“ dieser und der anderen Messe kaum ein Unterschied bestehe. Ähnlich hatte sich tatsächlich vor etlichen Jahren der damalige Vorsitzende der „Piusbruderschaft“ geäußert, als er sich auf Biegen und Brechen bemühte, die „Spaltung“ zu überwinden und in den Schoß der „Konzilskirche“ zurückzukehren.

Leider, so Prevost, habe er bislang nicht die Zeit gefunden, sich in Ruhe hinzusetzen und mit einer Gruppe von Befürwortern des „tridentinischen Ritus“ zu sprechen, doch werde sich sicherlich bald eine Gelegenheit ergeben. Es sei dies ein Thema, welches man im Sinne der „Synodalität“ in einem Gesprächskreis behandeln müsse, um die Polarisierungen zu überwinden. Bischöfe hätten ihm geklagt: Wir wollten mit ihnen – den Tradis – sprechen, aber sie wollten nicht einmal hören oder darüber reden. Das sei ein Problem. Es bedeute, „dass wir uns jetzt mit Ideologie beschäftigen und nicht mehr mit der Erfahrung der kirchlichen Gemeinschaft“. Das sei „eines der Themen auf der Tagesordnung“. Das sieht er ganz richtig. Der „Traditionalismus“ ist eine Ideologie und ein politisches Phänomen. Ohnehin ist die „Konziliare Kirche“ ein rein politisches und polymorphes Gebilde, deren Einheit nicht auf der Wahrheit des Glaubens beruht, die man auf dem „II. Vatikanum“ verabschiedet hat, sondern im fortwährenden „Dialog“, dem „synodalen Prozeß“, je und je gesucht und neu „ausgehandelt“ werden muß. In diesen Prozeß müssen auch die Tradis integriert werden, wenn anders Prevost seiner Aufgabe als Moderator der „synodalen“ Gemeinschaft gerecht werden will.

„Der Papst ist katholisch“

Der „Caminante Wanderer“, ein „argentinischer Philosoph und Blogger“, zeigte sich von dem Interview recht angetan, auch wenn er sich nach eigenem Bekenntnis „nicht daran gewöhnen“ kann, „daß Päpste Interviews geben“, und es ihm lieber wäre, „wenn sie dieses Format ganz vermeiden würden“. Er wird sich daran gewöhnen müssen, denn schon seit Jahrzehnten rückt das „Interview“ immer mehr in den Vordergrund und ist, wie wir bereits sagten, inzwischen das bevorzugte Medium der „Lehrverkündigung“ geworden, bei den „Konziliaren“ ebenso wie bei den „Tradis“.

Nach dieser Vorbemerkung erfolgt die erste Feststellung: „Der Papst ist katholisch“. Im Grunde ist das eine schiere Selbstverständlichkeit, eine Tautologie oder vielmehr ein Pleonasmus, so wie wenn wir sagen: Der Schimmel ist weiß. Natürlich ist der Papst katholisch, so wie der Schimmel weiß ist. Er ist katholisch oder er ist nicht Papst, so wie der Schimmel weiß ist oder er ist kein Schimmel. Ja, mehr noch, der Papst ist sogar sozusagen das Synonym für „katholisch“. Denn das ist katholisch, was der Papst glaubt, dort ist die katholische Kirche, wo der Papst ist. Er ist das Maß, er ist die Regel für das, was katholisch ist. Was der „Caminante“ meint, ist etwas anderes, nämlich daß Prevost in seinen Augen katholisch ist; zugleich ist Prevost für ihn der Papst. Somit kann es für diesen merkwürdigen „Philosophen“ auch einen Papst geben, der nicht katholisch ist und trotzdem Papst, oder einen Schimmel, der nicht weiß ist und trotzdem ein Schimmel. Erstaunlich, aber in der „modernen Philosophie“ ist ja alles möglich. Da sie auf dem Agnostizismus beruht und nur Phänomene betrachtet, ist der Satz, daß ein Schimmel weiß sei, nur solange gültig, bis ihr ein schwarzer Schimmel begegnet, wobei es ihr egal ist, daß das vom Begriff her vollkommen unmöglich ist. Wahre Begriffe gibt es nicht, sondern nur Beschreibungen bzw. „Erfahrungen“. Darum ist ein schwarzer Schimmel grundsätzlich ebenso denkbar wie ein akatholischer Papst.

Doch zum Glück kann bei Prevost Entwarnung gegeben werden. Er ist – Überraschung! – ein „katholischer Papst“. Woher der „Caminante“ das weiß? Weil er Prevost einige Dinge hat sagen hören, die „Franziskus“ „nie gesagt hat, sondern eher das Gegenteil davon zum Ausdruck brachte oder andeutete“. Natürlich, wenn einer das „Gegenteil“ von „Franziskus“ sagt, kann er nur katholisch sein! Darum gilt dem „Wanderer“ „Leo“ als zweifellos „katholisch“, und er „wäre versucht, wenn ich einen Glockenturm bei mir zuhause hätte, sofort die Glocken läuten zu lassen“, denn seit „der Zeit Benedikts XVI. haben wir keine so klaren und katholischen Aussagen mehr gehört“. Wie wir schon mehrfach sagten sind die „Traditionalisten“ sehr genügsam geworden. Ein astreiner Modernist wie Ratzinger ist für sie ein Muster an Katholizität, und wenn einer sich nicht als Kobold aufführt wie Bergoglio und wieder anständige Kleidung trägt, kann es nicht fehlen, daß er ebenso „katholisch“ ist wie Ratzinger. Ein Grund, die Glocken zu läuten!

„Synodalität“ statt Lehrurteil

Die „Synodalität“ ist der zweite Punkt beim „Wanderer“, und auch da gibt er Entwarnung. Wenngleich „Leo“ den „synodalen Weg“ des „Franziskus“ erklärtermaßen fortsetzen wolle, so verstehe er unter Synodalität doch „nichts anderes ist als das, was die Kirche über viele Jahrhunderte praktiziert hat: allen zuzuhören“. Das sei etwa auf den „ökumenischen Konzilien“ so gewesen wie z.B. in Trient, wo man sogar Luthern eingeladen habe, „um dort zu sprechen“. So habe es die Kirche immer gehalten, und wenn er nun Bilder von „Leo“ mit irgendwelchen zweifelhaften Gestalten sehe, so denke er daran, daß er „vor Jahrhunderten … ähnliche Bilder gesehen“ hätte, „mit weit gefährlicheren Häretikern“.

Den großen Unterschied hat der „Caminante“ in seiner Euphorie vollkommen ausgeblendet, daß nämlich Häretiker früher nicht eingeladen wurden, um im Sinne der „Synodalität“ „allen zuzuhören“, sondern um über ihre irrigen Lehren ein kompetentes Urteil fällen zu können. Während Päpste und Konzilien dieses klare Urteil niemals unterließen und gegen den, der sich nicht beugen wollte, das Anathema aussprachen, vermeidet die „Synodale Kirche“ in ihrer „Barmherzigkeit“ und „Toleranz“ jeden Anschein davon, ganz nach der Vorgabe des „heiligen Johannes XXIII.“, der bei seiner Ansprache zur Eröffnung des „II. Vatikanums“ am 11. Oktober 1962 die unvergeßlichen Worte sprach: „Die Kirche hat Irrtümern zu allen Zeiten widerstanden, oft hat sie sie verurteilt, manchmal mit großer Strenge. Heute dagegen möchte die Braut Christi lieber das Heilmittel der Barmherzigkeit anwenden als die Waffe der Strenge. Sie glaubt, es sei den heutigen Notwendigkeiten angemessener, die Kraft ihrer Lehre ausgiebig zu erklären, als zu verurteilen.“ Gesprächskreise eben statt Lehrurteilen, „Synodalität“ statt Wahrheit. Nach dem Motto: „Gut, daß wir darüber geredet haben.“

Eindeutig katholisch

Zum Thema „Die Weihe von Frauen“ habe Prevost gesagt: „Ich habe momentan nicht die Absicht, die Lehre der Kirche zu diesem Thema zu ändern.“ Das freut uns (wenngleich wir nicht wissen, welche „Lehre“ welcher „Kirche“ er meint) und weist ihn in den Augen des „Wanderers“ als eindeutig katholisch aus, wenngleich ihm an dieser Stelle die Formulierung „momentan“ auffällt. Der „Caminante“ findet es „verständlich, daß das Unzufriedenheit hervorruft, und viele, meiner Ansicht nach zu Unrecht, annehmen, diese Formulierung impliziere zwangsläufig, daß der Papst in Zukunft eine Änderung dieser Lehre in Betracht ziehen könnte“. Jedoch setzt er trotzig entgegen: „Ich denke das nicht“, und versucht uns als Philosoph, der er ja ist, in einer komplizierten logischen Gleichung darzulegen, was „der Papst“ hier gesagt habe und was nicht

Diese Akrobatik ersparen wir uns. Tatsache bleibt, daß eine Aussage wie: „Ich habe momentan nicht die Absicht, die Lehre der Kirche zu diesem Thema zu ändern“, für jeden unbedarften Hörer, der nicht die hohe Kunst der Pseudo-Logik bzw. Sophistik beherrscht, die aus Stroh Gold spinnen kann, die Bedeutung hat: Ich könnte die Lehre der Kirche zu diesem Thema ändern, aber ich will es nicht, jedenfalls jetzt nicht. Vielleicht später. Oder vielleicht will es jemand anderer später tun und tut es auch. Die „Lehre der Kirche“ ist auf jeden Fall änderbar. „Eindeutig katholisch“ ist etwas anderes. Doch was sagt der „Wanderer“ zu Prevosts Aussagen über die „TLM“? Das ist doch das einzige, was die „Traditionalisten“ wirklich interessiert! Das schauen wir uns ein andermal an.